Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

„Österreich“ hat bei Gallup wieder mal billig eingekauft. Lediglich 400 Personen wurden befragt, das politische Feld liegt denkbar eng beieinander und dennoch sieht das Fellner-Blatt die FPÖ zielsicher auf Platz 1 — mit nur einem (!) Prozentpunkt Vorsprung.

(ÖSTERREICH, 29.05.2014, S. 6)

Sogar eine Presseaussendung hat die Redaktion dazu gemacht. Vermutlich in der Hoffnung, einen Teil der Umfragekosten über Gratiswerbung wieder einzuspielen, falls seriöse Medien die „Österreich“-Meldung übernehmen.

(ÖSTERREICH OTS, 28.05.2014)

Davon können wir nur abraten. Denn alleine die statistische Schwankungsbreite, die „Österreich“ wohlweislich verschweigt, liegt hier bei über vier Prozentpunkten. Das ist ungefähr so, als hätte man ein knappes Ski-Rennen mit der Armbanduhr gestoppt und danach den Sieger ausgerufen.

Hier mal wahlfrei ein paar Alternativen, wie dieses Polit-Rennen innerhalb der Schwankungsbreite und auf Basis der selben Umfrage genauso gut auch ganz anders ausgehen könnte:

"Österreich"-Umfrage Varianten by KobukWir sehen, bei dieser nahezu völlig nichtssagenden Gallup-Erhebung ist gerade mal die Reihenfolge zwischen Alt- und Jungparteien statistisch signifikant. Aber wenn die Umfrage schon mal Geld gekostet hat, muss halt auch eine ordentliche Schlagzeile herausschauen.

„Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner wurde mal auf Ö1 mit der Kritik von Experten an derart fragwürdigen Umfragen konfrontiert. Sehr einsichtig zeigte er sich nicht, um es vorsichtig auszudrücken. Stattdessen zweifelte er tatsächlich die Qualifikation der Wissenschaftler an, immerhin einem Statistik-Professor und langjährigen Hochrechner, sowie einer ausgewiesenen Umfrageexpertin und Professorin an der Universität Wien. Ich fürchte, ein Eskimodichter wird da auch nicht mehr viel ausrichten…

 

Update: Markus hat unten in den Kommentaren auf zwei missverständliche Formulierungen hingewiesen. Diese wurden im Artikel geändert.

Etwas Besseres kann einem Amokläufer nicht passieren:

  • Sein Name wird weltweit bekannt.
  • Medien zeigen ihn nur in vorteilhaften Bildern und Posen, die der Mörder vor der Tat selbst gezielt ausgewählt hat.
  • Journalisten verbreiten ausführlich seinen „Leidensweg“, den der Täter praktischerweise druck- und sendefertig hinterlassen hat.
  • Seine Opfer — und Menschen, die ihn angeblich zur Tat „getrieben“ haben — lernt man fast nur aus Sicht des Verbrechers kennen. Er bestimmt den ersten Eindruck, den die Öffentlichkeit von ihnen hat. Wie sie ihn angeblich erniedrigt oder zurückgewiesen haben und wie all dies scheinbar zwangsläufig zur Tat führen musste.
  • Alle Namen, die der Täter in seinem „Vermächtnis“ nennt, werden ans Licht gezerrt.
  • Von ihm Beschuldigte — manchmal sogar Hinterbliebene der Opfer — müssen sich öffentlich für Verhalten rechtfertigen, das die Tat ausgelöst haben soll.

Ein Verbrecher steuert posthum die ganze Medienarbeit.

Wie weit das gehen kann, zeigt sich exemplarisch am Beispiel einer jungen Frau, die zum Glück kein Opfer ist — zumindest nicht des Täters. Sie wird vom Gratisblatt „Heute“ (und weltweit von Medien ähnlicher Machart) an den Pranger gestellt, weil sie angeblich Schuld am Amoklauf sein soll:

(HEUTE, 28.5.2014, S. 2)

Amoklauf: Weil ihm diese Blondine das Herz brach?
„Jungfrauen-Killer“ […] tötete sechs Menschen — weil ihn die Blondine M████ M██ abgewiesen hatte, wie er in seinem Manifest [sic!] schreibt.



Die „Blondine“ auf dem gestohlenen Facebook-Bild war übrigens zehn Jahre alt, als sie dem späteren Amokläufer „das Herz brach“.

