Zwentendorf, Hainburger Au, Gentechnik-Volksbegehren: Die Kronen Zeitung hat in der Vergangenheit immer wieder Stellung bezogen und die österreichische Politik nach ihrem Willen beeinflusst. Ihre Kampagnen genießen in der heimischen Medienwelt so etwas wie Legendenstatus. Der Kampf der Krone gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, und für eine bestimmte Art von Umweltschutz (nämlich solange es nicht gegen Autofahrer geht) sind bei der Zeitung inzwischen Teil der Blattlinie geworden.
Deshalb haben wir die Berichterstattung zu diesen Themen während des vergangenen Jahres zum Anlass genommen, einmal genauer hinzusehen: Wie schreibt man eigentlich eine Krone-Kampagne? Eine Anleitung in 6 Schritten:
Schritt 1: Wähle das richtige Thema!
Nicht alle Geschichten eignen sich gleich gut für Meinungsmache. Man sollte generell die Finger von Themen lassen, bei denen es keine eindeutige „Volksmeinung“ gibt.
Schlaue Krone-Redakteure kampagnisieren deshalb nur dort, wo sie eine große Mehrheit hinter sich wissen. Das hat den Vorteil, dass man selbst dann noch beklatscht wird, wenn man seinen Job als Journalist schlecht macht. Immerhin setzt man sich für die “richtige” Sache ein!
Klima-Aktivisten, Atomkraft und Gentechnik eignen sich deshalb besonders gut für Kampagnen. So weiß der gelernte Österreicher seit Zwentendorf bereits, was er von Atomkraft zu halten hat. Gentechnik hatte hierzulande auch schon immer einen schlechten Ruf. Und: Einer Market-Umfrage zufolge lehnen 70% der Österreicher die Protestaktionen der “Letzten Generation” ab – auch hier bewegt man sich also auf sicherem Territorium.
Schritt 2: Inszeniere einen Kampf “Gut gegen Böse”!
Eine gute Geschichte braucht einen Bösewicht, dessen Opfer, und Helden, die den Tag retten. Das Erfinden kreativer Schimpfnamen ist dabei ein guter Weg, um den Lesern klarzumachen, wer der Feind ist. Die Krone bezeichnete die Klima-Aktivisten (viel zu neutral!) zum Beispiel bald nur noch als “Klebe-Chaoten”, “Klima-Rebellen” oder gar „verhaltensauffällige Pseudo-Klimaschützer”.
Merke: Die EU gibt in der Krone immer ein exzellentes Feindbild ab. Sie leistet ja den “ewiggestrigen Atomanhängern” (1) Vorschub, weil sie den Ungarn erlaubt, staatliche subventionierte Atomkraftwerke zu bauen. Fast könnte man sie als Terrororganisation einstufen, verübt sie mit der Zulassung neuer Gen-Technologien doch “Anschläge” auf die heimischen Bauern (2).
Apropos Terrororganisation: Was wäre ein Bösewicht ohne hinterlistige Pläne und arglistige Motive? Beim Lesen der Krone-Kampagnen wird schnell offensichtlich, dass die EU scheinbar ein Handlanger der französischen Atomlobby (3) und millardenschwerer Agrarkonzerne ist. Die „heimlichen Pläne“ der EU (4) sollen die Profite der Agrar-Multis maximieren. Eine Verschwörung, die aufgedeckt werden muss!
Überzeichnete Feindbilder verleihen der eigenen Geschichten einen besonderen Pep, das lehren uns Rechtspopulisten ebenso wie Fantasy-Autoren à la George R. R. Martin. Aber auch Helden braucht es. Polizisten, zum Beispiel, die den Wiener Verkehr “vor dem Kollaps bewahren”, oder die NGO “Global 2000”, die gegen die Genschere Crispr lobbyiert. Idealerweise steht die eigene Zeitung im Kampf gegen das Böse an vorderster Front – wie die Krone, die sich brüstet: “Damals wie heute sagen wir Nein zur Atomkraft” (5).
Dabei muss es dir egal sein, dass du mit dieser Schwarz-Weiß-Berichterstattung sachliche Diskussion verunmöglichst. Immerhin geht es bei einer Kampagne nicht um Respekt vor unterschiedlichen Sichtweisen, sondern um Stimmungsmache. Deshalb jubiliere, wenn der Feind besiegt ist: “Klebe-Chaotin sitzt jetzt endlich im Gefängnis.”
Schritt 3: Emotionalisiere mit einem Bedrohungsszenario!
Bei einer gut gemachten Krone-Kampagne wissen die Leser, was für sie auf dem Spiel steht. Grundsätzlich gilt dabei: Je übertriebener das Bedrohungsszenario, desto besser. Den Menschen muss bei deinen Berichten richtig Angst und Bange werden: “Alles deutet auf eine Frankenstein-Technologie hin“ (4), schreibt die Krone etwa zur diskutierten Gen-Schere.
