Dass jemand „plötzlich und unerwartet“ gestorben ist, war eigentlich immer eine traurige, aber auch banale Nachricht in den Medien. Doch dann kam Corona. Und die Corona-Impfung. Und Gruppen, die Angst vor ihr hatten – oder anderen Angst machen wollten. Es kam der Hashtag #plötzlichundunerwartet und mit ihm die Behauptung: Die Corona-Impfung sei schuld an „plötzlichen und unerwarteten“ Toden.
Jetzt soll eine Studie genau das bestätigt haben, berichtet der Exxpress.
Die Kernaussage: Knapp 74 Prozent von 325 untersuchten, plötzlichen Todesfällen seien auf die Impfung zurückzuführen. Diese Menschen seien also nicht „plötzlich und unerwartet“ gestorben, sondern weil sie geimpft waren. Das klingt brisant. Sieht man sich die Studie jedoch genauer an, bleibt von der Behauptung nicht viel übrig.
Die Szene dauert nur ein paar Sekunden: Die Witwe des Chefs der Terrororganisation Hamas, Jihia al-Sinwar, huscht in Aufnahmen aus dem Tunnelsystem hinter ihrer Familie durch das Bild. Doch die Tasche, die sie dabei trägt, beschäftigt Medien auf der ganzen Welt. Es soll sich um das Modell „Birkin“ der Luxusmarke Hermès handeln. Ihr Wert beträgt 32.000 US Dollar. Der Aufschrei ist groß: die Familie des wohl wichtigsten Hamas-Mannes soll sich mit Luxusartikeln im Tunnel verstecken, während über ihnen Armut und Krieg herrscht.
Auch für die österreichischen Boulevardblätter Oe24 und Exxpress ist die Meldung klar: „Frau von Hamas Chef flüchtete mit 32.000 Dollar Tasche“ und „Mit der 30.000 Euro teuren Birkin Bag im Hamas Tunnel“ liest man dort. Nur, woher weiß man überhaupt, dass es sich bei der Handtasche um eine Hermès Birkin handelt? Dazu müssen wir uns drei Dinge etwas genauer ansehen: Die ursprüngliche Quelle, die Tunnelaufnahmen und, natürlich, die Handtasche. Und die zeigen: Die Sache ist nicht so klar, wie es in den Medien klingt. Aber der Reihe nach.
In vielen österreichischen Onlinemedien erscheint regelmäßig Werbung für illegale Online-Casinos. Dazu kommt noch Werbung für legales Glücksspiel, die oft nicht als solche zu erkennen ist. Unsere Recherche zeigt: Das sind keine Einzelfälle, sondern hat System.
2023 haben etliche öffentliche Stellen deutlich weniger Geld an Medien ausgeschüttet, als noch im Jahr davor. Gleichzeitig mussten in diesem Jahr viele Medien einmal mehr Personal abbauen. Das zeigt, wie schwierig es geworden ist, schwarze Zahlen zu schreiben. Und auch, wie wichtig öffentliche Gelder für das Überleben mittlerweile sind.
Wie schon vergangenes Jahr wollen wir nüchtern aufzeigen, wie viel öffentliches Geld welche Zeitung im Jahr 2023 bekommen hat. Grob gesagt kann man öffentliche Gelder in zwei Kategorien unterteilen: Inserate und Förderungen.
Zu den Inseraten öffentlicher Stellen zählen etwa jene, die durch die Ministerien und das Bundeskanzleramt vergeben werden. Die Vergabe wird regelmäßig kritisiert – der Verdacht der Inseratenkorruption steht seit Jahren im Raum. Auch Kobuk hat mehrere Artikel dazu veröffentlicht.
Erst kürzlich hat beispielsweise die Oberstaatsanwaltschaft die WKSta angewiesen, zu ermitteln, ob OE24-Chef Wolfgang Fellner im Gegenzug für Inserate dem damaligen FPÖ-Chef Strache positive Berichterstattung versprochen und damit bestochen hat. Es gilt die Unschuldsvermutung. It’s a never ending story.
Zu Inseraten von öffentlichen Stellen zählen aber nicht nur Regierungsinserate. Als „öffentliche Stellen“ sind all jene Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen definiert, die vom Rechnungshof überprüft werden können. Also beispielsweise auch die Landesregierungen, die AK oder die WKÖ usw.
Bei diesen Geldern handelt es sich nicht immer ausschließlich um Steuergeld. Auch Unternehmen wie die ÖBB oder die Post zählen zu den öffentlichen Stellen.
Davon abgesehen gibt es Förderungen, die die öffentliche Hand vergibt. Wer sich hier einen Überblick verschaffen will, braucht einiges an Geduld, aber grob gesagt gibt es drei Töpfe: Presseförderung, Rundfunkförderung und Digitalisierungsförderung.
Neu dazu kommen hätte vergangenes Jahr eine „Qualitätsjournalismus-Förderung“ sollen. Aufgrund von Verzögerungen wurden die ersten Gelder aber erst im Mai 2024 ausbezahlt.
Zählt man alles zusammen, sieht es für das Jahr 2023 so aus:
2022 wurde erstmals eine Förderung vergeben, die Medien bei ihrer Digitalisierung unterstützen sollte. Einige Projekte erregten mit absurd hoch wirkende Summen für Aufsehen. Nun ist mehr als ein Jahr vergangen, deshalb wollten wir der Frage nachgehen, was aus dem öffentlichen Geld bisher geworden ist. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht. An vielen Stellen mangelt es vollkommen an Transparenz.
