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Gekaufte Berichterstattung – Wie sich der Boulevard bei Supermärkten einschmeichelt

Zwei zum Preis von einem? Trotz Inflation und Kritik an den Lebensmittelpreisen ist die Berichterstattung im Jahr 2023 über Spar, Billa, Hofer und Co in allen großen Boulevardzeitungen auffällig positiv. Supermärkte sind gleichzeitig die größten privaten Inseratenkunden von Zeitungen.

Eine kurze Einordnung vorab: Eine DOSSIER-Recherche von 2020 zeigte, dass Inserate von Supermärkten fast ein Viertel des privatwirtschaftlichen Werbeaufkommens in Printmedien ausmachen. Sie sind eine der wenigen Branchen, die noch auf Inserate setzt. Es ist also nicht übertrieben wenn man sagt, dass Printzeitungen ohne den Werbegeldern von Supermärkten kaum überleben könnten. Umso mehr stellt sich die Frage, wie Medien über diese Unternehmen berichten.

Collage von Beiträgen aus den Zeitungen Heute, Oe24 und der Kronen Zeitung über Supermärkte, die stark werblich wirken.

Der Auslöser für unsere Recherche war eine Vielzahl von Artikel von Heute, Oe24 und der Kronen Zeitung mit stark werblichem Charakter. In scheinbar redaktionellen Artikeln werden Produkte angepriesen (Hofer senkt die Preise: Welche Produkte jetzt günstiger werden“  von Oe24.at) und über die neuesten Rabatte informiert (Rabatt-Wahnsinn geht weiter – Ansturm auf Diskonter“ von Heute). Obwohl diese Texte nicht als Werbung gekennzeichnet sind, wirken sie alle so, als wären sie direkt von der PR-Abteilung der jeweiligen Supermärkte übernommen worden.

Wir wollten wissen, ob das System hat und haben alle Berichte von 1. Jänner 2023 bis 12. Dezember 2023 in Heute, Oe24 und Krone untersucht, in denen Billa, Spar, Lidl, Hofer oder Penny namentlich erwähnt wurden. In insgesamt 278 Artikeln wurden die Lebensmittelketten 479 Mal genannt. Es gibt also auch viele Beiträge, die über mehrere Supermärkte berichten.

Vorweg: Alle Zeitungen haben eine äußerst positive Schlagseite. Gesamthaft betrachtet sieht das so aus:

Betrachtet man die Zeitungen einzeln, zeigen sich einige Besonderheiten. Die Print-Ausgabe von Oe24 fällt besonders durch werbliche Texte auf:

Im Fellner-Medium gab es 2023 keinen einzigen von 81 gedruckten Artikel, in denen Supermärkte namentlich genannt wurden, der auch nur ansatzweise kritisch war. Selbst in Texten über die stark steigenden Lebensmittelpreise war das der Fall. Das Thema ist für Supermärkte besonders heikel, schließlich stand der Vorwurf im Raum, die großen Ketten würden ihre Macht ausnutzen, um Profite zu maximieren. Wenn Oe24 über dieses Thema berichtete und einen Supermarkt namentlich erwähnte, dann hatte der Text immer eine insgesamt positive Note. Oe24 brachte etwa Headlines wie „Rewe-Chef teilt gegen Regierung aus“ oder „Supermärkte wehren sich gegen Preis-Vorwürfe“ – versehen mit dem Hinweis, dass es „viel mehr Rabatte als in Deutschland“ gebe.

Ein häufiges Muster bei Oe24 war das Thema Inflation zum Anlass zu nehmen, um über Rabatte von Supermärkte zu berichten. Das zeigt sich in kleineren Texten wie ENDLICH: Vieles wird jetzt billiger vom 26. April, aber auch an großen Stories: Am 30. September war die Coverstory der Österreich: „Inflation sinkt – Endlich purzeln die Preise“. Der Titel ist bereits irreführend, denn eine sinkende Inflation bedeutet freilich nicht, dass Preise sinken, sondern lediglich, dass sie langsamer steigen als zuvor. Im dazugehörigen Artikel geht es dann aber gar nicht um die Inflation, sondern um die aktuellen Aktionen der Supermarktketten. Man erfährt etwa, dass es beim Hofer Bananen um 1,49 Euro pro Kilo gibt oder dass es bei Spar „mit Rabattmarkerln, -25%-Stickern und der neuen Spar-App“ vielfältige Möglichkeiten zu sparen gebe. Zur Erinnerung: Das ist die Coverstory – also die redaktionell wichtigste Geschichte des Tages.

