„Österreich“ dramatisiert die Zahlen der Kriminalstatistik 2016 maßlos und verbreitet (wieder einmal) Panik.
„Die Kriminalität in Österreich steigt. Ganz extrem sogar bei Gewaltdelikten“ – so steht es im ersten Absatz des Artikels. Der Anstieg der Gewaltkriminalität von 6,9 Prozent stimmt zwar, doch das Boulevardblatt verschweigt zwei wichtige Punkte:
Erstens ist die Entwicklung der Gewaltkriminalität viel weniger dramatisch als von „Österreich“ behauptet. Oder sieht so ein „ganz extremer“ Anstieg aus?

Kriminalstatistik 2016, Seite 27
Zweitens gab es im Jänner 2016 einige Neuerungen im Strafrecht (beispielsweise eine Verschärfung der Gesetze bei sexueller Belästigung), wodurch mehr Anzeigen in der Statistik landen.
Zudem: Wenn für „Österreich“ die 6,9 Prozent Anstieg der Gewaltkriminalität schon „extrem“ ist, warum erwähnt die Redaktion mit keinem Wort den Anstieg der Cyber-Kriminalität? Hier verzeichnet die Statistik immerhin einen Zuwachs von 30,9 Prozent! Womöglich ja deshalb, weil Gewaltkriminalität ganz andere, viel furchterregendere Bilder im Kopf auslöst, als sperrige Begriffe wie „Cyber-Kriminalität“.
„Österreich“ schreibt außerdem von einem „Schock: Alle 90 Minuten wird eingebrochen“. Wir haben nachgerechnet. Nicht alle 90, sondern sogar alle 40 Minuten wird eingebrochen. Doch die Zahl der Einbrüche ging vergangenes Jahr deutlich zurück, um 16,4 Prozent. 2016 gab es damit die wenigsten Einbrüche der vergangenen 10 Jahre. Die Boulevardzeitung erwähnt das nur nebenbei, dabei gab es doch letztes Jahr laut „Österreich“ noch das Problem der „explodierenden“ Einbrüche. Wo bleibt denn jetzt der große Artikel zu den implodierenden Einbrüchen?

Kriminalstatistik 2016, Seite 19.
Die sinkenden KFZ-Diebstähle (-10,0 Prozent) passen scheinbar ebenso nicht in das gewünschte Bild der „Österreich“-Redaktion und werden komplett verschwiegen. Der ganze Artikel gibt einem also das Gefühl, dass man sich in Österreich nicht mehr sicher fühlen kann. Aber: Laut Global Peace Index 2016 ist Österreich auf Platz 3 der sichersten Länder weltweit!
Dass „Österreich“ gerne Panik um steigende (oder in ihren Worten: „explodierende“) Kriminalität verbreitet, wissen wir ja mittlerweile. Daher zur Erinnerung hier die Entwicklung der Gesamtkriminalität:

Kriminalstatistik 2016, Seite 14
Heute, Österreich und die Krone berichteten über die gestiegenen Gefahren für AMS-Mitarbeiter, übertreiben dabei maßlos und vergleichen Äpfel mit Birnen. Um 163 Prozent sollen die Angriffe auf AMS Mitarbeiter laut den Boulevardblättern gestiegen sein. 163 Prozent – das klingt nach einem schlimmen Skandal: Nach „Horror-Statistik“ und „Telefon-Terror“.
Tatsächlich sind die Berichte aber kompletter Blödsinn. Das sieht man, wenn man sich die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ansieht, aus der die Zahlen stammen.
Die Übergriffe werden hier in zwei Kategorien geteilt: Jene an der Telefon-Hotline und jene in den Geschäftstellen.
An der Hotline stiegen die verbalen Übergriffe in Wien tatsächlich von 82 auf 450 an – ein Plus von etwa 450 Prozent. Eine Fußnote an dieser Stelle verrät jedoch, dass Wien im Jahr 2015 die Erfassungsmethodik änderte. Und genau deshalb ist es Unfug die Zahlen miteinander zu vergleichen.
