Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kronen Zeitung, Post von Jeannée, 10.01.2014, S. 18

Identifizierende Berichterstattung über Tatverdächtige ist prinzipiell unzulässig. Ausnahme: wenn zum Beispiel die Verfolgungsbehörden um Veröffentlichung bitten.

Da dies aber einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von möglicherweise unschuldigen — jedenfalls aber nicht verurteilten — Menschen darstellt, ist besondere Behutsamkeit und Zurückhaltung in der Berichterstattung angebracht.

Für derart sensible Themen hat die Kronen Zeitung ihren eigenen Experten:

Elendes, niederträchtiges Pack,
… He, Ihr [sic!] Dreckskerle, wie fühlt man sich, wenn einem die eigene Gangstervisage aus der Zeitung anspringt? … Verzerrt Panik Eure [sic!] widerwärtigen Gesichter?

Der Starkolumnist, der hier hemmungslos den Mob aufhetzt, fand übrigens auch, dass ein 14-Jähriger „alt genug zum Sterben“ ist, wenn er in einen Supermarkt einbricht.

Die Verantwortung, dass eine Fahndung nach Verdächtigen (!) nicht zur Menschenhetze wird, liegt allerdings auch bei den Behörden. Sie sollten nicht zu bequem zum Mittel der Öffentlichkeitsfahndung greifen — meint man zumindest in Deutschland.


Dort sollen klare Verwaltungsvorschriften für Ermittler und Staatsanwälte Auswüchse wie in Österreich vermeiden helfen. Problembewusst heißt es darin:

durch die … Namensnennung des Tatverdächtigen [entsteht] die Gefahr einer erheblichen Rufschädigung … Die spätere Resozialisierung des Täters kann … erschwert werden … Eine Bloßstellung oder Schädigung des Tatverdächtigen oder anderer Betroffener, muss nicht nur in deren Interesse, sondern auch im Interesse der Strafrechtspflege möglichst vermieden werden.

Daher sei stets auch zu prüfen:

ob der … Fahndungserfolg nicht auch … erreicht werden kann, [indem] nur Medien von geringerer Breitenwirkung in Anspruch genommen werden, andere Formen … wie Plakate, Handzettel … gewählt werden … oder … auf die Verbreitung der Abbildung [verzichtet] wird.

Der Schweizer Presserat meint sogar, dass auch eine Öffentlichkeitsfahndung noch keinen Freibrief für die Medien darstellt:

Redaktionen sollten nicht reflexartig publizieren, wenn Behörden den Namen und das Bild eines Tatverdächtigen freigeben, sondern eigenständige berufsethische Überlegungen anstellen.

Leider zielt der Verweis auf die berufliche Ethik bei manchen ins Leere.

 

Update:
Die vier Männer haben sich der Polizei gestellt und ihre Unschuld beteuert. Und sie werden laut oe24.at den Krone-Kolumnisten verklagen – auf 60.000 Euro. Wir wünschen viel Erfolg.

NEWS 50/2013, CoverEs klang wie eine gefährliche Drohung, als bekannt wurde, dass die Verlagsgruppe NEWS mit Ende März 2013 ihre Korrektoren entlassen werde. Schließlich gebe es moderne Software, der man diese Aufgabe übertragen könne, so sinngemäß der Tenor des NEWS-Konzernchefs.

Mittlerweile hat die Realität die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Ganz ehrlich, wir haben in fast vier Jahren Kobuk noch nie ein journalistisches Druckwerk dieser Qualität gesehen. Aber urteilt bitte selbst:

 

Seite 9 (Inhaltsverzeichnis):
Seite 9: "Jetzt will er ihnen zurück."

Seite 13:
Seite 13: "ins Weißer Haus"

Seite 15:
Seite 15: Hobby-Ballerinos tragen Kilt am Time(s) Square, wenn sie "das das Leid weglachen".

Seite 18:
Seite 18: "Dem mit einer ... Mitarbeiter Reisenden"

Seite 19:
Seite 19: "Dieses Fest läßt niemand kalt"

Seite 24:
Seite 24: "in die Hände Dritte"

Seite 29:
Seite 29: "Appartschi(c)k"

Seite 29:
Seite 29: "ein Kapitel österreichische Sportgeschichte"

Seite 29:
Seite 29: "bei dem Event 'Punsch & Marion' [Maroni] ihres Parteikollegens"

Seite 32:
Seite 32: "Wenn es der Tirols Landes-Vize Josef Geisler sein sollte"

Seite 42:
Seite 42: "Dass sie [die Südafrikaner] schaffen würde, was er begonnen hatte."