Allgemein schrieb Oe24 besonders gerne über Rabatte (Supermärkte verbilligen jetzt wieder einige Waren“, „Endlich! Hunderte Preise sinken“), aber nicht nur. Auch Nachhaltigkeitsprojekte kommen häufig vor (Lidl verzichtet auf Papier-Kassabon“, „Hofer setzt auf Rettenswertes) oder Texte über Supermarktketten als Arbeitgeber (Top-Chancen in Supermarkt-Ketten, Jobs im Handel: Vom Fuhrpark bis zum Obstverkauf“). Wenn andere Firmen solche Artikel über sich in einer Zeitung abgedruckt haben wollen, müssen sie dafür bezahlen und sie als Werbung kennzeichnen.

Etwas anders, aber nicht viel besser, sieht es online auf oe24.at, aus. Hier finden sich zwar auch ein paar negative Erwähnungen (z.B. Jetzt auch Preis-Schock bei Putzmitteln), es dominieren aber mit Abstand positive Beiträge mit PR-Charakter. Es gibt auch Texte, die nur online veröffentlicht wurden wie Mega-Rabatte – Massenansturm auf Diskonter: ‚So wos hob I no nie g’sehn‘ oder Lange Liste – Bananen, Butter, Tomaten: Bei diesen 100 Artikeln senkt Hofer Preise“. 

Insgesamt gab es von Oe24 vergangenes Jahr 110 Artikel, die Supermärkte namentlich angeführt haben. Neun Artikel wurden sowohl online als auch in der Print-Variante veröffentlicht. In den 101 eigenständigen Texten wurden die Lebensmittelketten 192 Mal positiv (88 Prozent), 14 Mal negativ und 13 Mal neutral erwähnt. Das ist schon ziemlich viel Berichterstattung – die Konkurrenz hatte aber sogar noch mehr.

Mehr ist mehr

„Heute“ berichtete nämlich am häufigsten über die großen Supermärkte mit insgesamt 112 Texten. Billa und Penny, Ketten der Rewe-Gruppe, waren dabei mit insgesamt 74 Erwähnungen besonders beliebt. Im Mai und Juni veröffentlichte das Medium manchmal sogar mehrmals täglich positive Supermarkt-Berichte.

Am zweiten Juni wurden beispielsweise diese drei Texte publiziert: Rabatt-Wahnsinn geht weiter – Ansturm auf Diskonter, Hofer kündigt jetzt nächsten Rabatt-Wahnsinn an und Mahlzeit! Fleischerei setzt nun auf veganes Faschiertes“. Alle am gleichen Tag, und alle lesen sich so, als wären sie direkt aus der Marketing- und Werbeabteilung übernommen worden.

Drei werblich wirkende Texte der Berichterstattung von oe24.at vom selben Tag.

Das gleiche Spiel gab es zuvor auch schon am 20. Mai. Auch an diesem Tag sind innerhalb von 12 Stunden gleich drei scheinbar redaktionelle Texte erschienen, die genau so gut Werbung sein könnten : „Spar hat frostige Neuigkeiten für seine Kunden“, „Jetzt fordert selbst „Mister Billa“ Preis-Senkungen“, „Darum wird in diesem Supermarkt keine Musik gespielt“. „Heute“ setzt dabei auf die gleichen Themen wie Oe24: Angebote, Produkteinführungen und Nachhaltigkeits-Aktionen der Lebensmittelkonzerne.

Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Herausgeberin Eva Dichand kürzlich in drei aufeinander folgenden Kolumnen wortreich versichert hat, dass man zwar in anderen Zeitungen Inhalte kaufen kann, in „Heute“ jedoch nicht. Sagen wir mal so: Die Berichte über Supermärkte sind nicht der beste Beweis dafür.

Der Handel unter Druck

Bemerkenswert ist aber nicht nur, dass es nur äußerst selten kritische Texte gibt, sondern auch das Timing.

Schauen wir uns konkret die Wochen ab April 2023 an. Das ist jene Zeit, in der es von allen Seiten viel Kritik an den hohen Lebensmittelpreisen gibt und die Politik versucht, die dafür Verantwortlichen zu finden. Auch große Preisunterschiede für die gleichen Produkte zwischen Österreich und Deutschland sind ein Thema. Der öffentliche Druck wird immer größer, so dass Sozialminister Rauch im Mai sogar einen Lebensmittelgipfel mit Vertreter:innen der großen Supermärkte einberuft.

Über all das haben sämtliche Medien berichtet, auch der Boulevard. Sieht man sich jedoch nur jene Artikel an, in denen Supermärkte auch namentlich genannt werden, bemerkt man: In dieser Zeit gab es fast ausschließlich werbliche Artikel. Zwischen 15. April und 15. Juni veröffentlichte Heute 27 Berichte zu Supermärkten, davon waren 21 positiv. Bei Oe24 waren es online und gedruckt 30 Artikel, davon waren 26 kaum zu unterscheiden von Werbung.

