Ausländische Straftäter, vorzüglich aus dem osteuropäischen oder arabischen Raum, haben deutlich höhere Chancen in der Kronen Zeitung zu landen als Österreicher. Eine Spurensuche.
Laut Kriminalstatistik waren im Jahr 2017 fast zwei von drei (60,9%) aller angezeigten Personen Österreicher. Fast 40 Prozent waren Ausländer, wobei hier Touristen und alle anderen, die nur kurz im Land sind, mitgerechnet werden.
Wir wollten wissen, wie das Verhältnis zwischen inländischen und ausländischen Tatverdächtigen in den Berichten der Kronen Zeitung aussieht. Wie oft bringt die Krone bei unterschiedlichen Delikten Fälle, in denen die Täter Ausländer sind? Und wie groß ist dem gegenüber ihr Anteil in der offiziellen Statistik?
Wir haben 324 Berichte der Kronen Zeitung aus dem Jahr 2017 untersucht, in denen es um verschiedene Kriminalfälle ging. In 188 dieser Artikel waren die Tatverdächtigen ausländischer Herkunft, das entspricht fast 60 Prozent aller Berichte. Lediglich 76 Artikel drehten sich um österreichische Tatverdächtige, in den übrigen 60 wurde keine Herkunft explizit genannt.
Aber nicht nur wie oft, sondern auch wie – mit welchen Bezeichnungen, Sprachbildern und Zuschreibungen ausländische Kriminelle im Vergleich zu österreichischen vorkommen, ist durchaus bemerkenswert. Das dominierende Bild in der Kronen Zeitung: Osteuropäer, Afrikaner und Geflüchtete – vor allem Afghanen, Syrer und Iraker – sind nicht nur kriminell, sondern besonders „brutal“, „aggressiv“ und handeln aus niederen oder gar keinen erkennbaren Motiven. Bei inländischen Tatverdächtigen waren solche Zuschreibungen selten zu finden.
Die Realität der Krone 2017 und die Realität der Anzeigenstatistik:
Quelle: Eigene Erhebung, Sicherheitsbericht 2017 des BMI.
Wenn die Kronen Zeitung etwa über Sexualdelikte schreibt, dann sind in 89 Prozent der Berichte die Verdächtigen Ausländer. Ihr Anteil laut Statistik liegt hingegen bei nur 40 Prozent. Bei Artikeln zu Morden, Einbrüchen, Diebstählen und Raub ist dieses Missverhältnis zwar deutlich kleiner, aber wie die Krone berichtet, ist auch hier mitunter problematisch. Aber schauen wir uns einige der einzelnen Delikte im Detail an:
1. Wo sind die heimischen Dealer?
Bei Berichten über Drogen vermittelt die Krone das Bild, dass Dealer fast ausschließlich aus Afrika, Afghanistan und Osteuropa kommen. Österreicher sind eher selten in der Rolle der Tatverdächtigen, obwohl sie laut Statistik 63,2% der Tatverdächtigen ausmachen. Und obwohl deutsche Staatsbürger im Ranking der fremden Tatverdächtigen nach dem Suchtmittelgesetz den vierten Platz besetzen, haben wir für das Jahr 2017 keinen einzigen Artikel in der Krone über einen deutschen Drogendealer gefunden.
Das Verhältnis von ausländischen zu inländischen Drogendealern wird in der Krone auf den Kopf gestellt: Laut Kriminalstatistik waren 2017 zwei von drei Dealern Österreicher. In der Krone sind jedoch zwei von drei Dealern Ausländer:
- Von 46 ausgewerteten Artikeln im Bereich Suchtmittelkriminalität mit eindeutiger Herkunftsbezeichung sind in 30 Artikeln die Tatverdächtigen Nicht-Österreicher sind, das entspricht 65%.
- In 16 Artikeln über Drogenkriminalität kommen die Tatverdächtigen aus Österreich.
- In 4 weiteren Artikeln gibt es keine Herkunftsbezeichnung.
Zudem gibt es immer wieder sprachliche Unterschiede: Während bei österreichischen Tätern oft auf die Hintergründe einer Tat eingegangen wird und man eher Einzelfälle beschreibt, pauschalisiert die Krone die Straftaten von Ausländern und schreibt ihnen negative Eigenschaften wie Brutalität und Aggressivität zu.
So heißt es in einem Artikel zu einem Dealer aus Marokko „… wenig überraschend im Dunstkreis der Nordafrikanerszene“.
Wo hingegen die Krone bei österreichischen Tätern ein nachvollziehbares Motiv in den Vordergrund rückt: „Lehrling besserte mageres Gehalt mit Drogenhandel auf.“
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In dem folgenden Fall aus Tirol geht es um einen 38-jährigen Langzeitarbeitslosen, der mit dem Dealen seine Sucht finanziert:
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Bei ausländischen Dealern zeigen die angegebenen Gründe eher, was für einen hedonistischen Lebensstil sie führen – Foto inklusive. Drei Mal erwähnt die Kronen Zeitung im folgenden Artikel, dass der Dealer einen S-Klasse Mercedes fährt:
2. Wo sind die heimischen Sexualverbrecher?
2017 wurden 2.501 Tatverdächtige wegen Vergewaltigung, sexueller Missbrauch oder sexuelle Belästigung, angezeigt. Davon waren 1.007 Ausländer, was 40% der Tatverdächtigen entspricht.
