Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Der 11-seitige „Schöner leben“-Teil der Kurier-Wochenendausgabe gleicht einer Apothekenumschau: Von Schnarchen über Tinnitus bis hin zu Potenz-Problemen, im Kurier gibt es für jedes Problem das passende „Mittelchen“.

Ganz besonders intensiv widmet sich der Kurier aber dem Lieblingsthema der Österreicher – dem Abnehmen. Dazu wird ein innovatives Konzept – die sogenannte AMB-Methode vorgestellt.

Klingt vielversprechend – doch was ist Bioresonanz? Den einzigen Hinweis liefert das kleine Bild unter dem Artikel, das ein sogenanntes Bioresonanzgerät zeigt. Ansonsten behalten auch die Experten Ria und Alfred Klabuschnigg, Besitzer von 32 AMB-Instituten, die Details lieber für sich.

Kurz zur Info für uns Laien:

Die Bioresonanztherapie ist eine alternativmedizinische „Schwingungstherapie“. Dabei werden Elektroden, die mit dem Gerät verbunden sind, am Körper des Patienten angebracht und „körpereigene Strahlen“ in Form von „Schwingungen“ in das Gerät geleitet. Dort werden krankmachende Schwingungen in heilsame Schwingungen „umgepolt“ und wieder zum Körper zurückgeleitet. 

Wissenschaftlich bewiesen ist eine Wirkung, die über den Placebo-Effekt hinausgeht, jedoch nicht. Die Süddeutsche schreibt etwa:

Laut Stiftung Warentest muss die Bioresonanztherapie als reine Spekulation und Irreführung des Patienten gelten.

Aber wozu braucht der Leser diese Informationen? Immerhin steht das Resultat fest (15 kg in 3 Monaten!) und die Telefonnummern von sieben AMB-Instituten im Text.

Land der Facebooker“ heißt ein Artikel vom 4. November, in dem Heute.at von der großen Beliebtheit des Social Networks berichtet zu berichten versucht:

Facebook hat alles overruled“ (sic!) und verdrängt andere Netzwerke wie StudiVZ, Xing und maspace.com (sic!) von den Bildschirmen (…)

Ein knappes Monat später scheint Facebook deutlich an Popularität verloren zu haben:

Österreicher sind Facebook-Verweigerer

Dass 70% der Menschen, die das Social Network nicht nutzen, selbiges für unnütz halten ist weniger überraschend. Die genannten Zahlen stammen nämlich aus einer Befragung von Facebook-Verweigerern (!), durchgeführt von Marketagent.com, einer Firma, die sich auf Online-Markt- und Meinungsforschung spezialisiert hat.

Ich frage mich übrigens, wie die 4,2 % der Befragten, die angeben, nicht zu wissen, wie man Facebook beitritt, die Registrierung zur Teilnahme an der Umfrage geschafft haben.

Nach dem Bericht über George Michaels nicht stattgefundenes Konzert war nun die „Krone“ erneut etwas zu voreilig:

Neuer Regierungschef wird der konservative Janez Janša, der bereits einmal vier Jahre an der Spitze gestanden war.

Tatsächlicher Sieger der Wahl ist die Partei des Laibacher Bürgermeisters Zoran Jankovic. Es hat den Anschein, als konnte die „Krone“ das Ergebnis der Wahl nicht mehr abwarten und hat auf die Prognosen der slowenischen Meinungsforscher vertraut, denn diese hatten einen klaren Sieg für Janez Janša und seine Partei SDS vorhergesagt.

(Danke für den Hinweis @OliveraStajic!)

 
 
 
 
 
 
 

Dieser „Krone“-Artikel sagt uns..

  • was man einkaufen soll  (grün),
  • wo man einkaufen soll (blau),
  • wann man einkaufen soll (gelb) und
  • warum man einkaufen soll (rot).

Das muss Journalismus sein.

Samstag im Kurier: Ein Bericht über jene junge afghanische Frau, die vom Mann ihrer Cousine vergewaltigt und geschwängert wurde. Ein Gericht verurteilte die damals 18jährige wegen Ehebruchs zu zwölf Jahren Gefängnis, auf internationalen Druck hin begnadigte Präsident Karzai sie nun – angeblich unter der Auflage, dass sie ihren Vergewaltiger heiratet, damit das uneheliche Kind nicht unehelich bleibt.

