Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: ! Starker Kobuk

Wir hatten ja schon viel hier auf Kobuk: Spalten– oder seitenweise ungekennzeichnete Werbung, 1:1 abgedruckte Presseaussendungen, von der Schoko-Industrie finanzierte Gesundheitsstudien oder überhaupt „Berichterstattung wie vereinbart“.

Aber Reisevertrieb per Tageszeitung-Titelstory, das ist neu:

Die „259 Euro für 1 Woche Luxus“ der Titelseite finden sich auf Seite 6 wieder: Als ein Angebot der Joe24.at GmbH, eine 100%-Tochter der Media Digital GmbH, die wiederum zur Gänze der Fellner Medien GmbH gehört. Genau wie die Tageszeitung „Österreich“.

Joe24-Geschäftsführer Peter Grossmann darf auch gleich die Begründung liefern, warum derzeit ein „neuer Reise-Boom“ dafür sorgt, dass die „Jets ausgebucht“ sind:

Zu besten Zeiten flogen wöchentlich 2.000 Österreicher nach Ägypten. Laut Grossmann könnte das bald wieder so sein.

Der „neue Run auf Reisen ans Rote Meer“ ist nicht nur eine Titelstory wert, sondern offenbar auch so massiv, dass Grossmann seine Reisen zu Spottpreisen verschleudern muss, um die Flieger voll zu kriegen: „Im Schnitt sind die Preise um 40% günstiger.“

Immerhin sind vier der zehn aufgelisteten „besten Ferien-Angebote“ von der Konkurrenz. Doch sind sie das wirklich? Zwei der vier Reisen werden von ETI angeboten, ein auf Ägypten spezialisierter Reiseveranstalter, der auch der Veranstalter von 10 der 12 derzeit von Joe24 vermittelten Pauschalreisen ist. Zu erkennen auch am Scan unten am ETI-Sonnenlogo auf den drei Reisen. Der ETI-Chef kommt neben seinem Geschäftspartner Grossmann auch im Artikel zu Wort.

Die beiden übrigen Reisen werden von Ltur angeboten – zumindest theoretisch. Praktisch konnte ich auf Ltur.com weder eine derart günstige Ägypten-Reise finden, noch überhaupt irgendeine, die von österreichischen Flughäfen aus starten würde. (Screenshots verfügbar.) Es dürfte also der gesamte Umsatz, der durch diese Titelgeschichtenkampagne erzielt wird, bei Joe24 und seinen Geschäftspartnern landen.

Eine kleine Formulierung eines anscheinend von Gewissen und Herausgeber geplagten Redakteurs lässt einen Lichtblick am düsteren Himmel der journalistischen Prostitution erhoffen:

Seit Mubarak abtrat, wollen scheinbar alle nach Ägypten reisen.

Wen dieser Schein bis hierhin nicht getäuscht hat, den überzeugt vielleicht die Rückseite derselben Tageszeitung (unten) – oder der eine oder andere redaktionelle Beitrag à la „Urlaub jetzt so billig wie nie“ und „Last-Minute ist Sommer-Reise-Trend„.

Für alle Beteiligten gilt übrigens die völlige Unschuldsvermutung.

Update: Oben zwei Absätze zu den Reiseveranstaltern ETI und Ltur eingefügt. Danke Hans für den Hinweis!

Update 2: They did it again.

(Scans: „Österreich“ Gratisausgabe, Freitag 18. 2. 2011; via Chorherr)

Es ist eines dieser Urteile, die man sonst nur aus Amerika “kennt”: Weil ein Rentner beim Rasenmähen fröhlich jodelte, und damit seine muslimischen Nachbarn im Gebet störte, wurde er von einem Grazer Gericht zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt.

So jedenfalls berichtete es die Kronen Zeitung diesen Sonntag:

Das Leserforum unter dem Artikel musste mittlerweile geschlossen werden, weil „gegen die Netiquette verstoßende Postings überhandgenommen“ hätten. Ein Euphemismus, der in der Regel andeutet, dass die Moderation mit dem Löschen strafrechtlich relevanter Kommentare nicht mehr nachkam.

