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Mit blauer Hilfe: Die Krone schreibt (über) Schrott

Was gab es nicht schon an Medienberichten über vermeintlich skurrile EU-Verordnungen: Kühe dürften angeblich nur mehr mit Windeln auf die Alm, Buntstifte und Wasserfarben seien verboten oder ein Zoo müsse wegen der EU seine Kleinhirsche schlachten. Oft bleibt auf den zweiten Blick kaum etwas von diesen Headlines übrig. Gerade in der Kronen Zeitung gibt es eine gewisse Tradition, die EU als Feindbild für alles Mögliche herzunehmen und dabei mit den Fakten nicht ganz so genau zu sein, wie wir mehrfach gezeigt haben.

Die Titelgeschichte der Krone vom 9. April fügt sich nahtlos in diese Serie ein. Die Aussage „Gebrauchtwagen für EU nur Schrott“ ist schlichtweg falsch. Wir haben uns den Gesetzesvorschlag angesehen und mit einem Experten gesprochen. Dinge, die die Krone bei diesem Artikel wohl verabsäumt hat.

Zunächst einmal stimmt es, dass die EU gerade die Altfahrzeug-Richtlinie überarbeitet. Ziel ist, in Zukunft Fahrzeug-Materialien auch von neueren Hybrid- und Elektroautos besser wiederverwerten zu können – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Die Krone macht daraus einen „Recycling-Wahn“ der EU.

Statt einer Richtlinie soll es zukünftig eine Verordnung geben. Das heißt, dass die Bestimmungen in all ihren Teilen und in jedem Mitgliedsstaat verbindlich gelten sollen. Die Krone behauptet nun, dass die neue Verordnung vorsehe, Gebrauchtwagen schneller als Altfahrzeuge zu deklarieren und aus dem Verkehr zu ziehen. Angeblich sollen so funktionsfähige Fahrzeuge schneller als Abfall gelten. Bestimmen sollen darüber noch dazu nicht die Eigentümer, sondern „EU-Kontrolleure“. Was die EU hier plane, sei „kalte Enteignung“. Das hört sich nicht nur skurril an, es ist auch falsch.

Blaue EU-Korrespondenten, exklusiv für die Krone

Die Krone beruft sich dabei nicht auf EU-Vertreterinnen oder Altfahrzeug-Experten, sondern auf eine im EU-Wahlkampf stehende Partei, die FPÖ: „Das behauptet zumindest Udo Landbauer, für den Verkehr zuständiger FPÖ-Landesvize im Pendlerland Niederösterreich. Er besuchte seinen Parteikollegen Harald Vilimsky in Brüssel“ – wenigstens macht die größte Tageszeitung Österreichs also ziemlich transparent, dass für diese Titelgeschichte niemand seriös recherchiert hat.

Die FPÖ Steiermark ist noch am selben Tag ganz überrascht, was die Krone in dem von ihren Parteifreunden unterfütterten Artikel da „bundesweit enthüllt“ hat. Ein Henne-Ei-Problem, das sich ausnahmsweise einfach lösen lässt: Die FPÖ übernimmt die Rolle der Henne, die das Ei der Falschinformation gleich selbst legt. Die Krone ist lediglich ihr Stall.

Nicht jeder Gebrauchtwagen ist ein Altfahrzeug

Kommen wir zu den Fakten: Was ist dran an den Brüssel-Insights der Krone? Dazu müssen wir kurz zurückreisen in den Juli 2023. Die EU-Kommission schlägt vor, die bestehende Altfahrzeug-Richtlinie zu überarbeiten und eine Verordnung daraus zu machen, die im Endeffekt bessere Recyclingraten von alten Autos erreichen will.

Schon vergangenes Jahr kursierte daraufhin das Gerücht, das käme einem Reparaturverbot für Gebrauchtwagen gleich. Sie würden viel schneller als Schrott gelten. Das Factchecking der Deutschen Presse-Agentur (DPA) sowie der AFP stellten beide klar: Falsch. Es gehe vor allem um eine strengere Regelung von illegal exportierten Gebrauchtfahrzeugen, die eigentlich als Altfahrzeuge gelten, weil sie eben am Ende ihres Lebenszyklus angekommen und damit nicht mehr verkehrstüchtig sind. Ein Sprecher des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) sagt gegenüber der DPA, dass durch die vorgesehene strengere Handhabe beim Altfahrzeug-Handel Reparaturen sogar attraktiver werden.

