Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

„Festnahme nach Mordverdacht“ lautet die Polizeimeldung am Morgen des 19. Februar. Keine fünf Stunden später hat die Gratiszeitung Oe24 schon ihr eigenes Bild konstruiert:

Oe24-Headline: Mord im Prater: Junger Liebhaber erschlug Katzen-Mama (47)

„Beide sind aus Wien und trotz des großen Altersunterschiedes offenbar ein Liebespaar“, spekuliert Oe24 wild drauflos. Zeitgleich stellt die Polizei fest: „In welchem Verhältnis die beiden stehen, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen.“

Doch nicht nur mit Oe24 geht die Fantasie durch. Auch die Krone titelt „Frau in Liebesnest getötet“, spricht von ihr als „die ältere Sexpartnerin“ und dem Täter als „ihre nicht mal halb so alte Turtelei“. Auf Heute.at ist man sich ebenso sicher, das Opfer sei die „Liebhaberin“.

Die Plattform AUF1 berichtet oft über die Folgen der Pandemie – frei von Fakten und voller Verschwörungstheorien. Der Verein dahinter definiert sich als gemeinnützig. Will er das weiter sein, muss er sich künftig an journalistische Regeln halten

Mit strengem und direktem Blick in die Kamera berichtet der Moderator bei den Nachrichten AUF1 am 26. Februar von einem massiven Anstieg des gefährlichen „Turbo-Krebs“. Immer mehr junge Menschen sollen seit der Einführung der Corona-Impfung daran erkranken. Dass der Arzt, auf den sich AUF1 als Quelle beruft, längst keine Zulassung mehr hat, bleibt dabei unerwähnt – ein Detail, das nicht nur irreführend, sondern auch gefährlich ist. Doch genau solche fragwürdigen Behauptungen sind bei AUF1 Teil der täglichen Berichterstattung.

Vor genau fünf Jahren begann die Pandemie. Die ersten beiden positiv auf den Corona-Virus getesteten Personen in Österreich wurden entdeckt, wenige Tage später erklärte die WHO Corona zur Pandemie, die Regierung beschloss den ersten Lockdown ab 16. März 2020. Es war eine belastende Zeit, die viele Menschen inzwischen verdrängt oder einfach hinter sich gelassen haben. Für das AUF1-Publikum ist Corona und die Folgen nach wie vor ein „heißes“ Thema. 

Montag bis Freitag erscheint täglich um 18 Uhr die Sendung “Nachrichten AUF1” mit einer Länge von circa 15 bis 20 Minuten. Und fast immer wird folgendes thematisiert: Corona, die fehlende Corona-Aufarbeitung und angebliche Todesimpfungen. Eine Inhaltsanalyse von vierzig Nachrichtensendungen im Zeitraum vom 28. Oktober bis zum 20. Dezember 2024 auf AUF1 zeigt: Nur viermal waren Corona oder Impfungen kein Thema.

Die Gratiszeitung Heute gibt freiheitlichen Aufreger-Geschichten viel Raum, übernimmt gerne FPÖ-Sprech und pflegt sogar einen gewissen Kickl-Kult. Warum?

„‚Hören Sie genau zu‘ – FPÖ-Chef Kickl sagt jetzt ALLES“ verspricht Heute.at vergangenen Donnerstag. Blau-schwarz ist am Vortag offiziell gescheitert. Und wer es nicht zur Primetime in der ZIB verfolgt hat, kann nun Kickls „45 Minuten Klartext“ im Wortlaut auf dem Onlineauftritt der Gratiszeitung nachlesen. Dabei wurde die Kickl-Rede schon Mittwochabend unter dem Titel „FPÖ-Chef packt aus“ in großen Teilen für Heute-Leser transkribiert.

Zwei Headlines auf Heute.at zur Kickl-Rede nach dem Scheitern der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen.

Freiheitliche Botschaften bekommen im Heute-Universum viel Raum. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht aus einer Presseaussendung oder einem Social-Media-Posting der Freiheitlichen ein Bericht gemacht wird. Mit den journalistischen Kriterien Relevanz und Richtigkeit nimmt es die Online-First-Redaktion von Heute, seit Oktober 2023 geführt von Chefredakteur Clemens Oistric (33), dabei nicht immer so genau. Das ergab eine Kobuk-Auswertung von Geschichten und Kommentaren über die FPÖ rund um die Nationalratswahl 2024. Diese Anbiederung bringt dem Blatt aus seiner Sicht einige Vorteile: Exklusive Sager, mehr Klicks und eine Zweitverwertung in FPÖ-nahen Kanälen.

