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Kategorie: Kronen Zeitung

weihnachtsfestIm August veröffentlichte die Kronen Zeitung auszugsweise ein Vernehmungsprotokoll der Wiener Magistratsabteilung 10, aus dem hervorgeht, dass eine Wiener Kindergärtnerin gekündigt worden sei, weil sie Weihnachten erklärt hatte.

Gestern wärmten Heinz-Christian Strache und Manfred Juraczka die Angelegenheit bei der Elefantenrunde auf ORF und Puls4 auf. Doch aus gutem Grund hat sowohl Krone als auch die Politik bislang darauf verzichtet, das gesamte Protokoll zu veröffentlichen. Denn es ergibt ein gänzlich anderes Bild.

Es zirkuliert seit Monaten in Journalistenkreisen – Zeit, es in seiner Gesamtheit öffentlich zu machen (Markierungen nicht von uns, Klick für Großansicht):

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Das Protokoll zeichnet das Bild einer Kindergärtnerin, die Kolleginnen zu religiösen und politischen Themen und mit Broschüren der Kaiser-Karl-Gebetsliga zu missionieren versuchte, das praktizierte Konzept gendersensibler Pädagogik oder auch Aktivitäten wie das „Gespensterfest“ nicht mit ihrer Rolle als Christin vereinbaren konnte und sich allgemein unkooperativ verhielt. Aus dem Protokoll geht übrigens nicht hervor, dass sie tatsächlich gekündigt worden wäre. Eine Tatsache, die auch Bürgermeister Häupl gestern in Abrede stellte.

Unter den 15 der Pädagogin vorgeworfenen Punkten findet sich allerdings in der Tat auch der von der „Krone“ veröffentlichte wörtliche Vorwurf, sie habe „Kinder über die Bedeutung des Weihnachtsfestes aufgeklärt“:

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Wenn man jedoch das vierseitige Protokoll kennt, drängt sich als Interpretationsmöglichkeit auf, dass es sich hier lediglich um eine unglückliche Formulierung handeln könnte, wie auch Stadtrat Oxonitsch im Krone-Artikel beteuert. So könnte beispielsweise gemeint sein, dass die Kindergärtnerin muslimische Kinder oder Zeugen Jehovas gezielt über Weihnachten aufklären wollte, also zu missionieren versuchte. Selbstverständlich werden in städtischen Kindergärten Weihnachten, Nikolo, Ostern und andere christliche Feiertage gefeiert, wie auf Wien.at nachzulesen ist und was auch eine kurze Umfrage unter Eltern in meinem Bekanntenkreis bestätigt.

Recherche ruiniert bekanntlich die beste Story und eine unglückliche Formulierung ist eben keine. Dass christliche Feiertage verdrängt würden, schon: Seit Jahren stellt die FPÖ zu jedem Advent die Behauptung auf, dass das Nikolofest aus den Kindergärten verdrängt würde. Und die Krone berichtet jedes Mal brav und wider (durch Recherche leicht zugängliches) besseres Wissen. Hier nur drei Beispiele aus den letzten Jahren:

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Interessant übrigens, dass die Krone die aus dem August stammende Geschichte mit der gekündigten Kindergärtnerin rechtzeitig zur Wien-Wahl am 27. September in der Krone Bunt und am 29. September auf den Leserbriefseiten aufwärmt.

Interessant außerdem, dass die Geschichte von Krone-Redakteur und Ex-Heute-Chefredakteur Richard Schmitt stammt und in ihr ÖVP-Chef Manfred Juraczka zu Wort kommt (der der Medienlogik entsprechend die Quelle des Dokuments sein dürfte). Exakt dieses Muster – Schmitt, Juraczka, fehlende Recherche – hatten wir schon einmal aufgedeckt.

Update:

Die Zeit im Bild 2 hat diesen Artikel aufgegriffen und zu einem Faktencheck gemacht:

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Sagen Strache und die Kronen Zeitung die Wahrheit, wenn sie behaupten, eine Kindergärtnerin sei gekündigt worden, weil sie Weihnachten erklärt hat?

Die Zeit im Bild 2 hat aus unserem Kobuk-Artikel von gestern einen Faktencheck gemacht:

Posted by Kobuk on Tuesday, October 6, 2015

 

Anmerkung: In der ersten Version dieses Artikels war der Nachname einer Kollegin der betreffenden Pädagogin nicht geschwärzt. Diese Version war wenige Stunden online. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Verzeihung.

Am Samstag ist ein 26-jähriger Österreicher mit einem Geländewagen durch die Grazer Innenstadt gerast, hat dabei 3 Menschen getötet und viele andere teils schwer verletzt. Obwohl der steirische Landespolizeidirektor noch am selben Tag einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen hat, versucht die Krone auch noch am nächsten Tag, die Tat irgendwie mit Extremismus in Verbindung zu bringen. Anders als mit der Agenda, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten, kann man das kaum erklären.

