Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Wenn Fr. Grafik, ihr Freund Hr. Screenshot und Cousin Youtube vorbei kommen und ihre Rechte einklagen, ist Vorsicht geboten. Wenn dann noch Onkel Twitter dazu kommt, könnte es schon teuer werden.

Gar nicht wenige Fotos auf Oe24.at stehen unter „© gfl“. Was verbirgt sich hinter dem Kürzel? Viele der Bilder entpuppen sich als Screenshots aus Videos. Es sind aber auch strittigere dabei:

Das Foto unten stammt ursprünglich aus einem Blog. Hinweise, dass man es ohne weiteres verwenden kann, gibt es nicht. (Dass das Foto nicht den beschriebenen ägyptischen Hai sondern einen kalifornischen zeigt, scheint auch nicht weiter zu stören.)

Das nachfolgende Foto verwendet Oe24.at gleich zwei Mal. Das Copyright gehört einem Tiroler Krankenhaus, wie unten auf ihrer Homepage vermerkt ist.

Beim nächsten Foto war die Herkunft nicht so leicht herauszufinden. Die traditionsreiche El País gibt jedenfalls als Inhaber des Fotos Reuters an (in der Galerie rechts unten).

Beim letzten Foto (zu diesem Artikel) hat man sich offenbar aus dem Facebook-Profil einer jungen Dame bedient. Ebenso bei vier weiteren Fotos von ihr, die in einer eigenen Galerie gezeigt werden.

Böse Zungen behaupten ja, „gfl“ stehe für „gfladert„.

Sinn zur Selbstironie beweist die Oe24.at-Redaktion auch bei dieser Story: „Wie die Bilder ins Internet gelangten, ist ungewiss“, steht im Artikel. Wie die Bilder auf Oe24.at gelangten, ist ebenso ungewiss. Es fehlt jegliche Quellenangabe. Passend dazu auch die Kopfzeile des Artikels: „Gestohlene Aufnahmen“.

Quellen: 1, 2, 3, 4. Danke auch an Herbert Sasshofer für den Hinweis zu „(c) Twitter“ auf Facebook!

Der Artikel besteht aus Auszügen meiner Bakk.-Arbeit.

Es ist der 7. Juni 2010. Eine spektakuläre Nachricht verbreitet sich im Minutentakt via Copy & Paste in der ganzen Welt. Überall ist zu lesen: „Australien: Surfer boxt Hai in die Flucht„.


Klingt unglaublich. Ist es auch. Was war passiert?

The West Australian und die Australian Broadcasting Corporation berichten als erstes. Letzere titeln:

Surfer recovering after shark attack

In den Artikeln steht, Michael Bedford sei von einem Hai attackiert worden, habe sich aber im letzten Moment an den Strand retten können. Der einzige Zeuge, sein Freund Lee Cummuskey, sagt, er wäre 150 Meter weit weg gestanden und hätte den Fisch gar nicht richtig sehen können.

Im Bericht der ABC meldet sich Cummuskey zu Wort: „(…)he gave it a good whack he reckons, a good punch and that doesn’t surprise me knowing Mick“. Eine eher scherzhafte Vermutung eines Mannes, der 150 Meter weit weg vom Geschehen stand, sollte zur Faktengrundlage alle weiteren Medien werden. Ob er das damals geahnt hatte?

Durch die Agence France Press wird die Story gobal: „Australian man punches shark, surfs to safety“, lautet der Titel. Die Meldung wird kurz darauf ins Deutsche übersetzt. Cummuskeys Aussage steht im Mittelpunkt des Artikels. Hier wussten die JournalistInnen auf einmal sogar, dass Michael Bedford mit einem beherzten Faustschlag todesmutig zugeschlagen hatte. Woher bloß?

Danach geht es schnell. Im Minutentakt übernehmen Medien die Story. Das Lehrbuch für Journalismus zwingt quasi zu Meldungen nach dem „Mann beißt Hund“-Prinzip.

Spiegel Online und Focus gehören im deutschsprachigen Raum zu den ersten. Auch die APA übernimmt die Story. Danach hat man sich wohl in den Redaktionen gedacht- „Hey, wenn die AFP, APA und Spiegel Online darüber berichten, wird’s wohl stimmen. Irgendwer wird’s schon überprüft haben.“

Die Meldung erscheint auf Derstandard.at, Diepresse.com, der Wiener Zeitung, Krone.at, Oe24.at, Kurier.at (Artikel nicht mehr online), den Oberösterreichischen Nachrichten und noch ein paar Seiten mehr. Sämtliche Artikel sind mehr oder weniger ident.