Mittelalterlich, oder? In Europa sind wir ja längst darüber hinaus, Frauen als verfügbare Sexobjekte zu behandeln, oder? Nun, wir sind sicher etwas weiter als Afghanistan, aber der Artikel ganz unten rechts – auf der selben Seite –zeigt, dass wir noch nicht sehr weit sind :

Bitter finde ich die Formulierungen des KURIER. Al-Margough, die von einem Prostitutionsring missbrauchte Minderjährige, war “eine Professionelle”? Was soll das heißen? Dass es halb so schlimm war, dass Berlusconi mit einer Minderjährigen Sex hatte, weil diese eh nix wert ist, wenn das viele gemacht haben? So klingt das in meinen Ohren. So wie die fettgedruckte “Herzensbrecherin” neben dem Foto, das aus dem Opfer die Täterin macht.

Es sind die unbedachten Formulierungen, in denen sich eine Kultur verrät…

Der Einleitungstext der Coverstory des letzten „Profil“ liest sich sehr ähnlich wie ein Artikel der „Presse“ aus dem Mai:

„Profil“, 19. November 2011:

Wenn die Maturantin Tina M. von der Zukunft träumt, wirkt das, als ob sie einem feministischen Schwarzbuch entsprungen wäre. Vier süße Kinder, abends kommt der Ehemann nach einem erfüllten Arbeitstag nach Hause, es wird frisch Gekochtes gemeinsam gegessen, (…). Doch, doch, sie möchte nach dem Schulabschluss schon studieren, vielleicht sogar (…).

„Presse“, 28. Mai 2011:

Wenn Tina M., 18 Jahre, von der Zukunft träumt, dann hat sie ein klares Bild vor Augen: Sie möchte einmal Kinder haben, vier hübsche blonde Kinder. Und während ihr Mann (natürlich ist sie verheiratet) in die Arbeit geht und das Geld nach Hause bringt, wird sie sich um den Nachwuchs kümmern: kochen, putzen, (…) bis ihre Sprösslinge aus dem Gröbsten heraus sind.



Immerhin sind Tinas Kinder im „Profil“ süß statt hübsch und hat sich der Satzbau ein wenig verschoben. Und verweisen nicht beide Artikel auf die gleiche Studie? Tina M. wird wohl eine Teilnehmerin aus diesen Fokusgruppen sein, es wird sich wohl um ein Zitat aus der Studie handeln, nicht?

Liest man den Presse-Artikel, könnte man tatsächlich meinen, Tina M. sei Teilnehmerin der Studie. Stehen tut das da allerdings nirgends. Lediglich „Profil“ schreibt:

Tina M. (…) ist eine der 800 Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren, die im Rahmen der vierten Ausgabe des „Jugendmonitors“ (…) kürzlich zu ihrer Einstellung zu den Themen Familie, Kinder und Beruf befragt wurden.

Das ist falsch. Tina M. hat an der Studie nicht teilgenommen, sondern wurde im Mai von der „Presse“ interviewt, wie sie mir auf meine Anfrage bestätigte. „Profil“ dürfte ganz einfach von der „Presse“ abgeschrieben haben, und das auch noch so schlecht, dass man’s merkt.

(Danke für den Hinweis @FlorianGasser!)

PS: Der „Standard“ über die gleiche Sache.

Gerade rechtzeitig zur Kekse-Glühwein-Völlerei-Zeit Adventszeit deckt „Österreich“ uns im Beautyteil mit mehr oder weniger wertvollen Abnehmtipps ein. Aber nicht, dass Sie jetzt glauben, das hieße weniger Kekse, weniger Punsch oder sich gar beim Weihnachtsessen etwas zurück zu halten. Nein, hier wird uns das „Schlankrezept der Stars“ – nämlich die HCG-Kur – ans Herz gelegt.

Es handelt sich hierbei um eine Hormonkur mit humanem Choriongonadotropin. Was das ist? Keine Panik: Weitere Informationen gibt es bei einer Frau Dr. Alexandra Grünberger, so rät uns die Bildunterschrift zum Artikel, dort sind auch gleich Adresse und Telefonnummer besagter Dame zu finden.

Und wem das noch nicht genug ist: Gleich daneben hat ebendiese Frau Dr. Grünberger die dazugehörige Anzeige geschalten:

Schlank durch die Adventzeit! Die HCG-KUR!

