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Medien auf Reisen: Wer zahlt, bleibt oft im Verborgenen

Ein schwarz gekleideter Polizist blickt streng in Richtung Hafen, neben ihm tanzen bunte Micky-Maus-Luftballons in der Luft“, berichten die Salzburger Nachrichten im Mai 2016 aus dem Gazastreifen. Die Kronen Zeitung veröffentlicht im Februar 2020 eine „Spurensuche“ nach einem moldawischen Oligarchen: „Durchs Zentrum von Chisinău knattert ein rostiger Traktor. Auf einem Fahrrad kämpft eine Dame mit Kopftuch und Schürze gegen die Kälte.“

Berichterstattung aus der Ferne ist beliebt, bei Journalistinnen und Journalisten ebenso wie bei ihrem Publikum. Doch Auslandsreportagen sind aufwändig und teuer – die Reise, die Unterkunft, die Übersetzung, die Kontakte vor Ort. Wer finanziert das eigentlich? Die  Recherche von Kobuk zeigt: Häufig sind es nicht die Medien selbst.

Wenn in Österreich nicht gerade aus Nachbarländern, sondern beispielsweise aus dem 8000 Kilometer entfernten Uganda oder dem im Südkaukasus gelegenen Georgien berichtet wird, steckt oft eine bestimmte Organisation dahinter: die Austrian Development Agency (ADA), die österreichische Agentur für Entwicklungsarbeit. Der Großteil ihres Budgets kommt vom Außenministerium, im vergangenen Jahr waren das 114,3 Millionen Euro an operativen Mitteln. Die ADA erhält aber auch Gelder aus dem European Recovery Program (ERP), von anderen österreichischen Ministerien, oder Bundesländern.

Als staatliche Einrichtung hat die ADA gemäß Auskunftspflichtgesetz Rede und Antwort über ihre Wirkungsbereiche zu stehen. Und zu diesen gehören auch Pressereisen. Die Agentur finanziert Reise und Unterkunft, von den teilnehmenden Journalistinnen und Journalisten wird ein Kostenbeitrag erhoben. Das Programm und die Gesprächspartner sind meistens vorgegeben. Zeit, eigenständig zu recherchieren, bleibt da in der Regel kaum. 

Im Juni 2023 schlüsselte die ADA auf Anfrage über das Informationsfreiheitsportal FragDenStaat alle von ihr finanziell unterstützten Pressereisen in den Jahren 2015 bis 2023 auf. In Summe organisierte die ADA in diesem Zeitraum 22 Pressereisen, an denen über die Jahre die großen österreichischen Tageszeitungen, diverse Magazine und auch der ORF teilgenommen haben.

Kobuk hat sich die zwölf Printmedien angesehen, die seit 2015 auf Einladung der ADA auf Reisen waren, sowie die Berichterstattung der österreichischen Presseagentur APA. Als Reiseziele dienten Albanien, Armenien, Äthiopien, Bhutan, Burkina Faso, Georgien, Irak, Kosova, Moldau, Palästina und Uganda. Wenig überraschend: Bis auf den Irak sind alle Destinationen Schwerpunktländer der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, im Jahr 2021 standen dafür über 200 Millionen Euro zur Verfügung. In einem weiteren Schritt analysierte Kobuk die Berichterstattung über diese Reisen. In wie vielen Texten erschien ein Hinweis auf die Finanzierung durch die ADA? 

Das Ergebnis ist ernüchternd: Von insgesamt 85 Berichten enthielten lediglich 25 einen Transparenzhinweis. Acht der dreizehn Medien gaben kein einziges Mal an, dass die ADA die Reise finanzierte.

Von der ADA finanzierte Pressereisen

Transparent zu machen, wer für eine Reise bezahlt, ist keine Fleißaufgabe. Der Ehrenkodex des österreichischen Presserates verpflichtet Medien, das zu tun: „In Berichten über Reisen, die auf Einladung erfolgten, soll auf diese Tatsache in geeigneter Form hingewiesen werden“ steht in Artikel 4.5 Die Regelung ist sinnvoll: Medien werden nicht ohne eigennützige Hintergedanken auf diese Reisen eingeladen. 

Das erklärte Ziel der ADA ist es, einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, wie erfolgreich sie in den Partnerländern agiert. „Die teilnehmenden Journalistinnen und Journalisten besuchten von uns geförderte Projekte und berichteten über die Menschen, die davon profitieren,“ schreibt die ADA in ihrem Geschäftsbericht 2019. Die ADA erklärt auf Anfrage, die mitfahrenden Journalisten „nicht explizit“ darauf hinzuweisen, die Reisefinanzierung in der Berichterstattung zu deklarieren – das liege in deren Verantwortung. Womit sie recht hat. Nur kümmert das viele nicht.