Bis 2014 wurden nur dann Zahlen erhoben wenn ein Mitarbeiter sich bedroht oder persönlich beleidigt fühlte und dies von sich aus meldete. Ab 2015 ordnete das AMS an, über jeden Übergriff Statistik zu führen. Die Mitarbeiter wurden aufgefordert, wirklich jeden Vorfall zu dokumentieren, unabhängig von den persönlichen Empfindungen, wie ein Sprecher des AMS auf Rückfrage erklärt. Dadurch tauchen in der Statistik zwar viel mehr Fälle auf, es lassen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich der Alltag für die Mitarbeiter im vergangenen Jahr tatsächlich verändert hat.
In der zweiten Kategorie, den Geschäftstellen, sind die Angriffe in Wien um 40 Prozent gestiegen, auf 260 Fälle. Gemeint ist aber nicht nur körperliche Gewalt, sondern etwa auch mündliche und schriftliche Beschimpfungen. Eine Fußnote verrät auch hier, dass 137 dieser schriftlichen Angriffe nur eine Geschäftsstelle betrafen und „zum überwiegenden Teil einer Person zuzuordnen sind.“ Auch dieser Anstieg ist also kaum aussagekräftig. Die Krone und Heute erwähnen diese Person sogar, allerdings nur im direkten Zusammenhang mit den Angriffen, nicht jedoch bei der Interpretation des behaupteten Gesamtanstiegs.
Generell lassen sich von so kleinen Zahlen kaum handfeste Trends ableiten, wie genau solche Beispiele zeigen. Denn wenn eine einzige Person die Statistik derart verfälschen kann, wo bleibt dann die Relevanz?
Schon seit Jahren zirkulieren Theorien über die Identität des Gründers der digitalen Währung Bitcoin. Am 2. Mai behauptete die BBC, ihn gefunden zu haben. Ein Australier namens Craig Steven Wright habe sich ihnen, dem GQ und The Economist als der lange anonyme Erfinder offenbart. Schon früh gab es ernste Gründe anzunehmen, dass der Australier ein Hochstapler ist – oder zumindest zu zweifeln. Viele Medien glaubten die Geschichte trotzdem. In Österreich besonders prominent: Der Standard.
Wohlgemerkt hat der Standard zumindest in einem dieser Artikel leise Zweifel geäußert. Im Portrait des Kopf des Tages steht: „Vorsicht ist angebracht, hat sich doch schon manche Enthüllung über den Herrn des Internetgelds als peinlicher Flop erwiesen.“ Liest man aber beide Artikel durch, wird klar, dass das Blatt in Summe der BBC zu sehr vertraute.
Die BBC selbst titelte zunächst: „Craig Wright revealed as Bitcoin creator Satoshi Nakamoto“ und schreibt von „technical proof to back up his claim“. Jedoch wurde der angebliche Beweis – Wright entschlüsselte eine Nachricht mit einer Signatur des anonymen Erfinders – wenige Stunden nach der Publikation von Usern der Bitcoin-Community als haltlos bezeichnet. Wright hatte lediglich eine frühere, öffentlich zugängliche Signatur wieder verwendet.
Die BBC änderte daraufhin zwar ihre Überschrift in „Australian Craig Wright claims to be Bitcoin creator“, sah sich aber nicht veranlasst, sonstige Hinweise darauf zu geben, dass sie womöglich falsche Informationen verbreitet hatten. Ein Tweet der „BBC Breaking News“ mit einem Video von Wright als Erfinder ist noch immer öffentlich.
Australian Craig Wright identifies himself as #Bitcoin creator, ending years of speculation https://t.co/j0oyKzVVgk https://t.co/e6pRRIpCCy
— BBC Breaking News (@BBCBreaking) 2. Mai 2016
Der Standard ist aber bei weitem nicht das einzige Medium, das die BBC-Meldung ohne kritische Gegenrecherche übernahm. Online berichtete beispielsweise auch der Kurier: „Craig Steven Wright ist der Erfinder der Bitcoins.“ Aber auch ein armenischer Radiosender und der SRF brachten diese Nachricht. Nicht einmal das PC Magazin äußerte Zweifel über den Wahrheitsgehalt ihrer Nachricht – und diese Liste könnte man zweifellos noch fortsetzen. Selbst auf Wikipedia war in der Nacht von 2. auf 3. Mai zu lesen, die Identität des Internetgigantens sei endlich geklärt. Mittlerweile wird Wright wieder nur als einer von mehreren möglichen Erfindern angeführt.