"Die Schande von Stein" (FALTER 21/14, S. 16)Man braucht schon einen guten Magen bei den Bildern, die der FALTER diese Woche veröffentlicht hat: Schwer entzündete, grauenhaft verschuppte Beine, zentimeterlange Fußnägel … ein 74-jähriger psychisch kranker Gefangener war in der JVA Stein so lange medizinisch unversorgt geblieben, bis im März schließlich Verwesungsgeruch aus seiner Zelle geströmt war.

Ein Skandal, der selbst den Justizminister „betroffen und zornig“ machte: Dieser Fall sei ein Zeichen struktureller Schwächen im Strafvollzug. Alle Umstände müssten aufgeklärt werden, so Brandstetter in einer ersten Reaktion.

Ganz anders sieht das die „Krone“ heute:

Ein "Skandal" in Anführungszeichen (Krone, 22.05.2014, S. 16)

Der Skandal ist für die Kronen Zeitung keiner, darum steht er in Anführungszeichen. Aus dem wegen Mordversuchs Inhaftierten macht sie plakativ einen Mörder. Und dass niemand Alarm geschlagen habe, sei schlicht falsch: so habe die „Häfen-Leitung“ doch „bereits“ im März Selbstanzeige erstattet.

Ja, nachdem es nicht mehr anders ging, weil oben erwähnter Verwesungsgeruch aus der Zelle getreten war. Monatelanges Vernachlässigen und Wegschauen als Falschmeldung darzustellen, weil am Ende notgedrungen eine Selbstanzeige erfolgte, das ist schon ein ganz spezieller Dreh.

Als weitere Entlastungsbeweise bringt das Blatt dann noch Auszüge aus dem Vernehmungsprotokoll des Inhaftierten. Darin gibt er an:

[…] dass weder das ärztliche Personal noch die Justizwachebeamten im Zusammenhang mit dem Sachverhalt irgendeine Schuld trifft. Ich habe den Verband verheimlicht.

Mal abgesehen davon, dass die Aussagen in ihrer Formulierung und Entlastungszielstrebigkeit so authentisch wirken, als hätte der Mann einen JVA-Ghostwriter gehabt — für die „Krone“ scheint es also okay, wenn ein psychisch Kranker, quasi „auf eigenen Wunsch“, sich selber überlassen bleibt und sprichwörtlich in seiner Zelle fast verrottet. Mitgefühl lässt sich nur gegenüber den Beamten erkennen, die suspendiert wurden, während doch

[…] der „Krone“ Dokumente vorliegen, die ein anderes Bild zeigen

Anwalt des kleinen Mannes?

Es ist nicht das erste Mal, dass die Kronen Zeitung kein Interesse an der Aufklärung von Missständen zeigt: Auffallend oft, wenn staatliche oder kirchliche Autoritäten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, schlägt sich die „Krone“ fast reflexartig, noch bevor der Sachverhalt annähernd klar ist, auf die Seite der Obrigkeit. Als würde zu viel Aufklärung das Machtgefüge bedrohen, versucht sie in einer Art staatstragendem Selbstverständnis mögliches Unrecht unter den Teppich zu kehren und eine objektive Aufarbeitung zu unterbinden — bestenfalls durch Totschweigen, schlimmstenfalls per Kampagne gegen die Opfer.

"So tobte der Schubhäftling" (Krone, 5.5.1999)Das hatten wir beim unbescholtenen Marcus Omofuma, den die „Krone“ nach der tödlichen Abschiebung auf ihrer Titelseite verunglimpfte und später noch als Drogendealer verleumdete. Beim massenhaften Kindesmissbrauch durch Geistliche, den die Kronen Zeitung praktisch totgeschwiegen hat, während alle anderen Medien auf ihren Titelseiten berichteten. Und zum Beispiel auch bei jenem unbewaffneten 14-Jährigen, dem aus zwei Metern Entfernung von der Polizei in den Rücken geschossen wurde. „Krone“-Star Jeannée dazu: „Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben“ — was uns zurück zu den Eingangsworten dieses Beitrags führt.

Die BBC verbreitete die vermeintliche Sensation zuerst: Ein neues Gesetz zwinge Männer in Nordkorea dieselbe Frisur zu tragen wie der Große Führer Kim Jong-un. Aber stimmt das auch? Nord-Korea-Experten haben da ihre berechtigten Zweifel.

Schon die Quelle der BBC ist höchst fragwürdig. Man stützte sich nämlich nicht auf eigene Recherchen, sondern übernahm die Meldung von „Radio Free Asia“ – einem von der U.S.-Regierung bezahlten Sender, der bereits mit propagandaartigen Meldungen auf sich aufmerksam machte und häufig Bizarres aus Nordkorea bringt. Keine wirklich solide Quelle für guten Journalismus also. Für die BBC aber offenbar gut genug. Der Rest der Medienwelt dachte sich dann offenbar: Hey, wenn es die BBC sagt, dann wird es schon stimmen. Die Story verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

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Überall auf der Welt war sie zu lesen. Das Schema war immer gleich: Zunächst hieß es, alle nordkoreanischen Männer müssen Kim Jong-Uns Frisur annehmen, was Unbehagen in der Bevölkerung auslöse. Der Haarschnitt passe schließlich nicht zu allen Gesichtsformen; die Frisur sei überhaupt typisch für chinesische Schmuggler. Wenig später wurde die Aussage relativiert. Nun hieß es plötzlich: Die Weisung würde nur nordkoreanische Studenten betreffen. Tags darauf zweifelten dann manche Medien an der Zuverlässigkeit der Geschichte, wohl auch weil Nordkorea-Experten die Meldung schon sehr früh für extrem unwahrscheinlich hielten.

Auf meinen Anruf hin kommentierte auch der Nordkorea-Experte  der Universität Wien, Rüdiger Frank:  „Dass dieser spezielle Kim Jong-un-Haarschnitt zum einzigen zulässigen Haarschnitt für nordkoreanische Männer erklärt wird, halte ich spontan für einen großen Blödsinn.“ Etliche andere Kenner des Landes äußerten ähnliche Zweifel. Und tatsächlich relativierte sich die Meldung bis sie schließlich haltlos wurde und sich herausstellte: „Mandatory Kim Jong-un Haircuts for North Koreans are no more than an unfounded rumour“.

Diese Aufdeckung wurde aber nicht so kolossal verbreitet wie die ursprüngliche Geschichte, sondern entweder gar nicht berücksichtigt oder als kleines Update mehr wie eine Fußnote behandelt.

Wir erinnern uns: Eine echte Bestätigung der Story gab es zu keinem Zeitpunkt. Die einzige „Quelle“ war Radio Free Asia.

Es gilt: Der Umgang mit nordkoreanischen Nachrichten ist mit Vorsicht zu genießen. Mythen und Gerüchte auf Basis anonymer Quellen tauchen oft in internationalen Mainstream-Medien auf und bilden dort eine Echokammer. Dass die Meldung genau in diese Kerbe schlägt, schien die BBC und alle weiteren aber nicht zu fundierter Recherche wenigstens ein oder zwei Anrufen zu bewegen. Die BBC folgte damit dem Sog: Stories aus Nord Korea – je skurriler, desto wahrer – mit dem Effekt, das Regime als „silly und insane“ zu branden.

Dieser Chart von Reuters sollte in die statistischen Lehrbücher eingehen — mehr Lügen mit Statistik geht nicht:

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Auf den ersten Blick scheint das umstrittene „Stand-your-ground law“ (wir erinnern uns an den unbewaffneten Trayvon Martin, der in Florida von einem Nachbarschaftswächter erschossen wurde), einen überraschend positiven Rückgang der Todesfälle durch Schusswaffen bewirkt zu haben. Etwas unsauber nur, dass die Y-Achse scheinbar bei 800 1000 beginnt, statt bei Null. Ein klassischer Trick in der Darstellung, der kleine Veränderungen „heranzoomt“ und dadurch viel dramatischer wirken lässt. Aber okay, wo ist jetzt das große Problem…?

Die Y-Achse steht auf dem Kopf!

Ja, richtig gelesen. Nicht die weiße Fläche unter der Linie zeigt die Zahl der Schusswaffentoten, sondern die rote Fläche darüber. Die Y-Achse beginnt nämlich tatsächlich bei Null, nur steigen die Werte nicht nach oben hin an, sondern nach unten! In Wahrheit gab es also einen massiven Anstieg bei den Schusswaffentoten.