So heißt es in einem Artikel vom Sonntag:

Laut derzeitigem Ermittlungsstand ist der 26-Jährige kein Mitglied einer Fanatikergruppe, dennoch trägt sein blindwütiges Vorgehen gegen völlig unbeteiligte Passanten auch die Handschrift eines Terroristen. Bei vielen „Krone“Lesern und Usern blieb so der schreckliche Gedanke: „Und wenn es doch Terror war und ‚die‘ uns nur beruhigen wollen…?“

Die Krone übertrifft sich hier selbst und nimmt ihren Lesern vorweg, was sie zu denken haben. Trotz eindeutiger Aussagen der Polizei muss so ein Verbrechen in der Welt der Krone offenbar im Zusammenhang mit Islamismus stehen. Hier werden vorgekaute Ressentiments in mundgerechten Häppchen für den Stammtisch serviert.

Ein weiterer Artikel aus der sonntäglichen Printausgabe:

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Die Krone stellt wirre Zusammenhänge her: Es wird Bildmaterial vom letzten Jahr verwendet, als es in Graz Razzien im Islamistenumfeld gab; der österreichische Verfassungsschutz-Direktor wird zum Charlie-Hebdo-Anschlag zitiert. Beides Themen, die nichts mit dem Grazer Amokfahrer zu tun haben. Dennoch werden sie erwähnt, um den Lesern das Gefühl zu geben, die Tat müsse einen extremistischen Hintergrund haben. Das i-Tüpfelchen ist aber der schlichtweg falsche Satz

Noch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem gebürtigen Bosnier doch um einen Schläfer handelt…

Doch! Genau das wurde bereits am selben Tag vom Landespolizeidirektor ausgeschlossen. Eine solch direkte und eindeutige Aussage zu ignorieren kann man nicht als journalistische Ungenauigkeit bezeichnen. Hier muss man bewusste Tatsachenverdrehung vermuten.

Die „Krone“ argumentiert in ihrer Ausgabe vom 6. Mai mit einer Studie gegen die kürzlich von den Grünen angeregte Diskussion über eine Ringstraße der Zukunft. Bei dieser schon 2012 publizierten Studie handelt es sich um eine Veröffentlichung der KFZ-Lobby, die lediglich auf temporäre Sperren des Rings eingeht. Mit einer dauerhaften Verkehrsberuhigung, wie von der „Krone“ suggeriert, hat diese Studie nichts zu tun.

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In der Studie geht es ausschließlich um die Erhöhung der Schadstoffemissionen als Folge von vorübergehenden Straßensperren für ein bis vier Stunden, wie es bei Demos (wie z.B. jene der Plattform „Autofreie Stadt“) der Fall ist, welche die „Krone“ sehr häufig kritisiert.

In der Arbeit schätzt die Autorin die verursachten Mehremissionen, die durch Staus und Umleitungen aufgrund einer vorübergehenden Ringsperre entstehen. Dabei gelangt sie zum wenig überraschenden Ergebnis, dass es mit Sperre eines Abschnitts des Rings zu einer höheren Schadstoffbelastung kommt als ohne einer solchen Straßensperre.

Screenshot: krone.atDoch selbstverständlich würde eine Umgestaltung der Ringstraße mit einer umfangreichen Neuordnung der Verkehrsströme einhergehen und ist mit einer kurzzeitigen Straßensperre nicht vergleichbar.

Selbst die Autorin der Studie bestätigte mir gegenüber, dass für eine dauerhafte Sperre die Berechnungen mit anderen Randbedingungen durchgeführt werden müssten. Inhaltlich ist diese Studie für eine Argumentation gegen eine langfristige Umgestaltung mit einem dafür notwendigen Verkehrskonzept also völlig ungeeignet.

Laut dem „Krone“-Artikel handle es sich um zwei ExpertInnen der Technischen Universität (TU) Wien, die bereits vor Monaten sämtliche Folgen einer Sperre der Ringstrasse erhoben hätten. Die besagte Studie wurde allerdings bereits vor mittlerweile 40 Monaten veröffentlicht und kommt nicht von der TU. Der Herausgeber der Studie ist nämlich der Österreichische Verein für Kraftfahrzeugstechnik.

Bildschirmfoto 2015-05-07 um 12.52.11Der ÖVT schafft es nicht zum ersten Mal, dass über seine Studien in den österreichischen Medien prominent berichtet wird. Schon voriges Jahr haben wir aufgezeigt, wie APA, Heute & Co über eine dieser Lobbystudien berichteten, ohne dass für die Leserschaft eine journalistische Einordnung erfolgte.

Der Artikel merkt an, die Autorin der Studie würde „ganz ohne politisch motivierte Emotion“ erklären, „warum sich die Situation sicher nicht bessert“. Doch ganz im Gegenteil dazu setzt sich der ÖVK seit Jahren sehr intensiv für die Interessen der Automobilbranche ein. Der ebenfalls erwähnte achtzigjährige Hans Peter Lenz, dessen Vorsitzender, wird als „Motoren-Papst“ bezeichnet, der als Vorstand am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik als strikter Verteidiger der Verbrennungskraftmaschine galt. Er behauptete beispielsweise auch,  dass es Tatsache sei, dass es keine vom Menschen verursachte Klimakatastrophe gäbe.

Die Krone trägt nichts zu einer demokratischen Debatte über eine umfassende Umgestaltung der Wiener Ringstraße bei. Vielmehr führt sie ihre LeserInnen absichtlich in die Irre.

Die Salzburg-„Krone“ hat in den letzten Monaten massiv Druck auf die Politik ausgeübt — mit einer Kampagne, die ihresgleichen sucht. Deren Hauptnutznießer ist die Spar-Gruppe, einer der größten Werbekunden der Kronen Zeitung.

„Jedes Bundesland würde sich glücklich schätzen, hätte es einen Europark, der mit dem Ausbau hunderte neue Jobs … schaffen will. Wer dies verhindert, treibt viele Familien in Verzweiflung und finanzielle Not.“

(Die „Krone“ über Shoppingcenter-Ausbaupläne von Spar)

Allein im ersten Quartal 2015 buchte Spar rund ein Fünftel aller ganzseitigen Inserate der Salzburg-„Krone“. Bei überregionalen Schaltungen entspricht das einem Listenwert von über 2,5 Millionen Euro.

Man ahnt die wirtschaftliche Machtposition gegenüber dem „unabhängigen“ Kleinformat. Anders ist kaum zu erklären, wie die „Krone“ in Salzburg den Streit um die Erweiterung des Spar-Einkaufszentrums Europark „journalistisch“ begleitet.


Eine Chronologie:

8. Jänner — Das schönste Einkaufszentrum der Welt

Die „Krone“ preist das Engagement der Konzerne für unser aller Wohl, Spar für gemeinsame Kämpfe und den Europark als „schönstes Einkaufszentrum der Welt“:

Der Europark wurde natürlich nie zum schönsten Einkaufszentrum der Welt “gekrönt”. 2007 erhielt er lediglich vom globalen Lobbyverband der Shoppingcenter einen Designpreis. Dieser nicht allzu exklusive Award ging im selben Jahr noch an sieben (!) andere Einkaufszentren (PDF). Im Gegensatz zur “Krone” wirbt der Europark auch “nur” mit “schönstem Shoppingcenter Europas”. Dabei beruft er sich übrigens auf ein 18 Jahre altes Architekturmagazin.

 

10. Februar — Diktaturen und Ausgangssperren

Um die Ortskerne zu stärken stoppt das Land Salzburg vorläufig alle Erweiterungspläne von Einkaufszentren. Die endgültige Entscheidung wird im April folgen. Die „Krone“ bringt ein doppelseitiges Interview mit den „starken Argumenten“ ihrer Anzeigengroßkunden Spar und XXXLutz gegen diese Maßnahme:

(Für Komplettansicht Ausriss anklicken)

 

Subtil verfeinert mit einem Kommentar, der diese politische Entscheidung mit „elenden Diktaturen“ und „totalen Ausgangssperren“ in Verbindung bringt:

 

11. Februar — Warnung vor dem Kommunismus

In der Sache wenig Neues, aber die Redaktion muss noch dringend eine Warnung loswerden. „Es geht Richtung Kommunismus“ in Salzburg — :

 

15. Februar — Die Politik darf Stellung beziehen

Niemand sage der „Krone“ einseitige Berichterstattung nach und in Interviews keine kritischen Fragen zu stellen. Daher heute ein großes Interview mit der verantwortlichen Landeshauptmann-Stellvertreterin und Raumordnungsreferentin:

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17. Februar — Vor dem Fasching

Niemand sage der „Krone“ zu viel Nähe zu den Objekten ihrer Berichterstattung nach. Daher beschränkt sich der Hinweis auf das Faschingsfest im Europark auf das Allernötigste: Nur eine rechte Seite, zwei unscheinbare Bilder und neutral distanzierte Formulierungen wie „das beliebteste Shopping-Center von Salzburg“ dokumentieren die Unabhängigkeit der Kronen Zeitung von ihren Inserenten:

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18. Februar — Nach dem Fasching

Es ist eine Unsitte am Boulevard, Themen zu verheizen und sich dann nicht mehr um sie zu kümmern. Die „Krone“ ist mit ihrer Nachberichterstattung zum Fasching im Europark eine löbliche Ausnahme. Und das süße Werbemodel hat vermutlich nur einen Krapfen gekostet:

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20. Februar — Spar Titelstar

Alte Regel am Boulevard: Die Seite eins verkauft das Blatt. Daher stehen hier immer klar verständliche Botschaften zu jenen Themen, die das Volk bewegen — außer man möchte jemandem eine Freude machen:

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Das Neue am Kommentar von „Jedermann“ ist heute das „Neo“, das er vor den Kommunismus setzt:

 

21. Februar — „Geben Sie Einkaufsfreiheit!“

Mittlerweile gemahnt die unabhängige Berichterstattung der Kronen Zeitung an eine Gehirnwäsche-Dauerschleife im Homeshopping-TV. Der Kommunismus trägt heute die Vorsilbe „Krypto“:

 

„Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!“ lautet ein berühmtes Zitat aus Schillers „Don Carlos.“

Ich möchte es abwandeln […]: „Frau Dr. Rössler, geben Sie Einkaufsfreiheit!“

 

 

22. Februar — Susanne fühlt sich wohl

Heute eine sympathische Wohlfühlreportage aus dem Herzen des Europarks.

 

6. März — „Alle gegen die Rössler“

Die Politikerin, die Familien „in Verzweiflung und Not treibt“, kriegt jetzt auch eine Doppelseite, ohne extra zu bezahlen. Nur der Werbewert ist bei Spar-Doppelseiten irgendwie höher:

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Die Manager des „schönsten Shopping Centers der Welt“ (Bildtext einer unabhängigen Tageszeitung) dürfen endlich ihre Argumente in einem investigativen Interview auf einer Europark-Doppelseite darlegen. Das letzte „Interview“ mit ihnen ist immerhin schon 24 Tage her (siehe weiter oben), und da mussten sie sich den Platz noch mit XXXLutz teilen:

 

 

Und der unabhängige Kommentar warnt vor Skepsis gegen Spar:

Jedes Bundesland würde sich glücklich schätzen, hätte es einen Europark, der mit dem Ausbau hunderte neue Jobs […] schaffen will. Wer dies verhindert, treibt viele Familien in Verzweiflung und finanzielle Not.

 

 

7. März — Und wieder ein Interview

In Salzburg hat es sich herumgesprochen: Jeder, der für Spar ist, bekommt in der Kronen Zeitung „das große Interview“. Das letzte zu diesem Thema liegt ja auch schon wieder einen ganzen Tag zurück. Heute: Der Gewerkschaftschef.

Und die gute Nachricht für alle Fans der gepflegten Kommunismus-Kommentare: Die rote Gefahr ist zurück.

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10. März — Mailand war gestern

Die fetzigen Shops im Europark haben eine sensationelle Modeschau ihrer neuen Kaufkollektionen auf die Beine gestellt. Die „Krone“ war live vor Ort hat sich vom Center-Management Bilder schicken lassen (“Fotos: Europark/Wild & Team”) und berichtet in angemessenem Ausmaß. Seither ist es Traum aller Mädchen einmal im Europark für ein großes Label zu laufen:

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12. März — Doppelt hält besser

Das Redaktionssystem der Salzburger „Krone“ ist inzwischen neu konfiguriert. Sobald in einem Artikel der Begriff „Europark“ oder „Spar“ aufscheint, wird das Layout vollautomatisch auf Doppelseite umgestellt. Außerdem werden großformatige Fotos von Gebäude und Management eingefügt. Eine enorme Arbeitserleichterung:

 

21. März — Ganz ohne Kommunismus

Wieder ein ganzseitiger Artikel für den Ausbau. Diesmal aber zurückhaltender und seriöser als gewohnt. Neuer Stil der Redaktion? Nein, es handelt sich um ein offizielles Inserat von Spar:

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9. April — Hausverstand statt Studie

Die Politik präsentiert eine Studie, die „Krone“ ist wenig beeindruckt. Der Witz an der Geschichte: Vermutlich das einzige, wofür Spar hier gezahlt hat, ist das Mini-Inserat mit Sepp Forcher auf Seite 27:

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Die „Krone“ empfiehlt, statt Studien den Hausverstand zu bemühen (eigentlich Domäne von Billa):

Die laut Kronen Zeitung „lächerlich kleine Umwandlung von Lagerräumen“ ist in Wahrheit übrigens eine Erweiterung um satte 11.300 m², knapp ein Drittel der derzeitigen Verkaufsfläche und fast so viel wie die letzte Erweiterung „Europark II“ mit 12.250 m².

Freche Reporter könnten da den Spar-Chef ja mal fragen, wie er es heute mit seinen Beteuerungen von 2005 hält:

Es ist kein Ziel, immer wieder auszubauen, sonst wird es eine Gstätten und ein kommerzieller Misserfolg. Wir wissen, wann es genug ist.
(Spar-Chef Gerhard Drexel, Salzburger Nachrichten 25.01.2005)

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10. April — „Verhöhnung von Joblosen“

Die Kronen Zeitung bemüht sich um eine Versachlichung der komplexen Debatte. Immerhin hätte sie auch schreiben können: „Wer gegen den Europark ist, quält auch kleine Hundebabys.“ Außerdem verstärkt sie ihre Kampagne gegen die Autoren der Studie, die dem Ausbaustopp mit zugrunde lag:

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15. April — Das Wunder von Salzburg

Die Landesregierung hält geschlossen dem monatelangen medialen Dauerfeuer stand. Die Dreierkoalition aus ÖVP, Grünen und Team Stronach lehnt sechs große Erweiterungen von Einkaufsflächen endgültig ab. Für die erfolgsverwöhnte „Krone“ steht sprichwörtlich die Welt Kopf:

 

Über ihr Krone-versum hat sie aber noch Kontrolle und so kommen auf drei Seiten Bericht im Blattinneren ausschließlich empörte Gegner dieser „willkürlichen“ Entscheidung zu Wort:

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16. April – Jetzt erst recht

Die Politik hat entschieden, aber es ist noch lange nicht vorbei:

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In ihrem Kommentar sieht sich die „Krone“ in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit Spar:

„Erfolg ist ja das Letzte, das einem in Österreich verziehen wird“, meinte ich bei unserer „Krone“-Gala im Hangar 7.

Und wer hielt bei besagter Gala vor fünf Monaten freundlich die Jubiläumsausgabe der Salzburger Kronen Zeitung in die Kamera? Richtig, der Vorstandsvorsitzende des Milliardenkonzerns Spar „und Gattin Andrea“:

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Alles eine große Familie.

 

17. April – Die Kampagne gegen die Studie geht weiter

Am 14. April zeigte sich Spar in einer großen Presseaussendung über Gefälligkeitsjournalismus „über Gefälligkeitsgutachten schockiert“. Drei Tage später stehen die Kerninhalte der Spar-Aussendung auf dem „Krone“-Titelblatt samt doppelseitiger „Aufdecker-Story“. Ergänzt um eigene Recherchen, die sensationell enthüllen, dass die Studienautoren nicht zum ersten Mal ein Shoppingcenter kritisch beurteilt haben:

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Der Erfinder der amerikanischen Shopping-Mall, wie wir sie kennen, war übrigens ein Österreicher. Der in die USA emigrierte Victor Gruen meinte zu dem Thema:

„Ich werde immer wieder der Vater der Shopping Mall genannt. Ich möchte die Gelegenheit nützen, diese Vaterschaft zurückzuweisen. Ich weigere mich, Alimente für diese Bastardprojekte zu zahlen. Sie haben unsere Städte zerstört.“

 

18. April — Die Opposition wird eingespannt

Die „Krone“ hat einen Oppositionspolitiker in den Europark geleitet begleitet, um die Expansions-Argumente der Spar-Presseabteilung noch einmal in Zeitungsform zu gießen. Darunter glänzt ein Interview des Spar-Chefs mit investigativen Fragestellungen:

Herr Dr. Drexel, was stört Sie am meisten? […] Braucht der Europark die Erweiterung wirklich so dringend? […] Wie geht es jetzt weiter?

Und die Chefredaktion beklagt den politischen Einfluss eines „Papierls“ — sie meint nicht ihr eigenes.

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19. April — Diktat der Konzerne

Das ist eigentlich eine „Krone“-Schlagzeile zu TTIP — aber die muss einfach hier rein:

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Eine Seite nach ihrem „Nein zum Diktat der Konzerne“ schreibt die „Krone“:

[Erweiterungsgegner] möchte[n] das Rad der Zeit zurück drehen und die wirtschaftliche Entwicklung in Salzburg wie im Kommunismus regeln. […] Die rapide Entwicklung von Einkaufszentren kann nicht als Flächenwahn bezeichnet werden. Und der Europark des […] SPAR-Konzerns zeigt es vor wie Umwelt-Anliegen erfüllt werden […] Lasst den Europark und das Outlet ausbauen!

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Auf den Folgeseiten schalten dann sowohl die Grünen als auch Spar teure ganzseitige Inserate, um ihre Sicht darzulegen:

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Man kann’s auch so sehen: Die „Krone“ gewinnt immer.

 

Ausblick

Die Schlacht wird wohl weitergehen. Aufgabe der Medien wäre es jedoch, sachlich und frei von Eigeninteresse zu berichten. Den demokratischen Prozess zu unterstützen, indem sie den Beteiligten ein faires, öffentliches Forum bieten, zu dem der Zugang nicht über die Anzeigenabteilung erfolgt.

Die Realität sieht nicht nur in Salzburg anders aus. So haben im Februar deutsche Konzerne (!) eine Initiative gestartet, um die beängstigende Einflussnahme, die ihnen Medien erlauben, freiwillig zu beschränken. Der Vorsitzende dazu:

Unternehmen können heute in einem Ausmaß redaktionelle Berichterstattung kaufen, wie das früher völlig undenkbar war. Und sie machen davon Gebrauch.

 

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Die Titelstory der Kronen-Zeitung vom 19. Dezember behauptet eine „Explosion“ der Kriminalität, obwohl diese in den letzten zehn Jahren rückläufig war. Selbst der Trick eines „Langzeit-Vergleichs“, bei dem Zahlen aus dem Jahr 1996 mit den aktuellen Zahlen (PDF) verglichen wurden, ergibt unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums nur einen Anstieg von rund 6% in 17 Jahren, also weit entfernt vom behaupteten explosionsartigen (also exponentiellen) Anstieg. Doch auch dieser Vergleich hat einen Haken.

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Denn vergleicht man die Statistiken von 1991 bis 2013, sieht man, dass die Kriminalität in Österreich im Jahr 2000 rapide anstieg und seitdem eher rückläufig ist. Das ist auf einen Systemwechsel bei der Erfassung der Straftaten zurückzuführen. Vor dem Jahr 2000 erfolgte die Zählung der angezeigten Straftaten auf fehleranfälligen Datenblättern, sogenannten “Stricherllisten”, seitdem wird elektronisch erfasst. Das Bundesministerium für Inneres vermerkte im Jahr 2001 zu diesem Systemwechsel:

Ein Vergleich mit der bisherigen polizeilichen Kriminalitätsstatistik ist daher nicht aussagekräftig.

