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und schauen fern.

Kategorie: Kronen Zeitung

Heiße Schiri-Frau verdreht allen den Kopf, Tennis-Beauty versext ihre Instagram-Fans, So schamlos ist die Nackt-Freestylerin: Headlines wie diese sind Alltag. Die Berichterstattung über Frauen im Sport kann man nicht anders als grob sexistisch nennen, besonders in Boulevardmedien. Qualitätsblätter pflegen zwar einen anständigeren Umgangston, doch gibt es auch dort ein Problem: Frauen kommen in der Sportberichterstattung nur sehr selten vor.

Wie ist der Stand der Dinge?

Um  mir ein klares Bild über die Verhältnisse zu schaffen, beobachtete ich vom 24. bis 31. Oktober 2o17 die Sportressorts der Onlineportale von Die Presse, Der Standard, Heute, Kronenzeitung und Österreich und habe mir dazu zwei Fragen gestellt: Wie oft wird über Frauen im Sport berichtet? Und: Worüber berichten Medien konkret, wenn Frauen aus der Sportwelt im Fokus stehen.

Mediale Aufmerksamkeit

Die erste Frage ist schnell beantwortet: 553 Sport-Berichte habe ich mir quer durch die genannten Medien angesehen, nur durchschnittlich 9 Prozent davon handelten von Frauen (Berichte über Trainerinnen, Expertinnen usw. habe ich mitgezählt). Die meisten Artikel über Frauen gab es in der Presse, im Standard und in der Krone. Doch selbst dort handelte nur in etwa jeder zehnte Text über eine Frau. Frauen sind in der Sportberichterstattung also massiv unterrepräsentiert.

„Heiße Schiri-Frau“ und „Tennis-Beauty“

Die zweite Frage bezieht sich vor allem auf den Boulevard, aber nicht nur: So veröffentlichte etwa die Presse einen Artikel über Anna Gasser, kurz nachdem sie zur Sportlerin des Jahres gewählt wurde, und brachte dazu eine Slideshow mit 20 Fotos. Inhaltlich ging es hauptsächlich um die sportlichen Leistungen, trotzdem lautete der Titel: Anna Gasser – Sportlerin des Jahres mit Modelqualitäten. Einen Artikel über Marcel Hirscher, Österreichs aktuellen Sportler des Jahres, der ohne jeden Zusammenhang und ohne erkenntlichen Grund dessen Aussehen im Titel thematisiert, findet man in der Presse hingegen nicht.

Im Vergleich zu dem, was sich auf den Seiten des Boulevards abspielt, ist das jedoch noch harmlos. Zusammengefasst muss man ein Drittel der Artikel von oe24.atheute.at und Krone.at über Frauen als extrem sexistisch einstufen.

Das beginnt schon in Überschriften, wo Frauen nicht namentlich genannt werden, sondern einen Kosenamen erhalten. Beispielsweise hübsche Blondine (Kristina Mladenovic), Wrestling-Schönheit (Alexa Bliss) oder auch Nackt-Freestylerin (Lisa Zimmermann). Oft rückt die Leistung der Sportlerinnen in den Hintergrund, das Augenmerk liegt dann auf dem Liebesleben, beispielsweise wie bei Mikaela Shiffrin (lüftet Liebesgehemnis!) oder Tina Weirather (turtelt jetzt mit Moderator!). Berichte, die scheinbar die Leistung einer Sportlerin thematisieren, werden zusätzlich durch nackte Haut aufgepeppt.

Über manche Frauen im Sport berichten Medien überhaupt nur dann, wenn sie gut aussehen. So erschien etwa Ende Oktober eine ganze Reihe an Artikeln über Karolina Bojar, eine polnische Schiedsrichterin im Amateurbereich. Der Boulevard nannte sie geschmackssicher „heiße Schiri-Frau“: Diese Schiri-Lady ist der neue Männerschwarm (Krone), Heiße Schiri-Frau verdreht allen den Kopf (Österreich), Sexy Schiri! Nach ihrer Pfeife tanzen die Kicker (Heute) und etliche weitere Artikel erschienen.

Eugenie Bouchard, derzeit auf Platz 116 der Tennisweltrangliste, ist sogar ein Dauerbrenner im Boulevard.  Um Sport geht es dabei selten, berichtet wird vor allem über ihre neuesten Instagram – Fotos. Dabei ist sie nicht die einzige, viele der Berichte über Frauen im Sport werden mit Bildern ihres Instagram-Accounts geschmückt, wie auch bei Lindsey Vonn:

Besispiel eines durch freizügige Fotos aufgepeppten Artikel: „Lindsey Vonn ätzt: Wir sind nur die Pony-Show!“ von krone.at.

Bei Männern ist es völlig selbstverständlich, dass ganz normal über Erfolge und Misserfolge berichtet wird. Bei Frauen kann davon keine Rede sein. Wenn nur jeder zehnte Artikel im Sportressort von Frauen handelt – und jede Menge dieser Artikel alles mögliche thematisieren, nur nicht die sportlichen Leistungen – dann sind wir von medialer Gleichbehandlung noch meilenweit entfernt.