In zahlreichen Medien ist zu lesen, dass Österreichs Luftraum „unüberwacht“ sei. Das hat faktisch nie gestimmt. Das Verteidigungsministerium dementierte die Berichte allerdings nicht – und hat dafür offenbar Gründe.

„Luftraum über Österreich seit Freitag ungeschützt“, berichtet die Kronen Zeitung am 17. November. Und weiter: „Seit Freitagnachmittag kann am Himmel über Österreich theoretisch jeder machen, was er will.“ Man meint einen neuen Missstand beim österreichischen Bundesheer aufgedeckt zu haben.

Zahlreiche Medien übernahmen die Geschichte, mal reißerischer, mal weniger. Die Kernbotschaft vermittelten sie jedenfalls allesamt: Der Luftraum über Österreich sei ungeschützt. Neben Heute und Oe24 verbreiteten auch Der Standard, Kurier und der ORF die Schreckensnachricht.

Dabei hätte schon ein bisschen Recherche gereicht, um erstens die Fakten zu ermitteln und zweitens den Spin zu riechen, der hier offenbar verbreitet wurde.

Doch der Reihe nach. Mit „Luftraum ungeschützt“ ist gemeint, dass am 16. und 17. November die Eurofighter nicht starten konnten. Der Grund dafür ist ein Überstundenabbau bei Fluglotsen.

Künstliche Intelligenz ist eine super Sache, eigentlich. Doch ihr wuchernder Einsatz zeigt auch, wann etwa menschliche Kunst doch besser passt als Dall-E und Co. Und auch Zeitungmachen funktioniert (noch) nicht vollautomatisch, wie die Krone seit Anfang des Jahres eindrucksvoll vorführt.

Das Boulevardblatt experimentiert online nämlich mit maschinellen Übersetzungen. Krone-Stories wie „Taylor-Joy: Jawort in Wow-Kleid & mit Gruselkuchen“ gibt es nun auch auf Englisch, einige Artikel schwirren auch auf Französisch, Spanisch, Türkisch, Ungarisch und anderen Sprachen im Netz herum. „This article has been automatically translated“ steht am Ende der englischen Artikel mit Link zum Original-Beitrag. In den anderen Sprachen fehlt dieser Hinweis.

Die übersetzten Texte führen ein kurioses Eigenleben im krone.at-Kosmos: Zum Einen wirken sie wie verirrte Fremdkörper – da es keine eigene Spiegelung von krone.at für die jeweilige Sprache gibt, erscheinen die Übersetzungen eingebettet in der deutschsprachigen krone.at-Umgebung. Und sie zu finden, ist gar nicht so einfach: Die Navigation der Website liefert keinen Hinweis auf ihre multilinguale Doppelbödigkeit, denn Links zu den Übersetzungen sucht man vergeblich. Fündig wird nur, wer den entsprechenden Sprachfilter in einer Suchmaschine setzt. 

All das macht bereits einen eigenwilligen Eindruck. Und dann wäre da noch die Qualität der Übersetzungen. Ein Beispiel: Am 16. Oktober 2024 erschien auf krone.at ein Porträt der deutschen Indie-Band „Leoniden“ im Vorfeld ihres Wien-Konzertes. Mehrmals fällt der Bandname der maschinellen Übersetzung zum Opfer („Leonids“ oder „Leonides“), etwa im Titel.

Dass jemand „plötzlich und unerwartet“ gestorben ist, war eigentlich immer eine traurige, aber auch banale Nachricht in den Medien. Doch dann kam Corona. Und die Corona-Impfung. Und Gruppen, die Angst vor ihr hatten – oder anderen Angst machen wollten. Es kam der Hashtag #plötzlichundunerwartet und mit ihm die Behauptung: Die Corona-Impfung sei schuld an „plötzlichen und unerwarteten“ Toden.

Jetzt soll eine Studie genau das bestätigt haben, berichtet der Exxpress.

Exxpress-Headline: “Brisante Studie: „Plötzlich und unerwartet“ – 74 Prozent der Toten starben durch die Impfung“

Die Kernaussage: Knapp 74 Prozent von 325 untersuchten, plötzlichen Todesfällen seien auf die Impfung zurückzuführen. Diese Menschen seien also nicht „plötzlich und unerwartet“ gestorben, sondern weil sie geimpft waren. Das klingt brisant. Sieht man sich die Studie jedoch genauer an, bleibt von der Behauptung nicht viel übrig.

Die Kronen Zeitung und das Land Burgenland gründen ein gemeinsames Unternehmen für Solartechnik. Zeitgleich startet das Massenblatt eine Kampagne für „Krone Sonne“. Ein Zufall?

Krone-Chefredakteur Klaus Herrmann nutzte den prominentesten Platz in Blatt, den es gibt, um die frohe Botschaft zu verkünden. Seinen Kommentar in der Sonntagskrone. „Heute starten wir unsere große Aktion ‚Krone Sonne‘ – um in Österreich einen großen Schritt weiter zur Nutzung der Sonnenergie zu machen“, frohlockte er am 12. Juni 2022.

Denn für Krone-Gründer Hans Dichand war Natur- und Umweltschutz immer schon ein „zentrales Thema“,  längst „ergänzt um den Klimaschutz“. Aber: „Im Tierschutz und im Klimaschutz vorankommen – das kann freilich nicht ein Medium für sich allein, nicht einmal die ‚Krone‘ als Nummer 1. Fortschritte zum Wohl von Tier und Mensch können wir nur gemeinsam mit unseren Lesern, Usern und Sehern machen. Mit ihnen gemeinsam sind wir stark.“

Die Szene dauert nur ein paar Sekunden: Die Witwe des Chefs der Terrororganisation Hamas, Jihia al-Sinwar, huscht in Aufnahmen aus dem Tunnelsystem hinter ihrer Familie durch das Bild. Doch die Tasche, die sie dabei trägt, beschäftigt Medien auf der ganzen Welt. Es soll sich um das Modell „Birkin“ der Luxusmarke Hermès handeln. Ihr Wert beträgt 32.000 US Dollar. Der Aufschrei ist groß: die Familie des wohl wichtigsten Hamas-Mannes soll sich mit Luxusartikeln im Tunnel verstecken, während über ihnen Armut und Krieg herrscht.

Collage von internationalen Medienberichten zur angeblichen Birkin-Handtasche der Witwe von Sinwar

Die zwei österreichischen Berichte zur angeblichen Birkin-Handtasche der Witwe von Sinwar

Auch für die österreichischen Boulevardblätter Oe24 und Exxpress ist die Meldung klar: „Frau von Hamas Chef flüchtete mit 32.000 Dollar Tasche“ und „Mit der 30.000 Euro teuren Birkin Bag im Hamas Tunnel“ liest man dort. Nur, woher weiß man überhaupt, dass es sich bei der Handtasche um eine Hermès Birkin handelt? Dazu müssen wir uns drei Dinge etwas genauer ansehen: Die ursprüngliche Quelle, die Tunnelaufnahmen und, natürlich, die Handtasche. Und die zeigen: Die Sache ist nicht so klar, wie es in den Medien klingt. Aber der Reihe nach.

Das mit dem Gendern ist so eine Sache. Sachlich zu diskutieren ist fast unmöglich. Zu sehr erhitzt das Thema die Gemüter. Denn es geht schon lange nicht mehr nur um inklusive Sprache, wie sie an Universitäten üblich ist, in den Medien für Kopfzerbrechen sorgt und für die niederösterreichische Landesregierung verboten gehört. Hinter diesem zweisilbigen Wort machen sich ganze Welten auf. Für die eine Seite ist Gendern Ausdruck einer inklusiven Gesellschaft. Die andere Seite fürchtet hingegen einen „Genderwahn“ der Begriff bezeichnet eine „als übertrieben empfundene und an der Realität vorbeigehende Beschäftigung mit Genderthemen“, liest man auf Wiktionary. Als Kampfbegriff der extremen Rechten, um die traditionelle Geschlechterordnung zu verteidigen, bezeichnet ihn die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung.

Zu jenen, die „Genderthemen“ traditionell ablehnend gegenüberstehen, gehört die größte Tageszeitung Österreichs, die Kronen Zeitung. Interessanterweise heißt das aber nicht, dass diese Themen, mit denen sich andere „übertrieben“ beschäftigen, in der Krone nicht vorkommen. Im Gegenteil, die Krone bringt die Genderdebatte sogar regelmäßig auf ihr Titelblatt. Zwischen Jänner 2021 und August 2024 genau gesagt 25-mal.

Viele dieser Artikel sind voller künstlicher Aufregung und unsachlich. Fast schon krampfhaft versucht die Krone wieder und wieder einen Genderwahn herbeizuschreiben.

Gewissermaßen könnte man der Krone also eine „übertriebene und an der Realität vorbeigehende Beschäftigung mit dem Thema Genderwahn“ attestieren. Oder kurz gesagt: Willkommen im Genderwahn-Wahn der Krone.

In vielen österreichischen Onlinemedien erscheint regelmäßig Werbung für illegale Online-Casinos. Dazu kommt noch Werbung für legales Glücksspiel, die oft nicht als solche zu erkennen ist. Unsere Recherche zeigt: Das sind keine Einzelfälle, sondern hat System.