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Kurier mit Beißhemmung, Krone knallhart – Wie die Zeitungen über Benko berichten

Es läuft nicht besonders gut für René Benko. Mehrere Firmen aus dem Signa-Imperium des Immobilieninvestors rutschen in den vergangenen Monaten in die Insolvenz. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Benko ist nicht irgendein Unternehmer, er ist auch Miteigentümer von zwei großen österreichischen Zeitungen. Ende 2018 kaufte er für kolportierte 80 Millionen Euro 49 Prozent der WAZ Ausland Holding GmbH. Diese hält jeweils die Hälfte der Anteile an der Kronen Zeitung und dem Kurier. Wir wollten daher wissen, wie die beiden Zeitungen über die Probleme ihres Miteigentümers berichten.

Um das herauszufinden, hat Kobuk Texte des Kuriers und der Krone über die Signa-Krise analysiert und sie mit der Berichterstattung in der Presse und dem Standard verglichen. In Summe waren es 824 Online- und 771 Printbeiträge, die analysiert wurden.

Aufmacherbild: Die Headlines über Benko

Das Ergebnis verblüfft: Die Berichterstattung des Kurier wirkt so, als würde man mit angezogener Handbremse fahren – viele Themen kommen spät, gar nicht oder sind kurz angebunden.

Die Krone berichtet ganz anders: oft, hart und reißerisch. Dabei fällt eines auf: Die ersten großen – oft doppelseitigen – Benko-Geschichten in der Krone haben keine Autorenzeile, erst ab November 2023 zeichnet der Investigativjournalist Rainer Fleckl die Texte. Seine exklusiven Recherchen veröffentlicht Fleckl zeitgleich auch mit seinem Kollegen Sebastian Reinhart im News. Krone-intern läuft die Benko-Berichterstattung scherzhaft unter „Ressort Benko“. Es gab offensichtlich ein Interesse der Chefredaktion, das Problem des Krone-Miteigentümers im eigenen Blatt gründlich abzudecken – mehr dazu später.

Gehen wir es chronologisch durch.

Februar 2023: Erste Zweifel an Signas Stabilität

Mitte Februar erfolgt die erste aufsehenerregende Nachricht des Jahres. Die Financial Times berichtet, die Deutsche Bank habe alle Geschäfte mit Benko und seiner Signa beendet. Grund dafür seien die Korruptionsvorwürfe gegen Benko. Alle Zeitungen berichten, aber sehr unterschiedlich: Die Krone nur recht kurz, die Presse liefert einige Tage später einen ausführlichen Hintergrund.  Der Kurier bringt online eine Zusammenfassung der APA, inklusive eines doppelten Dementis der Signa – von einem Anwalt der Signa-Gruppe und fast wortgleich der Signa. Die Deutsche Bank sei keine „Hausbank“ der Signa, also alles paletti.

Die Leserschaft des gedruckten Kurier erfahren von alldem nichts. Die Meldung wird nur online veröffentlicht.

März/April 2023: Krone vs. Banken Benko

Während in den beiden Monaten März und April die Signa-Berichterstattung des Kuriers weiter eher unauffällig bleibt, dreht die Krone kräftig auf.

Sie berichtet eigeninitiativ immer wieder über kleinere Anlässe. Zum Beispiel: Als die grüne Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli eine parlamentarische Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner richtet, titelt die Krone „Benko und Banken: Toxische Beziehung?“. Die Krone berichtet auch als erste Zeitung über dunkle Wolken über „Benkos Reich“ und kritisiert ebenfalls das Engagement von Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer im Signa-Beirat.

Der Grundton der Berichterstattung ist gesetzt. Am 3. April zum Beispiel. Da nennt die Krone Benko einen „Immo-Jongleur“ und übernimmt die „heftige Kritik“, die in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung über die Insolvenz der Galeria Karstadt Kaufhof-Gruppe veröffentlicht wurde.

Benko als „Jongleur“ zu bezeichnen scheint der Krone besonders gut zu gefallen. Benko wird im Laufe des vergangenen Jahres in 31 Artikeln abwechselnd als Kaufhaus-, Immobilien- oder Betonjongleur bezeichnet. Zum Vergleich: In der Presse findet sich der Ausdruck zweimal. Beim ersten Mal zitiert die Presse dabei die Krone und beim zweiten Mal handelt es sich um ein Zitat von FPÖ-Chef Herbert Kickl.

der Jongleur Benko in der Kronenzeitung

April/Mai 2023: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen

Während die Krone also mit malerischen Umschreibungen jongliert, veröffentlich der Standard im April eine brisante Recherche: Sebastian Kurz habe Benko geholfen, in den Vereinigten Arabischen Investitionen anzuwerben. Im Kurier erfährt man erst mehr als zwei Monate später von den Erkenntnissen der Standard-Recherchen, versteckt im letzten Absatz eines Artikels über die Nahost-Ausflüge des Ex-Bundeskanzlers Kurz.

