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So freundlich berichteten „Krone“ und „Heute“ im Wahlkampf 2017 über Sebastian Kurz

Die WKStA ermittelt gegen die mächtigen Verleger Christoph und Eva Dichand. Der Verdacht steht im Raum, Sebastian Kurz habe im Gegenzug für Inserate und ein freundlicheres Stiftungsgesetz positive Berichterstattung bekommen. Unsere Analyse von über 1.100 Artikeln in „Krone“ und „Heute“ aus dem Wahlkampf 2017 zeigt: Vor allem die Kronen Zeitung hat überaus freundlich über Kurz berichtet. Bei „Heute“ fiel diese Tendenz weniger deutlich aus.

Freundliche Berichterstattung über Kurz in der Krone im Wahlkampf 2017

Der 30. März 2023 war kein guter Tag für die Familie Dichand. Kein Wunder, denn Hausdurchsuchungen in einem der größten Medienunternehmen Österreichs gibt es nicht oft. An diesem Donnerstagmorgen war es aber so weit. Thomas Schmid belastete gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand schwer: Dichand soll Änderungen des Stiftungsrechts und Inserate für ihre Zeitung gefordert, und im Gegenzug wohlwollende Berichterstattung in Aussicht gestellt haben. Auch ihr Ehemann und Krone-Chef Christoph Dichand wird als Beschuldigter geführt. Die Dichands bestreiten die Vorwürfe. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Das alles soll 2017 passiert sein – also zu einem Zeitpunkt, als Sebastian Kurz das erste Mal als Spitzenkandidat antrat, um Bundeskanzler zu werden.

Seitdem wurde viel über die Causa geschrieben. Medien berichteten über diverse Chats, sprachen mit Expert:innen und zitierten aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Doch eine Frage blieb bisher unbeantwortet:

Gab es die im Raum stehende wohlwollende Berichterstattung für Kurz?

Diese Frage ist bislang unbeantwortet, denn sie zu beantworten ist enorm aufwendig. Die gedruckten Zeitungen von „Krone“ und „Heute“ aus dieser Zeit sind längst im Altpapier verschwunden, und auch online findet man nicht alles. Wer wissen möchte, wie diese Zeitungen damals berichtet haben, muss also in Bibliotheken und anderen Archiven wühlen und die alten Ausgaben ausgraben.

Kobuk hat das getan. Wir haben uns alle Ausgaben der Kronen Zeitung und von „Heute“ ab 6 Wochen vor der Wahl am 15. Oktober besorgt: Das sind 45 „Krone“-Ausgaben und 31 von „Heute“ („Heute“ erscheint am Wochenende nicht, daher gibt es weniger).

Dann haben wir jeden einzelnen Text in diesen Zeitungen analysiert: Über wen wird positiv berichtet? Über wen negativ? Wer kommt wie oft vor, und ist die Berichterstattung insgesamt fair – oder eben doch sehr Kurz-freundlich? In beiden Zeitungen zusammen haben wir insgesamt rund 1.100 Texte ausgewertet und mehr als 350 Werbungen/Inserate gezählt.

Krone auf Schiene: Kurz als Gewinner, Kern gebeutelt von Skandalen

Das Ergebnis: Den Themen und der Person Sebastian Kurz wurde viel Platz gegeben. Sein größter Konkurrent, der damalige Kanzler und SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern sprach von medialem Druck gegen ihn – und den gab es auch tatsächlich, speziell in der Kronen Zeitung. Aber der Reihe nach:

Fangen wir mit der Kronen Zeitung an.

In der „Krone“ gab man Sebastian Kurz mit Persönlichkeitstests, Leserbriefen, Kolumnen, Bildern und Ansagen auffallend mehr wohlwollenden Raum als den politischen Mitbewerbern.

 

Interessant ist aber vor allem wie über Sebastian Kurz berichtet wurde. Seine Themen und Ansagen waren vor allem in der „Krone“ prominent und ausufernd platziert: Zum Beispiel seine Forderung nach einem „Burka-Verbot“.

Zugeordnet wird der harte Kurs bei Integration dem damaligen Integrationsminister Kurz, obwohl das Burka-Verbot eine altbekannte Forderung der FPÖ war. Auch andere Forderungen von Kurz bekommen viel Platz:

Kurz wird in der „Krone“ als Staatsmann präsentiert, so soll zum Beispiel auch die deutsche Kanzlerin Merkel sich ein Beispiel an ihm nehmen.