In einem Artikel (hier eine archivierte Version) vom 10. Jänner titelt die Krone, dass beinahe jeder Zweite der kriminell gewordenen Ausländer ein Asylwerber sei. In der Überschrift scheint es so, als ob die 45,9 Prozent dem Sicherheitsbericht entnommen wurden. Die tatsächlichen Zahlen aus dem Sicherheitsbericht 2016 schreiben aber eine andere Geschichte.


Die Krone gibt als Quelle ein Zitat von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache an:

„Wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mitteilte, seien bereits 45,9 Prozent der in Österreich straffällig gewordenen Ausländer Asylwerber.“

Im Artikel eingebetteten Video (ab Minute 01:05) sagt Strache aber etwas ganz anderes, nämlich:

„Aber was signifikant negativ ist, ist, dass mit 45,9 Prozent Aufklärungsquote so hoch wie nie zuvor Asylwerber letztlich den größten Zuwachs bei fremden Tatverdächtigen auch aufzeigen.“

Den größten Zuwachs unter den ausländischen Tatverdächtigen gab es bei Asylwerbern, das stimmt. Die 49,5 Prozent haben aber weder mit Ausländern noch mit Asylwerbern zu tun, sondern beziehen sich auf die Aufklärungsquote aller Anzeigen im Jahr 2016. So steht es auch im Sicherheitsbericht auf Seite 10.

Den echten Anteil der tatverdächtigen Asylwerber unter den Ausländern herauszufinden, ist eigentlich gar nicht so schwer. Die Zahlen aus dem Sicherheitsbericht 2016 bilden Folgendes ab (Seite 21):

2016 war also nur ungefähr jeder Fünfte (21,1 Prozent) ausländische Tatverdächtige ein Asylwerber  und nicht wie von der Krone behauptet fast jeder Zweite (45,9 Prozent). Die Krone hat den Anteil also verdoppelt.

Eine „Krone“ Titelstory über die „brutale Attacke“ einer „somalischen Asylantin“ auf eine Wienerin wegen ihrer „unreinen Hunde“ bringt es zu weltweiter Verbreitung in islamfeindlichen Kreisen. Es gibt nur ein Problem: Die Geschichte stimmt so nicht.

Das Titelblatt der Sonntags-„Krone“ vom 16. Juli verweist auf eine Geschichte, die fassungslos macht:

Ingrid T. (54) liegt nach einer brutalen Attacke durch eine Muslimin im Spital. Motiv: ihre beiden Hunde! „Die Tiere sind unrein“, so die Begründung der Angreiferin, einer somalischen Asylantin.

(Bild anklicken für Zoom)

Laut Kronen Zeitung wollte die Wienerin ihren jungen Hund „Poco“, der auf eine „hübsche Frau mit Schleier“ zulief, zurückholen. Daraufhin wurde sie von der „Somalierin (18 Jahre alt, offizieller Aufenthaltstitel in Österreich)“ — das scheint wichtig — so brutal attackiert, dass ein Knie „komplett zertrümmert“ wurde. „Erst drei Männer konnten die Frau von der 54-Jährigen zerren.“ Und „warum das alles?“

Weil es hier um die Kultur gehe, soll der somalische Ehemann im Spital gesagt haben, als er Ingrid T. zur Rede stellen wollte: „Wir wollen keine Hunde, die sind schmutzig!“

Michael Jeannée, der graue Starkolumnist des Hauses, verfasst gleich neben dem Artikel einen „Wutbrief“ , in dem er „unsere Hunde“ und „unsere Kultur“ einer „muslimischen Hundekultur“ gegenüberstellt, die „uns hier in Österreich einen Dreck interessiert“.

Tags darauf folgt eine im Ton noch mal aggressivere Zusammenfassung des Artikels vom Vortag:

Poco […] war einer muslimischen Frau ein Dorn im Auge. Angst habe sie gehabt, die 18-Jährige Asylantin, weil er „unrein“ sei. […] Die Somalierin attackierte Ingrid T., bis sie zu Boden ging und sich das Knie zertrümmerte. In der „Krone“-Leserschaft gehen die Wogen hoch (siehe Ausrisse links).

Einen weiteren Tag später, am Dienstag, eine volle Leserbriefseite, eingeleitet von Jeannée, der sich über die Ernte seines und seiner Kollegin Schaffens sichtlich freut, nämlich über …

Hunderte von empörten Wutbriefen und zornigen E-Mails. […] Was mich auf die „Krone“-Leserfamilie stolz macht.

Zwischenzeitlich „explodiert“ die Geschichte geradezu in den sozialen Medien und mit ihr der gewohnte Hass der User. Noch am Sonntag freut sich der Chefredakteur von Krone.at über „bereits 22.000 Shares“:

Politiker wie Heinz-Christian Strache (in zwei Postings), diverse FPÖ- und AfD-Facebook-Seiten sowie Blogs mit einschlägiger Reichweite verbreiten die Story, sodass sie bereits am Dienstag, nur zwei Tage nach Printveröffentlichung in Österreich, von Breitbart.com in den USA aufgegriffen wird. Breitbart ist ein populäres Rechtsaußen-Nachrichtenportal, das Stephen Bannon leitete, bis er Chefstratege in Donald Trumps Weißem Haus wurde.

Spätestens ab jetzt geht die Story global viral – hier z.B. eine japanische Version. Die beiden Krone- und der Breitbart-Artikel wurden bis dato übrigens rund 80.000 Mal auf Facebook geteilt, für österreichische Nachrichten beachtliche Zahlen.

