Die Szene dauert nur ein paar Sekunden: Die Witwe des Chefs der Terrororganisation Hamas, Jihia al-Sinwar, huscht in Aufnahmen aus dem Tunnelsystem hinter ihrer Familie durch das Bild. Doch die Tasche, die sie dabei trägt, beschäftigt Medien auf der ganzen Welt. Es soll sich um das Modell „Birkin“ der Luxusmarke Hermès handeln. Ihr Wert beträgt 32.000 US Dollar. Der Aufschrei ist groß: die Familie des wohl wichtigsten Hamas-Mannes soll sich mit Luxusartikeln im Tunnel verstecken, während über ihnen Armut und Krieg herrscht.
Auch für die österreichischen Boulevardblätter Oe24 und Exxpress ist die Meldung klar: „Frau von Hamas Chef flüchtete mit 32.000 Dollar Tasche“ und „Mit der 30.000 Euro teuren Birkin Bag im Hamas Tunnel“ liest man dort. Nur, woher weiß man überhaupt, dass es sich bei der Handtasche um eine Hermès Birkin handelt? Dazu müssen wir uns drei Dinge etwas genauer ansehen: Die ursprüngliche Quelle, die Tunnelaufnahmen und, natürlich, die Handtasche. Und die zeigen: Die Sache ist nicht so klar, wie es in den Medien klingt. Aber der Reihe nach.
Das mit dem Gendern ist so eine Sache. Sachlich zu diskutieren ist fast unmöglich. Zu sehr erhitzt das Thema die Gemüter. Denn es geht schon lange nicht mehr nur um inklusive Sprache, wie sie an Universitäten üblich ist, in den Medien für Kopfzerbrechen sorgt und für die niederösterreichische Landesregierung verboten gehört. Hinter diesem zweisilbigen Wort machen sich ganze Welten auf. Für die eine Seite ist Gendern Ausdruck einer inklusiven Gesellschaft. Die andere Seite fürchtet hingegen einen „Genderwahn“ – der Begriff bezeichnet eine „als übertrieben empfundene und an der Realität vorbeigehende Beschäftigung mit Genderthemen“, liest man auf Wiktionary. Als Kampfbegriff der extremen Rechten, um die traditionelle Geschlechterordnung zu verteidigen, bezeichnet ihn die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung.
Zu jenen, die „Genderthemen“ traditionell ablehnend gegenüberstehen, gehört die größte Tageszeitung Österreichs, die Kronen Zeitung. Interessanterweise heißt das aber nicht, dass diese Themen, mit denen sich andere „übertrieben“ beschäftigen, in der Krone nicht vorkommen. Im Gegenteil, die Krone bringt die Genderdebatte sogar regelmäßig auf ihr Titelblatt. Zwischen Jänner 2021 und August 2024 genau gesagt 25-mal.
Viele dieser Artikel sind voller künstlicher Aufregung und unsachlich. Fast schon krampfhaft versucht die Krone wieder und wieder einen Genderwahn herbeizuschreiben.
Gewissermaßen könnte man der Krone also eine „übertriebene und an der Realität vorbeigehende Beschäftigung mit dem Thema Genderwahn“ attestieren. Oder kurz gesagt: Willkommen im Genderwahn-Wahn der Krone.
In vielen österreichischen Onlinemedien erscheint regelmäßig Werbung für illegale Online-Casinos. Dazu kommt noch Werbung für legales Glücksspiel, die oft nicht als solche zu erkennen ist. Unsere Recherche zeigt: Das sind keine Einzelfälle, sondern hat System.
Auf Gesund&fit, der Gesundheitsseite von Oe24, gibt es regelmäßig Gesundheitstipps. Vieles ist zu schön, um wahr zu sein, unnötig alarmiernd oder fragwürdig hergeleitet.
Schokolade ist gesünder als Obst, bestimmte Lebensmittel sind so gefährlich wie Rauchen und – „überraschend“ – andere machen doch nicht dick. Gute Neuigkeiten gibt es auch für alle Personen mit einer Pollen-Allergie: die kann man jetzt „easy“ selbst loswerden. So lauten einige der vermeintlichen Erkenntnisse, die auf der Gesundheitsseite des Gratisblatts Oe24 zu lesen sind.
Was gab es nicht schon an Medienberichten über vermeintlich skurrile EU-Verordnungen: Kühe dürften angeblich nur mehr mit Windeln auf die Alm, Buntstifte und Wasserfarben seien verboten oder ein Zoo müsse wegen der EU seine Kleinhirsche schlachten. Oft bleibt auf den zweiten Blick kaum etwas von diesen Headlines übrig. Gerade in der Kronen Zeitung gibt es eine gewisse Tradition, die EU als Feindbild für alles Mögliche herzunehmen und dabei mit den Fakten nicht ganz so genau zu sein, wie wir mehrfach gezeigt haben.
Die Titelgeschichte der Krone vom 9. April fügt sich nahtlos in diese Serie ein. Die Aussage „Gebrauchtwagen für EU nur Schrott“ ist schlichtweg falsch. Wir haben uns den Gesetzesvorschlag angesehen und mit einem Experten gesprochen. Dinge, die die Krone bei diesem Artikel wohl verabsäumt hat.