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Grundsätzlich sind Kriminalitätsstatistiken mit Vorsicht zu genießen, beispielsweise da die Zahl von Anzeigen nicht mit der Zahl von tatsächlichen Straftaten korrelieren muss. Ein Artikel des „Guardian“ hält solche Statistiken für „bedeutungslos“ und würde sie am liebsten verbannen. Es gibt auch zahlreiche wissenschaftliche Artikel, die sich mit dem Thema der Glaubwürdigkeit von Kriminalstatistiken beschäftigen und diese oftmals in Frage stellen.

In der „Kronen Zeitung“ wurde im Dezember behauptet, dass Russland Teile seines „Goldschatzes“ verkauft hat, um in der Krise die eigene Währung zu stützen. Wie sich herausstellt, ist dies jedoch eine Falschmeldung. Die russische Zentralbank hat lediglich Fremdwährungsreserven veräußert, nicht aber das Edelmetall.

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Im Artikel werden als Quelle Berichte von Yahoo Finance und Business Insider UK genannt. Geht man diesen nach, findet sich bei beiden gleich zu Beginn eine Klarstellung aus der Redaktion, dass es sich bei den angeblichen Goldverkäufen um eine Falschmeldung handelt und dies entsprechend korrigiert wurde.

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Bei der „Kronen Zeitung“ hat man – wie dort üblich – auf so eine Klarstellung verzichtet, auch online findet sich der falsche Bericht einen Monat später weiterhin.

Der Redakteur der Krone hat zudem bereits eine „Folge“ der nicht statt gefundenen Goldverkäufe eruiert, nämlich dass der weltweite Preis des Edelmetalls nun deshalb sinke. Der im Artikel genannte Höchstwert von 1390 Dollar stammt aber bereits aus dem März 2014, also nicht aus unmittelbarer Vergangenheit. Dieser erklärte Zusammenhang ist deshalb genauso erfunden wie schlichtweg falsch.

 

Eine Frau verliert ihren Sohn. Sie geht wenig später zu einem Krippenspiel in die Schule ihres Enkels und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Die „Kronen Zeitung“ macht daraus diesen menschenunwürdigen Artikel:

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Eine „tobsüchtige Türkin“ habe mit wildem Geheule das Krippenspiel einer christlichen Schulklasse gestört. Ihre Tochter und ihr Mann sollen sogar noch „in das Geheule“ eingestimmt haben. Erst „hünenhafte“ Polizisten mit „gezückten Pfeffersprays“ konnten „das Trio“ wieder unter Kontrolle bringen.

Ein Brief (Volltext) der Schuldirektorin an die Eltern, den diese uns gegenüber telefonisch bestätigte, lässt die ganze Sache in einem anderen Licht erscheinen: Der Vater eines der Schüler war vor wenigen Wochen bei einem Unfall gestorben. Die Großmutter des Schulkindes, also die Mutter des kürzlich Verstorbenen, besuchte an jenem Abend das Krippenspiel. Die trauernde Frau habe die Klasse in einem Moment betreten, in dem eine Lehrerin kollabierte. Das habe bei der Frau einen Schock ausgelöst. Sie habe einen Nervenzusammenbruch erlitten, die Rettung brachte sie ins Krankenhaus.

Aus dem Brief:
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Die Frau „platzte“ nicht in die Vorbereitungen des besinnlichen Krippenspiel: Sie war schlichtweg eingeladen – wie alle anderen Eltern und Großeltern auch. Warum die Frau einen Nervenzusammenbruch hatte, erwähnt die „Krone“ mit keinem Wort.

Der Artikel der „Krone“ blendet den Kontext aus und beleuchtet ausschließlich den Vorfall des Zusammenbruchs. So völlig losgelöst und verdreht mutet die Szene merkwürdig an. „Aber jederzeit wäre es möglich gewesen, Unklarheiten über die Direktion zu klären“, wird im Brief betont – diese Bemühungen wurden offensichtlich nicht unternommen:

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Stattdessen trägt der Artikel beliebig Elemente – von Schleier über wildes Geheul bis zur rettenden Rolle einer „hünenhaften“ Polizei – zusammen, die auf Kosten einer trauernden Familie und einer Schulgemeinschaft ein Feindbild befeuern.

Update:

Es war die „Krone“-Schlagzeile der Woche in Salzburg und wurde auf der Facebook-Seite von FPÖ-Chef Strache umgehend zum meistgeteilten Posting des Jahres:

Salzburger Mindestrentnerin muss aus
Wohnung raus, weil Asylwerber kommen

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Einer 72-jährigen Mindestrentnerin sei also laut Kronen Zeitung völlig überraschend die Wohnung gekündigt worden. Sie müsse jetzt bis Ende April 2015 räumen, damit Asylwerber einziehen können.