Am Donnerstag und Freitag jener Woche veröffentlicht die Kronen Zeitung dann noch eine Reihe von Leserbriefen. Eine Schreiberin fragt fast anklagend:

Warum hat man nur in der „Krone“ darüber gelesen?

Ja, warum eigentlich?

Woran erkenne ich einen Kobuk?

Man muss kein Sherlock sein, um zu sehen, dass die Geschichte nicht ganz sauber ist. Im Grunde ist sie ein Lehrbeispiel dafür, wie man „Räuberpistolen“ am Boulevard erkennt:

  1. Ein außergewöhnliches Ereignis wird nur aus einer Perspektive erzählt. Kein anderer Beteiligter kommt direkt selbst zu Wort, auch keine offizielle Stelle. (Das ist bereits der wichtigste Punkt. Ist er erfüllt, sollte man eine Story niemals teilen.)
  2. Es wird ein menschlich völlig unbegreifliches Verhalten ohne schlüssige Motivation dargestellt, was in Räuberpistolen weitaus häufiger vorkommt als in der Realität.
  3. Der Ablauf ist nicht plausibel oder erscheint lückenhaft. Warum z.B. wollte der somalische Ehemann das Opfer im Spital zur Rede stellen?
  4. Die Geschichte wird von keinem einzigen seriösen Medium berichtet.
  5. Die Berichterstattung wirkt ungenau und enthält Widersprüche. Eine im Artikel erkennbar „hübsche Frau“, die laut Jeannées „Wutbrief“ nebenan „vollverschleiert“ war?

Die Auskunft der Polizei und ein Nach-Interview des Profil

Ich habe daher eine Anfrage bei der Landespolizeidirektion Wien gestellt und diese teilt mir mit, dass der Vorfall wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung angezeigt wird und von einem bewussten Angriff nicht auszugehen ist:

Ziemlicher Knaller, oder? Aber was hatte es dann mit der „brutalen Attacke“ auf sich?

Während die Kobuk-Anfrage noch lief, hat das „Profil“ mit der Verletzten im Spital gesprochen und da klang die Geschichte plötzlich viel harmloser und nachvollziehbarer als in der „Krone“:

Auf Nachfrage [bei der verletzten Wienerin] erscheint der „Angriff“ in einem etwas anderen Licht. […] Einer von T.s Hunden machte […] ein paar Schritte unangeleint auf die Fahrbahn. [Sie] folgte ihm, um ihn auf den Arm zu nehmen.

Daraufhin habe die Somalierin sie heftig umklammert, woraufhin beide zu Boden stürzten. […] Ihr Vater, der in der Nähe war, geht von einer „völlig unbegründeten Panikreaktion“ aus.

Wie die Reporterin der Kronen Zeitung zu ihrer martialischen Erzählung eines brutalen Angriffs aufgrund vermeintlicher Unreinheit der Hunde kam, bleibt ihr Berufsgeheimnis. Möglicherweise hat sie einfach nur ungeprüft übernommen, was ihr der Anwalt der Hundehalterin erzählt hat:

Bei aller Vorsicht dürfte nach aktuellem Stand ungefähr Folgendes passiert sein:

Ein nicht angeleinter Hund ohne Beißkorb lief auf eine Frau zu, die ausgeprägte Angst vor Hunden hat (was übrigens auch an wilden Hunden in Somalia liegen kann). Die Hundehalterin lief dem Hund hinterher, um ihn zurückzuholen. In einer Panikreaktion dürfte sich die Frau so an diese geklammert haben, dass beide stürzten und sich die Hundehalterin am Knie schwer verletzte.

Aber ich gebe zu, das wäre jetzt keine wahnsinnig aufregende Boulevard-Geschichte.

 

PS: Vice hat sich in seiner bekannt zurückhaltenden Art kürzlich mit der Frage beschäftigt „Was zur Hölle geht eigentlich mit der ‚Kronen Zeitung‘?“ Die Expertise von Kobuk-Gründer Helge Fahrnberger kommt darin auch vor – sehr lesenswert in dem Zusammenhang.

 

Update März 2018: Der Österreichische Presserat hat Chefredakteur Christoph Dichand dazu folgenden offenen Brief geschickt:

Der Senat hat beschlossen, in diesem Fall kein Verfahren einzuleiten. Wie sich die Geschichte genau zugetragen hat, konnte der Senat nicht restlos aufklären. Nach Auskunft der Landespolizeidirektion Wien wurde der Fall als fahrlässige Körperverletzung aufgenommen: Die somalische Frau habe sich vor dem Hund erschreckt und die Hundebesitzerin umklammert. Die Hundebesitzerin sei daraufhin zu Sturz gekommen und habe sich am Knie verletzt. Zu dem in der „Kronen Zeitung“ und auf „krone.at“ behaupteten Motiv, dass die somalische Frau Hunde als „unrein“ betrachte und die Hundebesitzerin deshalb attackierte, konnte die Polizei keine Auskunft geben.

Aufgrund der Faktenlage bei der Polizei betrachtet es der Senat als heikel, dass in den Artikeln der Eindruck vermittelt wurde, dass es sich bei dem Vorfall um eine (gezielte) „Attacke“ aus religiösen Gründen handelte. Durch die einseitige Berichterstattung bzw. die einseitige Wiedergabe der Sichtweise des Anwalts der Hundebesitzerin wurde anscheinend ein religiöser Hintergrund konstruiert.

