Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Dass man in der Kronen Zeitung die Leserbriefe oft selbst schreiben dürfte, ist kein großes Geheimnis.

Hier frage ich mich aber, ob sich die Krone-Redaktion oder ein Krone-Leser diesen Spaß erlaubt hat: Denn Armin Tamzarian ist ein Charakter aus der Serie „The Simpsons“, uns allen besser als Rektor Seymour Skinner bekannt.

Danke für Hinweis und Twitpic an Florian Allesch!

„Du, sind Mamas überhaupt wichtig?“ – so lautet der Titel eines Artikels, der am 6.2. im Kurier erschien und seit 5.2 auf Kurier.at online ist.  Das Thema: Der „Obsorgestreit“ um den Buben F. :

Name und Gesichter wurden von mir unkenntlich gemacht

Großfamilie, Jugendamt und Gericht liegen sich in den Haaren.  Alle wollen das Beste für ihn. Was aber ist das Beste für F.? [Vorname des Kindes im Original ausgeschrieben]

Als gute Bekannte des Vaters und der Urgroßmutter väterlicherseits, die die einstweiligen Obsorgeberechtigten sind, bin ich zugegebenermaßen parteiisch. Ob es wirklich „das Beste für F.“ ist, dass der Kurier ein Foto des Buben abdruckt und online stellt, ohne die einstweilige Obsorgeberechtigte oder das zuständige Gericht um Erlaubnis zu bitten oder auch nur zu informieren,  kann jede/r selbst beantworten.

In einem Telefonat mit dem Autor der Story und in einem Email an Chefredakteur Helmut Brandstätter (eine Kopie liegt mir vor) baten die einstweiligen Obsorgeberechtigten den Kurier, zumindest das Foto des Buben aus dem Internet zu nehmen. Diese Bitte zeigte bislang keine Wirkung.

Im Artikel werden darüber hinaus einige Behauptungen aufgestellt, ohne dem Leser Beweise vorzulegen oder Quellen anzugeben. Sowohl der Vater als auch die Urgroßmutter von F. (einstweilige Obsorgeberechtigte) geben an, vom Autor des Artikels nicht um eine Stellungnahme für den Artikel gebeten worden zu sein.

Bild.de hat ein Interview mit Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty geführt, das mitten in einer Antwort endet:

Vielleicht war der Autor zu dieser späten Uhrzeit auch zu müde, um das Interview fertig zu transkribieren.

Yilmaz‘ und Hans‘ Debatte zur Verwendung des belasteten Begriffs „Ostarbeiter“ durch die Krone hat viele Reaktionen hervorgerufen. Es zahlt sich aus, auch einen Blick auf den Inhalt dieser über mehrere Tage gehenden „Ostarbeiter“-Kampagne der Krone zu werfen. So sah die Seite 5 der Ostersonntagsausgabe aus:

Gleich im ersten Absatz steht:

Laut letzten Prognosen werden ab heute in einer Woche Zehntausende Ostarbeiter auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen. Exakt kann die Zahl nicht vorausgesagt werden – mit bis zu 30.000 muss aber in jedem Fall gerechnet werden

Abgesehen von der merkwürdigen Formulierung („bis zu“ + „in jedem Fall“) nennt der Autor/die Autorin hier keine Quelle. Die Zahl 30.000 kann auch sonst in der medialen Berichterstattung nicht gefunden werden.

Die meisten Medien beziehen sich in ihrer Berichterstattung auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), die am 11.4. von Sozialminister Hundstorfer präsentiert wurde. Laut Originaltext-Service der APA erwartet man auf Basis dieser Studie 21.000 – 26.000 Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Für welchen Zeitraum diese Zahl gilt ist nicht vermerkt. Auch die „Qualitätsmedien“ sind sich diesbezüglich nicht einig:  Derstandard.at nennt 15.000 auf die ersten beiden Jahre, Diepresse.com bezieht die Zahl 21.000 – 26.000 ebenso in den ersten beiden Jahren, beide berufen sich auf Klaus Novotny vom Wifo.

