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Kategorie: ! Starker Kobuk

In den letzten Wochen hat die Kronen Zeitung eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, die suggerieren, dass Milliarden an EU-Geldern an „fragwürdige“ Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fließen – und das angeblich „ohne Kontrolle“. Doch hinter der Berichterstattung steckt eine Kampagne, die mehr auf Stimmungsmache als auf sachliche Kritik setzt.

Es ist Freitag, der 25. Juli. In der Kronen Zeitung heißt es selbstbewusst: „Nachdem die ‚Krone‘ Ungereimtheiten bei EU-Milliardenförderungen für NGOs aufgezeigt hat, geht es Schlag auf Schlag: Strafanzeigen in Luxemburg, München und Wien.“ Am selben Tag lädt die FPÖ zu einer Pressekonferenz. Das Thema: „Steuergeschenke für Klima-Lobbyisten – es reicht!“.

Die Krone wird darüber nicht berichten – sie muss es auch nicht. Denn was die FPÖ dort sagt, hat die Zeitung längst geschrieben; in der aktuellen Ausgabe und auf ihren Print- und Onlineseiten der vergangenen Wochen.

Die Juli-Kampagne der Kronen Zeitung. Diverse Screenshots und Zeitungsausschnitte.

Insgesamt bringt die Krone im Juli acht Geschichten zu den vermeintlichen „Ungereimtheiten“ der NGO-Förderpolitik. Dabei zeigen sich Muster, die typisch für Kampagnenjournalismus sind: einseitige Quellenauswahl, emotionale Sprache, wiederholte Stereotype und ein klar erkennbares Ziel: zivilgesellschaftliche Organisationen zu delegitimieren.

In den Stunden und Tagen nach dem Amoklauf in Graz zeigten einige Medien eine besonders unrühmliche Seite – geprägt von Spekulationen, verstörenden Bildern und unangebrachten Besuchen.

Am Dienstag erschütterte ein Amoklauf an einer Grazer Schule das ganze Land. Während Einsatzkräfte versuchten, die Lage unter Kontrolle zu bringen und Angehörige betreut wurden, übertrafen sich viele Medien in medienethischen Verfehlungen: Sie spekulierten über Motive, zeigten Aufnahmen der Opfer und veröffentlichten identifizierendes Material. Ein Überblick über die schwerwiegendsten Verstöße gegen journalistische Sorgfaltspflichten der letzten beiden Tage.

Klicks über alles – das Problem mit dem Opferschutz

Screenshots von Berichten, die mit Videos Clickbaits generieren wollen. Dazu gehören Kronen Zeitung, Auf1, Exxpress und Servus TV.

Glaubt man den Schlagzeilen, ist die „Gen Z“ eine besonders kuriose Generation: Sie freut sich mehr für ihre Haustiere als für ihre Partner und ist sogar zu ängstlich, um auswärts zu essen. Unsere Analyse zeigt: Oft sind Gen Z-Meldungen substanzlos – mit aufgebauschten Umfrageergebnissen und fragwürdigen Quellen.

„Hat die Gen Z Angst davor, im Restaurant eine Bestellung aufzugeben?“ Das fragte Ende 2023 Der Standard online. Die kuriose Schlagzeile bezog sich auf eine Umfrage einer britischen Restaurantkette, wonach sich viele Menschen beim auswärts Essen überfordert fühlen – aus Sorge, das Falsche zu bestellen. Die New York Post kommentierte diese sogenannte „Speisekartenangst“ süffisant: „Add dining out to the growing list of things Gen Z can’t do like the rest of us.“ Das Problem an der Geschichte: Sie ist belangloser Clickbait – und damit in guter Gesellschaft, wenn es um Artikel über die Generation Z geht.

Die Umfrage wird nämlich überinterpretiert: Zwar fühlten sich mehr Angehörige der Gen Z unwohl im Lokal als ältere Generationen. Doch insgesamt gab die Mehrheit der Befragten an, „menu anxiety“ zu haben – unabhängig vom Alter. Die Quellenlage ist undurchsichtig: In keinem Medium, das die Meldung aufnahm, hat Kobuk einen Link zur Umfrage gefunden. Wie seriös die Umfrage ist, bleibt damit unklar. Und wenn wir schon von Quellen sprechen: Als weiteren „Beleg“ für die Relevanz der Speisekartenangst mussten auf derstandard.at Anekdoten aus dem Diskussionsportal Reddit herhalten.

Das ist kein Einzelfall. Wenn Medien Artikel über vermeintliche Eigenschaften einer Generation schreiben, sind diese oft Clickbait mit mangelhafter Quellenlage. Wir haben uns durch den Dschungel der Generationen-Berichterstattung geschlagen und dutzende solcher Artikel gelesen. Die junge „Generation Z“ (Jahrgang 1995 bis 2009) steht besonders im Fokus. Kaum ein Lebensbereich wird ausgespart, der sich nicht an den angeblichen Eigenarten der Gen Z aufhängen lässt – vom Schlaf- und Datingverhalten bis hin zur Arbeitsmoral.