Manchmal weiß das Publikum auch noch gar nichts von seinem Leid. So erinnert die Krone die Pendler daran, dass sie eigentlich “mit den Nerven am Ende” sind, weil die Klima-Aktivisten keine längeren Haftstrafen ausfassen. Und weil im Stau stehen bekanntlich genau so schlimm ist, wie existenzielle Geldnöte, im selben Satz auch noch daran, dass sie „von Teuerungs- und Zukunftsängsten geplagt“ sind.
Ab und zu dürfen die Warnungen natürlich auch bis zu einem gewissen Punkt gerechtfertigt sein. So wie die vor der Laufzeitverlängerung des slowenischen Kernkraftwerks Krško, das in einem Erdbebengebiet steht. Die Krone schreibt vom „Steinzeit-AKW“. Dass die IAEA den Meiler als sicher bewertet, weil in der Vergangenheit zahlreiche Modernisierungen vorgenommen wurden, verschweigt sie aber – mehr Angst als notwendig schadet ja nicht.
Schritt 4: Erschaffe eine Echokammer!
Unterschiedliche Standpunkte wiederzugeben gehört eigentlich zu den Hauptaufgaben des Journalismus. Nicht so bei Medienkampagnen: Die Leser sollen ihre eigene Meinung ja nicht hinterfragen oder – Gott bewahre – sogar ändern.
Deshalb ist es klug, wenn die Menschen so wenig wie möglich mit verschiedenen Sichtweisen konfrontiert werden. Tu so, als ob jeder wichtige Akteur auf Blattlinie sei. Etwa die “besonnenen Klimaschützer”, die die “ausufernden Proteste” der “Letzen Generation” ablehnen. Umso besser, wenn sogar eine “Hainburger Umweltlegende” die Klebe-Aktionen als “außerhalb des Verfassungsbogens” und schädlich für die gesamte Ökoszene bezeichnet (6).
Noch viel wichtiger beim Kampagnisieren ist aber, worüber nicht geschrieben wird. In den Krone-Kampagnen letztes Jahr mussten etwa unbedingt folgende Argumente verschwiegen werden:
- Atomkraft: Anders als Solar- und Windkraftwerke sind Atomkraftwerke grundlastfähig. Das heißt, sie können zuverlässig Energie liefern und sichern so die Netzstabilität. Atomstrom ist dabei sauberer (in Hinblick auf den CO2-Ausstoß) als jener aus anderen grundlastfähigen Kraftwerken (Kohle und Gas). Internationale Organisationen, wie das IPCC und die Wirtschaftskommission UNO, sind sich auch einig, dass wir die Klimaziele ohne einen Ausbau von Atomkraft gar nicht erreichen können. Deswegen hat die EU Atomkraft in ihrer Taxonomie auch – vorübergehend! – als grün eingestuft.
Die Krone schreibt auch immer wieder, dass sich AKWs wirtschaftlich nicht rechnen. Das stimmt nur bedingt: Die Stromerzeugungskosten sind bei neu errichteten Meilern zwar um 20% höher als bei Windenergie und Photovoltaik, bei einer Laufzeitverlängerung bestehender AKWs allerdings um 50% geringer. - Gentechnik: Dass der Einsatz von Gentechnik im Lebensmittelbereich gesundheitliche Risiken birgt, konnte bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Die Genschere Crispr/Cas, deren Einsatz die EU vereinfachen will, könnte Gentechnik sogar noch sicherer machen. Gene können damit nämlich gezielter manipuliert werden. Nota Bene: In den USA sind gentechnisch manipulierte Lebensmittel seit 1996 zugelassen. Bisher gab es keine Anzeichen, dass es deswegen dort zu einer Häufung von Krankheiten oder gar einem Massensterben gekommen ist.
Auch aus ökologischer Sicht ist der Einsatz von Crispr sinnvoll, weil durch die Züchtung schädlingsresistenter Pflanzen auf Insektizide verzichtet werden kann. Die Krone heftet sich gerne Umweltschutz auf die Fahne, schreibt aber gegen Crispr an. - Klima-Aktivismus: Moderate Klima-Proteste konnten die Regierung bisher nicht dazu bewegen, ausreichende Klimaschutz-Maßnahmen zu beschließen. Österreich wird das Zwei-Grad-Ziel nach derzeitigem Stand meilenweit verfehlen. Die Besetzung der Hainburger Au hat gezeigt, dass radikale Proteste etwas bewegen können. Ziemlich ironisch: Die Krone stellte sich damals auf die Seite der Besetzer.
Alle diese Argumente mag man gut oder schlecht finden – es wäre aber jedenfalls die Aufgabe von Journalismus, die Leserschaft darüber zu informieren.
Um den Anschein eines journalistischen Texts zu wahren, dürfen die Argumente der Gegner in der Krone nur in homöopathischen Dosen natürlich vorkommen. So lange der Frame stimmt („ausufernde Proteste“, „perfide Gen-Manipulation“, „Frankenstein-Technologie“, etc.), werden die Leser ohnehin wissen, was sie davon halten sollen.
Schritt 5: Bring’ die Schweigespirale in Schwung!