Von der ursprünglichen Meldung bis zur Veröffentlichung in Österreich vergingen ungefähr zwölf Stunden. Irgendwo in der Kette wurde auch aus der Mutmaßung des Freundes Gewissheit: Das Tier sei ein Weißer Hai gewesen.

Die Meldung schafft es neben Deutschland und Österreich in die Schweiz, die USA, England, die Niederlande, Frankreich, Spanien und in viele weitere Ecken der (Medien-)Welt.

Die Auflösung

Michael Bedford wird noch am selben Tag von der ABC interviewt. Im Video erzählt er hauptsächlich, wie froh er ist am Leben zu sein. Seltsam. Man könnte meinen, er würde damit prahlen, wie mutig er den großen bösen Hai geschlagen hat.

Aufmerksame Kobuk-LeserInnen wissen bereits: Wenn eine Nachricht in der Welt die Runde macht, die Medien vor Ort aber nichts dazu bringen, dann passt wahrscheinlich etwas nicht.

Enttäuschung für die Besucher des traditionellen Themse-Feuerwerks in London. Dichter Nebel hing laut ORF über der Stadt, weshalb es für die Muggel vom Küniglberg „nur wenig zu sehen“ gab:

„Unsichtbares“ Feuerwerk in London

So nannten sie die Show rückblickend vor (!) Mitternacht.



Aber zum Glück gibt’s ja Kobuk. Wir lichten die Nebel — auch 2011:

Im Video: Das Neujahrsfeuerwerk 2011 in London, bei klarer Sicht, „Nebel“ nur hintennach.

Langsam müssen wir uns echt Sorgen machen. „Österreich“ sieht eine Show, die nie zu sehen war, und beim ORF ist’s genau umgekehrt. An alle Medien — von den Besten, bis zu jenen, die sich so nennen: wie wär’s mit einem kleinen Neujahrsvorsatz zum Thema kaltgeschriebene Berichte über künftige Ereignisse? Ich mein, es heißt ja auch Nachrichten…

Danke an Max Kossatz für den Tweet aus London,
und ein gutes neues Jahr allen Hinweisgebern und Lesern!

Die Puls-4-Redaktion hat es möglicherweise geschafft, den bizarrsten Pressetext des letzten Jahrzehnts online zu stellen:

So finden sich in dem (auf Satzzeichen zum größten Teil verzichtenden) Artikel sage und schreibe 33 Rechtschreib- und Grammatikfehler, was anbetrachts seiner Länge wirklich sensationell ist. Auch stilistisch sind Sätze wie „Das ganze ist eine ziemlich fette Produktion, wo so ziemlich alle großen Designer (…) mitziehen, also keine Kinderkacke“ alles andere als gewöhnlich.

Jedenfalls weckt der Text große Neugier, einen Blick hinter die Kulissen von Puls 4 zu werfen.

Danke an Marlene Altenhofer für den Hinweis auf Twitter!

Anscheinend hatte die „News“-Redaktion letztens sämtliche Taschenrechner daheim vergessen:  So sind laut News „56 % der von  Österreichern bestellten Artikel“ Bücher. Addiert  man dazu allerdings die am zweithäufigsten bestellten Artikel (Kleidung und Schuhe mit 41 %), erreicht man schon 97 %. Insgesamt ergibt sich eine  Summe von 410 % – was logisch unmöglich ist.

Als Quelle gibt „News“ das Integral Markt- und Meinungsforschungsinstitut an, welches einen Teil ihrer Forschungsergebnisse auch online zugänglich (PDF) macht. Hier sehen die Daten allerdings um einiges besser aus: Nicht 56 % der Artikel waren Bücher sondern 30 % der Österreicher haben Bücher bestellt. Siehe Faksimilie hier.

Eßlinger Zeitung Print Foto

Ostern? Ah, noch nicht ganz. Das hat auch die Eßlinger-Zeitung erkannt und bessert online aus:

Eßlinger Zeitung Screenshot

Na dann, Frohe Ost… äh … Weihnachten!

Danke an Astrid aus Tirol für Hinweis und Bilder.

Gestern titelte die Kronen Zeitung:

Grammatikschwäche Headline der Kronen Zeitung am 22. Dezember 2010: „Senioren lehren Kinder das Lesen“. Danke an Katrin W. für das Foto.

