Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Liebe Frau Dichand,

danke für die Quelle zu der von einem Kobuk-Autor behaupteten Zeitungsente in der heutigen Ausgabe Ihrer Zeitung „Heute“, die Sie mir eben auf Ihrem nagelneuen Twitter-Account schicken, spätabends von Ihrem Blackberry:

Willkommen auf Twitter. Jetzt werfe ich doch gleich einen Blick auf diese wirklich lustige Website, WNCNEWS, von der hab ich noch nie gehört. Auf der spärlichen Kontaktseite finde ich den Absatz:

We as “WNC News” has tested the information in this website to the best of our ability. But it is well said that human makes errors. So, help us finding the erros, bugs or any other way by which we can improve your experience with us.

Ich gestehe, die Hervorhebungen sind von mir. Der Autor Nummer eins der Website dürfte übrigens eine besondere Ausbildung genossen haben:

David is a graduate of the University of Some State.

In some country, I assume.

Die Website hat PageRank Null (zum Vergleich: Heute.at hat PageRank 6), aber zumindest 65.000 Einzelseiten. Frau Dichand, Sie dürften einer Contentfarm aufgesessen sein. Ich hoffe, Ihre Redaktion bezieht keine „Nachrichten“ aus solchen Quellen.

Ihr Quell-Link hat übrigens keinen Inhalt, sondern verlinkt nur auf einige Artikel. Der erste davon enthält den Satz:

Frattini said that an African country to give asylum to Muammar Gaddafi and ignore that Libyan leader will remain in power.

Wenn ich das holprige Englisch richtig deute, dürfte auch das Ihre Zeitungsente kaum entlasten.

Oder war Ihr Tweet nicht ernst gemeint sondern ein um zwei Tage verfrühter Aprilscherz? Oder ein Test, und ich bin reingefallen?

fragt sich,
Ihr Helge Fahrnberger

Ein P.S. für Zweifler: Der Twitter-Account @EvaDichand ist echt:

Update: Die Website hat ein paar der Fehler beseitigt, und der (vermutliche) indonesische Betreiber hat sich in den Kommentaren gemeldet.

„Heute“ berichtet in der heutigen Ausgabe sowie online, dass Berlusconi Gaddafi Asyl in Italien geben wolle. Doch in keinem italienischen oder internationalen Medium findet sich eine entsprechende Meldung, und Italien hat ein solches Asyl bislang ausgeschlossen.

Man dürfte bei „Heute“ eine Aussage des italienischen Außenministers am Rande der gestrigen Libyenkonferenz in London falsch gedeutet haben. Reuters berichtet:

Frattini said an African country could offer Gaddafi asylum.

Italien dürfte nicht zu den afrikanischen Ländern zu zählen sein.

Update: „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand hat sich auf Twitter dazu gemeldet.


Ein am 21. März erschienenen Gastkommentar auf DerStandard.at ist möglicherweise dem Lektorat entwischt.

Schon eine Google-Suche nach „Lybien“ (ein durchaus häufiger Fehler) fragt recht höflich:

Auch der Titel der Militäroperation scheint eher von Kinderbüchern oder Videospielen inspiriert zu sein. Tatsächlich heißt die Operation nicht Odyssey Down sondern Odyssey Dawn, das Wirtschaftsblatt erklärt sogar warum.

(Danke an Ralf M. für den Hinweis.)

Sowohl auf der Titelseite von gestern als auch online erklärt uns die „Presse“:

Plutonium ist eines der seltensten Elemente der Erdkruste, es kommt nur als Begleiter von Uran vor: ein Atom auf 140 Milliarden Pu-Atome.

Der letzte Satz stellt die vorangegangene (und richtige) Aussage auf den Kopf: Pu ist das chemische Kürzel für Plutonium. Kommt nun ein Plutonium-Atom auf 140 Milliarden Plutonium-Atome? Oder ein Uran-Atom?

Richtig ist nichts von alledem. In Wirklichkeit kommt im Uranerz ein Plutonium-Atom auf 140 Milliarden U-, also Uran-Atome.

Am 21. 3. enttarnte „Heute“ auf Seite 12 ein Werbeplakat in Wien:

Nicht ein einziger Hinweis (..) gibt Aufschluss darüber, wer hinter der Idee steckt. „Heute“ fand heraus: Der Auftrag stammt von Umwelt-Stadträtin Ulli Sima.

 

Doch bereits vier Tage zuvor war in der gleichen Zeitung (17. 3., Seite 14) eine aus derselben Serie stammende Werbung publiziert worden:

Kennt „Heute“ seine Inserenten nicht? Oder möchte man diesen mit der vermeintlichen Aufdeckung gar etwas zusätzliche Publicity verschaffen?