Vom nächsten medialen Tiefschlag für die Signa bekommen Kurier-Leser:innen dann gar nichts mit. Am 21. April fragt der Spiegel: „Hat René Benko sich verzockt?“ Standard und Presse berichten – inklusive Dementi von Benko – direkt am gleichen Tag. Einige Zeit später widmet sich auch die ZiB2 den Vorwürfen gegen Benko. Diesen Bericht nimmt auch die Krone dann auf. Nur im Kurier findet man zur Recherche des Spiegels nichts.

Der Spiegel berichtet, alle anderen folgen

Immer wieder findet sich dieses Muster im Verlauf des Jahres. Der Kurier zeigt kein besonderes Interesse an kritischen Berichten über Signa und Benko und steigt oft erst bei höheren Nachrichtenwerten in die Berichterstattung ein – bei Themen, die sich nicht mehr umgehen lassen.

Während sich in den anderen Zeitungen die Zweifel an Benko verstärken, erscheint im Kurier zwischen dem 21. April und dem 16. Mai überhaupt kein einziger Artikel mit direktem Bezug zur Signa.

Mai 2023: Die Ruhe vor der ersten Pleite

Im Mai findet Logistik-Milliardär Klaus Michael Kühne in der Kronen Zeitung klare Worte: „Dass die besten Signa-Zeiten vorbei sind, liegt in der Natur der Sache; der Immobilienboom ist ausgelaufen, und die Finanzierungskosten sind stark angestiegen“.

Leser:innen von Presse, Standard und Krone dürfte diese Einschätzung nicht überraschen. Jene des Kuriers hingegen schon. Dort liest man bis zu diesem Zeitpunkt nämlich noch immer praktisch nichts über die Probleme von Signa.

Juni 2023: Der Verkauf von Kika/Leiner – ein Riesengeschäft für die Signa?

Das ändert sich, als es knallt: Signa verkauft Anfang Juni Kika/Leiner. Und natürlich berichten alle Zeitungen über den Deal.

Der Standard läuft richtig heiß in diesen Tagen, berichtet regelmäßig über Neuigkeiten des Deals (oft APA-Meldungen), über Unstimmigkeiten bei Benkos Übernahme 2018 und das Engagement von Thomas Schmid: Man findet mehrere hintergründige Artikel, Eigenrecherchen, ein Porträt des Käufers der Immobilien und mehr.

Auch die Presse ist gut am Thema dran, berichtet Aktuelles knapp und liefert dann Hintergründe. Redakteurin Madlen Stottmeyer und Gerhard Hofer hinterfragen beispielweise, ob die Signa einen guten Deal gemacht hat. Das für Signa wenig schmeichelhafte Fazit: „An einer Rettung profitiert in der Regel vor allem der Retter.“

Die Krone geht noch weiter und spricht als erste Zeitung von „veritablem Sanierungsbedarf“ bei Kika/Leiner. Die Krone verweist außerdem auf hohe Schulden der Signa bei der Raiffeisen, die – diese Spitze lässt man sich nicht entgehen – ja auch Anteile am Kurier habe.

Jetzt berichtet auch der Kurier aktuell und regelmäßig. Dennoch bleibt die Berichterstattung dünn: In den ersten zwei Wochen sind nur vier Stücke zur Pleite länger als 50 ZeilenDer Kurier setzt seine Ressourcen stattdessen für andere Texte ein. Zum Beispiel erfährt das Publikum auf kurier.at, dass die Signa es auf Platz 7 der Best Workplaces 2023 in der Kategorie 100-249 Mitarbeitende geschafft hat.

Ironischerweise findet am Tag des Verkaufs von Kika/Leiner auch eine Begehung des letzten Grundstücks statt, das die Signa behalten hat: dem geplanten Flagshipstore auf der Mariahilferstraße. Der Standard, die Presse und der Kurier berichten. Bezeichnend jedoch: Die Artikel des Standard und der Presse weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Immobilie aus dem Portfolio von Kika/Leiner stammt, sind deutlich kürzer als die Hintergrundtexte zum Kika/Leiner-Verkauf und erscheinen ausschließlich online. Ganz im Gegenteil zum Kurier. Die einzig mögliche positive Story über Signa in dieser Zeit bekommt auch im Print viel Raum. 

