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Kronen Zeitung: „Anzeige und Berichterstattung (ca. 20.000 Euro)”

E-Mail-Verläufe zeigen, dass Unternehmer und Investor Michael Tojner bei Eva und Christoph Dichand Einfluss auf die Berichterstattung der Kronen Zeitung und von Heute nehmen wollte. Sie zeigen auch, dass er auf diese Versuche oft positive Rückmeldungen der Dichands bekam. Das ist durchaus relevant, denn: Haben die Dichands dem Unternehmer Tojner positive Berichterstattung gegen Inserate beschert, ist das ein gutes Indiz, dass sie es auch für Sebastian Kurz getan haben könnten, wie die Staatsanwaltschaft derzeit untersucht.

Der Standard, die Dunkelkammer und die ZIB2 haben ausführlich über die E-Mail-Verläufe zwischen Tojner und Dichands berichtet. Kurz darauf veröffentlichte Eva Dichand an drei aufeinander folgenden Tagen bemerkenswerte Kolumnen. Sie dementiert darin nicht nur alle Vorwürfe, sondern geht in die Offensive: Dem Standard wirft sie etwa „tendenziöse Berichterstattung – getragen von ideologischen Kämpfern“ vor, die Berichterstattung im ORF sieht sie als „Retourkutsche“ für kritische Berichte gegen die Haushaltsabgabe in Heute.

Doch was bisher unbeantwortet geblieben ist, ist die Frage, ob nach den E-Mails auch tatsächlich Berichte im Sinne von Tojner in den Dichand-Medien gedruckt wurden. Blieb es also alleine bei E-Mails, wie Dichand sagt, oder steckt mehr dahinter? Kobuk hat sich das angesehen.

Spoiler: Die Krone tanzte zeitweise ganz nach Tojners Pfeife, bei der Heute hielt die Brandmauer zwischen Geschäftsführung und Redaktion im untersuchten Fall deutlich besser.

Tojner wünschte sich zwischen Februar 2016 und Dezember 2018 gleich bei mehreren Themen freundliche Berichte. Beeinflussen wollte er beispielsweise den Kampf um den Parteivorsitz der Wiener Sozialdemokraten beim Abgang Häupls Anfang 2018, die Berichterstattung über seine Ambitionen Präsident des SK Rapid Wien zu werden, die geplante Übernahme der B&C-Stiftung und – ganz besonders – die positive Darstellung von Tojners Immobilien-Projekt Am Heumarkt.

Schatten auf dem Projekt Am Heumarkt

Michael Tojner stellt im Jahr 2014 seine Vision des Immobilienprojekts Am Heumarkt vor. Ein 73 Meter hoher Turm soll errichtet werden. Doch 2016 legen sich erste Schatten auf die Projektplanung. Am 10. März berichtet der Standard über einen Rohbericht der UNESCO-Denkmalbehörde Icomos zum Projekt Am Heumarkt. Dieser besagt, dass Wien mit diesem Projekt den Status der Wiener Innenstadt als Weltkulturerbe aufs Spiel setze. In den nächsten drei Wochen berichten der Kurier (23.3.) und die Presse (30.3.) ausführlich, die Krone nur kurz und die Heute gar nicht über die Zweifel an dem Projekt.

Vielleicht ist Michael Tojner ja Kurier-Leser. Denn am Tag nach dem Kurier-Artikel schickt er Christoph Dichand, Herausgeber der Kronen Zeitung, eine E-Mail. Betreff: “HELP HELP HELP.” Tojner schreibt, das Heumarkt-Projekt befinde sich in der „heißen Phase“ und weiter „BITTE SPRICH EIN MACHTWORT IN DER REDAKTION !!“. Der antwortet kurze Zeit später: „Kümmere mich darum.“

Tojner und Dichand schmieden einen Plan. Tojner verspricht, passende Gesprächspartner:innen für die Krone zu organisieren und Dichand antwortet: „Ich spreche mit Schmid, da es schnell sein muss, ist es die beste Lösung.“ Gemeint ist – das geht aus dem Verlauf hervor – der damalige Chefredakteur der Krone, ein gewisser Richard Schmitt. Tojner an Dichand: “Wichtig wäre, dass wir ein Gegenstatement zum anderen Artikel baldigst (…) zusammen bekommen.” Letztendlich schreibt Schmitt die Story zwar nicht selbst, doch zwei Tage später bekommt Tojner seine positive Geschichte in der Krone.