Doch wenn die Krone ihre Foren schließt, blüht ihre Saat in anderen erst auf. Manche dort haben Herrn G. dann sogar angerufen und ihm finanzielle Unterstützung für seinen Kampf gegen das Urteil angeboten. Doch das wolle er nicht annehmen, berichteten die Anrufer — und das hat einen guten Grund…

Es gibt nämlich gar kein Urteil. Doch der Reihe nach:

Der Freitag

Helmut G. mähte an einem Freitagnachmittag auf seinem Grundstück in Graz den Rasen. „Und weil ich so gut gelaunt war, hab ich dazu gejodelt und ein paar Lieder angestimmt“, erzählt der Pensionist.

Herr G. dürfte ein überaus fleißiger Rasenmäher und Jodler gewesen sein, deutet man unter Verweis auf die Unschuldsvermutung bei jenem Grazer Gericht an, das den Fall verhandelt hat.

Fast ein ganzes Jahr lang, von 2009 bis Sommer 2010 habe er regelmäßig an Freitagen, immer zur Gebetszeit seiner Nachbarn, den Rasen gemäht und dabei „fröhlich“ gejodelt. Oder auf andere kreative Art das Gebet seiner Nachbarn lautstark gestört und verhöhnt, heißt es sinngemäß in den erhobenen Vorwürfen. Auch nachdem die Lautsprecherübertragungen der Gebete in den Garten längst eingestellt waren, soll er sein Treiben noch monatelang fortgesetzt haben.

Die Anzeige

Das passte seinen Nachbarn, gläubigen Moslems, gar nicht. […] Einige fühlten sich von dem rasenmähenden 63-Jährigen in ihrer Religionsausübung gestört – und zeigten ihn prompt bei der Polizei an.

Die Anklage erfolgte nicht auf Betreiben der Muslime. Nachdem die Polizei auf ihre Bitte mehrmals eingeschritten war, hielt sie es aber für nötig, die Vorfälle an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, musste diese dann von sich aus ein Verfahren einleiten. Aus den Akten gehe laut Gericht hervor, dass die Muslime stets auf eine einvernehmliche Lösung gedrängt hätten.

Das „Urteil“

[Das Gericht] verurteilte einen Pensionisten (63) […] „In der Begründung hieß es, mein Jodler habe wie der Ruf eines Muezzins geklungen“, schüttelt Helmut G. fassungslos den Kopf.

Es gibt keine Verurteilung und damit auch keine Urteilsbegründung. Das Strafverfahren wurde nach Diversion, gegen Zahlung einer Geldbuße, eingestellt. Für Herrn G. gilt daher bezüglich aller genannten Vorwürfe weiterhin die Unschuldsvermutung. Auch wenn er selbst der Diversion ausdrücklich zugestimmt hat.

Epilog

In einem Folgeartikel rühmte sich die Krone gestern, unser Land über die Grenzen hinaus mit ihrer „Exklusivstory“ lächerlich gemacht zu haben:

Vom „irren Jodel-Prozess in Österreich“ berichtet die „Hamburger Morgenpost“, „skurril“ nennt der deutsche „Express“ das umstrittene Urteil: Die „Steirerkrone“-Exklusivstory über den Moslem-Streit in Graz […] schlug Wellen bis über die Landesgrenzen hinaus!

Sogar Johannes B. Kerner wolle den Rentner jetzt in seine Show einladen, heißt es. Na, dann kriegen unsere Freunde vom BILDblog ja vielleicht auch noch was zu tun…

[Update 15:07] krone.at hat alle Artikel zu dieser Geschichte offline genommen (heute war kurzzeitig noch ein dritter Bericht über HC Strache hinzugekommen, der sich über das „Urteil“ empöre und anbot, dem Rentner die Strafe zu bezahlen.)