Die schäbige Motivation des Wohnbauträgers ist für die „Krone“ als Kennerin der Asylpolitik und der Wohnungsvergabe klar:

Für Kenner der Asylpolitik und der Wohnungsvergabe ist die Sache klar: Pro Asylwerber gibt es 19 Euro vom Bund, […] in einer Wohnung sind es dann 2300 bis 3000 Euro im Monat für den Vermieter — in diesem Fall für die Wohnbauträger.

Das „Dumme“ nur, die Dame muss gar nicht aus der Wohnung raus: Bereits im August war auf Ersuchen ihres Sohnes eine Verlängerung des Mietvertrags zustande gekommen. Der „Krone“-Redakteur wusste das, drehte es aber für den flüchtigen Leser so, als sei diese Zusage erst nach seiner Anfrage aus Kulanz erteilt worden.

Der Mietvertrag war auch nie gekündigt worden: Er war von vornherein auf drei Jahre befristet und sollte 2015 ganz normal auslaufen. Die Wohnung war der Frau dem Vernehmen nach als Übergangslösung zur Verfügung gestellt worden, nachdem sie als Hausbesorgerin im Bereich ebenjener Wohnbaugesellschaft in Rente gegangen war.

Und es kann nicht um das Geld für Asylwerber gehen: Die betreffende Wohnung ist Teil eines speziellen Pools von Startwohnungen für bereits anerkannte Flüchtlinge (nicht Asylwerber). Diese müssen ein Dienstverhältnis nachweisen und ihre Miete selbst bezahlen. Womit das von der Kronen Zeitung unterstellte Abgreifen von Asylgeldern durch die Wohnungsgesellschaft hinfällig wäre.

Das legen jedenfalls die ausführlichen Stellungnahmen von Wohnbaugesellschaft und Diakonie nahe. Das Perfide: Diese Klarstellungen enthalten keine Information, die dem „Krone“-Redakteur — der übrigens auch schon für diese Bettlerhetze verantwortlich zeigte — nicht schon vor Veröffentlichung seiner stürmerischen Schlagzeile hätte bekannt sein müssen.

Aber mit der Headline …

Frau möchte in Startwohnung für Flüchtlinge bleiben.
Befristeter Mietvertrag auf Bitte des Sohns verlängert.

… lässt sich halt schwer gegen Asylwerber und Flüchtlinge Stimmung machen.

Tag 2: „Krone“ vs. Realität

Wie sehr die Realität der Kronen Zeitung manchmal ungelegen kommt, merkt man an der Fortsetzung der Geschichte, die bereits am Vortag groß angekündigt worden war:

In Salzburg jetzt aufgedeckt:
Zweihundert Wohnungen an Flüchtlinge

Es lässt sich nur mutmaßen, aber wahrscheinlich war eine große „Aufdeckerstory“ über Asylwerber geplant, die Österreichern geförderte Wohnungen wegnähmen. Das „aufgedeckt“ ist trotzig auf der Titelseite verblieben, wirkt mangels Missstand aber seltsam verloren und deplatziert.

Der Artikel im Blattinneren ist dann auch weniger mit Aufdecken beschäftigt, als mit wortreichem Zudecken und Nachreichen der unterschlagenen Fakten in der Falschmeldung vom Vortag.

Da heißt es gleich eingangs, bemerkenswert umständlich und trotz Kürzungen nahezu unlesbar:

2014-09-05_S18_Sbg_Krone_aufgedeckt_FaksimileDer Fall der […] Pensionistin […], die […] nach dem auf drei Jahre befristeten Vertrag die Wohnung wieder räumen hätte sollen, hatte — wie schon berichtet — ein zumindest vorläufig gutes Ende. Frau Z. wurde nach dem Schreiben vom 11. August (die „Krone“ druckte es am Donnerstag ab), dass man die Wohnung dringend für Flüchtlinge brauche — innerhalb einer Woche (am 19. August) per mündliche [sic!] Zusage für drei Jahre verlängert.

So liest es sich, wenn die Rechtsabteilung neben dem Redakteur sitzt.

Die Kronen-Zeitung leidet offenbar unter akutem Gedächtnisverlust. Anders kann man die aktuelle Titelseite kaum erklären. Einen „starken Anstieg der Flüchtlingszahlen“ gibt es heuer nämlich ebenso wenig wie „Rekordzahlen“.

Krone-Titelseite vom 3. August 2014, Foto von @the_boomerang

Krone-Titelseite vom 3. August 2014, Foto von @the_boomerang

Das Argument der Krone sind die Flüchtlingszahlen vom Juli. 2142 Menschen haben letzten Monat in Österreich Asyl beantragt. Laut Krone sind das besonders viele.