Enthusiastische Headline gesetzt, die Gefahr der Aberkennung des UNESCO-Weltkulturerbes kleingeredet und verheißungsvolle Vision eingearbeitet: 10 von 10 im Spin Doctor-Rating und der erste große Erfolg.

Mitte April erhält Tojner eine E-Mail von seiner Mitarbeiterin. Es geht um ein Anzeigengeschäft mit der Heute. Bei einem Termin mit der Heute habe man ihr gesagt, Tojner habe Eva Dichand 100.000 Euro zugesagt. Sie unterbreitet ihrem Chef einen Vorschlag, wie man dieses Geld investieren könnte.In der HEUTE möchte sie Anzeigen schalten. Zur Kronen Zeitung schreibt sie: „Kronen Zeitung: zB 2x ¼ Seite oder nur eine Anzeige und Berichterstattung (ca. 20.000)“. Ob Inserate in dieser Höhe tatsächlich gebucht wurden, ist unbekannt, doch bemerkenswert ist, dass die Mitarbeiterin zu wissen scheint, dass man für 20.000 Euro neben einer Anzeige auch einen Bericht in der Krone kaufen kann.

Bis zum 11. Mai ist dann erstmal Ruhe. Die Presse berichtet über einen offenen Brief der Initiative Denkmalschutz, die mit rechtlichen Schritten gegen den Turm Am Heumarkt droht. Auch die grüne Basis möchte den Bau unbedingt verhindern, berichtet der Standard.

Zwei Tage darauf verordnet Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin „eine Nachdenkpause“ und legt das Projekt damit vorerst auf Eis – ein Desaster für Tojner. 

Doch Hilfe naht, in Form eines Krone-Textes. Tojner bekommt einen ganzen Artikel, um seine Perspektive zu verbreiten: große Titelzeile, abgesetztes Zitat und damit das Narrativ der Meldung. Zweiter lohnender Erfolg für Tojner.

Eine Woche später berichtet auch Heute. Ohne davor über den Baustopp selbst geschrieben zu haben, erscheint Artikel über die Kritik daran – ganz im Sinne von Tojner.

Inzwischen läuft die Kooperation zwischen Tojner und Krone zuverlässig weiter. Tojner am 20. Mai an Christoph Dichand: „Der Eislaufverein, das Konzerthaus und das akademische Gymnasium sind jetzt bereit für das Projekt zu sprechen und das auch jetzt zu fordern.“ 

Sechs Tage später – gleicher Wortlaut in der Krone. 

Und nur zehn Tage danach zieht dann auch der Sportteil mit, alles fein aus dem Hintergrund von Tojner orchestriert. Das sind die zählbaren Erfolge 3 und 4.

Und jetzt: Ruhe!

Am 11. Juli berichten alle Zeitungen darüber, dass die UNESCO-Kommission, die zu dem Zeitpunkt in Istanbul tagt, den Weltkulturerbe-Status der Inneren Stadt aufgrund des Projektes am Heumarkt gefährdet sieht. Auch Krone und Heute berichten – aber, sagen wir mal: Sie hängen das Thema nicht an die große Glocke.

Während die Nachricht in der Krone fast verschwindet, ist sie in der Heute zumindest wahrnehmbar – wenn auch auf Seite 12. 

Doch generell zeigt sich: Die Berichterstattung der beiden Dichand-Zeitungen zum Thema Heumarkt ist sehr unterschiedlich. Die Krone ist in der Causa für Tojner leichter steuerbar, bei Heute fallen die Interventionen kaum auf fruchtbaren Boden.