Einen Monat vor der Wahl bekommt Kurz auch noch ein bemerkenswertes Porträt in der „Krone Bunt“, das ihn als Landburschen zeigt. Bemerkenswert deshalb, weil er dort Fragen gestellt bekommt wie: „Mit Ihrer 89-jährigen Oma haben Sie engen Kontakt. Was hat sie Ihnen mit auf den Weg mitgegeben (sic!)“, oder: „Wer bügelt denn ihre Hemden?“

Ein sehr freundliches Kurz Portrait in der Krone in Wahlkampf 2017

Vergleichbar freundliche Porträts der anderen Spitzenkandidaten gab es so kurz vor der Wahl nicht. Der Fairness halber sei aber angemerkt: Christian Kern wurde am 11. Juni (4 Monate vor der Wahl) von der selben Autorin porträtiert, Peter Pilz am 16. Juli (3 Monate vor der Wahl). Dafür war Sebastian Kurz interessant genug, um sogar zwei Mal von der selben Autorin porträtiert zu werden. Im Mai 2017 erschien ihr erster Text: „Die Kurz-Geschichte eines Wunderwuzzis“.

Das positive Bild über Kurz spiegelte sich auch in den Kolumnen der „Krone“ wieder. Vor allem Michael Jeannée schwärmt über den damaligen Außenminister. Eine Auswahl:

„Sie sind eine politische Hochbegabung und daher viel zu wichtig für unser Land, diese Wüstenei, was wirklich gute Politiker anbelangt, um sich mit 27 Jahren als jüngster Außenminister VERHEIZEN zu lassen …“, „Sebastian Kurz /…/ Ausnahmetalent. Große schwarze Hoffnung.“

Bei Christian Kern klang das anders. Kolumnist Jeannée sah den „Noch-Kanzler“ als Chef der „Mafia-Methoden“, Kern solle sich überhaupt schnellstens aus der Politik verabschieden. Kolumnisten-Kollege Heinz Sichrovsky bezeichnete Kern als Hiob und schrieb:

Er kandidiert für den Vorsitz des Schwarzen Blocks und ruft zu Massenplünderungen auf („Holen Sie sich …“).“

„Holen Sie sich“ bezieht sich dabei auf Kerns Wahlkampf-Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“. Daraus einen Aufruf zur Massenplünderung abzuleiten, ist schon recht originell.

Christian Kerns „Super-GAU“

Kritik an der SPÖ und Kern ist bis zu einem gewissen Grad nicht überraschend und journalistisch gerechtfertigt. Schließlich war 2017 das Jahr der Silberstein-Affäre. Wir erinnern uns: Rund um den 1. Oktober 2017 deckten österreichische Medien auf, dass der SPÖ-Wahlkampfmanager Tal Silberstein Facebook-Seiten mit teilweise antisemitischen, rassistischen Inhalten füllte, um so Sebastian Kurz zu schaden. Silberstein erhielt dafür mehrere Hunderttausend Euro von der SPÖ. Nach dem Bekanntwerden der Kampagne war Kern medial unten durch.

Doch nicht nur dieser Super-GAU bekam in der Krone viel Platz – auch bei anderen Themen kam die SPÖ nicht gut weg.

Zum Beispiel der sogenannte „Kanzlercheck“. Die „Krone“ ließ eine Personalberatungsfirma einen Test durchführen, bei dem die Kandidat:innen auf ihre Kanzlertauglichkeit evaluiert wurden. Kern brach als einziger diesen Test ab, was ihm eine Reihe an Negativartikeln einbrachte. So sah das dann aus:

Die anderen Kandidaten wurden im Detail besprochen und analysiert, Kern wurde als kleines Maxerl auf der Seite abgebildet. Nach 39 Minuten soll der damalige Kanzler den Test abgebrochen haben. Zum Vergleich: die anderen Kandidat:innen brauchten zwischen 40 Minuten und einer Stunde. Einige verwertbare Antworten hat der Ex-Kanzler also wohl gegeben.

Und auch die Affäre um seinen Urlaub mit ORF-Moderator Tarek Leitner schlug im Boulevard hohe, negative Wellen.

Ein weiteres Detail ist bemerkenswert: Ab dem 25. September war der „Krone“ am Nachmittag ein „Wahl Extra“ beigelegt. In einer Aussendung versprach die Boulevardzeitung sich deutlich unterscheidende Extraausgaben“ – in der Praxis wurden aber viele Artikel ein zweites Mal gedruckt.

Hier eine kleine Auswahl an solchen doppelt gedruckten Berichten:

So viel zur „Krone“.

Und nun zu „Heute“.

„Heute“ hatte keine Wahlbeilage und kaum Leserbriefe. Trotzdem bekam auch hier Kurz in unserem Untersuchungszeitraum die meisten Artikel.

 

Kurz: Kompetent, sympathisch, ehrgeizig, durchsetzungsfähig und fesch

Wurde nicht nur oft, sondern auch besonders positiv über Kurz berichtet? Das lässt sich bei „Heute“ nicht eindeutig sagen. Das Ausmaß tendenziell freundlicher Berichte über Kurz ist mit der „Krone“ nicht vergleichbar, es gibt aber subtile Hinweise.