Die Theorie der Schweigespirale besagt, dass Menschen sich nicht trauen, ihre Meinung öffentlich zu äußern, wenn sie denken, dass diese Meinung nicht von der Mehrheit geteilt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die in den Medien veröffentlichten Standpunkte der eigenen Meinung widersprechen. Demokratiepolitisch ist die Schweigespirale natürlich problematisch. Für Kampagnen sind sie allerdings ein hervorragendes Instrument, um das Meinungsklima zu manipulieren.
Die Krone macht vor, wie’s geht: Muss eine Meinung bekämpft werden, schickt sie einfach ihre Leser an die Front. Auf ganzen Doppelseiten finden sich dann im Format “Das freie Wort” nur noch Kommentare, die ganz auf Blattlinie sind. Die Leser wettern darin wahlweise gegen die “gehirnbefreiten” und “dummen Aktionen” der “Terroristen”, (gemeint ist die “Letzte Generation”), gegen die Atomlobby und die Zulassung der Gentechnik: “Ein Acker einmal verseucht, ist immer verseucht!”. Wie Leserbriefe manipulativ im Bundespräsidentenwahlkampf verwendet wurden, haben wir übrigens hier dokumentiert.
Natürlich darf auch ab und zu ein Feigenblatt erscheinen, in dem gegenteilige Meinungen vertreten werden. So wie dieser Kommentar von Conny Bischofberger zu den Klimaprotesten. Wichtig ist dabei aber: Solche abwägenden Artikel müssen bei der Flut an emotionalisierender Berichterstattung ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.
Schritt 6: Hinterfrage dich niemals selbst!
Gut möglich, dass beim Lesen dieser Anleitung Zweifel bei dir aufgekommen sind. Ist eine Krone-Kampagne überhaupt so eine gute Idee? Immerhin ist es nicht die Aufgabe von Journalisten, Meinungen vorzukauen. Vielleicht denkst du auch, dass Medien eigentlich unterschiedliche Standpunkte wiedergeben sollten und guter Journalismus sich gerade dadurch auszeichnet, dass er auch Mehrheitsmeinungen kritisch hinterfragt. Eventuell bist du auch der Meinung, dass „Haltung“ keine Ausrede dafür sein darf, sich nicht kritisch mit einem Thema auseinanderzusetzen.
Vielleicht findest du es auch schizophren, dass sich die Krone Umweltschutz auf die Fahne heftet, aber gegen eine Technologie anschreibt, die im Kampf gegen den Klimawandel hilfreich sein könnte. Oder, dass sich die Zeitung auf die Seite der (aus damaliger Sicht) radikalen Hainburg-Besetzer stellte, aber sobald Autofahrer betroffen sind, gegen Klima-Aktivitsten hetzt. Vielleicht findest du es in diesem Kontext etwas lächerlich, dass die Krone nur bei den Themen „klare Haltung“ zeigt, bei denen sich die Blattlinie mit der Mehrheitsmeinung deckt. Vielleicht denkst du auch, dass Selbstlob stinkt.
Solltest du diese Zweifel haben, beachte Schritt 6: Hinterfrage dich niemals selbst! Würdest du das tun, müsstest du nämlich deinen Job als Journalist kündigen und in Politik, PR oder zu Exxpress wechseln. Mit Journalismus haben solche Kampagnen nämlich nichts mehr zu tun.
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Quellen:
(1) Perry & Matzl: EU weist Paks-Klage ab und hilft so Atom-Piraten. Kronen-Zeitung vom 01.12.2022, S. 4.
(2) Perry: Wachsende Gefahren durch neue Gentechnik und Pflanzen-Patente. Kronen-Zeitung vom 14.12.2022, S. 12.
(3) Matzl: Atomlobby will AKW-Renaissance über die Hintertür hochfahren. Kronen-Zeitung vom 28.07.2022, S. 12.
(4) o.A.: Erbgut der Pflanzen wird komplett verändert. Kronen-Zeitung vom 04.03.2022, S. 20.
(5) o.A.: Damals wie heute sagen wir Nein zur Atomkraft. Krone Steiermark vom 02.10.2022, S. 48.
(6) Perry: Krisengipfel gegen „Klima-Chaoten“. Kronen-Zeitung vom 05.03.2023, S. 15.
Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.
1 Kommentar(e)
Master-Unmind Mark Perry erhält GOLDENES VERDIENSTZEICHEN von UMWELTMINISTERIN Leonore Gewessler (ehem. Geschäftsführerin Global 2000):
Unser Ökopionier wurde vergoldet
Kronen Zeitung14 Jun 2022
„Tragen werde ich den Orden nicht, aber daheim werde ich ihn den Bienen und den Vogerln zeigen“, grinste „Krone“-Kollege Mark Perry, als er im Festsaal des Umweltministeriums in Wien geehrt wurde. Aus den Händen von Ministerin
Leonore Gewessler erhielt unser Ökopionier das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich, weil, „Klima-Journalismus ohne Mark Perry nicht vorstellbar wäre“, so die Ministerin im Beisein von „Krone“-Herausgeber Christoph
Dichand, Bischof Alois Schwarz und ÖBB-Chef Andreas Matthä.
P.S.: Und falls Kollege Perry doch mal Lust hat, seinen Orden auszuführen, kann er (im Frack) ADABEI gerne auf den Opernball begleiten.(https://www.pressreader.com/)