Seite 42:
Seite 42: Über 90 Staats reisten nach Johannesburg.

Seite 43: Mandela, der letzte große „Freiheitsämpfer“
Seite 43: Der letzte große "Freiheitsämpfer"

Seite 46:
Seite 46: Die ÖVP wollte den Eindruck vermeiden, nicht an radikaler Budgetsanierung zu denken.

Seite 50:
Seite 50: "Odysse" tut weh.

Seite 52:
Seite 52: "Dann verkrochen sich die Drei im Ferienhaus"

Seite 54:
Seite 54: "[Textlücke] und der Anwalt der Familie versuchen zu dokumentieren, dass..."

Seite 58: Rechtschreibprüfung erfolgreicht abgeschlossen
Seite 58: Benni Raich ist der "erfolgreichte" ...

Seite 63:
Seite 63: "Wer hat Herr Benesch beauftragt"

Seite 65:
Seite 65: "aussergewöhnliche"

Seite 65:
Seite 65: "in der Höhe von gute 150 M illionen Euro"

Seite 65: „Durchschnittliche größe eine“ … uff!
Seite 65: "Durchschnittliche größe eine Wohnung"

Damit sind wir noch nicht einmal bei der Hälfte der aktuellen NEWS-Ausgabe. Aber hir habe wir mit Fehlersuche aufhört, bevor dass noch irgendwie an steckend wird — wir hoffen, ihr hat Fairständnis.

Treppenwitz am Rande: In diesem lesenswerten Editorial wirft der Medien-Branchendienst HORIZONT den NEWS-Eigentümern und Konzernchef Bogocz vor, das Unternehmen zielgerichtet „an die Wand zu fahren“. Bogocz reagierte auf die grammatikalisch einwandfrei vorgetragene Kritik so:

[…]

p.s. Ich würde dringend in die Qualitätskontrolle investieren – Ihr Text wimmelt nur so von Grammatikfehlern…

Axel Bogocz
Herausgeber und Vorsitzender der Geschäftsführung Verlagsgruppe News GmbH

 (Mit Dank an Sonja Schwarz für ihren Anfangshinweis!)



Update: Änderungen/Ergänzungen in den Bildern zu S. 18, 19, 29-3 und 42-2 nach Leserhinweisen (zwei Grenzfälle kamen weg, zwei Fehler dazu).

heute-abverkauf„Heute“ bewarb am 28. November mit geheimnistuerischer Motivation ein Kleidungsgeschäft. Dass sich das Geheimnis jedoch in der gleichen Ausgabe von selbst lüftet, zeugt wohl eher von offensichtlicher Peinlichkeit.

Pssst, Geheimtipp! Das Modehaus Hämmerle auf der Mariahilfer Straße 105 (derzeit 2.500 m²) wird vergrößert – und Sie haben schon jetzt etwas davon. Denn ab sofort startet ein kompletter Abverkauf.

total abverkauf aWirklich geheim ist dieser „Geheimtipp“ allerdings nicht. Einige Seiten später erfahren wir nämlich erneut von der Aktion. Dasselbe Modehaus hat dort eine ganzseitige Werbung geschalten – und bewirbt seinen Abverkauf.

Wir haben den schleichenden Verdacht, dass hier wieder einmal redaktionell geworben wurde.

Heute auf der Titelseite der „Krone“, ein Bildtext, wie ihn „Das Goldene Blatt“ oder „Frau mit Herz“ nicht hätten schöner erfinden können:

Krone_Titel_2013-12-11_ausriss2

Obama tröstet Mandelas Witwe
Ein Bild voll Zärtlichkeit […] US-Präsident Barack Obama tröstet Mandelas Witwe Graça Machel und streichelt ihre Wange

„Ein Bild voll Zärtlichkeit“ … manchmal möcht ich echt was von dem Zeug, mit dem die „Krone“ ihre Redaktion belüftet. Mal abgesehen davon, dass Obamas Blick und Pose nicht so recht zur „Krone“-Deutung passen wollen, ist seine „streichelnde“ Hand deutlich unschärfer als die Wange der Witwe, also viel zu weit weg von ihr. Der Begleittext der Bildagentur hätte auf einen derart bewegenden Moment vermutlich hingewiesen, sagt aber nur, dass Obama auf dem Foto mit der Witwe spricht. Und ein weiteres Bild aus der selben Serie weist schließlich klar drauf hin, dass Obama hier in Wahrheit niemanden zärtlich gestreichelt, sondern schlicht woanders hingedeutet hat:
obama_mandela_gettyserie

Nun war die Mandela-Trauerfeier doch eigentlich bewegend genug. Wozu also so ein dummer „Feel-Good-Schwindel“ auf Friseurblatt-Niveau?