In jenem Jahr war beispielsweise die Kronen Zeitung, Österreichs auflagenstärkste Zeitung, auf Einladung der ADA in Moldawien. Sie schreibt darin nicht nur über das Verschwinden eines moldawischen Oligarchen, sondern auch über von der ADA unterstützte Ausbildungsstätten. „Aktuell fördert man 30 sorgfältig ausgewählte Projekte in den Bereichen Wasser, Umwelt, Klimawandel, Bildung, Regierung und Sicherheit“, wird dort artig aufgezählt. In den Jahren davor und danach berichtet die Kronen Zeitung immer wieder über die Leistungen der ADA – für die armenische Landwirtschaft, ein Reintegrationsprogramm in Albanien oder im Rahmen der Eröffnung eines Honorarkonsuls in Bhutan.

Die Summen, die die ADA investiert, führt die Krone brav an. Immerhin dienen diese Berichte auch dazu, die Verwendung der staatlichen Mittel, die der ADA zufließen, transparent zu machen. Aber ein Finanzierungshinweis fehlt in der Krone-Berichterstattung immer: jener zur Reise selbst. Seit 2015 nahm das Blatt acht Mal an ADA-Pressereisen teil – „Krone-Lokalaugenschein“ heißt das oft in der Printversion. Kein einziges Mal wurde erwähnt, dass die ADA die Reise finanziert hat. Auf die Kobuk-Anfrage zur Stellungnahme reagierte die Chefredaktion nicht.

Die Krone ist nicht Mitglied im Presserat und somit nicht an den Ehrenkodex gebunden. Doch auch bei den Mitgliedern des Presserates steht es um die Transparenz nicht unbedingt besser.

Die Tageszeitung Kurier reiste auf ADA-Einladung 2015 nach Bhutan und 2016 nach Palästina. In beiden Berichten geht es auch um die Unterstützungsleistungen der ADA. „Mit österreichischer Hilfe gelingt dem einst abgeschlossenen Königreich langsam der Sprung in die Moderne“, heißt es etwa in der Reportage über Bhutan. Understatement klingt anders. Im Bericht über die palästinensischen Gebiete zählt der Kurier Hilfsmaßnahmen der ADA ausführlich auf und zitiert den dortigen ADA-Leiter: „Der Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt soll – auch durch unsere Hilfe – durchbrochen werden“. Dass diese Reise von der ADA selbst finanziert wurde, erfährt das Publikum nicht.

Kobuk hat die Kurier-Chefredaktion um eine Stellungnahme gebeten. Man sei sich „der Compliance-Regeln durchaus bewusst“, ist die Antwort. Warum die Transparenzhinweise dennoch fehlen, bleibt unbeantwortet.

Viel unterwegs war auch die die Kleine Zeitung. Die größte Bundesländerzeitung nahm an fünf Pressereisen teil, lässt in den daraus resultierenden Artikel einen entsprechenden Hinweis aber ebenfalls aus. Eine 2018 erschienene Armenien-Reportage ist mit einer Infobox zur ADA ausgestattet. Die Möglichkeit, dort auch über die Finanzierung der eigenen Berichterstattung aufzuklären, nutzt die Kleine aber nicht. Ebenso bei einer weiteren Auslandsreportage, die im selben Jahr erschien. Aus Tiflis berichtet eine Redakteurin detailreich, wie sich Georgien modernisieren will – auch mithilfe der ADA, die dort ein „Projekt zum professionellen Anbau von Kakis“ unterstützt. Dass die Agentur auch die Reise finanzierte, erfährt die Leserschaft nicht. Warum das so ist, wollte von der Redaktion niemand beantworten.

In Tiflis war auch die Wiener Zeitung dabei – die dort den damaligen georgischen Landwirtschaftsminister Levan Davitashvilixx interviewte, der betonte, was man beim Skifahren, dem Bergtourismus und dem Weinbau von Österreich alles lernen könne. (“Alles, was mit Skifahren zu tun hat, hat Verbindungen zu Österreich.”) Und immerhin anführte, dass das Gespräch durch die ADA ermöglicht wurde. Ob das dem Anspruch des Presserats gerecht wird, in “geeigneter Form” auf die Finanzierung hinzuweisen, ist streitbar.