So wie im Chart rechts würde es richtig herum aussehen:

reuters_infografik_gau_2

Dabei war Irreführung vermutlich gar nicht das Ziel. Auf Twitter erläuterte die verantwortliche Reuters-Grafikerin mittlerweile, was ihre Grundidee gewesen sei:

Eine weiße Fläche an der Blut herabläuft und je mehr rot, desto schlechter die Statistik. Beim Vorbild hat das auch hervorragend funktioniert. Nur bei Reuters ist es gründlich danebengegangen.

(via @hrtbps/Twitter)

Um dem ORF eins auszuwischen spielt die „Kronen Zeitung“ ausnahmsweise einmal selbst Sprachpolizei – und scheitert damit. Die Kolumne „Klartext“ nimmt am 5. April die rassistischen Ausflüsse rund um FP-Politiker Andreas Mölzer zum Anlass, um den ORF über die vermeintlich korrekte Aussprache von Alabas Vornamen zu belehren:

(…) Selbstverständlich ist Alaba ein waschechter Wiener. Er heißt daher mit Vornamen David, und nicht „Deivid“ Alaba, lieber ORF.“

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Es zeigt sich: Nicht nur der ORF unterliegt diesem scheinbar groben Irrtum. Auch Alabas Vater George, seine Schwester Rose (oder Ro-sé?) (01:36), der Ex-Präsident seines aktuellen Klubs und last but not least das Fußball-Ass selbst wissen nichts von dieser Sprachregel. Aber die „Krone“ weiß es eben einfach besser.

https://www.youtube.com/watch?v=r4TxJT0a2KM

 

Im wöchentlichen auf Papier gedruckten Fernsehprogramm „TV Media“ der Verlagsgruppe NEWS findet sich auf Seite 142 der Ausgabe 7/2014 ein nicht gekennzeichnetes UPC-Inserat:

 

tv_media_2014_07_seite142-43

 

Außer der Tatsache, dass die darauf zu Wort kommende Sandra Zotti als UPC-Chefredakteurin bezeichnet wird, finden sich keinerlei Hinweise und schon gar keine Kennzeichnung im Sinne des österreichischen Mediengesetzes § 26, dass es sich um bezahlte Werbung handelt. Im Gegenteil, Aufmachung und Art des Inhalts sind jenem der nächsten Seite sehr ähnlich. TV-Media-Chefredakteur, Hadubrand Schreibershofen, kommentierte das, telefonisch um Stellungnahme gebeten, so:

Der Inhalt wird vom Kunden so angeliefert. Diese oder ähnliche UPC-Seiten gibt es doch schon seit Jahren!

Ähnlich auf Seite 150 derselben Ausgabe:

tv_media_2014_07_seite150-51

Aufmachung und Stil entsprechen auch hier – mangels Kennzeichnung rechtswidrig – dem Layout des restlichen Magazins. Leser und Leserinnen können somit nicht erkennen, dass es sich um Werbung handelt.

Die „Salzburger Nachrichten“ beweisen in der Wochenendausgabe vom 11. Jänner höchste Pietätlosigkeit. Der schwere Trainingssturz des Skispringers Thomas Morgenstern wird dort durch sechs Serienbilder übertrieben deutlich illustriert.

Zur Erinnerung: Am 10. Jänner fanden in Bad Mitterndorf auf der Skiflugschanze „Kulm“ die Trainingssprünge des ÖSV statt. Thomas Morgenstern stürzte während des Sprungs und fiel mit der Kopf- und Rückenpartie voran auf die Piste.

morgenstern fertig

Diese Abbildungen sind aus ethischer Sicht wohl äußerst strittig, da Morgenstern zu diesem Zeitpunkt mit einer schweren Schädelverletzung auf der Intensivstation lag. Ob und welche Folgeschäden er haben würde, war damals noch völlig unklar. Die Salzburger Nachrichten druckten Bilder, die zeigen wie Morgenstern mit verdrehten Gliedern bzw. auf dem Gesicht die Piste hinunterrutscht. Mit „Information“ hat das wenig zutun.

Wer sich selbst ein Urteil machen möchte: Einen unverpixelten Scan der Salzburger Nachrichten gibt es hier.