[Update 22:10] Der Standard zitiert Kobuk in seiner morgigen Printausgabe, worüber wir uns prinzipiell freuen. Allerdings hat der Rentner nicht „ein Jahr täglich“ beim Rasenmähen gejodelt, wie das Blatt schreibt, sondern „nur“ wiederholt an Freitagen die Gebete gestört und das — wie ebenfalls bei uns zu lesen ist — durchaus auch mit anderen kreativen Methoden.

[Update 23:30] Der Standard hat den Artikel tlw. korrigiert und lässt den Rentner nun nicht mehr täglich Rasenmähen.

[Update 4.12.] Die Obersteirischen Nachrichten (ON) verbreiten die Krone-Story noch am 2.12. ungeprüft in ihrem Leitartikel weiter. Er schließt mit der Frage: „Wie dumm sind wir Österreicher samt unseren Gesetzen eigentlich“…? (Danke an Wolfgang K. für den Hinweis)

Krone bunt Cover vom 19. September

Am 19. September erschien in der „Krone bunt“ die 32 Seiten umfassende Serie „Wirtschaftsstandort Wien“. Darin präsentierten sich zwölf Unternehmen und erzählten von ihren Zukunftsvisionen. Wie jetzt aus einem Bericht des PR-Ethik-Rates (PDF) hervorgeht, handelte es sich bei der Beilage um bezahlte Einschaltungen, also um Werbung. Diese war jedoch in keinster Weise als solche gekennzeichnet. Ein klares Vergehen der Kennzeichnungspflicht nach § 26 Mediengesetz, so der PR-Ethik-Rat.

Der Bericht hält weiter fest, dass der Tarif für eine Doppelseite 30.000 Euro betrug.  Der verantwortliche des Projekts, Chefredakteur und Herausgeber der Krone Christoph Dichand, war zu keiner Stellungnahme gegenüber dem Ethik-Rat bereit.

Ein brisantes Detail: Auch ein Interview mit Bürgermeister Michael Häupl unter dem Titel „Der Wähler soll auf Nummer sicher gehen“ findet sich in der Beilage. Was für den/die LeserIn wie ein journalistisch geführtes Gespräch wirkt, war allem Anschein nach die Folge bezahlter Einschaltungen.  Erschwerend kommt hinzu, dass die Veröffentlichung drei Wochen vor den Wiener Gemeinderatswahlen erfolgte.

Häupl äußert sich zu Fragen wie: Was kann ein Bürgermeister konkret beitragen, damit in einer Großstadt wie Wien Lebensqualität erhalten bleibt oder sich im besten Fall sogar steigert? Oder: Womit kann Wien als Wirtschaftsstandort gegenüber anderen Städten punkten? Fragen, die zu einer Werbebotschaft geradezu einladen. Der Standard äußerte zur „Krone bunt“ Ausgabe bereits im September Bedenken.

Der seit 2008 existierende PR-Ethik-Rat sprach damit erstmals eine öffentliche Rüge aus, nachdem sie im März 2010 (PDF) bereits für mehr Transparenz bei bezahlten Berichten appeliert hatten. „Dieses Vergehen ist so alt wie die Branche selbst, aber in den letzten Jahren hat sich das Problem dramatisch verschärft“, so die stellvertretende Vorsitzende Renate Skoff gegenüber Kobuk . Da es sich beim PR-Ethik-Rat um ein Organ der freiwilligen Selbstkontrolle handelt, kann sie die Krone mit keinen weiteren Sanktionen belegen.

Abschließend wird in dem Bericht festgehalten:

Den Branchenusancen entsprechend geht der PR-Ethik-Rat davon aus, dass bezahlte Produkte wie die gegenständliche Beilage allen Beteiligten vor Drucklegung zur Freigabe vorgelegt werden.(…) Die Glaubwürdigkeit der gesamten Kommunikationsbranche steht auf dem Spiel.