Bildcollage mit Screenshots aus Medienberichten über die Generation Z

Dünne Quellenlage

Viele der Artikel haben keinerlei journalistisches Gewicht.

Österreichs Medien sind voll mit PR-Fotos aus dem Österreichischen Bundeskanzleramt. Sie vermitteln uns Bilder unserer Politiker*innen, die nicht die Realität widerspiegeln. 

Unsere Politker*innen sind super. Sie sind sympathisch, sie erklären uns die Welt, sie haben die Krisen im Griff. Diesen Eindruck könnte man bekommen, wenn man in Österreich eine Tageszeitung aufschlägt. Von den Bildern strahlen sie uns entgegen, adrett und kompetent.

 Foto Propaganda Medien

„Festnahme nach Mordverdacht“ lautet die Polizeimeldung am Morgen des 19. Februar. Keine fünf Stunden später hat die Gratiszeitung Oe24 schon ihr eigenes Bild konstruiert:

Oe24-Headline: Mord im Prater: Junger Liebhaber erschlug Katzen-Mama (47)

„Beide sind aus Wien und trotz des großen Altersunterschiedes offenbar ein Liebespaar“, spekuliert Oe24 wild drauflos. Zeitgleich stellt die Polizei fest: „In welchem Verhältnis die beiden stehen, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen.“

Doch nicht nur mit Oe24 geht die Fantasie durch. Auch die Krone titelt „Frau in Liebesnest getötet“, spricht von ihr als „die ältere Sexpartnerin“ und dem Täter als „ihre nicht mal halb so alte Turtelei“. Auf Heute.at ist man sich ebenso sicher, das Opfer sei die „Liebhaberin“.

Die Gratiszeitung Heute gibt freiheitlichen Aufreger-Geschichten viel Raum, übernimmt gerne FPÖ-Sprech und pflegt sogar einen gewissen Kickl-Kult. Warum?

„‚Hören Sie genau zu‘ – FPÖ-Chef Kickl sagt jetzt ALLES“ verspricht Heute.at vergangenen Donnerstag. Blau-schwarz ist am Vortag offiziell gescheitert. Und wer es nicht zur Primetime in der ZIB verfolgt hat, kann nun Kickls „45 Minuten Klartext“ im Wortlaut auf dem Onlineauftritt der Gratiszeitung nachlesen. Dabei wurde die Kickl-Rede schon Mittwochabend unter dem Titel „FPÖ-Chef packt aus“ in großen Teilen für Heute-Leser transkribiert.

Zwei Headlines auf Heute.at zur Kickl-Rede nach dem Scheitern der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen.

Freiheitliche Botschaften bekommen im Heute-Universum viel Raum. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht aus einer Presseaussendung oder einem Social-Media-Posting der Freiheitlichen ein Bericht gemacht wird. Mit den journalistischen Kriterien Relevanz und Richtigkeit nimmt es die Online-First-Redaktion von Heute, seit Oktober 2023 geführt von Chefredakteur Clemens Oistric (33), dabei nicht immer so genau. Das ergab eine Kobuk-Auswertung von Geschichten und Kommentaren über die FPÖ rund um die Nationalratswahl 2024. Diese Anbiederung bringt dem Blatt aus seiner Sicht einige Vorteile: Exklusive Sager, mehr Klicks und eine Zweitverwertung in FPÖ-nahen Kanälen.

Die Kronen Zeitung und das Land Burgenland gründen ein gemeinsames Unternehmen für Solartechnik. Zeitgleich startet das Massenblatt eine Kampagne für „Krone Sonne“. Ein Zufall?

Krone-Chefredakteur Klaus Herrmann nutzte den prominentesten Platz in Blatt, den es gibt, um die frohe Botschaft zu verkünden. Seinen Kommentar in der Sonntagskrone. „Heute starten wir unsere große Aktion ‚Krone Sonne‘ – um in Österreich einen großen Schritt weiter zur Nutzung der Sonnenergie zu machen“, frohlockte er am 12. Juni 2022.

Denn für Krone-Gründer Hans Dichand war Natur- und Umweltschutz immer schon ein „zentrales Thema“,  längst „ergänzt um den Klimaschutz“. Aber: „Im Tierschutz und im Klimaschutz vorankommen – das kann freilich nicht ein Medium für sich allein, nicht einmal die ‚Krone‘ als Nummer 1. Fortschritte zum Wohl von Tier und Mensch können wir nur gemeinsam mit unseren Lesern, Usern und Sehern machen. Mit ihnen gemeinsam sind wir stark.“

In vielen österreichischen Onlinemedien erscheint regelmäßig Werbung für illegale Online-Casinos. Dazu kommt noch Werbung für legales Glücksspiel, die oft nicht als solche zu erkennen ist. Unsere Recherche zeigt: Das sind keine Einzelfälle, sondern hat System.