Im zweiten Absatz bezieht sich die „Krone“ ebenso aufs Wifo:

Mit diesem ersten Ansturm [also die „bis zu 30.000“] ist es jedoch nicht getan, denn laut Wifo Studien werde es sich um ein längerfristiges Phänomen handeln: In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren wird damit gerechnet, dass jährlich etwas mehr als 20.000 junge Arbeitskräfte aus dem Osten Interesse an Arbeit in Österreich zeigen werden.

Abgesehen davon, dass auch diese Angabe nirgends eine Entsprechung findet, ist die Formulierung irreführend. Der Leser/ die Leserin bekommt leicht den Eindruck, nach dem ersten Ansturm  (bis zu 30.000) kämen pro Jahr nochmals 20.000 dazu. „Interesse zeigen“ kann allerdings nicht mit tatsächlichem Arbeiten in Österreich gleich gesetzt werden.

Auf der selben Seite findet sich ein Kommentar, das ein „Faules Osterei aus dem Osten“, das unvermeidliche Wolf-Martin-Gedicht zum Thema sowie die Warnung: „Auch Tunesier sind schon im Anmarsch“.

In der Oberösterreich-Ausgabe der „Krone“ vom 28.4. wurde wieder einmal das Märchen vom EU-Kräuterverbot – pünktlich zum Ablauf der siebenjährigen Übergangsfrist – aufgewärmt:

Die sogenannte „Traditional Herbal Medicinal Products Directive“ wurde bereits im April 2004 beschlossen – am 30.4. endet lediglich die Übergangsfrist für Produkte, die vor Gesetzesbeschluss auf den Markt kamen. Diese Richtlinie dient der Vereinfachung und Vereinheitlichung des Registrierungsverfahrens für Fertigarzneimittel auf pflanzlicher Basis – durch Qualitätstests soll verhindert werden, dass Wirkstoffe auf den Markt gebracht werden, deren Auswirkung auf den Menschen unzureichend geklärt sind. Um ein Verbot von traditionellen pflanzlichen Wirkstoffen ist es dabei nie gegangen.

Die Krone fürchtet um den traditionellen „Heilschatz“ und lässt dabei folgende Passagen des Gesetzestexts (wissentlich?) völlig außer Acht:

Hat ein Arzneimittel eine lange Tradition und ist die Wirksamkeit des Arzneimittels aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel, so kann die Zahl der Fälle, in denen klinische Prüfungen verlangt werden müssen, reduziert werden. Vorklinische Tests scheinen unnötig, wenn das Arzneimittel aufgrund der Informationen über seine traditionelle Anwendung unter festgelegten Anwendungsbedingungen nachweislich unschädlich ist. […] Die vereinfachte Registrierung sollte nur dann zulässig sein, wenn das pflanzliche Arzneimittel in der Gemeinschaft ausreichend lange medizinisch verwendet wurde. Die medizinische Verwendung außerhalb der Gemeinschaft sollte nur dann berücksichtigt werden, wenn das Arzneimittel eine Zeit lang in der Gemeinschaft verwendet worden ist.

Kräuterhexen und Naturheilmittelkundler driften also nicht in die Illegalität ab, wenn sie ihre Heilkräuter anbauen und weiterverarbeiten ohne klinische Tests an ihnen durchführen zu lassen. Und Apotheker, die mit traditionellen Naturheilmitteln arbeiten schon gar nicht.

Seit Herbst 2010 geistert dieser Hoax durch das Netz und wurde in einigen Artikeln bereits aufgezeigt. Trotzdem wird dieser Artikel wieder Wasser auf den Mühlen der Initiatoren der entsprechenden Petition sein, die gegen ein Gesetz ankämpfen, das sie offenbar selbst nicht ganz verstanden haben.

Für € 6,49 bietet der Textil-Diskonter KiK Damenjeans an. Dieses Schnäppchen veranlasste die „Österreich“-Redaktion, in der Printausgabe vom Dienstag einen Artikel zur „Preisschlacht um Jeans“ zu verfassen. Dabei wird der Name „Kik“ in der Bildunterschrift und in den ersten drei Spalten des Texts insgesamt neun Mal genannt. Die Mitbewerber C&A, H&M und Kleider Bauer teilen sich eine Spalte.