Bei den beteiligten Firmen handelt es sich um: Erste Bank Group, Austrian Airlines, A1 Telekom, Siemens, Vienna Insurance Group, PORR, Flughafen Wien, Signa Holding, REWE Österreich, Austria Trend, Hotels (Ruefa, Verkehrsbüro), Wiener Städtische und Donau Versicherung.

Ein ähnlicher Fall wurde auf Kobuk bereits reblogged: Berichterstattung wie vereinbart

Update:

Der PR-Ethik Rat stellte uns freundlicher Weise einen der betroffenen Artikel zur Verfügung. So sieht Werbung im journalistischen Gewand aus:

Von Datenschutz halten Kinder hierzulande wenig„, schreibt die Gratiszeitung „Heute“. Während die „Krone“ zur gleichen Studie in eine Sex-Schlagseite verfällt und zu groteskem Spagat fähig ist, macht sich „Heute“ an private Daten. Und zwar an die privaten Daten eines 12-jährigen Mädchens aus den USA.

Um zu illustrieren, dass „Facebook-Profile von Kindern zu öffentlich“ seien, druckte „Heute“ am 16.11 das Profil der 12-jährigen Kayla R. aus New Jersey ab, samt Foto, vollem Namen und persönlichen Statusnachrichten. Frech: Die Foto-Credits daneben: „Archiv“.

Als Kayla von Kobuk-Autor Ricardo Arangüena erfuhr, dass ihr Profil in Österreich groß in der Zeitung prangt, löschte sie dieses sofort. Ihre Mutter ist entsetzt und überlegt rechtliche Schritte. Ein Einverständnis zum Abdruck lag nie vor.

Dabei war Kaylas Profil harmlos, es zeigte das Leben einer ganz normalen 12-jährigen. Auf MySpace tauscht sie Fotos von Justin Bieber und auf Youtube lädt sie Songs hoch, die sie in die Webcam singt. Nichts, das lüsterne ältere Herren besonders anlocken würde. Aber offenbar Fotoredakteure und bigotte Datenschützer.

„Heute“ schließt mit:

Experten plädieren jetzt für mehr Medienerziehung, speziell zu den Gefahren des Internets.

Die Gefahren manch anderer Medien mögen dabei nicht vergessen werden. Wir haben „Heute“ um Stellungnahme ersucht. (Recherche: Ricardo Arangüena.)

Screenshot www.glennbeck.com

Anlässlich der Indienreise Barack Obamas sorgte in US-Medien eine Zahl für Furore: 200 Mio. Dollar täglich sollte der Staatsbesuch kosten, die konservativen Moderatoren Glenn Beck und Rush Limbaugh gaben sich entrüstet, CNN berichtete und vor allem FOX widmete sich der Thematik ausführlich:

https://www.youtube.com/watch?v=7o0jUknE3SM

Um diesen Betrag in Relation zu setzen: Der Afghanistan Krieg kostet die Vereinigten Staaten täglich ca. 190 Millionen Dollar. Eine vergleichbare Afrikareise Bill Clintons im Jahr 1998 schlug ohne den als geheim eingestuften Ausgaben für die Sicherheit mit 42,8 Millionen zu Buche, allerdings für die gesamten 12 Tage. Das entspricht 3,6 Millionen pro Tag, wie die New York Times vorrechnet.

Tatsächlich hatten diese lächerlich hoch wirkenden Zahlen nicht lange Bestand. Als Quelle stellte sich eine NDTV-Meldung (New Delhi Television) heraus, die sich wiederum auf eine anonyme Quelle berief. Spätestens nach der Stellungnahme durch Vertreter des Weißen Hauses war die Falschmeldung als solche enttarnt. Das hielt einige deutschsprachige Regionalmedien aber trotzdem nicht davon ab, sie Tage später zu veröffentlichen.

Vielleicht ist das alles aber auch nur ein rein kulturelles Missverständnis.