Was der EU Sorgen macht, ist nicht der innereuropäische Gebrauchtwagenmarkt. Es sind die sogenannten „Fahrzeuge mit ungewissem Verbleib“. Viele davon sind nämlich Altfahrzeuge, die ins EU-Ausland, oft afrikanische Länder, verkauft werden. Fahrzeuge, die eigentlich nicht mehr verkehrssicher sind und gegen sämtliche Umweltauflagen in Europa verstoßen würden. Woanders werden sie zu Tode gefahren – mit Gefahr für Mensch und Umwelt. Das will die EU verhindern – nicht Reparaturen in Europa. Man will diese halb-illegalen Exporte strenger regeln und damit die Sammelquote alter Fahrzeuge innerhalb der EU verbessern. Das alles ist in dem Vorschlag der EU-Kommission nachzulesen.

Keine Angst vor „EU-Kontrolleuren“

„Unter anderem will die EU den Begriff  ‚Altfahrzeuge‘ genauer bestimmen, um sie besser von Gebrauchtwagen zu unterscheiden“, erklärt Walter Kletzmayr im Gespräch mit Kobuk. Er ist Geschäftsführer der Österreichischen Shredder-Gesellschaft. Auch er verfolgt intensiv, was derzeit auf EU-Ebene diskutiert wird. Warnungen vor einer verkürzten Lebensdauer für Gebrauchtwagen kann er nicht nachvollziehen.

„In Österreich ist schon jetzt ganz klar geregelt, was als Altfahrzeug gilt. Es gibt technische Kriterien wie die grundsätzliche Betriebsbereitschaft. Darüber hinaus muss auch immer eine Entledigungsabsicht vorliegen“, erklärt Kletzmayr. Gebrauchtwagen-Besitzer*innen, die ein funktionierendes, oder zumindest reparaturfähiges, Auto fahren, müssen sich also keine Sorgen machen, egal wie alt der Wagen ist. Von der in der Krone kolportierten „kalten Enteignung“ ganz zu schweigen.

Und wie sieht es mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen aus? Wenn das Auto die technischen Kriterien der Betriebsfähigkeit nicht mehr erfüllt, hilft auch kein Kaufvertrag. Das wäre dann ein Umgehungsgeschäft, um mit etwas, das eigentlich Schrott ist, Geld zu machen. Aber: „Sofern das Auto zeitgerecht repariert werden kann, stellt ein Gutachter eine sogenannte Reparaturbescheining aus. Auch damit gilt das Fahrzeug dann nicht als Abfall“, so Kletzmayr. Das ist schon heute so geregelt. Der Experte geht nicht davon aus, dass eine neue Verordnung den (legalen) Gebrauchtwarenhandel beeinflusst. Dieser ist schließlich gar nicht Gegenstand des EU-Vorhabens.

Und was ist mit den ominösen „EU-Kontrolleuren“ gemeint? Aus dem Vorschlag der EU-Kommission erschließt sich das nicht und auch Kletzmayr ringt um eine Erklärung: „Die EU hat schon jetzt Kontrollbefugnisse, weil eben alles gemeldet werden muss. In der Praxis ist die Sanktionsfreudigkeit bei Nicht-Einhalten der Meldepflichten aber endenwollend. Angst vor EU-Kontrolleuren braucht man wirklich keine haben“, sagt der Experte schmunzelnd.

Bei der diskutierten Gesetzesvorlage handelt es sich außerdem immer noch um einen Vorschlag, der gerade vom Europäischen Parlament geprüft wird. „Niemand kann die Verordnung derzeit abschließend beurteilen. Wir wissen zum Beispiel noch nicht einmal, wie etwaige neue Verwertungsquoten berechnet werden sollen“, sagt Kletzmayr. Die Sorge, dass in Zukunft alle Autos, deren Tacho schon etliche gefahrene Kilometer anzeigt, zum Schrotthändler kommen sollen, ist jedenfalls völlig unbegründet.


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