Die Kronen Zeitung vermittelt jedoch ein verzerrtes Bild von Sexualkriminalität: In 34 von 38 Artikeln mit eindeutiger Herkunftsbezeichnung waren die Tatverdächtigen Nicht-Österreicher, was 89% ausmacht, also mehr als doppelt so viele als in der Statistik des Innenministeriums. (Aus weiteren 22 untersuchten Artikeln war die Herkunftsbezeichnung nicht eindeutig ablesbar.)
Sieht man sich die Berichte genauer an merkt man, dass die Krone auch sprachlich einen Unterschied zwischen Inländern und Ausländern macht. So steht etwa bei ausländischen Tätern die Brutalität im Vordergrund:
Mit der Verurteilung ihres Peinigers ist […] ein Albtraum zu Ende gegangen. Er schlug, trat, fesselte und vergewaltigte seine Freundin […] immer wieder bestialisch.
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Außerdem werden bei ausländischen Tätern Erklärungen oder Begründungen für ihre Straftat meist in Zweifel gezogen.
Bursch redete sich auf psychische Probleme und Drogen aus
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Wenn es sich jedoch um Inländer handelt, sieht die Berichterstattung anders aus. Hier werden manchmal sogar die Aussagen des Opfers in Zweifel gezogen. Aus einem potenziellen Vergewaltigungsfall wird dann kurzerhand „Wilder Sex im Prater“.
Sie behauptet, […] vergewaltigt worden zu sein.
3. Tragödien, psychische Probleme und Brutalität
Während sich Morde sowohl in der Krone-Berichterstattung als auch in der Anzeigenstatistik etwa zu gleichen Teilen auf österreichische und ausländische Tatverdächtige verteilen, fiel uns bei der Recherche auf, dass besonders österreichischen Tatverdächtigen und Tatverdächtigen ohne explizite Herkunftsbezeichnung oft eine psychische Erkrankung zugeschrieben wird:
4. Viele pauschale Verurteilungen
Ob man die Herkunft in der Kriminalberichterstattung nennen soll oder nicht, sorgt immer immer wieder für Diskussionen. Im Ehrenkodex für die österreichische Presse gibt es dazu keine Empfehlung, während das deutsche Pendant darauf verweist, dass “die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens” führen sollte. Deswegen steht man Herkunftsbezeichnungen eher kritisch gegenüber, da dadurch Vorurteile gegenüber Minderheit geschürt werden könnten. Wenn eine Bevölkerungsgruppe überdurchschnittlich oft kriminell wird, ist es natürlich auch die Aufgabe von Journalisten, das zu berichten und die Hintergründe zu erklären. Es gibt aber einen Unterschied, ob man ein gesellschaftliches Phänomen beschreibt, erklärt und einordnet, oder ob man mit der Berichterstattung Feindbilder schafft bzw. letztlich ein völlig verzerrtes Bild der Realität vermittelt.
Wir wollten von der Kronen Zeitung gerne wissen, warum sie mehr über ausländische als über österreichische Täter berichtet, haben aber leider keine Antwort auf unsere Anfrage bekommen.
Co-Autorin: Souha Khemiri
Exkurs: Methodik und Rohdaten
Wir haben uns mit einer großen Zahl an Schlagworten, wie „Dealer“, „Dieb“, „Mord“, etc im Onlinemanager der APA einen Überblick über die Kriminalberichterstattung der Kronen Zeitung in ganz Österreich verschafft. Im nächsten Schritt haben wir Artikel zu Einbrüchen, Diebstählen und Raub, Mord und Totschlag sowie Drogen- und Sexualdelikten ausgewertet und uns dabei angesehen, ob die Nationalität der Täter – egal ob Österreicher oder Ausländer – genannt wurde, wo im Text die Herkunftsbezeichnungen zu finden waren (Überschrift, Lead oder Fließtext) und ob auch andere Medien über die Straftaten berichtet haben.
Diese Ergebnisse haben wir mit der Kriminalstatistik 2017 verglichen, um zu sehen, ob es in manchen Bereichen eine verzerrte Berichterstattung gibt. Da wir uns sehr spezifische Straftaten angesehen haben, die ausgewählt wurden, weil sie oft für Diskussionen sorgen und sehr polarisierend sind, waren nur die Zahlen bestimmter Delikte für die statistische Auswertung relevant. Für die Grafik haben wir die statistischen Daten mit unserer Auswertung verglichen, wobei wir alle Beiträge ohne explizite Herkunftsnennung abgezogen haben.
Bezeichnungen wie „der gebürtige Inder“ oder der „türkischstämmige Vater“ haben wir mit Berichten anderer Medien verglichen, um zu klären, ob die Tatverdächtigen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, um möglichst genau und fehlerfrei auszuwerten. Bei Tätergruppen, die sowohl Österreicher als auch Ausländer umfasst haben, wurde der Artikel je nach Mehrheitsverhältnis zu den inländischen oder ausländischen Tatverdächtigen gezählt.
Update: In der ersten Version dieses Artikels war der Anteil der ausländischen Sexualstraftäter in der Krone statt mit 89% mit 68% ausgewiesen, da Tatverdächtige mit unklaren Angaben zur Staatsbürgerschaft versehentlich als Österreicher gerechnet wurden. Sie werden nun in der Berechnung nicht berücksichtigt.