Nun, bei der „Krone“ geht’s ja nicht bloß um Nachrichten, sondern vor allem darum, dass die Leser emotional angesprochen werden — gerade auch auf Seite eins. Vielleicht war die nüchterne Wahrheit im Bildtext der Agentur dafür einfach nicht schnuffig genug…

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Großer Fotokasten: „[Dackel] ‚Schnuffi‘ nach Odyssee zu Hause“
Kleiner Fotokasten: „Nelson Mandela ist gestorben!“

„Österreich“ veröffentlicht in ihrer Printausgabe vom 4.Dezember ein Foto von Johanna Mikl-Leitner. Die Innenministerin ist mit Polizeikappe und farblich abgestimmter Jacke zu sehen. Dass es sich hierbei um eine Fotomontage handelt, kann man nicht erkennen, da es nirgends vermerkt wurde.

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In der Online-Version war die Redaktion aber korrekter. Dort steht in der Bildunterschrift das Zauberwort „Montage“.

Das Originalbild findet man des Öfteren auf oe24.at. Hier zum Beispiel. Oder hier, hier und hier. Man könnte meinen, der Redaktion wäre das Bild mit der Zeit zu langweilig geworden.

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Warum ÖSTERREICH ein Qualitätsmedium ist, man der HEUTE-Redaktion  „in die Goschn hauen sollte und Tränen gut sind.

„Traumberuf Journalist“ – so schrieb die Mediengruppe ÖSTERREICH ihre sechswöchige Journalistenakademie aus. Journalist ist wirklich mein Traumberuf, konnte ich doch als freier Mitarbeiter schon einige Jahre Erfahrung sammeln. Die Bewerbung für die Journalistenakademie schrieb ich mehr aus Spaß denn aus wirklichem Interesse. Umso erstaunter war ich, als ich dann vor Allerheiligen eine Einladung für die darauffolgende Woche erhielt. Kurz und knapp hieß es: Kommen’s vorbei, wir informieren Sie einmal.

Der Autor vor der ÖSTERREICH-RedaktionAm Wochenende davor zerbrach ich mir den Kopf, ob ich wirklich hingehen sollte. Ich bin kein Fan von ÖSTERREICH. Und das ist noch untertrieben.

Nach langem Hin und Her wollte ich mir „die beste Zeitung“ zumindest einmal ansehen. Das Verlagsgebäude liegt im 1. Bezirk in direkter Nähe zum Karlsplatz. Aus einem kargen Foyer wurde ich zu anderen Bewerbern in den ersten Stock geschickt. Wir waren rund 13 junge Leute.

Nachdem wir von unserer Betreuerin in Empfang genommen wurden, ging es hinauf in den Konferenzraum. Von dort aus konnten wir „einen der modernsten Newsrooms Europas“ einsehen. Kurz darauf gesellte sich einer der vielen Chefredakteure, Christoph Hirschmann, und Herausgeber Wolfgang Fellner zu uns. Ab da wurde es spannend.

Fellner sprang von Bewerber zu Bewerber und fragte nach oberflächlichen Details. Die Antworten wartete er meist nicht ab. Ein Verhalten, das mich frappierend an den Stil der Zeitung erinnerte. Danach begann eine kleine Diskussionsrunde.