Der Senat bewertet es auch als bedenklich, dass in den Leserbriefen nicht nur wütende, sondern auch persönlichkeitsverletzende Reaktionen abgedruckt wurden.
Der Senat ruft Sie daher dazu auf, in der Zukunft in derartigen Fällen genauer zu recherchieren und bei der Auswahl von Leserbriefen sorgfältiger vorzugehen.

Der „Kurier“ illustrierte am 9. April ein großes Sebastian Kurz-Portrait mit einem Bild, das aussieht wie der feuchte Traum eines Partei-Werbefotografen. Junge, sympathische Menschen, die sich um ihren Anführer scharen und mit ihm lachen und klatschen.

Kein Wunder, stammt es auch von der JVP. Ein Einzelfall? Keineswegs.

Denn sowohl Außenminister als auch Kanzler beschäftigen Hausfotografen, deren Fotos immer öfter in der heimischen Presse zu sehen sind. So gut wie jede Tageszeitung verwendet diese von den PR-Teams der Politiker sorgfältig ausgewählten Bilder, die subtile Heldengeschichten transportieren und die für uns Zeitungsleser in der Regel nicht als PR-Bilder erkennbar sind.

Keine Redaktion käme auf die Idee, die PR-Texte von Politikern als Artikel abzudrucken, noch dazu ohne das Publikum über deren Urheberschaft aufzuklären. Kriterien, die bei PR-Bildern nicht zu gelten scheinen. Petra Bernhardt, die an der Uni Wien zu visueller Kommunikation forscht, dazu:

Hausfotografen müssen eine Situation nicht akkurat wiedergeben, sondern können einen Moment herausgreifen, der den Politiker in ein besseres Licht rückt. Das Anliegen von Medien sollte allerdings nicht sein, die imagepolitischen Deutungsangebote eines Politikers fortzuschreiben.

Wir haben die Zeitungsarchive der letzten Monate durchforstet und erschreckend viele Beispiele gefunden, wie österreichische Tageszeitungen die visuellen Heldenerzählungen von Kurz und Kern transportieren. Ein Drama in fünf Akten:

1. Sympathische Helden

 


Wie wertvoll es für Politiker ist, in der Kronen Zeitung mit süßen Tieren abgebildet zu werden, wissen wir nicht erst seit Karl-Heinz Grassers Vorliebe für Hundefotos ebendort. Die „plötzliche“ Begrüßung des süßen Streuners hat nicht etwa ein Fotograf der Krone dokumentiert, es war der Hausfotograf des Außenministers, Dragan Tatic.

Kern besucht einen Kindergarten – zu welchem politischen Zweck, bleibt verborgen. Für den Kanzler ein lohnender Termin: Der Standard macht aus dem Foto eine eigene Geschichte und verbreitet die visuelle Heldenerzählung von Kerns Hausfotograf Andy Wenzel, die Geschichte eines sympathischen und kinderlieben Helden. Als journalistischer Anlass genügt das baldige Weihnachtsfest.

Die Wiener Zeitung illustriert die Leserbriefseite mit einem herzerwärmenden Bild des Außenministers aus der Kamera von dessen Hausfotograf. Die Leserbriefe handeln allerdings weder von Äthiopien noch von österreichischer Entwicklungszusammenarbeit, sondern von der Kurz’schen Flüchtlingspolitik. Das freundliche PR-Bild wiegt hundert kritische Leserbriefe auf.

Die Presse am Sonntag bebildert des Kanzlers 100-Tage-Bilanz mit einem Bild, das ihn im eng-vertrauten Umgang mit Europas mächtigster Politikerin zeigt. Sieht aus wie Fotojournalismus, ist aber das Bild, das Kerns PR-Team zeichnen möchte.

Der Kanzler in „Wir schaffen das“-Pose vor der begeisterten EU-Spitze, klatschend. (Tiroler Tageszeitung)

2. Bilder, die zu Geschichten werden

 


Falls das Presseteam des Kanzlers zu dessen Start das Bild des Spielmachers vermitteln wollte, mit diesem Foto ist das gelungen. Das Bild färbte sogar auf die Wahl der Headline der ersten Zwischenbilanz des Standard ab.

Die Tiroler Tageszeitung gibt quasi schon im Titel zu, dass dieses Bild von Kurz auf „Tuchfühlung“ mit Ban Ki-Moon der Geschichte ihren speziellen Spin gibt. Auch dieses Bild stammt aus der Produktion und nicht zuletzt sorgsamen Vorauswahl von Kurz‘ Presse-Team.

Kurz, der eine EU-weit besonders harte Haltung gegenüber der Türkei einnahm, gefällt sich auch in der Bildauswahl in dieser Rolle: Aug in Aug mit dem Despoten vom Bosporus, augenscheinlich nicht bereit, zurückzuweichen. Die Wiener Zeitung überbringt die Bildbotschaft des Außenministers gerne.