Als 2022 das erste Mal die Digitalisierungstransformationsförderung vergeben wurde, sorgten einige Anträge für Stirnrunzeln. Der Radiosender „Welle 1“ kassierte 180.000 Euro für ein Projekt mit dem Titel „Selbstständiges Denken“, die Mediengruppe Österreich erhielt ca. 300.000 Euro für Newsletter und die Oberösterreichischen Nachrichten bekamen für ein Re-Design von nachrichten.at stolze 1,26 Millionen Euro. Es handelt sich um Steuergeld, daher wollte Kobuk wissen, was seither passiert ist. Wurden die Projekte umgesetzt? Sind Medien jetzt tatsächlich „digitalisierter“? Hat auch das Publikum etwas davon, dass diese Förderungen vergeben werden?
In einigen Fällen haben wir Antworten gefunden, aber in vielen anderen war es nicht möglich, die Verwendung der Fördermittel nachzuvollziehen. Aus einer Recherche über die Verwendung von Steuergeld wurde eine Geschichte über fehlende Transparenz.
Der Exxpress verharmlost systematisch Rechtsextremismus auf der einen Seite und überdramatisiert Linksextremismus auf der anderen. Dabei greift die Boulevardplattform tief in die Trickkiste: Sie berichtet unvollständig oder gar nicht über Fakten, wenn diese nicht die gewünschte Botschaft transportieren; sie gibt Aussagen falsch wieder; und sie interpretiert Umfragen äußert kreativ. Alles nach dem Motto: Was nicht passend ist, wird passend gemacht.
Der „Exxpress“ scheint einer großen Sache auf der Spur. Weil es trotz Klimawandel massiv geschneit hat, meint das selbsternannte Medium für Selberdenker einen Widerspruch aufgedeckt zu haben und schreibt : „So ändern jene Hysteriker, die vor wenigen Monaten noch verlautbarten, es gebe bald keinen Schnee mehr, einfach die Vorzeichen. Der Schnee sei vielmehr ein Zeichen für den Klimawandel“.
Der Exxpress geht dabei auf keinen einzigen wissenschaftlichen Befund näher ein, sondern spielt mit dem Hausverstand. Nach dem Motto: Man müsse ja nur mal kurz nachdenken, dann sei ja ohnehin schon klar, dass wissenschaftlichen Aussagen zum Klimawandel falsch seien. Und das ganze wird vom Exxpress auch noch als Nachricht („News“ – nicht als Kolumne oder Kommentar) präsentiert, obwohl im ganzen Text lediglich unfundierte Meinung kundgetan wird.
Der Exxpress spricht von „Hysterikern“ oder „Klima-Kassandras“, schreibt Experten unter Anführungszeichen und spricht von „obskuren Thesen“. Das Publikum soll also annehmen, dass die genannten Personen nicht wirklich Expertise hätten. Schauen wir uns also an, wer konkret gemeint ist:
Anfang Oktober tut der Exxpress so, als hätte er einen Eklat aufgedeckt: „So lässt sich die EU von Erdogan reinlegen: 4,7 Millionen für jeden Asylwerber bezahlt!“, titelt das Medium. Im ersten Satz des Artikels wird von einem ungeheuerlichen Skandal gesprochen. Der Exxpress rechnet vor: 10 Milliarden Euro überwies die EU seit 2016 an die Türkei, im Gegenzug wurden 2140 Flüchtlinge aus der EU von der Türkei aufgenommen. 4,7 Millionen Euro zahlt der Steuerzahler also für jede Abschiebung. Klingt tatsächlich skandalös, und in rechten Kreisen hat sich der Artikel seither entsprechend stark verbreitet – so teilte ihn auch beispielsweise FPÖ-Politiker Harald Vilimsky.
Das Problem daran: Die Rechnung des Exxpress ist grob irreführend.
Wir wollten für diesen Artikel eine simple Frage beantworten: Welches Medium bekommt in Österreich wie viel öffentliches Geld? Die Frage ist jedoch gar nicht so einfach zu beantworten. Denn Medienförderungen sind ein einziger, unübersichtlicher Dschungel, was die Frage nach Transparenz und Vergabepraxis aufwirft.
Wenn Medien über öffentliche Gelder und Förderungen für Medien berichten, dann oft so, dass man mit dem Finger auf andere zeigt. Die anderen bekommen viel mehr, und überhaupt viel zu viel, so der Tenor. Christian Nusser, Chefredakteur von „Heute“, umschrieb diese Mentalität einmal als „gutes Geld, das man selbst hat, und das schlechte Geld, das andere (noch?) besitzen.“ Daher folgt hier ein Versuch ganz nüchtern aufzuzeigen, wie es wirklich ist.
Dieser Artikel erscheint parallel im Falter. Co-Autoren sind Florian Klenk und Barbara Toth.
Wie ein kleines, aggressives Online-Medium mit Steuergeld und Gerüchten die öffentliche Arena mit Putin-Propaganda flutet – und dennoch von ÖVP-Ministern hofiert und finanziert wird. Eine Dokumentation.