Man beachte auch die Preisangabe im Foto:

Eine Kennzeichnung als Inserat sucht man vergebens. Für einen aufmerksamen „Österreich“-Leser stellt das Angebot allerdings keine Neuheit dar, da bereits am Vortag diese Aktion in einem Inserat angekündigt wurde:

Die Kronen Zeitung hatte am 28. April folgende Schlagzeile am Titelblatt:

Der Begriff „Ostarbeiter“ ist schwer vorbelastet. Die beiden Kobuk-Autoren Yilmaz Gülüm und Hans Kirchmeyr haben sich dazu im Redaktionssystem von Kobuk eine Debatte geliefert, wie die Verwendung des Begriffs durch die „Krone“ zu bewerten sei.

Yilmaz:

„Ostarbeiter“. Arbeiter aus dem Osten eben, oder? Falsch. Denn so wurden während der NS-Zeit Zwangsarbeiter genannt, die aus der Ukraine oder Weißrussland verschleppt worden waren. Entscheidend war dabei die „nichtdeutsche Volkszugehörigkeit“.

1942 gab es einen Erlass, der „Ostarbeitern“ etwa verbot, Geld oder Wertgegenstände zu besitzen oder den Arbeitsplatz zu verlassen. Manche sehen im Begriff „Ostarbeiter“ gar ein Synonym für „Sklavenarbeiter“ oder Zwangsarbeiter

Ob es sich um Unwissen oder Provokation handelt, sei dahin gestellt. Neben der Kronen-Zeitung findet sich der „Ostarbeiter“-Begriff auch auf der Onlineausgabe der „Tiroler Tageszeitung“ sowie im Magazin Unzensuriert, einem rechten Medium rund um den dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf. Die FPÖ und das BZÖ verwenden den Begriff ebenfalls in je einer Presseaussendung. Ansonsten wird der Begriff so gut wie nur im historischen (NS-)Kontext verwendet.

Daraufhin kontert Hans:

Ich finde, wir können es auch übertreiben (und das sag ich mit meinem Stürmer-Strache-Vergleich). Selbst wenn die Verwendung von „Ostarbeiter“ perfide Absicht sein sollte, schadet das Aufdecken hier vermutlich mehr als es nützt. Weil das kaum mehr wer nachvollziehen können wird. Es ist nämlich schon ein Unterschied, ob jemand ohne Not und mit erkennbarem Augenzwinkern auf Nazi-Semantik zurückgreift („Ehre heißt Treue“, etc.) oder ob es sich um einen Begriff handelt, der sich auch „normalen“ Leuten durchaus anbietet und wo die Vorbelastung schon eher in die Rubrik Spezial- bis Geheimwissen fällt. Vielleicht liege ich aber auch völlig falsch, die ersten Suchergebnisse auf Google sprechen ja durchaus ihre eigene Sprache.

Ich halte es jedenfalls für schwierig, hier die Leser mit ins Boot zu holen. Das würde nach einer sehr stringenten Beweisführung verlangen, dass es sich hier eindeutig um einen Nazibegriff handelt, der auch bewusst von der Krone so gesetzt wurde. Das halte ich nicht für machbar.

Eher könnte man noch im Rahmen eines größeren Arguments nebenbei auf diese zufällige (?) Gemeinsamkeit in der Wortwahl hinweisen, so wie Andreas Koller es in den Salzburger Nachrichten gemacht hat.

Und wieder Yilmaz:

Ostarbeiter ist ein Nazibegriff. Wie „schlimm“ das Wort jetzt ist oder nicht ist, beurteile ich ja nicht. Ich finde einfach, gerade Medien sollten sensibler mit solchen Begriffen umgehen. Übrigens ist es doch lustig, dass FPÖ, BZÖ und die „Krone“ (und eine Tiroler Zeitung) den Begriff verwenden und alle andern nicht.