3. Kurz und Kern als Anzugmodels

 


Ein besonders dreistes Genre an PR-Fotos sind jene, die ihre Protagonisten ohne erkennbaren Anlass einfach nur in Pose präsentieren. Petra Bernhardt zu diesem Foto im Kurier:

Das Foto wirkt wie eine flüchtige Aufnahme und suggeriert, dass der Minister auch abseits politischer Meetings ständig im Einsatz ist. Die Untersicht wäre für ein Nachrichtenfoto eigentlich tabu. Es handelt sich um ein Füllbild, das keine inhaltliche Funktion für den Text erfüllt.

 


Ähnlich bei diesem Bild des Kanzlers, in Verwendung der Oberösterreichischen Nachrichten. Dieses Bild wurde gar über die Nachrichtenagentur APA bezogen, die die Gratis-PR-Bilder an alle Medien verteilt, genau wie eigene fotojournalistische Arbeiten.

Der Top-Gun-Außenminister (es fehlt nur die Ray Ban-Brille), wieder in leichter Untersicht und mit Turboprop im Hintergrund. Ein Klischee wie aus einer 90er-Jahre-Werbekampagne, verbreitet von der Presseagentur APA und in journalistischer Verwendung in der Presse.

Die Wiener Zeitung illustriert eine Analyse seitenfüllend mit einem coolen Kurz-Posing vor dem Facebook-Firmenschild. Der vollkommen fehlende Konnex zwischen Sujet und Artikelinhalt wird mit einer Bildunterschrift an den Haaren herbeigezogen.

Ein Kanzler wie ein Wall Street-Manager, stilecht mit Empire State Building im Hintergrund. Das gefällige Bild erschien im Standard.

4. Bilder, die ein Macher-Image transportieren

 


Der Kanzler geht forschen Schrittes voran und hält dabei Augenkontakt mit dem Leser. Die Körperhaltung des ungarischen Regierungschefs, der Kern nachfolgt, ist in dieser Bildauswahl deutlich weniger dynamisch. Die Salzburger Nachrichten wählten das Bild als Aufmacher des Tages.

Der Außenminister besuchte nicht nur Frontsoldaten in der Ost-Ukraine, er wies ihnen dabei noch den Weg. Diese beachtliche Ortskenntnis schaffte es aufs Cover des Standard.

Den Weg zeigt Kurz auch EU-Kommissar Mimica, in der Tiroler Tageszeitung.

Und nicht zuletzt zeigt der Außenminister auch dem Papst, wo’s lang geht. Das sehenswerte Bild verschafft dem „kurzen Treffen“ einen sehr prominenten Artikel im Kurier.

5. Alle Welt lauscht Sebastian Kurz

 


Der iranische Präsident lauscht Sebastian Kurz. (Wiener Zeitung)

Der niederösterreichische Landeshauptmann lauscht Sebastian Kurz. (Der Standard)

Der libyische Außenminister lauscht Sebastian Kurz. (DerStandard.at)

Vitali Klitschko lauscht Sebastian Kurz. (News.at)

Der russische Außenminister lauscht Sebastian Kurz. (Die Presse. Auch Der Standard illustrierte den Artikel zu diesem Treffen mit einem weiteren Foto aus der Kurz-PR-Werkstatt: Auch auf diesem lauschte Lawrow Kurz aufmerksam.)

Der chinesische Außenminister lauscht Sebastian Kurz. (Der Standard)

Der amerikanische Außenminister lauscht Sebastian Kurz. (Die Presse)

Der britische Außenminister lauscht Sebastian Kurz. (DerStandard.at)

Der UNO-Generalsekretär lauscht Sebastian Kurz. (News.at)

Und auch der Papst lauscht Sebastian Kurz. (Kronen Zeitung)

Epilog

 

Die meisten dieser Bilder sind auf Auslandsreisen entstanden. Die Medienkrise macht es sicher für viele Redaktionen schwieriger, neben Redakteuren auch Fotojournalisten auf diese Reisen zu entsenden.

Das kann jedoch keine Entschuldigung dafür sein, unreflektiert und unkommentiert PR-Material von Politikern zu verbreiten. Zudem fast alle Tageszeitungen Kunden (und Eigentümer) der Austria Presse Agentur sind, über die sie solche Reisen durchaus von einen gemeinsamen Fotojournalisten begleiten lassen könnten.

Update:

In einer früheren Version dieses Artikels stand „Wladimir Klitschko“. Es handelt sich jedoch um Vitali Klitschko.

 

Glaubt man den Boulevardmedien, ist der österreichische Wintertourismus gleichzeitig in Höhenflug und Krise: Die „Krone“ schreibt über „weniger Wintertouristen“ während „Österreich“ am selben Tag von einem „Winter-Tourismus-Boom“ berichtet.

Tatsächlich verzeichnet der österreichische Wintertourismus laut Tourismusstatistik Österreich (PDF) schalttagbereinigt eine Steigerung von 2,2% der Ankünfte sowie einen Rückgang von 0,4% der Nächtigungen.

Die „Kronen-Zeitung“ stützt sich für ihre Aussage auf die knapp gesunkenen Nächtigungszahlen. Sie sind der Beweis für „weniger Wintertourismus“.

„Österreich“ verwendet die Ankunftszahlen. Der moderate Anstieg der Ankünfte um 2,2% ist hier der Beweis für „Winter-Tourismus boomt wie noch nie“.

Wieder ein Beispiel wie Medien mit der selben Quelle zu völlig unterschiedlicher Berichterstattung kommen.

