Das mit dem Gendern ist so eine Sache. Sachlich zu diskutieren ist fast unmöglich. Zu sehr erhitzt das Thema die Gemüter. Denn es geht schon lange nicht mehr nur um inklusive Sprache, wie sie an Universitäten üblich ist, in den Medien für Kopfzerbrechen sorgt und für die niederösterreichische Landesregierung verboten gehört. Hinter diesem zweisilbigen Wort machen sich ganze Welten auf. Für die eine Seite ist Gendern Ausdruck einer inklusiven Gesellschaft. Die andere Seite fürchtet hingegen einen „Genderwahn“ – der Begriff bezeichnet eine „als übertrieben empfundene und an der Realität vorbeigehende Beschäftigung mit Genderthemen“, liest man auf Wiktionary. Als Kampfbegriff der extremen Rechten, um die traditionelle Geschlechterordnung zu verteidigen, bezeichnet ihn die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung.
Zu jenen, die „Genderthemen“ traditionell ablehnend gegenüberstehen, gehört die größte Tageszeitung Österreichs, die Kronen Zeitung. Interessanterweise heißt das aber nicht, dass diese Themen, mit denen sich andere „übertrieben“ beschäftigen, in der Krone nicht vorkommen. Im Gegenteil, die Krone bringt die Genderdebatte sogar regelmäßig auf ihr Titelblatt. Zwischen Jänner 2021 und August 2024 genau gesagt 25-mal.
Viele dieser Artikel sind voller künstlicher Aufregung und unsachlich. Fast schon krampfhaft versucht die Krone wieder und wieder einen Genderwahn herbeizuschreiben.
Gewissermaßen könnte man der Krone also eine „übertriebene und an der Realität vorbeigehende Beschäftigung mit dem Thema Genderwahn“ attestieren. Oder kurz gesagt: Willkommen im Genderwahn-Wahn der Krone.
In vielen österreichischen Onlinemedien erscheint regelmäßig Werbung für illegale Online-Casinos. Dazu kommt noch Werbung für legales Glücksspiel, die oft nicht als solche zu erkennen ist. Unsere Recherche zeigt: Das sind keine Einzelfälle, sondern hat System.
2023 haben etliche öffentliche Stellen deutlich weniger Geld an Medien ausgeschüttet, als noch im Jahr davor. Gleichzeitig mussten in diesem Jahr viele Medien einmal mehr Personal abbauen. Das zeigt, wie schwierig es geworden ist, schwarze Zahlen zu schreiben. Und auch, wie wichtig öffentliche Gelder für das Überleben mittlerweile sind.
Wie schon vergangenes Jahr wollen wir nüchtern aufzeigen, wie viel öffentliches Geld welche Zeitung im Jahr 2023 bekommen hat. Grob gesagt kann man öffentliche Gelder in zwei Kategorien unterteilen: Inserate und Förderungen.
Zu den Inseraten öffentlicher Stellen zählen etwa jene, die durch die Ministerien und das Bundeskanzleramt vergeben werden. Die Vergabe wird regelmäßig kritisiert – der Verdacht der Inseratenkorruption steht seit Jahren im Raum. Auch Kobuk hat mehrere Artikel dazu veröffentlicht.
Erst kürzlich hat beispielsweise die Oberstaatsanwaltschaft die WKSta angewiesen, zu ermitteln, ob OE24-Chef Wolfgang Fellner im Gegenzug für Inserate dem damaligen FPÖ-Chef Strache positive Berichterstattung versprochen und damit bestochen hat. Es gilt die Unschuldsvermutung. It’s a never ending story.
Zu Inseraten von öffentlichen Stellen zählen aber nicht nur Regierungsinserate. Als „öffentliche Stellen“ sind all jene Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen definiert, die vom Rechnungshof überprüft werden können. Also beispielsweise auch die Landesregierungen, die AK oder die WKÖ usw.
Bei diesen Geldern handelt es sich nicht immer ausschließlich um Steuergeld. Auch Unternehmen wie die ÖBB oder die Post zählen zu den öffentlichen Stellen.
Davon abgesehen gibt es Förderungen, die die öffentliche Hand vergibt. Wer sich hier einen Überblick verschaffen will, braucht einiges an Geduld, aber grob gesagt gibt es drei Töpfe: Presseförderung, Rundfunkförderung und Digitalisierungsförderung.
Neu dazu kommen hätte vergangenes Jahr eine „Qualitätsjournalismus-Förderung“ sollen. Aufgrund von Verzögerungen wurden die ersten Gelder aber erst im Mai 2024 ausbezahlt.