Dieser Beitrag stammt von Markus Wilhelm, der das Watchblog DieTIWAG.org betreibt, in dem er die „Tiroler Wasserkraft“ und die -Politik kritisch beobachtet und wo dieser Artikel zuerst erschien.

Die Tiroler Wasserkraft (TIWAG) setzt enorme Summen an Kundengeldern ein, um die Meinung ihrer Kunden zu manipulieren. Wir nehmen das dieser Tage erfolgte Hinscheiden der „Tiroler Woche“ zum Anlass, das verbriefte Durchgriffsrecht des Anzeigenschalters auf die Redaktionen anhand der TIWAG und anhand dieses Wochenblatts beispielhaft zu dokumentieren. Mitzubedenken dabei ist nämlich, dass es in TIWAG-Land viele Medien und viele Vereinbarungen dieser Art gibt.

Die „Tiroler Woche“ war oder ist ein Wochenblatt, das seit 2007 unter diesem Namen (und davor jahrzehntelang unter verschiedenen Titeln und von wechselnden Eigentümern herausgegeben) unverlangt in fast allen Tiroler Haushalten gelandet ist. Zuletzt erschien es in Kooperation mit der im Oberland marktbeherrschenden „Rundschau“, welche die wichtigsten Projektregionen der TIWAG (Ötztal, Pitztal, Kaunertal, Oberes Gericht, Paznaun, Stanzertal, Sellrain) lückenlos abdeckt.

Die Abmachungen zwischen der TIWAG und der „Tiroler Woche“, angestiefelt von der TIWAG-Agentur Hofherr, aber im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden Wallnöfer, schließen damit immer auch die „Rundschau“ (mit ihren Ausgaben Imst, Landeck, Telfs) mit ein. In der Agentursprache nennen sich solche Manipulationsverträge schlicht „Medienkooperation“.

In unserem Beispiel schlägt die TIWAG-Agentur Hofherr Communikation ihrem Auftraggeber im September 2008 so einen Vertrag vor:

Schon kurze Zeit später kann Hofherr das Konzept für den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit dem „Partnermedium“ dem TIWAG-Vorstand vorlegen:

„Klar ist, dass die Gegner nicht zu Wort kommen“

Der Kooperationsplan als PDF.

Seit Jahren werden nebst Tiroler Tageszeitung und ORF auch die Regionalmedien mit TIWAG-Inseraten regelrecht geflutet. Ohne Ende. Das sieht im Falle der „Tiroler Woche“ so …

… und im Falle „Rundschau“ so aus:

Das Prinzip ist einfach und funktioniert ganz offensichtlich: Über geschaltete Anzeigenseiten werden positive Berichte mitgekauft, denn „diese redaktionell gestalteten Beiträge eines anerkannten Mediums haben eine hohe Glaubwürdigkeit“, wie es oben im Konzept der TIWAG-Agentur heißt.

Das Angebot der „Tiroler Woche“ (auch für die „Rundschau“) schließt dementsprechend und vielleicht erstmals in dieser Deutlichkeit „Redaktionelle Berichterstattung wie vereinbart!“ ein:

Die Vorgangsweise selbst ist auch von der Politik erprobt. Welchen anderen Sinn sollten viele nichtssagende Werbeeinschaltungen der Landespolitik denn haben, als damit wohlwollende Berichterstattung zu erkaufen? Nicht von ungefähr fällt dem ÖVP-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden ÖVP-Klubomann und TIWAG-Lakaien Jakob Wolf zum Thema TIWAG-Projekt Ötztal-Kaunertal als erstes ein, der Rundschau – offenbar gewohnheitsmäßig – Geld für „redaktionelle Beiträge“ anzubieten:

„Kooperationsplan“

So schaut das dann im Normalfall aus: Überteuertes Ganzseiteninserat einerseits und damit querfinanzierter „glaubwürdiger“ redaktioneller Artikel andererseits – oft in ein und der selben Ausgabe, versehentlich mitunter sogar nebeneinander oder aus Scham durch einige Seiten getrennt:

„Tiroler Woche“

„Rundschau“

Wobei davon auszugehen ist, dass Interviews mit dem TIWAG-Chef Wallnöfer (siehe oben) oder den Projektleitern Eibl, Pließnig, Stroppa nicht nur bei der Rundschau angeleiert, sondern von Hofherr selbst erfunden und von der TIWAG endredigiert werden:

Korrigiertes Interview-Manuskript, Agentur Hofherr, Oktober 2008

Entsprechend sieht der von der TIWAG-Agentur Hofherr ausgearbeitete Plan für die „Medienkooperation Oberländer Rundschau / Tiroler Woche auch zum „Auftakt“ solch ein Interview mit DW (Direktor Wallnöfer) vor:

(Medienkooperationsplan groß anzeigen)

Medium heißt Mittel. Die Medien sind das Mittel, ein Ziel zu erreichen. Im Falle der TIWAG: ihre Projekte zu realisieren. Geld, im Falle der TIWAG: Kundengeld, spielt keine Rolle. Allein für „Tiroler Woche“ und „Rundschau“ für lediglich zwölf durchgeschaltete Seiten 145.000 Euro (netto) sind kein Dreck.

Wie gesagt, die genannten Blätter sind kein Einzelfall in TIWAG-Land. Für 2005 ist ebenso schön eine „Kooperation“ mit den Bezirksblättern dokumentiert. Auch dabei geht es um bezahlte „redaktionelle Berichterstattung bezüglich neuer Kraftwerke“, die über horrende Anzeigentarife abgerechnet wird:

Tirol ist ein in Korruption versinkendes Land

Auf diesem festen finanziellen Fundament („Kooperation“) aufbauend konnten bei den Gemeinderatswahlen 2010 die „Tiroler Woche“ im Fall Neustift und die „Rundschau“ im Fall Kaunertal perfekt für den Wahlkampf der beiden TIWAG-freundlichen Bürgermeister eingesetzt werden.

Wenn man diesen fast totalen Durchgriff der TIWAG auf die Berichterstattung im Lande sieht, muss man sich noch viel mehr wundern, dass sie mit ihren Projekten nicht von der Stelle kommt.

Es ist Korruption. Keine Frage. Und sie kennen keinen Genierer mehr. Die TIWAG nicht und die Medien nicht. Wie selbstverständlich rennen auch die Chefredakteure der größten Tiroler Medien zum Angefüttertwerden durch den TIWAG-Chef ins reservierte Altstadtstüberl.

Solarstrom lässt die Strompreise steigen, produziert aber nur wenig Strom und hat keine Klimaschutzwirkung.

So berichteten diesen Herbst unisono alle deutschen Medien, von Welt bis zum Focus-Magazin. Der Spiegel hievte das Thema – „Öko um jeden Preis“ – sogar aufs Cover.

Wie diese Medien den Lobbyisten der Ölindustrie aufsaßen, deckte das ARD-Magazin Monitor auf.

Prädikat sehenswert:

(Via Volker P. auf Facebook)

Stefan wundert sich auf Twitter:

Wir sind ja einiges gewohnt, seit die SN die DDR wiederauferstehen ließen. Doch was „Der Standard“ in seiner Wochenendausgabe präsentiert, schlägt tatsächlich alles.

Hier die Highlights, basierend auf Stefans sehenswerter “Musterlösung”:

  • „51 Menschen/m²“, das hält nicht nur Stefan für ziemlich eng.
  • „25 Mio. Arbeitslose Weltweit [sic!]“ — die Zahl zu klein, ein Wort zu groß.
  • Österreich (Nr. 27) wurde mal schnell ins Schwarze Meer versenkt.
  • Ganz Griechenland (Nr. 26) kommt nach Österreich — Pröll und Fekter freuen sich.
  • Anquilla“ [sic!]
  • Faröer“ [sic!]
  • Lichtenstein“ [sic!]
  • Monako“ [sic!]
  • Die Schweiz ist in der Lebenserwartungsgrafik der Männer heller als Schweden, obwohl die Erwartung in der Schweiz höher ist.
  • Italien hat ebenso die falsche Farbe.
  • Wenn Männer in der Schweiz 79,8 Jahre alt werden und Frauen 84,6 Jahre, dann ist eine durchschnittliche Erwartung von 80,85 nur möglich, wenn es in der Schweiz sehr wenig Frauen gibt, wirklich sehr wenig.