Wir haben in dieser Sache den Presserat bereits um eine Stellungnahme gebeten.

Eines muss man der „Krone“ lassen: Wenn sie sich in ein Thema verbissen hat, bleibt sie hartnäckig dran. Mit beinahe allen Mitteln. Da werden Zusammenhänge herbei fantasiert, Quellen unsauber angegeben und Menschen pauschal verurteilt. Dieses Mal im Visier: Die ominöse „Bettelmafia“.   
Die Story ist eingängig und wird seit Jahren nicht nur vom Boulevard verbreitet: Eine osteuropäische Bettelmafia zwinge verarmte Menschen auf heimischen Straßen zu betteln. Von diesem Geld leben die „Bosse“ in den Heimatländern in Saus und Braus. Beweise dafür sind bis heute rar. Natürlich sprechen sich zwar auch arme Menschen ab und „organisieren“ etwa eine gemeinsame Fahrt und Unterkunft. Mafiöse Strukturen im großen Stil konnten allerdings auch in wissenschaftlichen Arbeiten nicht nachgewiesen werden. Fakten scheinen für die Krone aber ohnehin zweitrangig zu sein – wie eine Artikelserie im Jänner zeigt.

Krone SBG Bettler-Bosse leben in Villen 2014-01-19_Krone_Sbg_22 2014-01-20_Krone_Sbg_10 2014-01-20_Krone_Sbg_11 2014-01-21_Krone_Sbg_20 2014-01-21_Krone_Sbg_21

Den Anfang macht die Salzburger Krone am 19. Jänner. Dort kommt ein rumänischer Botschaftsrat zu Wort, der über die Existenz einer Bettelmafia erzählt. Für die Krone sind das bereits unumstößliche Tatsachen.

Schon am folgenden Tag legt die Zeitung nach und liefert die passenden Bilder zu den Aussagen des Botschaftsrates. Sie stammen aus dem rumänischen Dorf Buzescu und wurden von „National Geographic Deutschland“ aufgenommen. Zu sehen sind posierende Kinder, die nicht gerade einen sympathischen Eindruck machen, und bizarr anmutende Villen in kitschigem Prunk.

Villen in Rumänien

Für die Krone ist klar:

„Ihre Besitzer sind Roma. Clans, die verarmte Menschen zum Betteln ins reiche Westeuropa schicken und auch noch mit „Metallhandel“ ihr Geld machen.“

Den Zusammenhang zwischen den Bildern aus Buzescu und Bettlern in Österreich stellt aber nur die Krone her, denn der Autor des National Geographic-Artikels Tom O‘Neill erwähnt das Thema Betteln mit keiner Silbe. Im Gegenteil: Dort steht, das Geld sei mit Altmetallhandel nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verdient worden. Nicht nur, dass die Krone einen Zusammenhang zwischen den Bildern und einer Bettelmafia behauptet, sie suggeriert auch noch, dass es sich dabei um das Rechercheergebnis der deutschen Kollegen handelt. 

Armenpfarrer Pucher in der Krone

Immerhin lässt die Salzburger-Krone in ihrem nächsten Artikel am 21.1. die „Gegenseite“ zu Wort kommen, in Gestalt des „Armenpfarrers“ Wolfgang Pucher aus Graz. Er bestreitet die Sichtweise der Krone vehement.

Und doch ist die Artikelserie in der Salzburger-Krone nichts im Vergleich mit der Oberösterreich-Ausgabe wiederum einen Tag später, am 22.1. Denn die Linzer Redaktion betätigt sich als journalistischer Resteverwerter und formt aus den haltlosen Behauptungen der Salzburger-Krone einen eigenen Bericht, bei dem man den Eindruck bekommt, die Zeitung selbst habe nach langer Recherche endlich die Bosse der Bettelmafia überführt.

 

Wieder verwendet man die eigentlich harmlosen Bilder von „National Geographic“. Plötzlich scheint die Krone aber zu wissen:

„Diese Villen werden mit Bettlergeld finanziert.“

OÖ-Krone OÖ Krone 2

Als Fotocredit liest man „Krone“. Ein Hinweis auf „National Geographic“ oder Metallhandel? Keine Spur.