2022 wurde erstmals eine Förderung vergeben, die Medien bei ihrer Digitalisierung unterstützen sollte. Einige Projekte erregten mit absurd hoch wirkende Summen für Aufsehen. Nun ist mehr als ein Jahr vergangen, deshalb wollten wir der Frage nachgehen, was aus dem öffentlichen Geld bisher geworden ist. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht. An vielen Stellen mangelt es vollkommen an Transparenz.

Als 2022 das erste Mal die Digitalisierungstransformationsförderung vergeben wurde, sorgten einige Anträge für Stirnrunzeln. Der Radiosender „Welle 1“ kassierte 180.000 Euro für ein Projekt mit dem Titel „Selbstständiges Denken“, die Mediengruppe Österreich erhielt ca. 300.000 Euro für Newsletter und die Oberösterreichischen Nachrichten bekamen für ein Re-Design von nachrichten.at stolze 1,26 Millionen Euro. Es handelt sich um Steuergeld, daher wollte Kobuk wissen, was seither passiert ist. Wurden die Projekte umgesetzt? Sind Medien jetzt tatsächlich „digitalisierter“? Hat auch das Publikum etwas davon, dass diese Förderungen vergeben werden?

In einigen Fällen haben wir Antworten gefunden, aber in vielen anderen war es nicht möglich, die Verwendung der Fördermittel nachzuvollziehen. Aus einer Recherche über die Verwendung von Steuergeld wurde eine Geschichte über fehlende Transparenz.

Titelbild

Eine Kobuk-Analyse der Raiffeisen-Berichterstattung der vergangenen drei Jahre im Kurier zeigt, dass die Bank nicht nur extrem oft, sondern meistens auch sehr schmeichelhaft vorkommt. Der Kurier berichtet bei jeder sich bietenden Gelegenheit über Raiffeisen – außer, wenn es um negative Nachrichten geht.

Seit über dreißig Jahren befindet sich der Kurier im Mehrheitsbesitz der Raiffeisen-Gruppe. Das ist heikel, denn wie alle großen Banken, ist auch Raiffeisen regelmäßig Gegenstand der Berichterstattung. Wie aber läuft das, wenn eine Zeitung über ihren Eigentümer berichtet? Und wie verhält sich umgekehrt jener mächtige Eigentümer, wenn ihm etwas an der Berichterstattung nicht gefällt?

„Wenn man glaubt, dass sich jemand in der Redaktion im Ton vergriffen hat, das sind dann schon Themen, wo ich zum Telefon greife. Oftmals frage ich mich bei wirtschaftlichen Themen: Warum hat man nicht auch diese oder jene Seite beleuchtet?“

Das sagt 2013 Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien und seit 2022 auch Raiffeisen-Generalanwalt, im Interview mit dem Magazin Datum zu seinen Kontakten in die Kurier-Chefredaktion.

Kobuk hat sich stellvertretend für drei Jahrzehnte die letzten drei Jahre der Kurier-Berichterstattung über Raiffeisen angesehen. Wir haben alle Berichte, in denen Raiffeisen vorkommt gelesen und analysiert – in Summe über 1.000 Texte.

Collage verschiedener Kurier-Artikel, in denen Raiffeisen-Manager prominent platziert werden

Alleine diese gewaltige Zahl zeigt, dass die Sicht von Raiffeisen im Kurier ausgesprochen viel Platz bekommt. Der Kurier zitiert Raiffeisen-Experten nicht nur gerne in deren Kerngebieten, sie werden im Vergleich zu anderen Bankengruppen auch unverhältnismäßig oft zu Politik und Wirtschaft befragt werden. Ob Goodies am Weltspartag oder der Euro-Beitritt Kroatiens: Die Raiffeisen kommt nicht nur oft vor, sondern zumeist auch in freundlichen Artikeln.

Für eine Raiffeisen-Stimme ist im Kurier immer Platz

Die Platzierung einzelner Raiffeisen-Figuren ist im Kurier einmalig. So fand alleine Erwin Hameseder an 76 Tagen eine Erwähnung im Print-Kurier. Zum Vergleich: Der Standard, Die Presse, Heute, Kleine Zeitung, Kronen Zeitung, OÖ Nachrichten, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung und die Vorarlberger Nachrichten schafften es zusammen nur an 59 Tagen, Hameseder zu nennen.

Balkendiagramm; links die Anzahl der Tage, an denen Erwin Hameseder im Kurier vorkommt; rechts die Anzahl der Tage, an denen Erwin Hameseder in anderen Zeitungen vorkommt als gestapelter Balken