 

 

Die Kronen Zeitung hetzt in einer Kampagne gegen Kurse für Pflichtschulabschlüsse. Migranten könnten in nur 200 Tagen den Pflichtschulabschluss nachholen, für den Österreicher acht Jahre lang die Schulbank drücken müssen, heißt es in einem Artikel, der der Beginn einer vierteiligen Serie ist. Dabei verschweigt das Blatt offenbar bewusst entscheidende Informationen, um Stimmung gegen Zuwanderer zu schüren.

blitzkurse-titelbildDie Krone zweifelt an der Qualität dieser Kurse und stellt die Abschlüsse in Frage. Das Blatt stellt auch einen Zusammenhang zur Abwanderung von Unternehmen aus Wien her:

„Wundert sich da noch jemand, dass jetzt wichtige Unternehmen wie Hrachowina aus Wien abwandern, weil sie hier kein qualifiziertes Personal finden?“

In der offiziellen Stellungnahme des Unternehmens liest man davon nichts. Im Gegenteil heißt es sogar, man wolle „möglichst viele Mitarbeiter der Produktion“ im neuen Standort halten. Der Grund für die Übersiedlung sei, dass das Unternehmen für den alten Standort zu groß geworden ist.

Aber zurück zu den Kursen: Diese dauern beispielsweise bei den Wiener Volkshochschulen tatsächlich „nur“ zehn Monate. Schuldig bleibt das Boulevardblatt aber die Antwort auf das Warum: Warum dauern Pflichtschulkurse für Erwachsene nur so lange, während Schulkinder acht Jahre brauchen, um dieses Bildungsniveau zu erreichen? Die Antwort ist denkbar einfach, wie mir die Volkshochschulen auf Anfrage mitteilten: Die Kursteilnehmer beginnen nicht ohne jegliches Vorwissen. Sie haben bereits Schulen besucht, die sie entweder abgebrochen haben, oder deren Zeugnisse in Österreich nicht anerkannt werden.

Vor Beginn des Kurses durchlaufen alle potenziellen Teilnehmer zudem ein Beratungsgespräch, bei dem die Vorkenntnisse und Zeugnisse überprüft werden. Auch der Abschluss wird niemandem geschenkt, sondern muss während einer vom Stadtschulrat entworfenen Prüfung erlangt werden.

Laut der Sprecherin der Volkshochschulen wurden der „Krone“ diese Informationen genau so mitgeteilt. Wurden diese in der Berichterstattung bewusst ignoriert, wäre das ein Skandal.

Einen Tag später erscheint der nächste Artikel: „Jetzt Aufregung um teure Blitzkurse für Migranten“. Die Aufregung scheint wohl nur im Kommentarforum der „Krone„, und bei der FPÖ, die eine Presseaussendung zu dem Thema verfasst hat, groß gewesen zu sein, denn sonst hat niemand über besagte Kurse berichtet.

Als wäre das aber noch nicht genug Stimmungsmache, wirft die „Krone“ ein paar Tage später einen weiteren Artikel nach: „Mit 66 Unterschriften zu 3692,10 € netto vom AMS„. Nun unterstellt man, Migranten würden die Kurse nur besuchen, um Geld vom AMS zu bekommen. Eine Pädagogin erzählt anonym, die Anwesenheit werde kaum kontrolliert, das AMS zahle aber trotzdem. Außer, dass eine einzige Pädagogin das behauptet, fehlen aber jegliche Fakten.

Im bislang letzten Artikel titelt die Krone: „FPÖ: ‚Blitzschule‘ für Migranten ist ein ‚Wahnsinn'“. Mehr als eine Zusammenfassung der oben erwähnten Presseaussendung und aller anderen Behauptungen liest man hier aber nicht. Übrigens handelt es sich nicht um Kurse speziell für Migranten – sie können selbstverständlich von jedem besucht werden, der keinen Pflichtschulabschluss hat und in Österreich wohnt. Jährlich brechen etwa 53.000 Schüler die Schule ab. Diese Kurse sind auch für sie gedacht. Das erwähnt die Krone allerdings kein einziges Mal – passt eben nicht zur Kampagne.

Heute, Österreich und die Krone berichteten über die gestiegenen Gefahren für AMS-Mitarbeiter, übertreiben dabei maßlos und vergleichen Äpfel mit Birnen. Um 163 Prozent sollen die Angriffe auf AMS Mitarbeiter laut den Boulevardblättern gestiegen sein. 163 Prozent – das klingt nach einem schlimmen Skandal: Nach „Horror-Statistik“ und „Telefon-Terror“.

horrorstatistikTatsächlich sind die Berichte aber kompletter Blödsinn. Das sieht man, wenn man sich die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ansieht, aus der die Zahlen stammen.

Die Übergriffe werden hier in zwei Kategorien geteilt: Jene an der Telefon-Hotline und jene in den Geschäftstellen.

An der Hotline stiegen die verbalen Übergriffe in Wien tatsächlich von 82 auf 450 an – ein Plus von etwa 450 Prozent. Eine Fußnote an dieser Stelle verrät jedoch, dass Wien im Jahr 2015 die Erfassungsmethodik änderte. Und genau deshalb ist es Unfug die Zahlen miteinander zu vergleichen.