Die Bundesregierung hat seit ihrem Amtsantritt dutzende Pressereisen organisiert und bezahlt. Über 480 Berichte in allen großen Printredaktionen sind dazu erschienen. Eine Auswertung von Kobuk zeigt, dass in nur 17,5 Prozent der Artikel transparent gemacht wird, wer diese Reise eigentlich bezahlt hat. Ein klarer Verstoß gegen den Ethikkodex des österreichischen Presserates.
Pressereisen sind so eine Sache. Bei vielen Journalist:innen sind sie beliebt – man kommt zur Abwechslung mal raus aus dem Büro und kann sich niederschwellig ein eigenes Bild von einem Ort oder einem Event machen. Wenn Politiker:innen die Reise bezahlen, dann bekommen Journalist:innen außerdem oft wertvolle Gelegenheiten, sich mit ihnen und ihren engsten Mitarbeiter:innen besser bekannt zu machen. Kontakte, die im kleinen Österreich Gold wert sein können.
Politiker:innen finanzieren solche Reisen freilich nicht ohne Hintergedanken. Sie wollen von der Berichterstattung in irgendeiner Weise profitieren. Dafür haben sie auch viele Hebel in der Hand: Sie organisieren die Reise und damit auch den Ablauf – und haben so einen großen Einfluss darauf, wer, wann, was zu sehen bekommt. Es wäre illusorisch zu glauben, dass Journalist:innen auf solchen Reisen völlig frei berichten können. Dennoch stehen die Reisen quasi an der Tagesordnung – von Hanoi bis München.
Wir wollten für diesen Artikel eine simple Frage beantworten: Welches Medium bekommt in Österreich wie viel öffentliches Geld? Die Frage ist jedoch gar nicht so einfach zu beantworten. Denn Medienförderungen sind ein einziger, unübersichtlicher Dschungel, was die Frage nach Transparenz und Vergabepraxis aufwirft.
Wenn Medien über öffentliche Gelder und Förderungen für Medien berichten, dann oft so, dass man mit dem Finger auf andere zeigt. Die anderen bekommen viel mehr, und überhaupt viel zu viel, so der Tenor. Christian Nusser, Chefredakteur von „Heute“, umschrieb diese Mentalität einmal als „gutes Geld, das man selbst hat, und das schlechte Geld, das andere (noch?) besitzen.“ Daher folgt hier ein Versuch ganz nüchtern aufzuzeigen, wie es wirklich ist.
Dieser Artikel erscheint parallel im Falter. Co-Autoren sind Florian Klenk und Barbara Toth.
Wie ein kleines, aggressives Online-Medium mit Steuergeld und Gerüchten die öffentliche Arena mit Putin-Propaganda flutet – und dennoch von ÖVP-Ministern hofiert und finanziert wird. Eine Dokumentation.
Wer nach der Veröffentlichung diverser Korruptionsaffären wirklich geglaubt hat, regierungsfreundliche Berichterstattung gibt es nicht mehr, müssen wir an dieser Stelle leider enttäuschen. Jüngst liest sich etwa ein OE24-Artikel über die neue ÖVP-Kampagne so, als würden sie direkt aus der Parteizentrale kommen.
Heute-Chefredakteur Christian Nusser sieht seine Zeitung zu unrecht an den Pranger gestellt. Auch andere Medien haben in den vergangenen Jahren ungewöhnlich viel Inseraten-Geld vom Finanzministerium bekommen. Hat er damit Recht? Die Kurzfassung: Er hat jedenfalls nicht völlig unrecht.
Inserate aus der öffentlichen Hand sind in Österreich so eine Sache. Die Regierung kann über die Ministerien praktisch unbegrenzt viel Steuergeld an Medien überweisen. Es gibt keine Gesetze, die etwa den Rahmen, den Zweck, oder eine verpflichtende Evaluierung über die Wirksamkeit solcher Werbeausgaben festlegen. Und sagen wir mal so: Nicht nur wir bei Kobuk hatten in den letzten Jahren immer wieder die Vermutung, dass mit diesen Geldern wohlwollende Berichterstattung gekauft wird; oder umgekehrt: Dass PolitikerInnen niedergeschrieben werden, wenn sie zu wenig bezahlen.
Seit vergangener Woche steht die Zeitung „Heute“ und ihre Herausgeberin Eva Dichand im Fokus dieses Verdachts. Der Falter hat die Causa hier und hier sehr lesenswert zusammen gefasst. Wir erinnern uns: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen Thomas Schmid und Wolfgang Fellners OE24, weil dort über das „Beinschab-Tool“ mutmaßlich gefälschte Umfragen publiziert wurden. Als „Belohnung“, so der Verdacht, öffnete das Finanzministerium den Geldhahn und ließ Inseratengelder in die Kassen der Fellners fließen. Soweit, so bekannt.
Der Falter schreibt nun über den neuen Vorwurf der Staatsanwälte: „Damit der Deal, den die Türkisen mit Fellners Österreich-Gruppe mutmaßlich geschlossen haben, um Kurz mit frisierten Umfragen zu pushen, nicht auffliegt, wurden auch die Blätter der Dichands fett bedient.“
Diese Grafik aus dem Standard illustriert den Vorwurf sehr gut: