Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Gerade rechtzeitig zur Kekse-Glühwein-Völlerei-Zeit Adventszeit deckt „Österreich“ uns im Beautyteil mit mehr oder weniger wertvollen Abnehmtipps ein. Aber nicht, dass Sie jetzt glauben, das hieße weniger Kekse, weniger Punsch oder sich gar beim Weihnachtsessen etwas zurück zu halten. Nein, hier wird uns das „Schlankrezept der Stars“ – nämlich die HCG-Kur – ans Herz gelegt.

Es handelt sich hierbei um eine Hormonkur mit humanem Choriongonadotropin. Was das ist? Keine Panik: Weitere Informationen gibt es bei einer Frau Dr. Alexandra Grünberger, so rät uns die Bildunterschrift zum Artikel, dort sind auch gleich Adresse und Telefonnummer besagter Dame zu finden.

Und wem das noch nicht genug ist: Gleich daneben hat ebendiese Frau Dr. Grünberger die dazugehörige Anzeige geschalten:

Schlank durch die Adventzeit! Die HCG-KUR!

Sie sind nicht so der Fan von Hormonkuren? Auch kein Problem, denn gleich darunter gibt es eine weitere Behandlungsmöglichkeit:

Mit Ultraschall durch den Advent

Auch dieser Artikel ist ausgestattet mit Telefonnummer, Internetadresse und passender Anzeige, damit mann/frau auch sicher weiß, wo man denn die „ungeliebten Fettpölsterchen lassen kann“.

„Österreich“ scheint wirklich viel an unserer körperlichen Fitness und Schlankheit zu liegen, wie sie uns nicht zum ersten Mal zeigen.

(Verbrecher "erkennen", April 1940)

Ich dachte ja, die Zeiten, in denen über die Gesichtszüge von Menschen auf ihren verderbten Charakter geschlossen wurde, lägen hinter uns. Geschichten, wie jene des geistig zurückgebliebenen Bruno Lüdke, der lange als schlimmster deutscher Serienkiller galt — vermutlich nur, weil er das Pech hatte, für die Ermittler der 40er Jahre wie ein „typischer“ Verbrecher auszusehen — scheinen in einer aufgeklärten Zeit(ung) undenkbar.

Doch nun zur „Kronen Zeitung“. Die schreibt über einen Mann, der zahlreicher Überfälle verdächtigt wird:

("Krone", 22. 11. 2011, S. 14)


Slobodan N., 20 Jahre alt, Bosnier, auf dem Foto der Kriminalisten ein Allerwelts-Verbrechergesicht: kurze Haare, dumpfer Blick, offener Mund.


Dabei sieht der Mann eigentlich recht „normal“ aus, für ein Polizeifoto (hier im „Krone“-Artikel). Und für einen Bosnier, falls das ein Kriterium ist. Ich kenne einige Führerscheinbesitzer und auch „Krone“-Kolumnisten, die der Fotograf schlimmer erwischt hat.

Der erste Satz des folgenden Mails ließ uns schon rechtliche Probleme befürchten, aber lest selbst:

Liebe Kobuk-Macher!

Für Euer „Schleichwerbung-Logo“ verwendet Ihr ein Foto des 2003 verstorbenen Regisseurs, Schauspielers und Medienmachers Walter Davy.

Er war ein enger Freund von mir, ich kann daher versichern, dass er sich darüber ganz besonders gefreut hätte!

Er selber war Regisseur und einer der maßgeblichen Schöpfer und Autoren des „Watschenmanns„, der legendären satirischen Radiosendung, die so scharf und klar war, dass Politiker aller Couleurs sich mit aller Kraft um ihre Absetzung bemühten. Er hätte Eure wunderbare Seite also nicht nur begrüßt, sondern mit Sicherheit auch unterstützt.

Danke für dieses kleine Stückchen Wertschätzung, das Ihr ihm damit (vermutlich ohne es zu wissen) zukommen lasst.

Liebe Grüße und möge es diesen Blog noch lange, lange geben. Das Land braucht ihn!
Stefan Fleming

Das Bild ist aus einer Szene aus „Kottan ermittelt„. Schremser, von Kottan auf die griechische Zeitung angesprochen, antwortet mit:

A österreichische Zeitung im österreichischen Fernsehen? Schleichwerbung – das geht nicht!

Dass sich Walter Davy über diese Rolle gefreut hätte, wussten wir tatsächlich nicht. Danke für dieses Mail, es hat MAXΗ ΕΝΤΥΠΩΣ, mächtig Eindruck bei uns hinterlassen. (Mit Erlaubnis wiedergegeben, Verlinkung von uns.)

PS: Danke an Hans-Peter Lehofer für die ursprüngliche Idee!

Aus unserer beliebten Reihe ÖSTERREICH für Anfänger“:

Regel #9
Gehen Sie bei den Kurzgeschichten in „Österreich“ nie davon aus, dass abgebildete Personen etwas mit der Erzählung zu tun haben. Auch wenn hinzugefügte Augenbalken und Bildtexte es suggerieren.

(Unschärfe v. Kobuk)

„Der jüngste Einbrecher ist jetzt im Waisenheim.“

Rechts das Originalfoto des Waisenknaben auf der Homepage der amerikanischen Bildagentur Getty Images.



Hier weitere Beispiele für diese neue Form von … symbolischem Journalismus in Österreich.

In der Ausgabe vom 23. November möchte uns „Österreich“ auf die Gefährlichkeit von Feinstaub hinweisen und illustriert den Artikel mit einer anatomisch nicht ganz korrekten Darstellung der menschlichen Atemwege:

Die Bronchien der menschlichen Lunge befinden sich logischerweise in der Lunge und nicht in der Luftröhre. Hier eine anatomisch korrekte Version:

Blausen 0770 RespiratorySystem 02 (Lizenz: CC BY 3.0 BruceBlaus - Own work)

(Illustration: BruceBlaus, CC BY 3.0)

 


Krone.at und Oe24.at zeigen, wie man im Sinne der Suizidprävention nicht über einen Selbstmord berichtet.

Ludwig Hirsch ist letzte Nacht verstorben. Wien.orf.at berichtet sehr zurückhaltend und nennt auf Wunsch der Familie Hirschs keine Details:

Auch das Wilhelminenspital bestätigte zuletzt, dass Hirsch in der Früh im Haus verstorben war. Genauere Auskünfte könne man auf ausdrücklichen Wunsch der Familie jedoch nicht geben, hieß es seitens des Krankenanstaltenverbunds (KAV).

Über den Wunsch der Familie berichten zwar auch Krone.at und Oe24.at – allerdings erst, nachdem sie den Freitod Hirschs in allen verfügbaren Details ausgeschlachtet haben.

Krone.at erklärt im zum Artikel gehörenden Video sogar ganz stolz, dass „ein Reporter der Krone herausgefunden hat“, in welcher Abteilung sich der Musiker befunden hatte. Beide Medien verpacken schon in Dachzeilen, Überschriften und Einleitungen alle Details über Ort und Methode des Selbstmordes. Dabei sollten JournalistInnen sehr genau wissen, wie man über einen Selbstmord berichtet, um den sogenannten Werther-Effekt zu vermeiden. Zumindest könnten sie im Leitfaden zur Berichterstattung über Suizid des Wiener Kriseninterventionszentrums (PDF, ca. 300KB) nachlesen, dass u.a.

  • erhöhte Aufmerksamkeit der Medien
  • sensationserregende Sprache
  • Details zur Person (Alter, Beruf, Geschlecht, …) und
  • genaue Angaben zum Ort des Selbstmordes

eine Nachahmung wahrscheinlicher machen.

Die Berichterstattung von Krone.at und Oe24.at zielt ohne Rücksicht auf Verluste auf hohe Klickraten und einen „spannenden“ Artikel ab – ohne Rücksicht auf die Vermeidung etwaiger Nachahmungstaten. Das verrät viel über die ethischen Grundsätze dieser Medien.

Der traurige Vorfall des Mordes an einem 16-Jährigen im oberösterreichischem Braunau hat viele Menschen entsetzt, mich allerdings auch die dazugehörige Berichterstattung der Kronenzeitung letzten Dienstag.

Denn neben der nicht anonymisierten Darstellung des Opfers, welcher sich auch andere Medien schuldig gemacht hatten, wurde hier auch persönlichen Daten der Großmutter des Täters veröffentlicht.

Sie trafen sich in der Wohnung von Ivans Großmutter Anka D. (59) in der ░░░░░straße 2.


Ob die Dame gutheißt, dass ihre private Wohnadresse in der auflagenstärksten Tageszeitung Österreichs gezeigt wird?

Drei Menschen sprachen mit „Heute“ über „die eine Sekunde, die unser Leben rettete“ – auch Ex-Miss-Austria Patricia Kaiser kam dabei zu Wort.

Äh… kam angeblich zu Wort. Wie die 27-Jährige auf ihrer Facebook-Seite erklärte, gab es nämlich nie ein Gespräch zwischen ihr und „Heute“…

Vielen Dank an @maldungi für den Hinweis!

George Michael verbrachte den heutigen Abend mit Halsweh im Hotel. Schön, dass das Konzert der „Krone“ dennoch gefallen hat:

(Danke an Jürgen Hofer, Max Hartmann und Christiane Wassertheurer für Hinweis und Bild!)

Jetzt brauchen wir bald eine Kategorie Kaltgeschrieben.

Update: Ausgerechnet „Österreich“ nennt den Fehler der Krone „peinlich“. Wetten, dass wir uns noch an die Headline „Robbie holte Show aus dem Koma“ erinnern?

Danke Marlene Altenhofer für den Hinweis!

Drastische Erhöhung der Hundesteuer in Wien! Wie drastisch, scheint für viele JournalistInnen nebensächlich zu sein. Denn Orf.at, Kleine.at, Krone.at, Oe24.at, Wienerzeitung.at, DerStandard.at und DiePresse.com verwendeten offenbar mehr Zeit darauf, möglichst süße Hundefotos zu finden, als nachzurechnen: Eine Änderung 43,60€ auf 72€ entspricht einer Erhöhung von 65,14%.

Den Ursprungsfehler dürfte die APA gemacht haben, auf die sich die meisten Medien beziehen. Einige Medien haben den Fehler inzwischen unauffällig korrigiert.

Den Hundefoto-Kindchenschema-Wettbewerb hat meines Erachtens übrigens Krone.at gewonnen.

Nachtrag: Inzwischen haben alle der genannten Medien den Fehler ausgebessert.