Wie seht ihr das?

(Danke an Corinna Milborn für den Hinweis zu diesem Artikel und das Twitpic.)

Update: Anita Weidhofer hat sich die Kampagne hinter der Schlagzeile angesehen – in diesem Kobuk.

Sonntag, später Abend (Ortszeit): US-Präsident Barack Obama verkündet live im TV den Tod von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden. Blöd nur, dass diese beiden Namen leicht zu verwechseln sind:

Fox und ihre „Breaking News“ (Video):

Spiegel.de lässt den US-Präsidenten auf See bestatten:

Auch auf ElPais.com starb Obama Bin Laden:

Steffen Seibert, offizieller Regierungssprecher von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel twitterte deren offizielles Statement:

…doch er korrigierte selbst kurz darauf:

Futurezone.at reagierte bald auf ihren Obama/Osama-Fehler, jedoch war er noch auf Google News zu finden:

Doch nicht nur die ähnlichen Namen der beiden bereiteten vielen Medien kleine Probleme, auch ein Bild des toten Bin Laden machte schnell die Runde. Dass es sich hierbei um eine Fotomontage handelt, zeigt Larry Brown von „Larry Brown Sports“.

Danke an Armin Rogl, @Dyrnberg, und allen weiteren Twitterern für die Hinweise!

DerStandard.at sowie BildBlog.de haben sich übrigens ebenfalls der Osama/Obama-Fehler angenommen.

Statistiken sind nicht einfach zu interpretieren – das haben uns die österreichischen Medien schon öfters gezeigt.

Opfer der Statistik wurde dieser Tage die APA, als sie über die neuen Daten der Media-Analyse berichtete. Die größte Reichweite bei den Tageszeitungen hat laut der Media-Analyse, wie auch in den vergangenen Jahren, die „Kronen Zeitung“ (38,9 % österreichweit, 35,6 % in Wien), deren Chefredakteur bekanntlich Christoph Dichand ist. Seine Ehefrau Eva Dichand, Herausgeberin der Gratiszeitung „Heute“, durfte sich ebenfalls über gute Reichweitenwerte freuen (12,0 % österreichweit, 37,6 % in Wien) – da fragt man sich, wie viele Menschen in Österreich eines der beiden Dichand-Blätter lesen. Die APA fand das scheinbar heraus und ORF.at, die Wiener Zeitung sowie relevant.at übernahmen diese Meldung:

„Das Ehepaar verwaltet gemeinsam ein beeindruckendes Imperium: Von insgesamt 5,2 Millionen Tageszeitungslesern in der Republik griffen mehr als 3,6 Millionen zu einer der beiden Dichand-Zeitungen.“

3,6 Millionen sind viele Menschen, das wären immerhin 69,23 Prozent aller TageszeitungsleserInnen. Aber wie kommt man auf diese 3,6 Millionen? Die APA scheint hier zusammengezählt zu haben: Laut Media-Analyse lesen 2.764.000 Menschen die „Kronen Zeitung“, 849.000 „Heute“. Addiert man die beiden Zahlen, kommt man tatsächlich auf gerundete 3,6 Millionen.

Leider wurde ein Detail am Rande nicht beachtet: Es gibt in Österreich doch einige Menschen, die zu mehr als einer Zeitung täglich greifen – diese wurden also doppelt gerechnet.

Hingucker Nr. 1:
Da haben Lektor und CVD von der „Presse“ wohl nicht so genau auf die Titelseite geachtet:

DiePresse_Titelblatt
Das „Die Presse“-Titelblatt vom Mittwoch, 23.03.

Hingucker Nr. 2:
71% ist größer als 81% und 71% ist nicht gleich 71%?
DiePresse twitpic
„Die Presse“ vom 26.03., hier gefunden.

Hingucker Nr. 3:
Kleine Fehler können überall passieren, dies zeigt auch die „Kronen Zeitung“, die einfach mal Holland gegen Niederlande spielen lässt:
Screenshot: kronetipp