Zählt man alles zusammen, sieht es für das Jahr 2023 so aus:
Was gab es nicht schon an Medienberichten über vermeintlich skurrile EU-Verordnungen: Kühe dürften angeblich nur mehr mit Windeln auf die Alm, Buntstifte und Wasserfarben seien verboten oder ein Zoo müsse wegen der EU seine Kleinhirsche schlachten. Oft bleibt auf den zweiten Blick kaum etwas von diesen Headlines übrig. Gerade in der Kronen Zeitung gibt es eine gewisse Tradition, die EU als Feindbild für alles Mögliche herzunehmen und dabei mit den Fakten nicht ganz so genau zu sein, wie wir mehrfach gezeigt haben.
Die Titelgeschichte der Krone vom 9. April fügt sich nahtlos in diese Serie ein. Die Aussage „Gebrauchtwagen für EU nur Schrott“ ist schlichtweg falsch. Wir haben uns den Gesetzesvorschlag angesehen und mit einem Experten gesprochen. Dinge, die die Krone bei diesem Artikel wohl verabsäumt hat.
2022 wurde erstmals eine Förderung vergeben, die Medien bei ihrer Digitalisierung unterstützen sollte. Einige Projekte erregten mit absurd hoch wirkende Summen für Aufsehen. Nun ist mehr als ein Jahr vergangen, deshalb wollten wir der Frage nachgehen, was aus dem öffentlichen Geld bisher geworden ist. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht. An vielen Stellen mangelt es vollkommen an Transparenz.
Als 2022 das erste Mal die Digitalisierungstransformationsförderung vergeben wurde, sorgten einige Anträge für Stirnrunzeln. Der Radiosender „Welle 1“ kassierte 180.000 Euro für ein Projekt mit dem Titel „Selbstständiges Denken“, die Mediengruppe Österreich erhielt ca. 300.000 Euro für Newsletter und die Oberösterreichischen Nachrichten bekamen für ein Re-Design von nachrichten.at stolze 1,26 Millionen Euro. Es handelt sich um Steuergeld, daher wollte Kobuk wissen, was seither passiert ist. Wurden die Projekte umgesetzt? Sind Medien jetzt tatsächlich „digitalisierter“? Hat auch das Publikum etwas davon, dass diese Förderungen vergeben werden?
In einigen Fällen haben wir Antworten gefunden, aber in vielen anderen war es nicht möglich, die Verwendung der Fördermittel nachzuvollziehen. Aus einer Recherche über die Verwendung von Steuergeld wurde eine Geschichte über fehlende Transparenz.
Die Bundesregierung hat seit ihrem Amtsantritt dutzende Pressereisen organisiert und bezahlt. Über 480 Berichte in allen großen Printredaktionen sind dazu erschienen. Eine Auswertung von Kobuk zeigt, dass in nur 17,5 Prozent der Artikel transparent gemacht wird, wer diese Reise eigentlich bezahlt hat. Ein klarer Verstoß gegen den Ethikkodex des österreichischen Presserates.
Pressereisen sind so eine Sache. Bei vielen Journalist:innen sind sie beliebt – man kommt zur Abwechslung mal raus aus dem Büro und kann sich niederschwellig ein eigenes Bild von einem Ort oder einem Event machen. Wenn Politiker:innen die Reise bezahlen, dann bekommen Journalist:innen außerdem oft wertvolle Gelegenheiten, sich mit ihnen und ihren engsten Mitarbeiter:innen besser bekannt zu machen. Kontakte, die im kleinen Österreich Gold wert sein können.
Politiker:innen finanzieren solche Reisen freilich nicht ohne Hintergedanken. Sie wollen von der Berichterstattung in irgendeiner Weise profitieren. Dafür haben sie auch viele Hebel in der Hand: Sie organisieren die Reise und damit auch den Ablauf – und haben so einen großen Einfluss darauf, wer, wann, was zu sehen bekommt. Es wäre illusorisch zu glauben, dass Journalist:innen auf solchen Reisen völlig frei berichten können. Dennoch stehen die Reisen quasi an der Tagesordnung – von Hanoi bis München.
Zwei zum Preis von einem? Trotz Inflation und Kritik an den Lebensmittelpreisen ist die Berichterstattung im Jahr 2023 über Spar, Billa, Hofer und Co in allen großen Boulevardzeitungen auffällig positiv. Supermärkte sind gleichzeitig die größten privaten Inseratenkunden von Zeitungen.
Eine kurze Einordnung vorab: Eine DOSSIER-Recherche von 2020 zeigte, dass Inserate von Supermärkten fast ein Viertel des privatwirtschaftlichen Werbeaufkommens in Printmedien ausmachen. Sie sind eine der wenigen Branchen, die noch auf Inserate setzt. Es ist also nicht übertrieben wenn man sagt, dass Printzeitungen ohne den Werbegeldern von Supermärkten kaum überleben könnten. Umso mehr stellt sich die Frage, wie Medien über diese Unternehmen berichten.