Das Lamarr der Signa/Benko bekommt im Kurier viel Aufmerksamkeit

Selbst als wenige Tage nach dem Verkauf von Kika/Leiner durch die Signa 23 Filialen geschlossen und rund 2000 Mitarbeitende gekündigt werden müssen, findet der Kurier einen  positiven Spin. Die Mitarbeitenden seien am Arbeitsmarkt heiß umworben, schreibt man. Dass Kika/Leiner soeben bekannt gegeben hat, dass eine Insolvenz angemeldet wird, versteckt sich hingegen in der Mitte des Textes.

Der Kurier versteckt die Insolvenz

Juli/August/September 2023: Fade-out und Sommerloch

Im Sommerloch des Jahres 2023, also den Monaten Juli, August und September, bleiben alle Medien an der Signa-Causa dran. Die Krone berichtet in vielen kleinen Häppchen – dafür aber ununterbrochen. Die Presse liefert Hintergründe, der Standard fällt mit Eigenrecherchen auf. Der Kurier liefert insgesamt weniger Stücke und im Vergleich zur Presse und dem Standard auch weniger ausführliche, hintergründige Texte. Eine kleine Zusammenstellung in zwei Kategorien.

Dinge, über die der Kurier berichtet:

Dinge, über die der Kurier nicht berichtet, die anderen Medien aber schon:

Wer in dieser Zeit Standard und Presse liest, wird klar: Es ist die Ruhe vor dem Sturm.

Ruhe vor dem Sturm in Standard und Presse

Im Kurier hingegen liest man ganz andere Töne. Die Wüstenrot-Chefin und ehemaligen FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn, die jetzt im Signa-Aufsichtsrat sitzt, beschwichtigt unwidersprochen: „Ich sehe nicht den geringsten Anlass für irgendeine Aufregung oder Gefährdung.“

Ein Zitat, das nicht sonderlich gut gealtert ist. Natürlich ist es legitim , ein Mitglied des Aufsichtsrates zu interviewen. Insgesamt hatte der Kurier bis zu diesem Zeitpunkt jedoch eine viel zu milde – aus heutiger Sicht muss man sagen: falsche – Einschätzung zur Lage von Signa.

Die Krone hingegen hämmert auch in dieser Zeit mit allem, was der Boulevard bietet, auf Benko und die Signa ein – nicht immer mit guten Argumenten, dafür aber starken Worten.

Die Krone haut auf Benko drauf

Das zeigt sich auch an einer ganzen Reihe an überaus kritischen Titelstorys zu Benko. Insgesamt war Benko bzw. die Signa der Krone an acht Tagen ein prominente Erwähnung am Cover wert. Sowohl die Bildsprache als auch die Wortwahl sprechen dabei ein vernichtendes Urteil.

Die Titelseiten der Krone

Der Standard sieht darin wenig überraschend eine „teils kampagnenhafte Berichterstattung“ der Krone gegenüber der Signa. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Krone bzw. die Familie Dichand ein angespanntes Verhältnis zu Benko haben soll. Laut Standard sollen die Dichands  „schwer irritiert“ von dessen Einstieg als Gesellschafter Ende 2018 gewesen sein. Hintergrund ist ein schon viel älterer Streit, den die Dichands mit der Funke Gruppe haben. Dabei geht es um viel Geld und um Mitbestimmungsrechte – der Streit beschäftigt regelmäßig auch Gerichte. Seit dem Einstieg von Benko, mischt nun auch die Signa-Gruppe mit.

Gleichzeitig könnte es auch eine profane Erklärung geben: die Krone macht einfach knallharten Boulevard-Journalismus. Kampagnisierung gehört dazu, wenn es gegen einen hausinternen Gegner geht, umso besser.

Oktober 2023: Die Signa wankt öffentlich

Am 3. Oktober nimmt Benko die Signa Sports von der Börse. Das Unternehmen soll schrumpfen und saniert werden. Wenige Tage später stellt mit TennisPoint das erste Unternehmen der Signa Sports einen Insolvenzantrag, eine Woche später zieht Signa Sports United nach.

Die Signa ist angeschossen, die Meldungen überschlagen sich. Die Signa Development und auch die Muttergesellschaft machen riesige Verluste, der Elbtower-Bau wird gestoppt, der Bau an der Sportarena Stuttgart auch. Dann melden sich die mächtigen Signa-Investoren zu Wort, Benko solle alle operativen Geschäfte an einen Sanierer übergeben. Doch auch in dieser Situation liefert der Kurier keine hintergründigen Artikel. Erst am 31. Oktober  – also fast einen Monat nach der ersten Insolvenz – erscheint der erste ausführliche Artikel. Der erste erklärende Hintergrund über die Zustände im Signa-Reich folgt am 4. November.