Wer noch einen Fehler findet und in den Kommentaren postet, bekommt ein Kobuk-Abo auf Lebenszeit.

(Mit Dank an @Stefan_Ferras und @noniq.)

Update aus den Kommentaren

  • Es wurde auf verschiedene Quellen und da noch aus unterschiedlichen Jahren zurückgegriffen, woraus sich zwangsläufig heftige Inkonsistenzen und Widersprüche ergeben.
  • Zypern (für Geografie-Größen wie mich: in den kleinen Karten, ganz unten rechts) ist in der Tabelle der männlichen Lebenserwartung auch falsch eingefärbt.
  • Unter den kleinen Karten steht „Durchschnittsalter, Top-5“. Korrekter wäre „Lebenserwartung, Top-5“.
  • In der Karte der weiblichen Lebenserwartung steht ganz klein: „Lebenserwartung der Männer […]“
  • Cayman Inseln [sic!]
  • Zentral- und Lateinamerika werden gesondert angeführt. Ersteres ist aber per Definition Teil von Letzterem, korrekt wäre daher Süd- statt Lateinamerika.
  • Andorra und San Marino fehlen in den Top-5-Listen Europas.
  • Statt Macao (Nr. 1) wurde die Insel Hainan eingefärbt.

Update — Stellungnahme des „Standard“

Eben hat uns folgende Stellungnahme des Standard-Leserbeauftragten und Chefs vom Dienst, Otto Ranftl, erreicht:

Sehr geehrter Herr Kirchmeyr

Die Antwort auf Ihre Frage ist leider ganz einfach, aber unbefriedigend: Zum Schluss ist die Zeit zu kurz geworden. Es handelt sich um eine aufwändige Doppelseitengrafik, deren Herstellung einige Zeit gedauert hat – schließlich war aber nicht mehr genug Zeit, die Dinge noch einmal zu überschlafen und dann neuerlich zu kontrollieren. Wenn die Kontrolle schon Teil der Herstellung ist zeigt sich, dass die Betroffenen nicht mehr die notwendige Fehlersensibilität aufbringen können.

Ich werde die gröbsten Irrtümer in Errata richtigstellen.

Mit der Bitte um Nachsicht.

Otto Ranftl
Leserbeauftragter, Chef vom Dienst

Letztes Kapitel: Erratum des „Standard“

Wie versprochen, geht Otto Ranftl im Erratum der morgigen Ausgabe auf alle wesentlichen Fehler ein. Mehr noch: Obwohl für den Print nicht mehr verwertbar, hat man sich dennoch entschieden, die Grafik noch mal zu überarbeiten und die korrigierte Version interessierten Lesern als PDF zur Verfügung zu stellen. Die Datei kann mit freundlicher Genehmigung auch direkt bei uns heruntergeladen werden (3,7 MB).

Und ja, ein paar Kleinigkeiten sind von dem Monster geblieben, aber kein großer Kobuk mehr. Das Interessanteste sind jetzt tatsächlich wieder die Fakten und die sind durchaus auch eine genauere Betrachtung wert.