Die Salzburger Nachrichten folgten der Einladung der ADA seit 2015 sieben Mal und belegen damit nach APA und Krone den dritten Platz . Aus den Reisen entstanden oft mehrere Artikel: Ein Portrait des ADA-Büroleiters in Armenien als „SN-Aufsteiger“ erscheint beispielsweise kurz nach der Armenienreise, zu der die ADA lud. Man erfährt darin von dessen Kontakten zum armenischen Premier und wie sehr ihm Salzburger Knödel fehlen. 

Infolge der aktuellsten Albanienreise im Oktober 2022 veröffentlichten die Salzburger Nachrichten ebenfalls mehrere Artikel. In einem heißt es: „Die Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, hilft Albanien mit 13 Projekten, damit es sich den EU-Standards annähert.“ Es fehlt der Transparenzhinweis, dass ebenjene Agentur zur Reise dorthin eingeladen hatte. 

So einen Hinweis findet man lediglich in einem später erschienen Bericht zum ökologischen Zustand der Vjosa, in der die ADA allerdings nicht erwähnt wird. Auch 2016, in einem Artikel zum Gazastreifen, hieß es: “Die Reise nach Gaza wurde zum Teil von der ADA finanziert.” Als es aber mit Unterstützung der ADA nach Uganda, Äthiopien oder Burkina Faso ging, fehlt so ein Hinweis. Auf Anfrage berichtet Chefredakteur Manfred Perterer, dass dies „im redaktionellen Alltag längst fest verankert“ sei. Im Großteil der von Kobuk gesichteten Berichte aber nicht fest genug.

Wie sieht es in den übrigen Bundesländern aus? Die Tiroler Tageszeitung war mit ADA-Unterstützung 2015 in Armenien und 2017 in Uganda, die Oberösterreichischen Nachrichten und die Vorarlberger Nachrichten durften je einmal mit. Die Artikel haben zwei Dinge gemeinsam: Die ADA und ihre Arbeit wird darin vorgestellt. Und auf einen Redaktionshinweis zur Reisefinanzierung wird verzichtet. 

In der Magazinwelt sieht es nicht besser aus: News und Biber wurden seit 2015 fallweise von der ADA eingeladen und behielten diesen Umstand für sich.Biber-Chefredakteurin Aleksandra Tulej antwortet auf Anfrage, dass dem Magazin der Transparenzanspruch durchaus bewusst sei. Zuletzt wurde im Oktober 2019 eine Einladung nach Moldau angenommen; am Ende des Artikels findet sich ein Logo mit dem Schriftzug „Gefördert durch die österreichische Entwicklungszusammenarbeit“.Aber ist damit jedem klar, dass die Reise selbst gemeint ist?.

Neben den genannten Printmedien nahm auch die Presseagentur APA die Einladungen der ADA mehrmals an und produzierte in der Regel mehrere Meldungen daraus. Als sie beispielsweise 2018 über Bio-Landwirtschaft in Armenien berichtet, liegt ein Fokus auf der lokalen Projektfinanzierung durch die ADA. Dass die Reise dorthin teilweise von der Entwicklungsagentur übernommen wurde, geht nicht hervor. Auch das 2017 veröffentlichte „Themenpaket zur Entwicklungszusammenarbeit mit Georgien“ ermöglichte eine Reiseeinladung der ADA. Darauf weist allerdings keine der Meldungen hin. APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger verweist auf Anfrage auf verschärfte Complianceregeln seit Herbst 2019; damals wurde der Transparenzhinweis bei Pressereisen auf interne Anweisung eingeführt. Und tatsächlich: In Reisen seit 2019 taucht stets ein entsprechender Hinweis auf.

Über alle Medien hinweg, die sich Kobuk angesehen hat, gab es nur bei den Tageszeitungen Standard und Presse durchgängig Transparenzhinweise bei Pressereisen. Die beiden Medienhäuser haben sich 2013 in ihren eigenen Compliance-Regeln dazu verpflichtet, Pressereisen auf Einladungen Dritter entsprechend zu kennzeichnen.

Das zeigt immerhin, dass es mit internen Complianceregeln funktioniert, der Redaktion ein gewisses Transparenzbewusstsein mit auf die Reise zu geben. Bonuspunkt: Man missachtet keinen Grundsatz des Ehrenkodex für die österreichische Presse.


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Der Artikel erscheint parallel im aktuellen Falter.

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