Das merkt auch Tojner. Er ist unzufrieden, die Zusammenarbeit mit Heute gestaltet sich als schwierig. Und so schreibt er Eva Dichand: „Eva. Ich wäre dir verbunden, wenn du (…) deine Redaktion über unsere gemeinsame Strategie zum Thema Eislaufverein briefen könntest. (…) Kannst du bitte dein Team so briefen, dass die Berichterstattung in unserem Sinne ist?“ Erst vier Monate später, am 15. November 2016, berichten Heute und Krone überhaupt wieder über das Projekt.

Im Februar 2017 tritt die Heute mit mehreren kritischen Artikeln wieder forsch gegen das Heumark-Projekt auf. 

Tojner wendet sich wieder an Eva Dichand: „Bitte um unterstützung bei redaktion, damit berichterstattung wegen intercont freundlicher wird.“

Und es klappt – also einigermaßen. Die nächsten zwei Wochen bringt die Heute keinen Artikel. Im gleichen Zeitraum bringt die Presse vier Berichte. Einer von ihnen ist eine ausführliche Recherche. Auch wenn die Berichterstattung von Heute ausgewogener ist als jene der Krone, merkt man ein deutliches Naheverhältnis zwischen Tojner und Eva Dichand. Als die Presse zur Finanzierung des Heumarktprojektes recherchiert und Eva Dichand um Stellungnahme bittet, schreibt sie kurz darauf ein Mail an Tojner: “Presse plant am So grossere Geschichte+hat bei mir angefragt, ob wir beteiligt sind….meld Dich kurz.“

Tojner versucht in den nächsten Monaten, die Heumarkt-Projekt-Befürworterin und Grünen-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hoch- und ihren parteiinternen Kontrahenten Alexander Hirschenhauser herunterschreiben zu lassen. Doch die Sache ist unkoordiniert und die Zeit knapp. Eine Kampagne für Vassilakou und gegen Hirschenhauser ist weder in der Krone noch in der Heute zu erkennen.

Im November dämmert es Michael Tojner, dass er nicht nach Belieben Artikel in Krone und Heute bestellen kann. Er schreibt einer Mitarbeiterin: „haben wir das mit der Heute und Kronen Zeitung nicht unter Kontrolle? (…) Das verstehe ich irgendwie nicht ganz.“ 

Und was sagen die Dichands zu den Vorwürfen?

Christoph Dichand hat bisher nichts zu alledem gesagt. Eva Dichand dagegen legt wie erwähnt in einer Kommentar-Serie in Heute die Geschichte aus ihrer Perspektive dar. Der “Vorwurf nach käuflicher Berichterstattung ist absurd und bei „Heute“ schlichtweg nicht möglich.” Sie habe “nichts Unredliches getan, auch, wenn versucht wird, das vehement anders darzustellen”. Auch beim damaligen Chefredakteur, Christian Nusser, habe “weder Tojner noch sein Umfeld je interveniert”. 

Und auch über den Vorwurf gegen die Kronen Zeitung äußert sich Dichand: “Meinem Mann käufliche Inhalte zu unterstellen, ist der Treppenwitz der Nation”. Und Dichand fährt fort, dass jeder in der Branche wisse, wo es gekaufte Inhalte gibt und wie das abläuft. 

Vier große Erfolge bei der Krone

Die Analyse zeichnet jedoch ein anderes Bild. Durch den E-Mail-Verkehr ist erstmals der gesamte Prozess ersichtlich, der in positiver Berichterstattung in der Krone endet: die Planung des Inseratenkaufs im Hause Tojner, die Intervention beim Herausgeber, die Festlegung auf ein Narrativ und in vier Fällen eben auch die direkte Umsetzung in der Kronen Zeitung.

 

P.S.: Im Juli 2017 setzt die UNESCO das historische Zentrum von Wien auf die Liste gefährdeter Welterbestätten.


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