Andere Medien waren da vorsichtiger und nahmen die „Enthüllung“ als Anlass für eine kritische Recherche. Die Zeit etwa schreibt über die Zweifel, die auf Reddit laut wurden, die Financial Times hinterfragt recht deutlich, ob es sich tatsächlich um Satoshi Nakamoto handelt. Und Die Tagesschau lässt zumindest in ihrer Überschrift „‚Satoshi Nakamoto‘ ist offenbar Australier“ Luft für Zweifel.
Craig Wright ist übrigens nicht der erste, der irrtümlich für „Mr. Bitcoin“ gehalten wird. Schon 2014 wurde beispielsweise der Amerikaner Dorian Satoshi Nakamoto nach einer Newsweek-Reportage für den echten Erfinder gehalten.
Das Gratisblatt „Österreich“ behauptet, in Klagenfurt würden sich Flüchtlinge gezielt vor Autos werfen, um anschließend Schmerzengeld zu fordern. Das Klagenfurter Bezirksgericht weiß davon aber nichts.
In dem Artikel vom 21. März ist die Rede von einer „irren Serie“, in der bereits zum vierten Mal ein junger Flüchtling absichtlich vor ein Auto gesprungen sein soll. Die Polizei hat da aber ganz andere Infos: Zwar gab es im März einige Fälle, in denen Menschen vor Autos liefen. Markus Dexl von der Landespolizeidirektion Kärnten sagt dazu aber: „Ein Zusammenhang zwischen diesen Fällen lässt sich nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht herstellen.“
Außerdem weiß man nur in einem Fall sicher, dass es um einen Flüchtling geht. Von den anderen ist die Identität nicht bekannt, sie fallen aber offenbar in die Kategorie des „südländischen Typus“. Da jedenfalls nur von diesem einen Asylwerber die Identität bekannt ist, könnte also auch nur er vor Gericht Schmerzengeld fordern. Beim Bezirksgericht Klagenfurt sind zur Zeit allerdings keine derartigen Klagen anhängig, wie Richterin Martina Löbel auf Nachfrage erklärt.
„Österreich“ schreibt: „Es wird spekuliert, dass die ‚Opfer‘ zu Schmerzengeld kommen möchten.“ „Es wird spekuliert“ ist eine raffinierte Formulierung, denn so vermeidet das Boulevardblatt zu benennen, wer da eigentlich spekuliert. Offenbar nämlich zuerst die Kronen Zeitung in einem Artikel vom 7. März, und jetzt vor allem es selbst. Markus Dexl von der Landespolizeidirektion Kärnten meint dazu: „Seitens der Polizei wurde diese Spekulation nie in den Raum gestellt. Die zuständigen Polizeiinspektionen haben die Anzeigen entgegengenommen und die Ermittlungen, wie gesetzlich vorgesehen, eingeleitet.“
Update: Die Kärntner Kronen Zeitung berichtete als erstes von den Vorfällen und stellte die Spekulationen in den Raum. Vielen Dank an unsere Leser, die uns darauf aufmerksam gemacht haben.
Der Presse zufolge haben Österreicher kaum noch Durst, denn: „Kaum jemand trinkt noch Leitungswasser (…) Leitungswasser, das in Österreich höchste Qualität hat, hat praktisch ausgedient“. Abgelöst hat es angeblich das Mineralwasser. Diesen Unfug schreibt zumindest das Qualitätsmedium.
Eigentlich geht es in dem Artikel hauptsächlich um das Geschäft von Mineralwasserherstellern, also um ein ziemlich langweiliges Thema. Um zu verhindern, dass die Leser reihenweise einschlafen oder die Zeitung ins Altpapier werfen, hat die Presse also offenbar nach einer steilen These gesucht. Besonders intensiv hat man sich aber keine Gedanken gemacht, denn schon anhand der eigenen Grafik wird klar, was für ein Unsinn diese Behauptung ist:
Zwei Dinge sieht man: Erstens, der durchschnittliche Mineralwasserverbrauch ist in den letzten zehn Jahren fast gleich geblieben. Und zweitens: Wir trinken viel zu wenig Mineralwasser, als dass es jemals das Leitungswasser ersetzen könnte. Gerade einmal 90,6 Liter waren es pro Person im gesamten letzten Jahr. Bei 2,4 Liter Tagesbedarf reicht das Mineralwasser also für 37 Tage. Was trinken wir wohl den Rest des Jahres?