Sie sind nicht so der Fan von Hormonkuren? Auch kein Problem, denn gleich darunter gibt es eine weitere Behandlungsmöglichkeit:

Mit Ultraschall durch den Advent

Auch dieser Artikel ist ausgestattet mit Telefonnummer, Internetadresse und passender Anzeige, damit mann/frau auch sicher weiß, wo man denn die „ungeliebten Fettpölsterchen lassen kann“.

„Österreich“ scheint wirklich viel an unserer körperlichen Fitness und Schlankheit zu liegen, wie sie uns nicht zum ersten Mal zeigen.

(Verbrecher "erkennen", April 1940)

Ich dachte ja, die Zeiten, in denen über die Gesichtszüge von Menschen auf ihren verderbten Charakter geschlossen wurde, lägen hinter uns. Geschichten, wie jene des geistig zurückgebliebenen Bruno Lüdke, der lange als schlimmster deutscher Serienkiller galt — vermutlich nur, weil er das Pech hatte, für die Ermittler der 40er Jahre wie ein „typischer“ Verbrecher auszusehen — scheinen in einer aufgeklärten Zeit(ung) undenkbar.

Doch nun zur „Kronen Zeitung“. Die schreibt über einen Mann, der zahlreicher Überfälle verdächtigt wird:

("Krone", 22. 11. 2011, S. 14)


Slobodan N., 20 Jahre alt, Bosnier, auf dem Foto der Kriminalisten ein Allerwelts-Verbrechergesicht: kurze Haare, dumpfer Blick, offener Mund.


Dabei sieht der Mann eigentlich recht „normal“ aus, für ein Polizeifoto (hier im „Krone“-Artikel). Und für einen Bosnier, falls das ein Kriterium ist. Ich kenne einige Führerscheinbesitzer und auch „Krone“-Kolumnisten, die der Fotograf schlimmer erwischt hat.

Der erste Satz des folgenden Mails ließ uns schon rechtliche Probleme befürchten, aber lest selbst:

Liebe Kobuk-Macher!

Für Euer „Schleichwerbung-Logo“ verwendet Ihr ein Foto des 2003 verstorbenen Regisseurs, Schauspielers und Medienmachers Walter Davy.

Er war ein enger Freund von mir, ich kann daher versichern, dass er sich darüber ganz besonders gefreut hätte!

Er selber war Regisseur und einer der maßgeblichen Schöpfer und Autoren des „Watschenmanns„, der legendären satirischen Radiosendung, die so scharf und klar war, dass Politiker aller Couleurs sich mit aller Kraft um ihre Absetzung bemühten. Er hätte Eure wunderbare Seite also nicht nur begrüßt, sondern mit Sicherheit auch unterstützt.

Danke für dieses kleine Stückchen Wertschätzung, das Ihr ihm damit (vermutlich ohne es zu wissen) zukommen lasst.

Liebe Grüße und möge es diesen Blog noch lange, lange geben. Das Land braucht ihn!
Stefan Fleming

Das Bild ist aus einer Szene aus „Kottan ermittelt„. Schremser, von Kottan auf die griechische Zeitung angesprochen, antwortet mit:

A österreichische Zeitung im österreichischen Fernsehen? Schleichwerbung – das geht nicht!

Dass sich Walter Davy über diese Rolle gefreut hätte, wussten wir tatsächlich nicht. Danke für dieses Mail, es hat MAXΗ ΕΝΤΥΠΩΣ, mächtig Eindruck bei uns hinterlassen. (Mit Erlaubnis wiedergegeben, Verlinkung von uns.)

PS: Danke an Hans-Peter Lehofer für die ursprüngliche Idee!

Aus unserer beliebten Reihe ÖSTERREICH für Anfänger“:

Regel #9
Gehen Sie bei den Kurzgeschichten in „Österreich“ nie davon aus, dass abgebildete Personen etwas mit der Erzählung zu tun haben. Auch wenn hinzugefügte Augenbalken und Bildtexte es suggerieren.

(Unschärfe v. Kobuk)

„Der jüngste Einbrecher ist jetzt im Waisenheim.“

Rechts das Originalfoto des Waisenknaben auf der Homepage der amerikanischen Bildagentur Getty Images.



Hier weitere Beispiele für diese neue Form von … symbolischem Journalismus in Österreich.