 

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Immerhin steht“Rekordzahl“ unter Anführungszeichen. Eigentlich ist es aber schlicht keine Rekordzahl. Hier die Asylanträge im Juli seit 2001:



Wie man sieht: 2001, 2002 und 2003 gab es im Juli deutlich mehr Asylanträge als heuer. Oder anders gesagt: 2002 gab es im Juli um 76 Prozent mehr Asylanträge als heuer. Heuer gab es zwar einen Anstieg. Von einem Rekord kann aber keine Rede sein. Schon gar nicht, wenn man an echte Flüchtlingswellen wie während des Jugoslawienkrieges denkt, mit denen Österreich fertig geworden ist.

Es macht allerdings vermutlich nicht viel Sinn, ausschließlich die Asylzahlen einzelner Monate zu vergleichen. Flüchtlinge kommen ja über das ganze Jahr. Wie sieht es also im Jahresvergleich aus? Haben wir heuer einen „Rekord“? Oder zumindest einen „starken Anstieg“? Nein, haben wir nicht.



Heuer hatten wir seit Jahresbeginn ganze fünf Prozent mehr Asylanträge als im Vorjahr. In absoluten Zahlen macht das ein Plus von 495 Anträgen. Damit sollte eines der reichsten Länder der Welt gerade noch zurechtkommen. Der Boulevard aber offenbar nicht.

"Die Schande von Stein" (FALTER 21/14, S. 16)Man braucht schon einen guten Magen bei den Bildern, die der FALTER diese Woche veröffentlicht hat: Schwer entzündete, grauenhaft verschuppte Beine, zentimeterlange Fußnägel … ein 74-jähriger psychisch kranker Gefangener war in der JVA Stein so lange medizinisch unversorgt geblieben, bis im März schließlich Verwesungsgeruch aus seiner Zelle geströmt war.

Ein Skandal, der selbst den Justizminister „betroffen und zornig“ machte: Dieser Fall sei ein Zeichen struktureller Schwächen im Strafvollzug. Alle Umstände müssten aufgeklärt werden, so Brandstetter in einer ersten Reaktion.

Ganz anders sieht das die „Krone“ heute:

Ein "Skandal" in Anführungszeichen (Krone, 22.05.2014, S. 16)

Der Skandal ist für die Kronen Zeitung keiner, darum steht er in Anführungszeichen. Aus dem wegen Mordversuchs Inhaftierten macht sie plakativ einen Mörder. Und dass niemand Alarm geschlagen habe, sei schlicht falsch: so habe die „Häfen-Leitung“ doch „bereits“ im März Selbstanzeige erstattet.

Ja, nachdem es nicht mehr anders ging, weil oben erwähnter Verwesungsgeruch aus der Zelle getreten war. Monatelanges Vernachlässigen und Wegschauen als Falschmeldung darzustellen, weil am Ende notgedrungen eine Selbstanzeige erfolgte, das ist schon ein ganz spezieller Dreh.

Als weitere Entlastungsbeweise bringt das Blatt dann noch Auszüge aus dem Vernehmungsprotokoll des Inhaftierten. Darin gibt er an:

[…] dass weder das ärztliche Personal noch die Justizwachebeamten im Zusammenhang mit dem Sachverhalt irgendeine Schuld trifft. Ich habe den Verband verheimlicht.

Mal abgesehen davon, dass die Aussagen in ihrer Formulierung und Entlastungszielstrebigkeit so authentisch wirken, als hätte der Mann einen JVA-Ghostwriter gehabt — für die „Krone“ scheint es also okay, wenn ein psychisch Kranker, quasi „auf eigenen Wunsch“, sich selber überlassen bleibt und sprichwörtlich in seiner Zelle fast verrottet. Mitgefühl lässt sich nur gegenüber den Beamten erkennen, die suspendiert wurden, während doch

[…] der „Krone“ Dokumente vorliegen, die ein anderes Bild zeigen

Anwalt des kleinen Mannes?

Es ist nicht das erste Mal, dass die Kronen Zeitung kein Interesse an der Aufklärung von Missständen zeigt: Auffallend oft, wenn staatliche oder kirchliche Autoritäten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, schlägt sich die „Krone“ fast reflexartig, noch bevor der Sachverhalt annähernd klar ist, auf die Seite der Obrigkeit. Als würde zu viel Aufklärung das Machtgefüge bedrohen, versucht sie in einer Art staatstragendem Selbstverständnis mögliches Unrecht unter den Teppich zu kehren und eine objektive Aufarbeitung zu unterbinden — bestenfalls durch Totschweigen, schlimmstenfalls per Kampagne gegen die Opfer.

"So tobte der Schubhäftling" (Krone, 5.5.1999)Das hatten wir beim unbescholtenen Marcus Omofuma, den die „Krone“ nach der tödlichen Abschiebung auf ihrer Titelseite verunglimpfte und später noch als Drogendealer verleumdete. Beim massenhaften Kindesmissbrauch durch Geistliche, den die Kronen Zeitung praktisch totgeschwiegen hat, während alle anderen Medien auf ihren Titelseiten berichteten. Und zum Beispiel auch bei jenem unbewaffneten 14-Jährigen, dem aus zwei Metern Entfernung von der Polizei in den Rücken geschossen wurde. „Krone“-Star Jeannée dazu: „Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben“ — was uns zurück zu den Eingangsworten dieses Beitrags führt.