Vier Tage später tritt René Benko als Vorsitzender des Beirats der Signa Holding zurück. Die Zukunft der Signa ist offen. Nach und nach kommen immer mehr unangenehme Details an die Öffentlichkeit: Missmanagement, komplexes Unternehmensgeflecht, Geldschwund, Lobbying und Freunderlwirtschaft.

Im Laufe des vergangenen Jahres bis zum 15. Dezember  hatte die Presse Benko bzw. die Signa ebenso wie die Krone acht Mal am Cover, der Standard sogar neun Mal. Und der Kurier? Nur vier Mal – in einem Jahr voller Skandale, Verkäufe und Pleiten.

Was Krone und Kurier dazu sagen

Wir haben beide Zeitungen kontaktiert und um Stellungnahme gebeten. Von der Kronen Zeitung haben wir leider keine Antwort bekommen.

Den Kurier haben wir gefragt, warum es zu wichtigen Signa-Themen keine ausführlichen Berichte gegeben hat. Als Beispiele nennen wir, dass Signa ins Visier der Bankenaufsicht gerät, dass Signa kein neues Rating mehr von Creditreform bekommt und dass größere Zweifel an der Solidität der Gesellschaften im Laufe des Sommers im Kurier keine Erwähnung finden. Wirtschaftsressortleiter Robert Kleedorfer versichert uns, dass unser Eindruck täusche und verweist darauf, dass sehr wohl berichtet wurde. Konkret nennt er etwa einen Text über eine Warnung der EZB. Wir haben den angesprochenen Artikel rausgesucht. Ja, er meint tatsächlich den kleinen oben rechts.

 

Der Kurier hat doch berichtet

Kleedorfer weiter: „Vielleicht haben wir eine Meldung zu Signa/Benko übersehen, aber dahinter steckte keine Absicht.“

Was nehmen wir mit?

Beim Kurier bleibt der Eindruck, dass man erst über das Signa-Thema berichtet, wenn es nicht mehr anders geht. Und es gibt noch ein zweites große Problem bei der Kurier-Berichterstattung über die Signa. Alle anderen Vergleichszeitungen können eine Sache besonders gut: Die Krone berichtet unermüdlich über jeden Anlass und knallhart, die Presse liefert kontinuierlich erhellende Hintergründe und der Standard setzt immer wieder Recherche-Glanzlichter. Doch der Kurier hat so einen „Unique Selling Point“ nicht. Er zeigt keinerlei Eigeninitiative.

Stattdessen findet man immer wieder Erzählungen, die in Benkos Interesse sind. So auch am 2. Dezember. Da schreibt Martina Salomon, Chefredakteurin des Kurier, in einen Kommentar, über die „deplatzierte Häme zum Crash des Signa-Konzerns“, und weiter: „Niemand kann sich wünschen, dass sich jetzt „Heuschrecken“ wertvollste City-Immobilien aus dem Signa-Reich zum Schnäppchenpreis einverleiben oder dass wichtige Projekte, vor allem in Deutschland, Bauruinen bleiben.“ Die Ironie daran: Was Salomon als „Heuschrecken“ bezeichnet, ist ziemlich genau jene Vorgehensweise, mit der auch Benko zu zahlreichen Immobilien gekommen ist.

Hätte sie im vergangenen Jahr nur ihre eigene Zeitung gelesen, hätte sie davon aber vermutlich nichts mitbekommen.

Bejubeltes Scheitern - Leitartikel von Martina Salomon
Update: Eva Dichand hat in einem bemerkenswerten Kommentar mehr über den Konflikt zwischen Krone und Benko geschrieben. Demnach habe Benko versucht Herausgeber der Krone zu werden. Dichand schreibt: „Er hat dann versucht, mit Forensic Due Diligence etwas zu finden, um meinen Mann aus dem eigenen Unternehmen zu entlassen. Hat nicht geklappt.“ Das erklärt wohl die Kampagne gegen Benko.


Kobuk finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Wer uns unterstützen und damit weitere Recherchen wie diese ermöglichen will, findet alle Infos dazu hier: www.kobuk.at/support


Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien. Er erscheint zeitgleich im Falter.

Zwei Drittel der Titelgeschichten schreiben in Österreich noch immer Männer
Kronen Zeitung: "Anzeige und Berichterstattung (ca. 20.000 Euro)”

1 Kommentar(e)

Bettina - Am 22. February 2024 um 07:26

Meine Bezeichnung für Leute wie Benko wäre so etwas wie „krebsgeschwürartig vernetzter Sozialschmarotzer“. Aber ich schreibe ja auch nicht für den Kurier.