Das Verhältnis zur härtesten Konkurrenz, der Gratiszeitung HEUTE, beschrieb Fellner wie folgt: „Den Leuten von der HEUTE müsst’s am Besten in die Goschn hauen!“

Auch die Behauptung, ÖSTERREICH sei ein Boulevardblatt und keine Qualitätszeitung, ließ der Herausgeber nicht gelten: Das sei unwahr, gegen dieses Vorurteil habe man oft zu kämpfen. „Wir haben manche Artikel im Blatt, die besser sind als im STANDARD. ÖSTERREICH ist eine Qualitätszeitung, leider werden wir nicht immer als solche erkannt. Ich finde auch, dass die KRONEN ZEITUNG zu den Qualitätsmedien gehört.“ Hirschmann stimmte ein: „Wir haben eine wöchentliche Buchbeilage. Welche andere österreichische Zeitung hat das schon? Auch das zeichnet uns als Qualitätsmedium aus.“

Im Verlauf des Gesprächs ging es auch um die Möglichkeit, für unsere Artikel selbst zu fotografieren. Normalerweise würde sich allerdings die Fotoredaktion darum kümmern. Die Fachleute würden genau wissen, wann Fotos verpixelt oder gar mit einem Balken versehen werden müssen, so Hirschmann.

So ging es bunt und lustig weiter. Da die Journalistenakademie nur sechs Wochen dauern würde, sollten wir unbedingt auffallen, wenn wir bei der ÖSTERREICH eine Zukunft haben wollten. Zitat Fellner: „Wenn einer von euch nach Annaberg fährt, die Freundin des Amokläufers findet, die ihm unter Tränen ein Interview gibt und er ein Video davon macht, dann werde ich mir denjenigen sicher gut merken.“

Genau solche Geschichten — Exklusivstorys! — seien erwünscht. Alle sollten darüber reden: von der Putzfrau bis hinauf zum Banker. Was in diese Kategorie hineinfiele? Mord und Totschlag mit viel Blut. Oder „wenn ein paar Sandler das Hotel Sacher anzünden!“ Die Bezeichnung ‚Sandler‘ schien Fellner überhaupt zu gefallen: Manche von uns wären vorerst noch ohne eigenen Arbeitsplatz. „Da könnt ihr auch gleich zu den Sandlern in der Akademie rübergehen und euch dazugesellen.“ (Gemeint waren offenbar die protestierenden Flüchtlinge in der Akademie der bildenden Künste.)

„Nach den fünf Wochen schauen wir dann weiter“, sagte Fellner. Sicherlich nicht, dachte ich. Mir war schon die einstündige Präsentation genug. Ich bedankte mich für die Einladung und verließ das Verlagsgebäude bei der erstbesten Gelegenheit.

Journalist ist nach wie vor mein Traumberuf, aber ich werde meine Überzeugungen bestimmt nicht an Wolfgang Fellner und sein ÖSTERREICH verkaufen.

 

Lesenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Arbeitgeber-Bewertungen von ÖSTERREICH-Mitarbeitern auf Kununu.com. Die Redaktion.

  

1. Update der Redaktion:

Wolfgang Fellner erklärte HORIZONT Online, die Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen. Er habe auf die Frage eines Teilnehmers, wie das Verhältnis zwischen „Heute“ und „Österreich“ sei, gesagt: „Auch wenn es so aussieht, als würden sich die beiden Zeitungen täglich in die Goschn hauen, sind die meisten Redakteure der beiden Zeitungen privat bestens befreundet und treffen sich sogar nach dem Job. Trotzdem will jeder den anderen natürlich bei den Geschichten schlagen!“ Auch die anderen Zitate würden so nicht stimmen.

Der Autor bleibt bei seiner Darstellung.

2. Update:

Vice hat Kobuk-Gründer Helge Fahrnberger zu diesem Artikel befragt. DiePresse.com sprach mit dem Autor und mit Kobuk-Lektor Yilmaz Gülüm

Barack Obama hat einer taumelnden Schwangeren, die bereits von anderen Personen gestützt wurde, die Hand entgegen gestreckt. Verschiedenste Medien stilisierten diese simple Geste des US-Präsidenten zu einer Heldentat und machten allein Obama zum Retter in höchster Not.

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Der Tenor war in allen Medien derselbe: „Obama fing ohnmächtige Schwangere auf“ (orf.at) bzw. „Obama rettete Schwangere“ (oe24.at). Mal nannte man Obama einen „Nothelfer“ (APA, derstandard.at, nachrichten.at, wienerzeitung.at, news.at), oder gleich einen „heldenhaften Präsidenten“, der die Frau vor einem „gefährlichen Sturz bewahrte“ (heute.at).