Der Auslöser für unsere Recherche war eine Vielzahl von Artikel von Heute, Oe24 und der Kronen Zeitung mit stark werblichem Charakter. In scheinbar redaktionellen Artikeln werden Produkte angepriesen („Hofer senkt die Preise: Welche Produkte jetzt günstiger werden“ von Oe24.at) und über die neuesten Rabatte informiert („Rabatt-Wahnsinn geht weiter – Ansturm auf Diskonter“ von Heute). Obwohl diese Texte nicht als Werbung gekennzeichnet sind, wirken sie alle so, als wären sie direkt von der PR-Abteilung der jeweiligen Supermärkte übernommen worden.
Wir wollten wissen, ob das System hat und haben alle Berichte von 1. Jänner 2023 bis 12. Dezember 2023 in Heute, Oe24 und Krone untersucht, in denen Billa, Spar, Lidl, Hofer oder Penny namentlich erwähnt wurden. In insgesamt 278 Artikeln wurden die Lebensmittelketten 479 Mal genannt. Es gibt also auch viele Beiträge, die über mehrere Supermärkte berichten.
Vorweg: Alle Zeitungen haben eine äußerst positive Schlagseite. Gesamthaft betrachtet sieht das so aus:
E-Mail-Verläufe zeigen, dass Unternehmer und Investor Michael Tojner bei Eva und Christoph Dichand Einfluss auf die Berichterstattung der Kronen Zeitung und von Heute nehmen wollte. Sie zeigen auch, dass er auf diese Versuche oft positive Rückmeldungen der Dichands bekam. Das ist durchaus relevant, denn: Haben die Dichands dem Unternehmer Tojner positive Berichterstattung gegen Inserate beschert, ist das ein gutes Indiz, dass sie es auch für Sebastian Kurz getan haben könnten, wie die Staatsanwaltschaft derzeit untersucht.
Der Standard, die Dunkelkammer und die ZIB2 haben ausführlich über die E-Mail-Verläufe zwischen Tojner und Dichands berichtet. Kurz darauf veröffentlichte Eva Dichand an drei aufeinander folgenden Tagen bemerkenswerte Kolumnen. Sie dementiert darin nicht nur alle Vorwürfe, sondern geht in die Offensive: Dem Standard wirft sie etwa „tendenziöse Berichterstattung – getragen von ideologischen Kämpfern“ vor, die Berichterstattung im ORF sieht sie als „Retourkutsche“ für kritische Berichte gegen die Haushaltsabgabe in Heute.
Doch was bisher unbeantwortet geblieben ist, ist die Frage, ob nach den E-Mails auch tatsächlich Berichte im Sinne von Tojner in den Dichand-Medien gedruckt wurden. Blieb es also alleine bei E-Mails, wie Dichand sagt, oder steckt mehr dahinter? Kobuk hat sich das angesehen.
Spoiler: Die Krone tanzte zeitweise ganz nach Tojners Pfeife, bei der Heute hielt die Brandmauer zwischen Geschäftsführung und Redaktion im untersuchten Fall deutlich besser.
Es läuft nicht besonders gut für René Benko. Mehrere Firmen aus dem Signa-Imperium des Immobilieninvestors rutschen in den vergangenen Monaten in die Insolvenz. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Benko ist nicht irgendein Unternehmer, er ist auch Miteigentümer von zwei großen österreichischen Zeitungen. Ende 2018 kaufte er für kolportierte 80 Millionen Euro 49 Prozent der WAZ Ausland Holding GmbH. Diese hält jeweils die Hälfte der Anteile an der Kronen Zeitung und dem Kurier. Wir wollten daher wissen, wie die beiden Zeitungen über die Probleme ihres Miteigentümers berichten.
Um das herauszufinden, hat Kobuk Texte des Kuriers und der Krone über die Signa-Krise analysiert und sie mit der Berichterstattung in der Presse und dem Standard verglichen. In Summe waren es 824 Online- und 771 Printbeiträge, die analysiert wurden.
Das Ergebnis verblüfft: Die Berichterstattung des Kurier wirkt so, als würde man mit angezogener Handbremse fahren – viele Themen kommen spät, gar nicht oder sind kurz angebunden.
Mit der Schlagzeile, der wichtigsten Geschichte des Tages, präsentiert sich eine Printtageszeitung nach außen. Kobuk hat 15 Wochen lang die ersten Seiten der sieben wichtigsten Tageszeitungen in Österreich analysiert. Rund 65% der Titelgeschichten stammten aus männlicher Feder.
Früher, vor Hauszustellungen und E-Paper-Downloads, war der Zeitungsverkauf ein lautes Geschäft. Zeitungsverkäufer, im angloamerikanischen Raum auch Newsboys genannt, priesen die Blätter an, indem sie die wichtigste Geschichte durch die Straßen riefen. Die wichtigste Geschichte, das war meistens jene in dicken Lettern auf der Titelseite. Mittlerweile werden Tageszeitungen zwar nicht mehr auf der Straße beworben – dennoch dient die Front Page einer Zeitung bis heute als Aushängeschild. Und bis heute werden die Titelgeschichten in Österreich zum Großteil von Männern geschrieben.