UPDATE: Diesmal muss ich mich selbst an der PISA-Nase nehmen. Daniel Kürner schreibt auf Facebook:

Nach ‚lehren‘ kommt ein Akkusativ, und der Akkusativ von ‚Kinder‘ lautet ‚die Kinder‘, also ist die Schlagzeile eh richtig! ‚Kindern‘ mit einem n hinten dran wäre der Dativ.

Siehe auch Kommentar von Corinna Milborn. Im 18. Jahrhundert wäre ich vielleicht noch richtig gelegen, aber im 21. ist der Dativ eher falsch.

Update 2: Wie es zu diesem Fehler kam: Irgendwo (Facebook oder Twitter) waren mir gestern hämische Meldungen über diesen „Fehler“ aufgefallen. Als heute jemand obiges Foto auf unserer Facebook-Page postete, machte ich den Gegencheck über Google, fand den Text aber zu meiner Überraschung nur einmal, auf der Homepage der steirischen Grünen – und auch da nur im Google-Cache. Erster Gedanke: Vielleicht ein Fake. Auf Twitter bestätigten aber gleich vier Follower die Echtheit. Auf die Idee, dass mich hier mein spontanes Sprachgefühl (und das der Hinweisgeber) täuschen könnte, kam ich nicht. Bei „Ich lehre dir“ (eher falsch) stellt es mir zwar die Haare auf, aber bei „Sie lehren Kinder das Lesen“ (richtig) ebenso. Wieder was gelernt.

Florian Klenk fragt Krone-Innenpolitikchef Claus Pándi nach Peter „Ich treffe mich mit niemandem“ Gnam:

Es wäre zu schade, wenn dieser Dialog aus dem Inneren der Wiener Medienszene in den Tiefen des Twitter-Nirvanas verschwinden würde.

(Quellen: 1, 2, 3.)

Ein PS. von Die 4 da:

Danke an Jonas Reis für den Hinweis!

Über das Verhältnis von Politik und Medien wird in Österreich selten laut gesprochen.
Bestenfalls hinter vorgehaltener Hand. Das ist nun anders.
12 ½ Zeilen im KURIER ändern alles.

Dass Politiker Jobs vergeben können, ist bekannt.
Dass Journalisten sie dabei kontrollieren, ebenso.
Dass Politiker Journalisten-Jobs vergeben, ist neu.
Zumindest, dass es öffentlich ausgesprochen wird.
Vor allem aber, dass das betreffende Medium diesen Eindruck selbst vermittelt und es als Leistung des Politikers darstellt.

.
KURIER, 19. Dezember, Niederösterreich-Ausgabe:

„Rasche Hilfe für die KURIER-Leser
Telefonsprechstunde: Der traditionelle Termin des Landeshauptmanns in der KURIER-Redaktion brachte erneut viele Lösungen“

Ein emotionaler Anruf kam von einer verzweifelten Mutter aus Breitenfurt:
„Mein Sohn hat Publizistik studiert, zusätzliche Ausbildungen gemacht und findet keinen Job“,
weint die Frau.
Erwin Pröll überlegt keine Sekunde:
„Gnädige Frau, wäre der KURIER vielleicht
etwas für ihren Sohn?“
Mit der Telefonnummer von KURIER-Chronik-Chef Michael Jäger in der Tasche beendet die Frau das Gespräch hörbar erleichert.“

Das lässt drei Schlüsse zu:

a) Landeshauptmann Erwin Pröll kann jemanden zum Journalist machen. Beim KURIER.
Das hieße, ein Politiker kann jene, die ihn kontrollieren sollen, selbst bestimmen.
Tragisch für die Demokratie. Tragisch für den KURIER.
Aber für den Politiker wäre solchjemand dort wohl gut brauchbar.
b) Landeshauptmann Erwin Pröll hat den Jemand nur empfohlen.
Das hieße, er hätte ihn für Fähigkeiten gelobt, die er nicht überprüft haben konnte.
c) Landeshauptmann Erwin Pröll hat nur einen Kontakt hergestellt.
Das hieße, der Jungpublizist hätte es bislang nicht geschafft, die Nummer des KURIER-Chronik-Chefs zu recherchieren. Und sei’s nur für ein Volontariat.
Tragisch für einen angehenden Journalisten.

Bewundernswert ist die Selbstverständlichkeit mit der der KURIER die Passage publiziert.
Bleibt sie unwidersprochen, zeichnen die 12 ½ Zeilen – ganz abgesehen von Titel und Tonalität – ein erschreckendes Bild vom Selbstverständnis des KURIER.