Die Konsumentenerhebung 2009/10 ergab, dass pro Kopf und Tag 0,45 Liter Mineralwasser und Säfte verbraucht werden. Dazu kommen noch Kaffee und Tee (0,44 bzw 0,35 Liter pro Tag), die es allerdings ohne Wasser auch nicht gäbe. Demzufolge ist es Irrsinn zu behaupten, dass das Leitungswasser ausgedient habe. Zur Verdeutlichung eine einfache Rechnung:
Es verbleiben also 1,16 Liter „Durst“ pro Tag und Kopf, den die Österreicher vermutlich großteils mit Leitungswasser löschen.
Wenn überhaupt hat das Leitungswasser bis dato also nur in der Redaktion der Presse ausgedient, und vielleicht noch in den feuchten Träumen der Mineralwasserhersteller. Im restlichen Österreich aber noch lange nicht.
Danke für den Hinweis.
Die Welt lacht wieder einmal über Nordkorea. Das diktatorisch geführte Land verliert bei der U20-WM gegen Ungarn 1:5. Kim Jong-Un gefällt das gar nicht und macht daraus kurzerhand ein 98:0. So lautet jedenfalls die vermeintliche Sensation, die uns News.at, oe24.at und Kronehit verkaufen wollen.
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein Bild, das vermutlich von der Online-Plattform „9GAG.com“ stammt, auf der vor allem lustige Bilder und Videos geteilt werden. Dort tauchte es etwa 3 Tage nach dem Match am 1. Juni auf.
Daraufhin verbreitete es sich auf den sozialen Netzwerken, von wo aus es von internationalen und heimischen Medien übernommen wurde.
Gräbt man jedoch noch tiefer, stellt sich heraus, dass das Bild bereits zwei Jahre alt ist. Auf dieser Version von 2013 fehlen die 98 Tore. Laut dem dazugehörigen Bericht handelt es sich um einen Screenshot des nordkoreanischen TVs vom 12.2.2013, auf dem ein Nachrichtensprecher über Nuklearwaffentests des Landes informiert.

This screen grab taken from North Korean TV on February 12, 2013 shows an announcer reading a statement on the country’s nuclear test. North Korea on February 12 staged its most powerful nuclear test yet, claiming a technological breakthrough with a „miniaturised“ device in a striking act of defiance to global powers including its sole patron China.
Das Bild scheint gut für satirische Zwecke geeignet zu sein, denn auch die Tagespresse verwendete es bereits 2014 für einen Artikel über ein nordkoreanisches Wahlphänomen.
Auch die Krone und die Kleine Zeitung scheinen zuerst auf das Fake-Bild hineingefallen zu sein, haben ihren Fehler aber schon bemerkt und die Artikel gelöscht.
Dieses Beispiel zeigt wieder einmal, wie gierig sich westliche Medien auf solche irrationalen Berichte aus Nordkorea stürzen. Diese passen hervorragend in das Bild des größenwahnsinnigen Diktators, das sich so gut verkaufen lässt. Faktenkontrolle wird dabei überbewertet.
Am Samstag ist ein 26-jähriger Österreicher mit einem Geländewagen durch die Grazer Innenstadt gerast, hat dabei 3 Menschen getötet und viele andere teils schwer verletzt. Obwohl der steirische Landespolizeidirektor noch am selben Tag einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen hat, versucht die Krone auch noch am nächsten Tag, die Tat irgendwie mit Extremismus in Verbindung zu bringen. Anders als mit der Agenda, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten, kann man das kaum erklären.
So heißt es in einem Artikel vom Sonntag:
Laut derzeitigem Ermittlungsstand ist der 26-Jährige kein Mitglied einer Fanatikergruppe, dennoch trägt sein blindwütiges Vorgehen gegen völlig unbeteiligte Passanten auch die Handschrift eines Terroristen. Bei vielen „Krone“–Lesern und –Usern blieb so der schreckliche Gedanke: „Und wenn es doch Terror war und ‚die‘ uns nur beruhigen wollen…?“
Die Krone übertrifft sich hier selbst und nimmt ihren Lesern vorweg, was sie zu denken haben. Trotz eindeutiger Aussagen der Polizei muss so ein Verbrechen in der Welt der Krone offenbar im Zusammenhang mit Islamismus stehen. Hier werden vorgekaute Ressentiments in mundgerechten Häppchen für den Stammtisch serviert.