Lobhudelei nahe am Personenkult. Davon abgesehen: Die Frau wurde gar nicht ohnmächtig. Aber urteilt selbst:

In Deutschland wird über eine Steuer auf kalorienreiche Lebensmittel diskutiert. Zugegeben, eine umsatzsteigernde Schlagzeile ist das nicht gerade. Für Boulevardzeitungen aber offenbar kein Problem – sie erfanden einfach ihren Teil dazu. Und so wurde aus einer simplen Lebensmittelsteuer eine „Strafsteuer für Dicke“.

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Den Anfang machte die Bild-Zeitung. Sie titelte als erstes mit der „Strafsteuer für Dicke“ und bezog sich dabei auf Edgar Franke. Der  SPD-Politiker schlägt im Artikel aber lediglich „eine Gesundheitssteuer auf besonders fetthaltige und zuckerreiche Nahrungsmittel“ vor. Bekanntlich essen auch dünne Menschen gerne einmal Fast Food und andere Kalorienbomben. Von einer Strafsteuer nur für Dicke kann also keine Rede sein. Der Boulevardzeitung war das aber offenbar egal.

Auf diesen Zug sind dann jedenfalls auch andere Medien aufgesprungen. So versahen unter anderem auch die deutsche Ausgabe der Huffington Post und das Webportal von Microsoft MSN ihre Artikel zur Lebensmittelsteuer mit der Headline „Strafsteuer für Dicke“. Die beiden Medien verwiesen dabei ausdrücklich auf Bild.de. Dieser Schlagzeile konnten dann auch Heute.at und „Österreich“ (9.11, Seite 9) nicht widerstehen und so wurden auch in österreichischen Medien die neuesten deutschen Steuerüberlegungen zur „Strafsteuer für Dicke“.

Ob Franke selbst jemals von einer „Strafsteuer für Dicke“ gesprochen hat, ist fraglich. Weder im Bild-Artikel, noch sonst wo, lässt sich dieses Zitat finden. Vermutlich ist die „Strafsteuer für Dicke“ also der Kreativität der Medien zu verdanken. Denn als Franke im ZDF darauf angesprochen wurde, stellt er klar, dass es um eine Steuer gegen Dickmacher und nicht gegen Dicke gehe. Der Titel der ZDF-Sendung lautete übrigens ebenfalls „Strafsteuer für Dicke?“.

In den letzten Tagen haben unter anderem Kurier und profil von einer APA-Umfrage über das Vertrauen in die Landeshauptleute berichtet. In allen Medien war die Darstellung problematisch.

Im Kurier hat das so ausgesehen:

vertrauensindex_kurier

und im profil (nur Print) so:

vertrauensindex_profil

Ausgangspunkt war eine Online-Umfrage von APA/OGM mit 500 Befragten.

Im OGM-Bericht (pdf) liest man, dass die maximale Schwankungsbreite 4,5% beträgt. Das ist so nicht richtig und gilt nur für einen Teil der Daten.

Denn im Bericht werden unter anderem Vertrauenswerte für die Landeshauptleute im jeweils eigenen Bundesland ausgewiesen. Wenn die Stichprobe „sauber“ ist, dann wurden in Vorarlberg und im Burgenland daher nur etwa 20 Personen befragt. Da kann man zwar noch die Formel für Schwankungsbreiten verwenden – allerdings wäre sie deutlich größer als die 4,5%. Generell sollte man aber Stichprobenergebnisse mit n=20 nicht mehr publizieren. Da noch auf die Gültigkeit der Näherungsformeln für Stichprobenschätzungen zu hoffen, ist ziemlich wagemutig. Genau das machen aber sowohl Kurier als auch profil: Sie publizieren die bundeslandspezifischen Werte. Auch im Bericht der APA finden sich diese Zahlen.

Für den Vertrauensindex (Anteil Vertrauen minus Anteil kein Vertrauen) stimmt die im OGM/APA Dokument angegebene maximale Schwankungsbreite ebenfalls nicht. Bei Differenzen von Anteilen aus derselben Stichprobe muss man andere Formeln verwenden, und die Schwankungsbreite wird dann größer. Genaueres dazu (inklusive eines interaktiven Rechenblattes) kann man in meinem Blog nachlesen. Die Schwankungsbreite beim bundesweiten Vertrauensindex von LH Pröll beträgt beispielsweise 8,0% und nicht maximal 4,5%.

