Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Dass die Kronen Zeitung zu kronischem Rassismus (pdf!) neigt und kein Fan der Grünen ist, dürfte bekannt sein. Dazu passt die Headline von gestern, Häupl regiert mit einer Griechin:

Ja, Vassilakou ist auch Griechin, sie hat eine Doppelstaatsbürgerschaft. Politikberater und Ex-Fischer-Wahlkampfleiter Stefan Bachleitner findet dennoch:

..eine Headline, die vor Ressentiment nur so strotzt. Offensichtlich arbeiten dort nicht genug Menschen mit Migrationshintergrund.

Letzterem dürfte auch Blogger Tom Schaffer zustimmen. Profil-Herausgeber Christian Rainer stellt in seinem Blog die wesentliche Frage:

Was will uns das Blatt damit sagen?
„In Wien kommt eine Ausländerin an die Macht!”
„Ein Ausländerin aus einem Pleite- und Betrügerstaat wird Wien kaputt machen.”
Hat diese Ausländerin Kontakt zu linksextremen griechischen Briefbombenattentätern?”
„Und überhaupt: Was soll eine Frau in der Spitzenpolitik?!”

(Foto von Stefan Bachleitner)

„Heute“ schreibt:

1166 Euro/Tag […] 280.000 Euro brutto Jahres-Gage

280.000 Euro Jahresgage / 365 Tage im Jahr = 767 Euro/Tag. Immer noch viel, aber von den berichteten 1166 Euro/Tag weit entfernt.

Das sich „Heute“ mit dem Rechnen schwer tut, ist nicht unbedingt neu.

SpiegelOnline über den US-TeaParty-Politiker Rand Paul:

Paul fiel vor allem wegen kritischer Äußerungen über die Anti-Diskriminierungs-Gesetze in den sechziger Jahren auf.

Bemerkenswert: Nicht mal sieben Jahre alt – er ist Jahrgang 1963, aber schon so politisch engagiert!

Ein russischer Polizist flüchtet auf einer Autobahn vor einem Rudel Wölfe, das ganze auch noch auf Überwachungsvideo festgehalten. Ein gefundenes Fressen für die Medien – die ungezähmte Natur schlägt dem Leser entgegen:

Plötzlich wird er von einem Wolfsrudel gejagt (Oe24.at)

Die Raubtiere haben es zum Glück nicht auf ihn abgesehen, sie rennen unbeeindruckt vorbei. (Heute.at)

Bei einer Verkehrskontrolle in Russland kam plötzlich ein ganzes Wolfsrudel angelaufen (Krone.tv)

Doch das Ganze ist nichts anderes als eine virale Marketing-Kampagne einer Vodka Marke, die diese bereits offen zugibt (siehe Making Of).

Hier das Video:

Blick.ch ist ebenfalls darauf reingefallen. Bild.de scheint den Schwindel nach Veröffentlichung bemerkt zu haben, deutliche Spuren hat der bereits entfernte Beitrag dort durch den Facebook-Like-Button hinterlassen.

(Via BILDblog)

Fünf bis acht Terroristen hatten zunächst unmittelbar vor dem Gebetshaus zwei Atombomben zur Explosion gebracht.

(„Kurier“ vom 2.11. Danke an Christoph R. auf der Kobuk-Facebook-Seite für Scan und Hinweis!)

Nationafeiertage scheinen mediale Mikro-Saure-Gurken-Zeit zu sein: Ausgehend von einer APA-Meldung wurde von vielen Zeitungen Österreichs, wie DerStandard.at, „Österreich“ und Kleine Zeitung kurz vor dem Nationalfeiertag eine Studie des Zentrums für Zukunftsstudien an der Fachhochschule Salzburg zitiert, wonach jeder zweite Österreicher „stolz“ auf sein Heimatland ist. In allen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse in den verschiedenen Bundesländern erheblich variieren.

Doch wie sicher können solche Daten sein, wenn eine Stichprobe von nur 1000 Personen für ganz Österreich auch noch auf die Bundesländer verteilt wird? Diese 1000 Personen können mathematisch auf zwei Arten auf die Bundesländer verteilt werden. Österreich teilt sich in neun Bundesländer auf, wenn man dies durchrechnet, dann sind das im Falle dieser Umfrage im Schnitt etwa 111 Befragte pro Bundesland.

Wurde die Stichprobengröße jedoch der Einwohnerzahl angeglichen, dann wurden in Wien 200 Personen befragt und im Burgenland nur noch 30. Auffallend ist zumindest, dass es in Burgenland und Vorarlberg, den kleinsten Bundesländern, der Ausschlag am höchsten ist. Liegt das vielleicht daran, dass nur eine Handvoll Menschen befragt wurde, die für ein beinahe zufälliges Ergebnis sorgen?

Über die richtige Größe der Stichproben für eine valide Aussage streiten sich die Geister, obwohl anzunehmen ist, dass hier beide Arten der Verteilung der 1000 Befragten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen: Nach diesem Stichprobenkalkulator dürften 111 Personen für Wien (bei Methode A) oder 30 Personen für das Burgenland (bei Methode B) jedenfalls sehr deutlich zu wenig sein.

Die Medien, die solche APA-Meldungen drucken, scheinen die Angaben leider nicht zu hinterfragen.

Dass „Heute“ mit simpler Arithmetik bisweilen auf Kriegsfuß steht, dürfte bekannt sein.

In der Ausgabe vom 28.10. findet sich wieder ein schönes Beispiel: Da berichtet die Gratiszeitung, dass die Österreicher in der ersten Hälfte des Jahres nur 5,7 Milliarden Euro statt wie im Vorjahr 9,6 Milliarden gespart haben. So weit so gut. Das seien laut „Heute“

„114 Euro pro Österreicher“

Kurz nachgerechnet heißt das folgendes:
5,7 Mrd € Gespartes / 114 € pro Österreicher = 50.000.000 Einwohner

Tatsächlich hatte Österreich im Jahr 2009 rund 8.363.040 Einwohner. Mit dieser Information kann man sich auch die richtige Rechnung zurechtbasteln:

8.363.040 Einwohner * 114 € * 6 Monate = rund 5,7 Mrd €

Und damit können wir unser Gewissen zumindest ein bisschen beruhigen, denn pro Österreicher wurden im ersten Halbjahr 684 Euro gespart.

Update: Es handelt sich bei den Zahlen natürlich um Milliarden, nicht „nur“ um Millionen wie vorher von mir geschrieben. Vielen Dank fürs Aufdecken meines Fehlers, Dan!

Das Kreuzfahrtschiff „Allure of the Seas“ musste unter einer dänischen Brücke durch und es war knapp, darin sind sich alle einig. Nicht ganz so einig ist man sich allerdings darüber wie knapp. Den Start machte am 30.10.2010 der Internetauftritt des Schweizer Fernsehens:

Die Brücke ist nur gerade 30 Zentimeter höher als die «Allure of the seas» (deutsch: Faszination der Ozeane). Eine äusserst ruhige See war deswegen notwendig, um unter der Brücke hindurch zu fahren.

T-online.de ließ sich wenig später ebenfalls nicht lange bitten:

Erst der so genannte „Squat-Effekt“ macht’s möglich. Dieser saugt das Schiff tiefer ins Wasser, je schneller es fährt. Mit Höchstgeschwindigkeit – rund 24 Knoten – muss der Luxusliner diese technische Meisterleistung auf sich nehmen. Zwischen Schornsteinspitze und der Unterkante der Brücke bleiben dann nicht viel mehr als rund anderthalb Meter.

Am Tag darauf würdigte auch heute.at die Leistung des Kapitäns:

Mit nur VIER Zentimeter Platz nach oben brachte der Seebär den Luxusliner unter einer dänischen Brücke hindurch.
[…]
Aufgrund der rauen See beträgt der Abstand zwischen den Schloten und der Unterseite der Brücke nur vier Zentimeter, sagt Hans Nilsen, Offizier einer örtlichen Marine-Einrichtung.

Von 30 Zentimeter bei ruhiger See über rund anderthalb Meter bei Höchstgeschwindigkeit und vier Zentimeter bei rauer See, es kommt wohl auf den Standpunkt an, oder etwa doch auf die zu Grunde liegende Agenturmeldung oder gar die falsche Übersetzung eben dieser? Diese Vermutung kommt auf, wenn man sich die Berichterstattung im englischsprachigen Raum ansieht, welche sich vor allem auf eine Associated Press – Meldung stützt, so zum Beispiel auch die Washington Post:

Hans Nilsen, an official at the Korsoer Naval Station, said the passage went fine, with about a 20-inch (50-centimeter) gap and 1.5 inches (4 centimeters) to spare to the safety margin […]

Für Interessierte: Der Kapitän oder „Seebär“, wie ihn heute.at nennt, erklärt die technischen Details und den Ablauf der Aktion im Zuge eines Videos auf der Website des Schiffes, ganz ohne sich dabei in Zentimeter zu verstricken.

Eigentlich wollte ich dem geneigten Leser den Kalauer im Titel ersparen, in diesem Fall passt er aber wirklich hervorragend: So publizierte das Gratisblatt am 28. Oktober einen Artikel, der nahezu wortgleich bereits mehr als sechs Monate vorher in Standard, Presse, News oder den OÖN zu lesen war.