Dieser Tage kommt die neue Spielekonsole Nintendo 3DS in die österreichischen Läden. Das Ding hat einen innovativen 3D-Bildschirm, der ein 3D-Bild ohne spezielle Brille ermöglicht, und wird wohl deshalb von Thomas Vašek in der aktuellen Ausgabe des „Falter“ besprochen.

Vašek ist begeistert von diesem 3D-Effekt, den er am Beispiel des Spiels „Streetfighter“ [sic] beschreibt. Zweifelhaft ist aber, ob er das Game wirklich ausprobiert hat, denn Vašek schreibt:

Endlich hat man beim „Streetfighter“-Ballern das Gefühl, dass einem die Kugeln wirklich um die Ohren fliegen.

Dumm nur, dass in Super Street Fighter IV (so die korrekte Schreibweise von „Streetfighter“) nicht geballert wird und einem deshalb auch keine Kugeln um die Ohren fliegen.

Es ist ein klagsfähiger Artikel, der vor Gericht eine bis zu fünfstellige Entschädigungssumme bringen könnte. Und eigentlich gibt es nur eine Erklärung für die Dummdreistigkeit, mit der „Die ganze Woche“ (Nr. 11/2011) Natascha Kampusch die Vortäuschung ihrer achtjährigen Gefangenschaft und indirekt einen Betrugsversuch in Millionenhöhe unterstellt: Man rechnet einfach nicht damit, dass außerhalb des „Woche“-Biotops das jemand liest…

Kampusch macht aus ihrer Entführung ein gutes Geschäft
Es geht um mehr als eine Million Euro. Aus den Abgaben der Steuerzahler. Damit sollen die erlittenen Qualen von Natascha Kampusch, 23, und deren Eltern abgegolten werden. Qualen durch die achtjährige angebliche Gefangenschaft bei Wolfgang Priklopil in Strasshof, Bezirk Gänserndorf (NÖ). Und angeblich, weil es bislang keinen Beleg dafür gibt, dass Kampusch all die Jahre in einem Kellerverlies eingesperrt war. Zwar behauptet Kampusch in Interviews, wie eine Gefangene gehalten worden zu sein, doch eine Untersuchung der Verliestür habe ergeben, dass sie nur von innen zu verschließen gewesen sei, ist einem Protokoll zu entnehmen. Was der gängigen Praxis entspricht, denn das angebliche „Verlies“ wurde als Luftschutzraum gebaut.

Letzteres ist sogar korrekt. Nur verschweigt der aus gutem Grund anonyme Autor seinen Lesern perfiderweise den Rest der Konstruktion, wie sie seit 2006 bekannt ist:

„Um in dieses Verlies zu kommen, musste man in eine Grube steigen, einen Wandverbau auf die Seite schieben, einen Tresor aufmachen, und zwar mit einem Code, links und rechts zwei Dübel und Schrauben entfernen, den Tresor rausnehmen, in ein Loch reinkriechen, eine Blende wegnehmen, erst dann kam man zur Tür, die in dieses Verlies führt.“ (Gerhard Lang, Bundeskriminalamt )

Das Prinzip Steuergeld für Folter ist der „ganzen Woche“ übrigens nicht völlig fremd: Über 90.000 Euro lukrierte sie allein 2010 an Presseförderung. Das ist mehr als z.B. Profil oder Falter erhalten haben.

Die Gratiszeitung „Heute“ scheint einen besonderen Draht zu der aufgrund einbrechender Zahl an Mitgliedsbeiträgen in argen Finanznöten befindlichen katholischen Kirche zu haben – oder auch umgekehrt.

So findet sich am 18.3. auf Seite 5 eine Notiz zum „Papst-SMS“ (Ja, gleich neben einem Artikel zur Lage in Libyen, in der selben Länge):

In der selben Ausgabe findet sich gleich auf der nächsten Seite ein Leserbrief, der Stimmung für das Symbol „Kreuz“ macht (anlässlich der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bezüglich der Kreuze im Kindergarten):

Auf Seite 10 folgt dann die seit 2006 fixe Rubrik „Antworten“ von Kardinal Schönborn, der zur Katastrophe in Japan Stellung nimmt und mit einer Einladung zum Gottesdienst für Japan im Stephansdom abschließt:

Zum Verwechseln ähnlich mit dem Einspalter oben bewirbt erklärt „Heute“ nur 3 Tage später wieder die Himmelbotschaft per SMS: Eine Kurzmeldung auf Seite 10 vom 21.3.: „Das tägliche Papst-SMS während der Fastenzeit“, dazu ein Bild von Ratzinger:

Zitat: „Anmeldung erfolgt per SMS : Kennwort PAPST an die Nummer ☎ 0664/6606651.“ Gut zu wissen…

Aber um auf Nummer Sicher zu gehen, dass auch alle Schäfchen über das SMS-Service informiert sind, folgt am 22. 3. auf Seite 2 unter „Das Neuste kurz“ (!) das Papst-Zitat des Tages, betitelt mit „Täglich eine SMS von Papst Benedikt XVI.“

Zum Glück schreibt der Papst aber nicht bloß SMS sondern auch Bücher: Als erste Meldung unter „Das Neuste kurz“ auf Seite 2 (!) am 2.3. : „Neues Jesus-Buch von Papst Benedikt XVI.“ :

Eine traurige Story findet sich auf Seite 10 der Heute vom 9.3.: „Herrgott, warum sind in Wien alle Kirchen zu?“ von Lisa Steiner:

Zitat:

Ein Großteil der 220 Pfarren in der Stadt sperrt die Tore ihrer Kirche nur zu den Messzeiten auf. Der traurige Grund: Sicherheits- und Personalmangel! (…) Und Überwachungskameras kann man sich nicht leisten.

Gestern um 14:13 berichtete die APA über das steirische Sparbudget und die dazu gehörige Diskussion im Landtag. Auch die Kleine Zeitung zog um 14:23 nach und veröffentlichte einen Artikel dazu. Und natürlich ist auch auf ORF Steiermark ein Bericht darüber zu lesen.

Screenshot kleine Zeitung

Klingt im ersten Moment alles ganz normal. Komisch nur, dass diese Sitzung erst rund zwei Stunden später um 16 Uhr statt fand, so unser Hinweisgeber Bernd Pekari. Auf der Homepage des Landtags wurde die Sitzung per Livestream übertragen, der bestätigte, dass die Anträge erst ab 16 Uhr diskutiert wurden.

Nicht nur, dass die „Österreich“-Redaktion Westen und Osten nicht unterscheiden kann – im gleichen Artikel fällt sie auch noch einem Internet-Schwindel zum Opfer. Die Grafik, die erklären soll, welche Auswirkung die Atomwolke für die USA und Kanada haben könnte, ist eine Fälschung aus dem Internet.

Zum Verwechseln ähnlich - oben: gefälschte Grafik, unten: Grafik in "Österreich"

OBEN: Die gefälschte Web-Grafik zeigt, wie eine extrem hohe radioaktive Strahlung  innerhalb von 10 Tagen bis an die Westküste der USA gelangt. Im linken unteren Eck der Landkarte sieht man das (gefälschte) Logo der „Australian Radiation Services“ abgebildet.

UNTEN: „Atomwolke gefährdet Tokio und Kalifornien“ betitelt „Österreich“ ihre Grafik, die in der Printausgabe vom 14. März ohne jegliche Angabe der Quelle abgedruckt und auf Oe24.at laut dem Hinweis „© tz österreich“ aus eigener Feder stammen soll. Die Ausbreitung der japanischen Atom-Wolke sieht allerdings jener der abstrusen Web-Fälschung zum Verwechseln ähnlich.

Wenig Stunden nachdem die Hoax-Grafik ihren Weg ins Internet fand, konnte man folgendes Statement auf der offiziellen Seite der Australian Radiation Services finden, in dem sich die Organisation von den gefälschten Informationen im Internet distanziert:

Australian Radiation Services is aware of information about radioactive contamination being spread from the Japanese nuclear reactor incident released under the ARS logo and name.  We wish to be clear that this information has not originated from ARS and as such distance ourselves from any such misinformation.

Andrew Schneider, Senior Public Health Correspondent von AOLnews, nimmt in einem Artikel direkten Bezug auf die gefäschte Grafik aus dem Web:

These numbers, which would kill or sicken quickly, have absolutely no basis in fact at all. And, according to a radiation expert at the Federal Emergency Management Agency, they are more typical of the levels that might occur after a nuclear attack.

„RAD“ ist übrigens die seit Ende 1985 nicht mehr verwendete Einheit der absorbierten Strahlendosis.

Die australische TV-Station „Nine News“ fiel ebenfalls auf die Fälschung herein, wie die Aufdeckerwebsite Crikey berichtet:

Danke für Hinweise an Jon, nacaseven und hm