Ungeachtet dessen, wie die fotografierten Villen tatsächlich finanziert werden, ob es in Zusammenhang mit der Armutsmigration auch kriminelle Strukturen gibt und inwieweit osteuropäische Bettler Opfer solcher Strukturen sind: Augenscheinlich ist der Krone beinahe jedes Mittel recht, um die Ressentiments in der Bevölkerung und den Mythos der Bettelmafia weiter zu bedienen.

Das zeigt auch die Wiener Ausgabe am 23.1. Am Titelblatt heißt es:

2014-01-23_Krone_Wien_01xTatsächlich geht es im Artikel um einen Vater, der seine Kinder an einem Bahnhof in Wien aussetzte. Ein tragischer Fall, keine Frage. Was das aber mit einer „Mafia“ zu tun haben soll, das weiß vermutlich nur die Krone.

Meistens beglückt das ProSieben-Magazin „taff“ ja mit leicht verdaulichen Lifestyle- und Promi-Geschichten. In der Ausgabe vom 6. Jänner (ca. ab Minute 7 Der Beitrag ist mittlerweile offline. Siehe Update ganz unten) thematisiert „taff“ mit einem Beitrag über die vermeintliche „Bettelmafia“ aber recht schwere Kost – und verblüfft dabei mit haltlosen Anschuldigungen, Kriminalisierung und völlig fehlender Objektivität.

Bildschirmfoto 2014-01-19 um 17.37.25

In der Reportage sollen Bettler in München mit versteckter Kamera überführt werden, Teil der „Ostblock-Bettelmafia“ zu sein, welche „taff“ zufolge Deutschland derzeit „überschwemme“. Der „Plan“ dieser Bettler sei einfach:

„Verstümmelung und traurige Hundeaugen – die verursachen bei uns ganz schnell Mitleid, und sie öffnen ganz schnell unseren Geldbeutel.“

Im Beitrag wollen die Reporter eine vermeintlich kriminelle Bettler-Bande ausgemacht, und auch einen handfesten „Beweis“ für deren Kriminalität gefunden haben:

„Ob sie (Die Bettler-Bande, Anm.) wirklich bedürftig sind, darf bezweifelt werden, immerhin hat der Mann im roten Ski-Anzug ein Handy!“

Bildschirmfoto 2014-01-19 um 17.55.28

Von nun an unterstellen die Reporter eben diesem Mann in rot (siehe Bild), ein „Anführer der Bettelmafia“ zu sein. Ein Mann, der in einem zerlumpten roten Anzug im Winter auf der Straße sitzt – so stellt sich „taff“ also einen Mafiapaten vor.

Die nächste haltlose Mutmaßung folgt:

„Immer wieder dreht er seine Runden, besucht seine fünf Gefährten und gibt ihnen jedes Mal die Hand – vermutlich, um das erbettelte Geld einzusammeln und abzukassieren.“

Echte Fakten , die belegen, dass der Mann der Boss von irgendeiner Mafia sei, werden zwar nicht mehr geliefert. Für „taff“ scheint die Sache aber eh schon so gut wie bewiesen. Der feindliche Grundton des restlichen Beitrages, sowie O-Töne und Passanten-Interviews tun das übrige: Es entsteht ein völlig einseitiges Bild von „Betrügern“, die „mitleidserregende Hundeblicke“ auflegen, aber am Ende des Tages „mit dem dicken Benz“ nach Hause fahren. Auf Gegenpositionen oder Hintergründe zum Thema wird sowieso komplett verzichtet.

Die „Bettelmafia“ ist seit ewigen Zeiten ein wiederkehrendes Thema. Etliche Medien, Organisationen und Dokumentationen haben sich in unseren Breitengraden schon mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Ganz so eindimensional wie bei „taff“ sieht deren Fazit aber nicht aus: Eindeutige und endgültige Belege für organisierte Kriminalität im großen Stil, oder gar mafiöse Strukturen, lassen sich demnach schwer bis gar nicht nachweisen.

Auch wenn es so wirken soll: mit aufklärendem Journalismus hat der „taff“-Beitrag denkbar wenig zu tun. Womöglich haben sich die gezeigten Bettler zwar in einer kleinen Gruppe organisiert. Aber selbst wenn: Zu einer „Mafia“ macht einen das alleine noch nicht.

 

Update:
Die gesamte Sendung ist leider nicht mehr online. Der Beitrag alleine ist hier (noch) zu sehen.