Ein weiterer Artikel aus der sonntäglichen Printausgabe:
Die Krone stellt wirre Zusammenhänge her: Es wird Bildmaterial vom letzten Jahr verwendet, als es in Graz Razzien im Islamistenumfeld gab; der österreichische Verfassungsschutz-Direktor wird zum Charlie-Hebdo-Anschlag zitiert. Beides Themen, die nichts mit dem Grazer Amokfahrer zu tun haben. Dennoch werden sie erwähnt, um den Lesern das Gefühl zu geben, die Tat müsse einen extremistischen Hintergrund haben. Das i-Tüpfelchen ist aber der schlichtweg falsche Satz
Noch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem gebürtigen Bosnier doch um einen Schläfer handelt…
Doch! Genau das wurde bereits am selben Tag vom Landespolizeidirektor ausgeschlossen. Eine solch direkte und eindeutige Aussage zu ignorieren kann man nicht als journalistische Ungenauigkeit bezeichnen. Hier muss man bewusste Tatsachenverdrehung vermuten.
Die „Krone“ argumentiert in ihrer Ausgabe vom 6. Mai mit einer Studie gegen die kürzlich von den Grünen angeregte Diskussion über eine Ringstraße der Zukunft. Bei dieser schon 2012 publizierten Studie handelt es sich um eine Veröffentlichung der KFZ-Lobby, die lediglich auf temporäre Sperren des Rings eingeht. Mit einer dauerhaften Verkehrsberuhigung, wie von der „Krone“ suggeriert, hat diese Studie nichts zu tun.
In der Studie geht es ausschließlich um die Erhöhung der Schadstoffemissionen als Folge von vorübergehenden Straßensperren für ein bis vier Stunden, wie es bei Demos (wie z.B. jene der Plattform „Autofreie Stadt“) der Fall ist, welche die „Krone“ sehr häufig kritisiert.
In der Arbeit schätzt die Autorin die verursachten Mehremissionen, die durch Staus und Umleitungen aufgrund einer vorübergehenden Ringsperre entstehen. Dabei gelangt sie zum wenig überraschenden Ergebnis, dass es mit Sperre eines Abschnitts des Rings zu einer höheren Schadstoffbelastung kommt als ohne einer solchen Straßensperre.
Doch selbstverständlich würde eine Umgestaltung der Ringstraße mit einer umfangreichen Neuordnung der Verkehrsströme einhergehen und ist mit einer kurzzeitigen Straßensperre nicht vergleichbar.
Selbst die Autorin der Studie bestätigte mir gegenüber, dass für eine dauerhafte Sperre die Berechnungen mit anderen Randbedingungen durchgeführt werden müssten. Inhaltlich ist diese Studie für eine Argumentation gegen eine langfristige Umgestaltung mit einem dafür notwendigen Verkehrskonzept also völlig ungeeignet.
Laut dem „Krone“-Artikel handle es sich um zwei ExpertInnen der Technischen Universität (TU) Wien, die bereits vor Monaten sämtliche Folgen einer Sperre der Ringstrasse erhoben hätten. Die besagte Studie wurde allerdings bereits vor mittlerweile 40 Monaten veröffentlicht und kommt nicht von der TU. Der Herausgeber der Studie ist nämlich der Österreichische Verein für Kraftfahrzeugstechnik.
Der ÖVT schafft es nicht zum ersten Mal, dass über seine Studien in den österreichischen Medien prominent berichtet wird. Schon voriges Jahr haben wir aufgezeigt, wie APA, Heute & Co über eine dieser Lobbystudien berichteten, ohne dass für die Leserschaft eine journalistische Einordnung erfolgte.
Der Artikel merkt an, die Autorin der Studie würde „ganz ohne politisch motivierte Emotion“ erklären, „warum sich die Situation sicher nicht bessert“. Doch ganz im Gegenteil dazu setzt sich der ÖVK seit Jahren sehr intensiv für die Interessen der Automobilbranche ein. Der ebenfalls erwähnte achtzigjährige Hans Peter Lenz, dessen Vorsitzender, wird als „Motoren-Papst“ bezeichnet, der als Vorstand am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik als strikter Verteidiger der Verbrennungskraftmaschine galt. Er behauptete beispielsweise auch, dass es Tatsache sei, dass es keine vom Menschen verursachte Klimakatastrophe gäbe.