Der Kurier publiziert bei den bundesweiten Ergebnissen lobenswerterer weise nicht nur die Differenz „Vertrauen – kein Vertrauen“, sondern auch „Vertrauen“, „kein Vertrauen“ und „weiß nicht“ getrennt. Allerdings gibt’s da Probleme mit der Darstellung. Man kann diese Daten nur getrennt und daher nicht gleichzeitig in einer Grafik sehen. Dabei wäre es sehr einfach, alle Daten in übersichtlicher und aufschlussreicher Form darzustellen, etwa so:

Daten aus dem Vertrauensindex - Darstellung von Erich Neuwirth

Daten aus dem Vertrauensindex – Darstellung von Erich Neuwirth

Diese Grafik zeigt auch, warum es statistisch nicht vertretbar ist, nur die Differenzen zwischen Vertrauen und keinem Vertrauen auszuweisen: beim Vergleich der Landeshauptleute weist der Anteil der Unentschiedenen (gelber Balken) die weitaus größten Unterschiede auf. Diese Information in der Grafik einfach auszublenden erweckt ein völlig falsches Bild. Es hat wohl auch wenig Sinn, das Vertrauen in einen LH eines kleinen Bundeslands, der erst kurz im Amt ist, mit einem langdienenden LH eines großen Bundeslandes zu vergleichen.

Und noch ein Problem gibt’s mit der Kuriergrafik. Bei den 3 verschiedenen Diagrammen ändert sich die Reihenfolge der Landeshauptleute weil die immer der Größe der verschiedenen Werte nach angeordnet werden. Das erschwert vergleichendes Lesen ungemein.

Insgesamt illustriert die Kommentierung und die grafische Darstellung recht deutlich, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, bis Stichprobenerhebungen bezüglich ihrer Schwankungsbreiten sorgfältig kommentiert werden und grafische Darstellungen so gewählt werden, dass es dem Konsumenten möglichst leicht gemacht wird, Erkenntnisse aus den Grafiken abzuleiten.

Statistiker geben aber die Hoffnung nie auf, und außerdem war es früher noch wesentlich schlimmer.

* Erich Neuwirth ist außerordentlicher Professor (i.R.) an der Universität Wien und lehrt Informatik, Statistik und Mathematik.

In der Ausgabe vom 6. November berichtet „Österreich“ auffallend freundlich über die „Erste Wohnmesse“ der „Erste Bank“, sowie über die Errichtung von Stadtvillen in Liesing durch „Seeste Bau“. Dass dies interessante Themen für das „Wohnen“-Ressort sind, will ich nicht bestreiten. Die beiden Inserate von „Seeste Bau“ und „Erste Bank“ auf der selben Doppelseite lassen allerdings den Verdacht aufkommen, dass es sich hier um Schleichwerbung handelt.

„Österreicht“ stellt ausführlich die vielen Qualitäten der kommenden „Erste Wohnmesse“ vor. Neben Information über aktuelle Immobilienangebote, gebe es auch stündliche Talk-Shows, Kinderbetreuung und natürlich finanzielle „Beratung“ – durch die „Erste Bank“ und ihre Partner. Daneben das Bild eines strahlenden Paares und die Worte:

Am Sonntag kann der Traum vom Eigenheim wahr werden.

Na wenn das nicht vielversprechend klingt.

Darunter folgt die nächste Empfehlung der „Österreich“-Redaktion: die Wohnanlage An der Au, errichtet von „Seeste Bau“ – dem zweiten Werbekunden auf der Doppelseite. Es wundert einen kaum, dass sich die wohlwollenden Worte über die Anlagen fast eins zu eins auf der Internetseite der „Seeste Bau“ finden lassen (idente Satzbausteine durch uns hevorgehoben):

„Österreich“:

Die Parkvillen An der Au vereinen Vorteile modernen und familienfreundlichen Stadtlebens in der Grünruhelage mit den Vorzügen bester Infrastruktur in direkter Umgebung (Einkaufszentrum Riverside, Buslinien in die City, Kindergärten und Schulen)

„Seeste Bau“:

Die PARKVILLEN AN DER AU [sic!] vereinen Vorteile modernen und familienfreundlichen Stadtlebens in Grünlage mit den Vorzügen bestern [sic!] Infrastruktur in direkter Umgebung, sowie Kindergärten, Schulen (Kollegium Kalksburg & Privatschule Santa Christiana), ein Ärztezentrum und Einkaufsmöglichkeiten im Shoppingcenter Riverside.