Update

„Österreich“ hat diese Meldung sogar noch einen Tag später als „Heute“ veröffentlicht und dabei mit argen Logikproblemen zu kämpfen: So informiert man im Aufmacher, dass nur jeder 7. den Aufnahmetest schafft (ergo 14%), im Fließtext schreibt man jedoch später: „Der Aufnahmetest lässt 40% der Bewerber scheitern“. Danke an meinen Kollegen Yilmaz Gülüm für den Hinweis.

Das angesehene Wirtschaftsmagazin Forbes bezifferte die Baukosten auf knapp zwei Milliarden Dollar und nannte es „The World’s First Billion-Dollar Home„. Seither geht die Geschichte um die Welt: Vom indischen Milliardär Mukesh Ambani, der sich in Mumbai ein Luxus-Wohnhaus bauen lässt. 27 Stockwerke auf 173 Metern, für Baukosten zwischen ein und zwei Mrd. Dollar — je nach redaktioneller Zweiteinschätzung der Forbes-Schätzung.

Und einige haben gleich zwei Tipps abgegeben, sicher ist sicher:

„Nach Schätzungen soll das Domizil rund zwei Milliarden Dollar gekostet haben.“ (ORF)

„Kostenpunkt: 800 Millionen Euro.“ („Österreich“, 15.10.2010)

„Zwei Milliarden Euro Baukosten“ („Österreich“, Printausgabe 27.10.2010)

„Die Kosten für den Bau werden auf 1,5 bis zwei Milliarden Dollar geschätzt.“ (Kurier)

„750 Millionen Euro will er sich das Bauwerk kosten lassen.“ (SZ)

„Das rund 750 Millionen Dollar [sic!] teure Gebäude“ (Der Spiegel, 23.11.2007)

„Knapp zwei Milliarden Dollar lässt sich Ambani den Bau kosten.“ (Der Spiegel, 19.5.2008)

„Der [sic!] Wert seines Hauses, das Ambani diesen Monat beziehen will, schätz [sic!] die britische Tageszeitung „Telegraph“ auf umgerechnet 717 Mio. Euro.“(Financial Times Deutschland, Bild 6)

„Das Haus wird weltweit das erste Wohnhaus sein, das eine Milliarde Dollar gekostet hat“ (Wikipedia)

Nur die engl. Wikipedia fällt aus der Reihe:

„According to Reliance Industries [d. Konzern des Milliardärs], Antilia cost between US$50–70 million to build.“ (Wikipedia)

Vermutlich haben wir alle gerade das selbe Problem: die Summen sind schlicht zu groß, um eine klare Vorstellung zu haben, was damit möglich ist, und was nicht. Darum erst eine kleine Leserkalibrierung…

Das im Bild rechts ist der Burdsch Chalifa in Dubai. Mit 828 Metern und 162 Stockwerken das derzeit höchste Gebäude der Welt. Baukosten: ca. 1,5 Milliarden US-Dollar. (Da hat sich der reichste Mann Asiens bei seinem Häuschen aber ganz schön über den Tisch ziehen lassen.)

Zurück zu Forbes. Die beriefen sich bei den zwei Milliarden ursprünglich auf den Marketingchef einer am Bau beteiligten US-Firma, mussten aber kurz darauf einräumen, dass dieser seine Aussage „zurückgezogen“ habe. Einen Monat darauf zitierte die New York Times einen Sprecher Ambanis. Dieser beschwichtigte, die Baukosten lägen in Wahrheit bei ca. 50 bis 70 Millionen Dollar.

Auch wenn es sich dabei eher nicht um den schlüsselfertigen Vollausbau handelt, bleibt dennoch eine gewaltige Differenz zu den kolportierten Summen. Das sieht man auch beim Wall Street Journal so und versucht dort — vorerst nur im Blog und noch ohne Beleg — gleich mit mehreren Legenden aufzuräumen:

„Die Einweihungsfeier findet nicht vor dem 28. Nov. statt, das Haus wird keine 600 Bediensteten haben […] und das Gebäude ist keine Milliarden wert (würde man es jedoch in einzelne Appartements aufteilen und jeden Quadratmeter zum gängigen Preis verkaufen […], dann könnte der Gesamtbetrag in diese Höhe gehen).“

Die klassische Verwechslung von Herstellungskosten und höchst theoretischem Verkaufswert also?

Ein findiger User im SkyscraperCity-Forum hat nachgerechnet und noch eine ganz andere Erklärung gefunden, warum der Forbes-Informant völlig korrekt die Summe von „zwei Milliarden“ genannt haben könnte: 50 Millionen Dollar entsprachen damals exakt zwei Milliarden … indischen Rupien.

Foto: (cc) Joi Ito