Dass Supermärkte damals in der öffentlichen Debatte mit dem Rücken zur Wand standen, ist kein Geheimnis. Wie ist es also zu erklären, dass ausgerechnet dann so wahnsinnig positiv über sie berichtet wurde? Gab es Druck auf die Redaktionen? Hat man von den guten Verbindungen, die über Jahre gewachsen sind, profitiert? Ist gar Geld geflossen? Wir haben sowohl alle erwähnten Medien als auch die Supermärkte um Stellungnahme gebeten.

Heute-Chefredakteur Clemens Oistric versichert, dass es keinerlei Absprachen mit der Redaktion gebe und über Supermärke und speziell Rabatte häufig berichtet wird, weil diese Leser:innen, vor allem in Zeiten der Teuerungen, sehr interessieren. Von der Kronen Zeitung und Oe24 gab es keine Rückmeldung.

Auch die Unternehmen Spar, Rewe, Hofer und Lidl beteuerten, dass sie keinen Einfluss auf die Berichterstattung der untersuchten Zeitungen haben. Eine Erklärung, warum es ausgerechnet in dieser Zeit so wahnsinnig viele freundliche Berichte gegeben haben könnte, hat Spar-Sprecherin Nicole Bergmann. In dieser Phase habe man vermehrt PR-Aussendungen gemacht, sagt sie. Die Übernahme oder Verarbeitung dieser Texte könne das Unternehmen aber nicht beeinflussen. Die Konzerne Spar, Rewe und Lidl betonten außerdem, dass die Berichterstattung in sämtlichen Medien aus ihrer Sicht zur Zeit des Lebensmittelgipfels insgesamt negativer als sonst gewesen sei. Für „sämtliche Medien“ mag das stimmen, für die Artikel in den untersuchten Boulevard-Zeitungen, die Supermärkte konkret erwähnen, aber jedenfalls nicht.

Berichterstattung der Kronen Zeitung diverser

Die Kronen Zeitung ist übrigens das einzige der drei untersuchten Medienhäuser, bei der uns keine Häufung von positiven Artikeln speziell um den Lebensmittelgipfel auffiel. Bei der Krone waren von elf Beiträgen in diesem Zeitraum nur vier positiv, allerdings auch nur zwei negativ. Die übrigen Texte, das war die Mehrheit, waren relativ neutral geschrieben.

Auch sonst berichtet die Krone im Vergleich am ausgewogensten über Supermärkte. Es gibt zwar auch hier überwiegend positive Berichterstattung, das Gesamtbild ist jedoch deutlich differenzierter.

 

Hofer-Berichte in der Krone sind dabei ein echter Ausreißer. Denn während es über Spar, Rewe und Lidl überwiegend positive Berichte gibt, ist das bei Hofer anders. Hofer ist tatsächlich der einzige Supermarkt, der öfter in negativem als positivem Kontext erwähnt wird. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Es gab jedenfalls kaum Texte, die gezielt nur Hofer kritisieren – wie eine klassische Krone-Kampagne sieht die Berichterstattung daher nicht aus.

Wenn die Krone kritisch über Supermärkte berichtet, dann geht es unter anderem um Strafen auf Supermarkt-Parkplätzen („Hier kann parken teuer werden: 80 Euro Strafe für 13 Minuten), um die Kritik an bestimmten Produkten („Wie gesund ist Wasser mit Geschmack wirklich?, „Schweinefleisch im Supermarkt: „Erschreckend) oder um Lebensmittelpreise („So entstehen die Wucherpreise bei Lebensmitteln, „So werden Sie im Supermarkt über die Kassa gezogen). Die Krone ist also durchaus nicht zimperlich.

Im Vergleich zu Oe24 und der Heute wirken die meisten positiven Artikel auch etwas weniger werblich und haben neutralere Titel wie „Preise im Supermarkt beginnen zu sinken, „Neuer Supermarkt sichert Arbeitsplätze in der Region(19. Mai) oder „Alles „öko“ im Supermarkt (4. März).

Was bedeutet das nun? 

Medienhäuser brauchen die Inseraten von Supermärkten wie einen Bissen Brot. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, was ihre finanzielle Situation angeht. Wie man mit den noch vorhandenen Werbekunden umgehen soll, scheint daher eine Frage zu sein, die nicht nur die Anzeigenabteilung beschäftigt, sondern augenscheinlich auch so manche Redaktion. Ist das mit gutem Journalismus noch vereinbar? Bei der Berichterstattung über Supermärkte scheint die Grenze zu verschwimmen.


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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.

Kronen Zeitung: "Anzeige und Berichterstattung (ca. 20.000 Euro)”
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