Die Krone trägt nichts zu einer demokratischen Debatte über eine umfassende Umgestaltung der Wiener Ringstraße bei. Vielmehr führt sie ihre LeserInnen absichtlich in die Irre.
Kürzlich machte eine vermeintliche Sensation in internationalen und auch österreichischen Medien die Runde. So behaupten „buzz.oe24.at“, „heute.at“, die Online-Ausgabe der „Bild“ und viele internationalen Medien, dass so mancher Bart ekliger und dreckiger als Toiletten sei. In Online-Artikeln von „Heute“ und „Bild“ ist sogar die Rede davon, dass in Bärten Spuren von Kot enthalten sei. Wie sich herausstellt, ist das Unfug.
Die Meldungen gehen auf ein Experiment des US Senders KOAT Action News 7 zurück. Dort wurden bakterielle Proben aus den Bärten von zufällig ausgewählten Männern analysiert. Laut Ergebnis wurden teilweise Bakterien, die unter anderem im Darm zu finden sind, auch in den Bart-Proben gefunden. Einige Medien setzen dann diese Bakterien mit „Spuren von Kot“ gleich. Das ist so allerdings nicht richtig.
Im Video des Senders erklärt der leitende Mikrobiologe, dass es sich hierbei um Enterobakterien handelt. Enterobakterien kommen so gut wie überall vor. Im Kot, auf dem Boden, auf der Haut, im Bart oder auf dem Gerät mit dem du diesen Artikel gerade liest. Deswegen hast du aber noch lange kein Kot auf deinem Smartphone oder Tablet. Diese Bakterien sind also allgegenwärtig und sie mit Kot gleichzusetzen, wie es zum Beispiel „Heute“ macht, ist unsinnig:
„So befinden sich Mikrobiologen zufolge im Bart eines Mannes mehr Bakterien als auf einem Klo, darunter sogar Spuren von Kot.“
Ob dieses Experiment wissenschaftlichen Kriterien standhalten würde ist fraglich. Ein Gegen-Experiment mit Proben von der Gesichtshaut von glattrasierten Personen wurde vom US-Sender KOAT Action News 7 jedenfalls nicht durchgeführt.
Diese Meldung war wohl zu saftig, um sie mit Recherche zu verderben: Einige Medien, darunter „Heute“ und „Österreich“, berichten über ein Restaurant in Nigeria, das Menschenfleisch aufgetischt haben soll. Was uns diese Medien auftischen sind allerdings keine aktuellen Nachrichten, sondern eine Falschmeldung, die noch dazu schon seit August 2013 durch Netz geistert.
Das erste Mal geht die Meldung im August 2013 durchs Netz. Damals überwiegend in afrikanischen Medien. Soweit sich die Quellen zurückverfolgen lassen, dürfte der nigerianische Blog „Naijazip“ der Ursprung der Meldung sein. Der Artikel ist in einem subjektiven Stil geschrieben und der Blog sagt von sich selbst, „Latest Gossip News“ zu bieten.
Ein halbes Jahr später, im Februar 2014, taucht die Story in den ersten deutschsprachigen Medien auf. Die Meldung wird eins zu eins übernommen.
Über ein weiteres Jahr später, heuer im Mai, zieht die BBC Swahili nach. Deren Artikel ist auch die Quelle für „Österreich“ und „Heute“. Mittlerweile hat die BBC den Artikel allerdings gelöscht, und kurz davor noch einen Disclaimer eingebaut (Google Translate):
BBC Swahili has confirmed that a story we published about a restaurant in Nigeria selling human flesh was not true. Police in Nigeria have denied reports that they shut down a human flesh selling restaurant.
Ein Fake also, wie man auch auf Snopes.com nachlesen kann. Es ist doch bemerkenswert, wie eine Meldung von einem nigerianischen Blog fast 2 Jahre später noch um die Welt gehen kann. Und in diesen 2 Jahren hat es sich niemand (bis auf die BBC heute) angetan, bei der nigerianischen Polizei nachzufragen, ob an der Geschichte etwas Wahres dran ist.
Mitarbeit: Thomas Hoisl