Zum Beispiel: Macht die ÖVP etwas „Gutes“, sei es eine Forderung stellen oder etwas, das als Erfolg wahrgenommen wird, dann geht es um „Kurz“ – gibt es Kritik, dann wird von der ÖVP geschrieben. Die These, die naheliegt: Kurz’ Name wird aus negativen Schlagzeilen ausgespart. So sieht das in der Praxis aus. Kurz fordert etwas:

Und das Gegenbeispiel: Die „ÖVP“ will die Armen bestehlen, sagt Häupl – das Zitat wird allerdings Kurz zugeschrieben, wie man im Text erfährt.

Natürlich muss man bedenken, dass Kurz damals in allen Umfragen führte und objektiv gesehen viel Zuspruch in der Bevölkerung hatte. Er galt als interessanter Kandidat. Und sagen wir es so: Wer „Heute“ gelesen hat, wurde darüber auch umfassend informiert.

Aber: In der „Heute“ gab es weitaus weniger Raum für Extra-Beiträge im Stil der „Krone“. Insgesamt war die Berichterstattung hier ausgewogener. Der langjährige Chefredakteur von „Heute“, Christian Nusser, hat außerdem betont, dass es keinerlei Intervention von Eva Dichand gegeben habe.

Das gute Geld

Wir haben uns auch die Inserate angesehen.

In den Chats von Eva Dichand mit Thomas Schmid ging es ja um Inserate aus dem Finanzministerium – in der „Heute“ schaltete das BMF zehn ganze Seiten, in der „Krone“ waren es im Beobachtungszeitraum sieben.

Laut Transparenzdatenbank der FH Joanneum hat das Finanzministerium im zweiten und dritten Quartal 2017 insgesamt in allen Medien Inserate um 2,9 Millionen Euro geschalten. Stolze 70 Prozent davon gingen an „Krone“ (ca. 810.000 Euro), „Heute“ (ca. 730.000 Euro) und Oe24 (ca. 550.000 Euro) – Stichwort: Beinschab-Tool. Die übrigen 30 Prozent gingen an sämtliche anderen Medien des Landes. In den Jahren danach haben allerdings fast alle Medien deutlich mehr Geld aus dem Finanzministerium bekommen, wie Kobuk an anderer Stelle schon berichtet hat.

Was sagen die Dichands dazu?

Wir wollten natürlich wissen, was Christoph und Eva Dichand zu unserer Recherche sagen. Eva Dichand schreibt uns:

In Heute gab es niemals eine überproportionale Berichterstattung zugunsten ÖVP oder Kurz. Ganz im Gegenteil kam die SPÖ und BK Kern überproportional viel und positiv in HEUTE vor/ im Vergleich mit allen! anderen Österreichischen Tageszeitungen im selben Zeitraum. Was HEUTE betrifft ist Ihre Behauptung einfach falsch und sollten Sie diese so veröffentlichen kreditschädigend. Wir werden dies auch rechtlich verfolgen.

Eva Dichand spricht auch von einer eigenen Studie, die sie über die Berichterstattung zu Kurz in Auftrag gegeben habe. Wir haben sie gebeten, uns diese Studie zu übermitteln und hätten sie gerne in unsere Recherche eingearbeitet. Leider haben wir sie nicht erhalten. Stattdessen kam dieses Statement:

Wir werden jegliche Falschinformationen und subjektive Auslegung sofort klagen.

Von Christoph Dichand bzw. der Kronen Zeitung haben wir bislang keine Stellungnahme erhalten.

Kurz ganz groß

Was bleibt? Auf den Titelseiten von „Heute“ und „Krone“ stand im Wahlkampf 2017 keinesfalls „Kurz muss Kanzler werden“ – aber die Berichterstattung setzte auf seine Themen als Außen- und Integrationsminister und griff über weite Teile inhaltlich das Parteiprogramm der ÖVP auf.

Die Skandale der SPÖ dominierten die Berichterstattung. Der vor allem gegenüber Ex-Kanzler Kern sehr negative Ton wurde hauptsächlich in der „Krone“ in Berichten sowie in Kolumnen gepflegt.

Ob das auf Wunsch bzw. Druck der Dichands passiert ist, können wir nicht beantworten. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch.


Siehe auch: Unsere Analyse der Berichterstattung über Sebastian Kurz in „Österreich“ im Wahlkampf 2019.


Dieser Artikel wurde ausschließlich durch Spenden und Untersützer:innen ermöglicht. Wir lassen uns auch durch Klagsdrohungen nicht einschüchtern. Wer gerne weitere Recherchen dieser Art lesen möchte, erfährt hier mehr:

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1 Kommentar(e)

Gerhard Hager - Am 17. October 2023 um 13:33

es ist sicher kein zufall, dass die kronen-zeitung das vom presserat am häufigsten verurteilte medium ist.

hier eine kleine chronologische auswahl der verurteilungen.

https://www.hagerhard.at/blog/2018/01/alternative-facts/