163Bis 2014 wurden nur dann Zahlen erhoben wenn ein Mitarbeiter sich bedroht oder persönlich beleidigt fühlte und dies von sich aus meldete. Ab 2015 ordnete das AMS an, über jeden Übergriff Statistik zu führen. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, wirklich jeden Vorfall zu dokumentieren, unabhängig von den persönlichen Empfindungen, wie ein Sprecher des AMS auf Rückfrage erklärt. Dadurch tauchen in der Statistik zwar viel mehr Fälle auf, es lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich der Alltag für die Mitarbeiter im vergangenen Jahr tatsächlich verändert hat.

In der zweiten Kategorie, den Geschäftstellen, sind die Angriffe in Wien um 40 Prozent gestiegen, auf 260 Fälle. Gemeint ist aber nicht nur körperliche Gewalt, sondern etwa auch mündliche und schriftliche Beschimpfungen. Eine Fußnote verrät auch hier, dass 137 dieser schriftlichen Angriffe nur eine Geschäftsstelle betrafen und „zum überwiegenden Teil einer Person zuzuordnen sind.“ Auch dieser Anstieg ist also kaum aussagekräftig. Die Krone und Heute erwähnen diese Person sogar, allerdings nur im direkten Zusammenhang mit den Angriffen, nicht jedoch bei der Interpretation des behaupteten Gesamtanstiegs.

Generell lassen sich von so kleinen Zahlen kaum handfeste Trends ableiten, wie genau solche Beispiele zeigen. Denn wenn eine einzige Person die Statistik derart verfälschen kann, wo bleibt dann die Relevanz?

100 von 111.026 Flüchtlingen – also nur 0,09 Prozent. So viele Flüchtlinge studieren laut Kronen Zeitung in Österreich an einer Universität. Eine auf den ersten Blick überschaubare Zahl. Doch sieht man genauer hin fällt auf, dass sich die „Krone“ die Zahlen nur zurechtbiegt, um einen falschen Eindruck zu erwecken.

krone-studenten-flüchtlinge

Welchen Eindruck das Blatt erwecken will, merkt man schon am giftigen Unterton. So fragt die Krone provokant, wie viele der zu uns geflüchteten „Hoffnungsträger aus Syrien, Afghanistan, aus dem Iran und dem Irak“ nun bereits an den Wiener Universitäten studieren, um „in Kürze Österreichs Wirtschaft zu beleben und uns allen Wohlstand und Pensionen auf Jahrzehnte zu sichern“. Die Antwort gab die Universitätsverwaltung der Krone per Mail: 100 Vertriebene sind derzeit Studenten. Die Krone setzt diese Zahl in Relation zu 111.026 Flüchtlingen (88.151 Asylwerber und 22.875 Asylberechtigte) und kommt so auf 0,09 Prozent. Diese Rechnung ist aber Unfug. Und das aus mehreren Gründen.

  1. Das Blatt schreibt explizit von Flüchtlingen, die „seit Sommer 2015“ nach Österreich gekommen sind. Das waren aber nicht 111.026, und auch nicht 88.151, sondern deutlich weniger.  Die rund 88.000 Asylanträge gab es nämlich im gesamten Jahr 2015.
  2. Die Krone bezieht sich auf Flüchtlinge jeden Alters. Allein von den 86.175 Asylsuchenden, die aktuell in Grundversorgung stehen, sind nach Angaben des Innenministeriums jedoch 28.183 minderjährig – also Personen, die noch gar keine Universität besuchen können. Zieht diese ab, kommt man auf 57.992 Asylsuchende, die theoretisch studieren könnten.
  3. Aber auch diese Zahl passt nicht. Im Artikel der Krone ist nämlich nur die Rede von „Wiener Universitäten“. Die Universitäten außerhalb Wiens finden keine Berücksichtigung. In Wien selbst sind nach Angaben des Fonds für Soziales Wien – Stichtag 2. Februar – 13.540 Asylsuchende im studierfähigen Alter in der Grundversorgung, wie Kobuk auf Anfrage erfuhr. Wenn die Krone schon ausschließlich von Wiener Universitäten spricht, müsste sich der Artikel also auf diese Zahl beziehen – 13.540, nicht 111.026.
  4. Von den Asylsuchenden(1) Asylberechtigten, die aus Syrien, Afghanistan, aus dem Iran und dem Irak nach Österreich gekommen sind, haben laut AMS durchschnittlich 23 Prozent bereits ein Studium abgeschlossen. Wenn wir der Einfachheit halber annehmen, dass Asylwerber ähnlich gebildet sind und dann die 23 Prozent von den 13.540 weg rechnen, kommt man auf 10.426 Flüchtlinge. Weil der Artikel von Asylsuchenden an Wiener Universitäten spricht, ist das also am ehesten die passenden Zahl, die in Relation zu den 100 studierenden Flüchtlingen gesetzt werden müsste.

Die Berechnung des Prozentsatzes der in Wien studierenden Flüchtlinge sieht nun so aus:

Bildschirmfoto 2016-04-27 um 16.33.59

0,96 Prozent ist zwar deutlich näher an der Realität als die 0,09 der Krone. Im Grunde ist aber auch diese Zahl nicht aussagekräftig. Denn wenn Flüchtlinge in Österreich studieren wollen, gibt es ziemlich viele Hürden. So muss man beispielsweise ausreichend Deutschkenntnisse nachweisen. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld – der offizielle Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten kostet beispielsweise immerhin 465 Euro. Bei einer Grundversorgung von 40 Euro pro Monat in organisierter Unterkunft bzw. 320 Euro pro Monat für selbstständig wohnende Asylwerber sind solche Kosten keine Kleinigkeit. Die Krone ignoriert all das. Wer Stimmung machen will, lässt sich von Fakten eben nicht aufhalten.