Und sie konterkarierten damit die Inszenierung des KURIER an sich respektive Aussagen seines Chefredakteurs.

Den KURIER betreffend ließe das wieder drei Schlüsse zu:

a) Beim KURIER ist es üblich oder möglich – oder für seine Redakteure zumindest denkmöglich! –, dass Politiker die faktische Macht haben KURIER-Jobs auf diese Art und Weise zu besetzen.
Das wäre bei allen wirtschaftlichen Gegebenheiten wohl eine Täuschung des Lesers, dem man als politisch „Unabhängige Tageszeitung für Österreich“ (Subtitel) seit kurzem auch „Journalismus pur“ verspricht (Slogan).

b) Der KURIER sucht dringend Journalisten und ist dankbar für jeden der ihm vermittelt wird.
Das widerspräche den Aussagen von KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter. Demnach werde es sogar Kürzungen im Personalbereich geben. Vielleicht weist aber auch keiner der vorhandenen Mitarbeiter die schon zitierten (Recherche-)Qualitäten des Jungpublizisten aus Breitenfurt auf.
c) Der KURIER-Redakteur hat mit dem Telefonat lediglich das Geschehen wiedergegeben. Unreflektiert eben. Und weder der KURIER-Redakteur, noch der KURIER-Chef vom Dienst oder KURIER-Chronik-Chef oder KURIER-Chefredakteur, befanden es für nötig der falschen Vorstellung des Politikers über die Jobvergabe beim KURIER zu widersprechen, und im Sinne unabhängigen Journalismus’ auch gegenüber dem Leser unmissverständlich klar zu stellen, dass ein derartiger Vorgang beim KURIER gänzlich ausgeschlossen ist.
Eine derartig unreflektierte Berichterstattung widerspräche einem wesentlichen Kriterium einer Qualitätszeitung. Und eben das nimmt Chefredakteur Helmut Brandstätter für den KURIER in Anspruch: „Der Kurier ist eine Qualitätszeitung“.

Warum just die Telefonnummer von KURIER-Chronik-Chef Michael Jäger vermittelt wurde, bis vor Kurzem noch KURIER-Niederösterreich-Chef, tut dabei gar nichts mehr zur Sache.

Das Tragische an all den Varianten, die in der 12 ½ Zeilen-Passage des KURIER stecken:
Sie sind dazu angetan, dem Vertrauen in die gute Arbeit der verdienten Mitarbeiter des KURIER zu schaden – und dem Journalismus im Allgemeinen.

All jene Journalisten, die sich mit Unabhängigikeit, Objektivität und Fairness bei allen Widrigkeiten täglich bemühen ihrer Kontrollfunktion als Vierter Macht im Staat gerecht zu werden, die Politik kritisch hinterfragen und Machtmissbrauch aufdecken, verdienen es nicht unter einem Generalverdacht zu stehen. Auch der bedauernswerte Publizistikabsolvent in seiner schwierigen Situation auf Jobsuche nicht.

Dem Generalverdacht, dass Politiker Journalisten machen können.
Mit den 12 ½ Zeilen im KURIER könnte dieser Eindruck leider entstehen.

Ich ersuche den KURIER daher um Widerspruch.
Im Sinne des Journalismus.
…des puren Journalismus.

Der Standard und viele andere Medien veröffentlichen eine Meldung von APA/dpa über Details zu den Vorwürfen gegen den Wikileaks Gründer Julian Assange. Diese Meldung stützt sich auf einen Artikel des Guardian. Wie wir bereits wissen, ist das Übersetzen nicht immer einfach, so auch in diesem Fall.

Die APA/dpa meint:

Die „Fräulein A“ genannte Schwedin soll er bei anderer Gelegenheit zu von ihr nicht gewünschtem Sex genötigt haben.

Wohingegen der Guardian schreibt:

She told police that Assange had continued to make sexual advances to her every day after they slept together (..).

Doch „Advances“ sind übersetzt noch keine „Nötigung“ sondern „Annäherungsversuche“, „Avancen“. Die Entscheidung, etwa ob hier ein Fall von Nötigung vorliegt, hat darüber hinaus das schwedische Gericht zu treffen.

Auf DerStandard.at wurde entsprechende Passage nach einem Kommentar von Markus Kienast bereits korrigiert. Der Kommentar selbst ist dabei laut Markus allerdings in der Moderationsschleife hängen geblieben.

Bild: (cc) Ross_TT