Hans Peter Lehofer ist Medien- und Telekomrechtler und ehem. Chef der Medienbehörde KommAustria. Dieser Gastbeitrag erschien zuerst in seinem Blog unter dem Titel „Journalismus vom Hörensagen (oder: muss man das First Amendment kennen, um darüber zu schreiben?)“

„Traurig genug, dass wir darüber reden müssen, was Pressefreiheit ist“, schreibt Helmut Brandstätter in seinem aktuellen Kurier-Leitartikel. Er setzt fort mit dem Lamento, dass wir in Österreich nun „über ein Thema diskutieren, das in den USA seit 219 Jahren geregelt ist: die verfassungsrechtliche Absicherung der Pressefreiheit.“ — und er kommt zu einem interessanten Ergebnis: „wenn das Redaktionsgeheimnis nichts mehr wert ist, brauchen auch wir eine Verfassungsbestimmung.“

Blöd nur, dass das Redaktionsgeheimnis in Österreich verfassungsrechtlich besser abgesichert ist, als es in den USA mit dem von Brandstätter gelobten „First Amendment“ der Fall ist. Denn Art 10 EMRK, in Österreich unmittelbar geltendes Verfassungsrecht, schützt auch journalistische Quellen. In den Worten des EGMR, jüngst im Urteil der Großen Kammer im Fall Sanoma Uitgevers (siehe dazu hier):

„The right of journalists to protect their sources is part of the freedom to ‚receive and impart information and ideas without interference by public authorities‘ protected by Article 10 of the Convention and serves as one of its important safeguards. It is a cornerstone of freedom of the press, without which sources may be deterred from assisting the press in informing the public on matters of public interest.“

Der erste Zusatzartikel zur US-Verfassung („First Amendment“) lautet (auszugsweise):

„Congress shall make no law … abridging the freedom of speech, or of the press“

Nun umfasst das allerdings keineswegs zwingend auch den Schutz des Redaktionsgeheimnisses („reporters‘ privilege“), sodass immer mehr US-Staaten dazu übergegangen sind, eigene „Shield Laws“ zu verabschieden, um das Redaktionsgeheimnis – unterhalb der Verfassungsebene – zu schützen. Der Supreme Court hat bislang nämlich einen allgemeinen Schutz des Redaktionsgeheimnisses abgelehnt (maßgebend mit knapper Mehrheit Branzburg v. Hayes aus dem Jahr 1972), der jüngste spektakuläre Fall in diese Richtung war „In re: Miller“ (siehe dazu hier oder hier), in dem es der Supreme Court abgelehnt hat, den Fall der NYT-Reporterin Judith Miller anzunehmen, die wegen ihrer Weigerung, journalistische Quellen offenzulegen, tatsächlich in Haft musste.

Zusammenfassend: in Österreich haben wir eine Verfassungsbestimmung, die — nach der Rechtsprechung — auch das Redaktionsgeheimnis schützt. In den USA — auf Bundesebene — nicht.

Traurig genug, dass wir darüber reden müssen, was journalistische Sorgfalt ist.

Illustration: Graffito auf der Berliner Mauer, (cc) Jotquadrat

 

Ein Gericht verbietet dem TV-Sender RTL per einstweiliger Verfügung, Nacktszenen der preisgekrönten deutschen Schauspielerin Sibel Kekilli zu zeigen. Kekilli hatte im Alter von 22 Jahren in einem Porno mitgespielt.

Nach so vielen Jahren hat sie es nicht mehr zu dulden, dass die Szenen im Fernsehen ausgestrahlt werden.

..zitiert das Gratisblatt „Heute“ sowie Heute.at das Gericht. Und illustriert den Artikel ausgerechnet mit einer Nacktszene aus besagtem Porno. „Deutschland-Verbot, bei der APA im Archiv“ lautet die speicheltriefend-heuchlerische Rechtfertigung in der Bildunterschrift. Das Kammergericht Berlin hat der BILD außerdem schon 2004 verboten, Nacktszenen aus dem Film abzudrucken. Aber solang’s die APA im Archiv hat..

Die Headline „Verbot ihrer Sexfilme“ ist übrigens schlichtweg falsch, der Gerichtsentscheid bezog sich nur auf eine Ausstrahlung auf RTL.