Mitarbeit: André Marston Alvarez

* Zusatz

Die Krone schreibt von „88.151 Asylwerber und 22.875 Asylberechtigten“ und kommt so auf 111.026 Flüchtlinge. Der Einfachheit halber haben wir unsere Zahlen nur auf Asylwerber bezogen – für Asylberechtigte gelten die Argumente aber sinngemäß ebenso.

(1) In einer früheren Version bezogen wir den AMS-Kompetenzcheck irrtümlicherweise auf Asylsuchende. Tatsächlich ging es bei der Untersuchung jedoch um Asylberechtigte. Zum Bildungsstand von Asylsuchenden gibt es keine verlässlichen Daten. Wir bedanken uns für den Hinweis und bedauern den Irrtum

Krone-AsylwerberDie „Krone“ veröffentlichte am 11. Dezember 2015 einen Artikel unter dem Titel „Asylwerber begingen in 8 Monaten 8484 Straftaten“. Auf Basis einer parlamentarischen Anfrage berichtet das Blatt, dass im Jahr 2014 9513 strafbare Handlungen durch Asylwerber registriert wurden und 2015 bis August 8484. Die „Krone“ dividierte diese Zahlen durch die Anzahl der Tage (also 365 im Jahr 2014 und 240 Tage bis August 2015) und folgert daraus fälschlicherweise:

„Bezüglich der Gesamtzahl der Asylanträge ist das ein Anstieg  von 26 auf 35 Straftaten pro Tag“

Das stimmt zwar, berücksichtigt aber ein entscheidendes Faktum nicht: 2015 gab es viel mehr Asylanträge als 2014. Setzt man die Zahl der Asylanträge in Relation zu den Anzeigen gegen Asylwerber, sieht man: Die Kriminalitätsrate ist sogar rückläufig:

tabelle2

(Zahlen vom Innenministerium: 2014, 2015).

Pro Asylwerber gab es 2014 0,34 Anzeigen, 2015 waren es bis August hingegen nur 0,18 Anzeigen. Diese rückläufige Rate bestätigt auch der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, in einem Interview mit dem ORF.

* Grundsätzlich ist aber selbst die Gegenüberstellung dieser Zahlen nicht geeignet für die Erfassung der straffällig gewordenen Asylwerber. Denn die Zahl der Asylanträge spiegelt nicht unbedingt wider, wie viele sich zu einem Zeitpunkt tatsächlich in Österreich aufgehalten haben. Durch laufende Neuanträge und positive oder negative Bescheide schwanken die Zahlen täglich.

Die „Krone“ verschweigt außerdem, dass  durch eine Anzeige noch nicht von der tatsächlichen Schuld des Betroffenen gesprochen werden kann. Nicht jeder, der angezeigt wird, ist automatisch ein Verbrecher. Ein einzelner Asylwerber könnte außerdem auch mehrere Anzeigen bekommen haben, was die Zahlen ebenso verzerren würde (darauf weist aber auch die „Krone“ hin).

Aufgrund eines bemalten Passes durch einen 4-Jährigen sitzt ein chinesischer Vater angeblich am Flughafen in Südkorea fest. Das berichtet jedenfalls die Krone; die Quelle ist ein Tweet.

Bildschirmfoto 2015-11-07 um 20.03.59Wo soll man nur anfangen? Damit, dass dieses Märchen seit mindestes einem Jahr durch das Internet geistert? Oder damit, dass diese Story genau das nämlich ist: Ein Märchen.

Der Ursprung des Fotos dürfte Weibo sein, das chinesische Gegenstück zu Twitter. Im Frühling 2014 ging das Stück jedenfalls durch die Weltpresse. Bald darauf konnte man auf kotaku.com nachlesen, warum das Foto ziemlich sicher ein Fake ist:

  1. Kaum ein 4-jähriges Kind kann so detailliert zeichnen, wie auf dem Bild zu sehen ist.
  2. Durch das Zeichnen müssten Schmierspuren entstanden sein, da Pässe um scannbar zu sein, normalerweise mit einer Glanz-Folie versehen sind.
  3. Offensichtlich wurde der Pass mit einer Bildbearbeitungssoftware bearbeitet – ganz rechts hängt die Zeichnung in der Luft.
  4. Außerdem wurden wesentliche Daten wie der Name komplett ausgemalt – schon ein großer Zufall für eine Kinderzeichnung.

Das Wallstreet-Journal sorgte dann für Gewissheit: Die chinesische Botschaft in Seoul bestätigte dem Blatt, dass das Foto ein Fake sei. Das war vor mehr als 17 Monaten, und natürlich hätte das die Krone wissen können, wenn man ein bisschen gegoogelt hätte. Oder auch, wenn man die Antworten zum oben erwähnten Tweet gelesen hätte. Aber womöglich findet man ja auch gerade dort einen Hinweis, warum die Krone die Story trotzdem gebracht hat:

pass-hoax