Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: ! Starker Kobuk

Heute die Einführung einer neuen Kategorie auf Kobuk: Der Kobuk-Kampagnenmonitor. Wenn Medien sich über Gebühr in ein Thema verbeißen, werden wir versuchen, das zu dokumentieren und mögliche Interessenskonflikte aufzuzeigen.

Heute auch ein erster Fall: „Heute“. Die Wiener Gratiszeitung schreibt seit Wochen recht viel über die Streitereien innerhalb der Wiener Grünen. Ein Artikel in der „Presse“ vermutet dabei unlautere Motive:

„Heute“-Retourkutsche? Dass „Heute“ derzeit eine recht scharfe Linie gegen die Wiener Grünen fährt, so munkelt man, dürfte vor allem daran liegen, dass Bundeschefin Eva Glawischnig zum Ableben von „Krone“-Gründer Hans Dichand neben dem Ausdruck der Anteilnahme auch ein paar kritische Worte gefunden hat. Was der „Heute“-Redaktion, deren Herausgeberin Eva Dichand heißt und die offiziell nichts mit der Krone zu tun hat, nicht so gut gefallen haben soll.

Und tatsächlich: Seit Ende Mai erschien alleine in der Printausgabe im Schnitt alle 3,7 Tage ein kritischer Artikel über die Grünen, darunter 21 große (mehrspaltige) Artikel. Angesichts des nur wenige Seiten umfassenden Politikteils eine enorme Menge.

Hier das Headline-Potpourri (man beachte die Häufung von „Chaos“):

Beinahe die Hälfte dieser Artikel, im Schnitt jeden zweiten Tag einer, sind in den drei Wochen nach Eva Glawischnigs kritischer Presseaussendung zum Ableben Hans Dichands erschienen. Darunter einige, die ein Wahldebakel herbeischreiben sowie ein Bericht über einen Streit in Ottakring, von dem man dort gar nichts weiß.

Ob wirklich eine Verbindung zwischen der fehlenden Würdigung Dichands (oder auch der kolportierten SPÖ-Nähe von „Heute“) und der redaktionellen Linie in Sachen Grüne besteht, bleibt unklar. Ich habe die Grünen sowie den Autor der meisten der Artikel, Elias Natmessnig, um eine Stellungnahme gebeten.

Disclaimer: Ich bin selbst Wechselwähler mit Grün-Tendenz und daher in gewissem Maße befangen.

Update: Ungefähr seit Richard Schmitt im Februar 2011 als Chefredakteur von „Heute“ abgelöst wurde ist auch diese „Chaos“-Kampagne zu Ende.

Das Wappentier von Österreich ist bekanntermaßen der Adler. Bei jenem „Österreich“, für das täglich sinnlos Bäume sterben, dürfte es hingegen der Geier sein. Über unserem privaten Leben kreisend, nur auf einen günstigen Augenblick wartend, um es genussvoll, öffentlich auszuweiden.

Wo „Krone“ und „Heute“ aufhören, fängt „Österreich“ erst an. Wie sonst wäre eine Geschichte — inzwischen sogar Artikelserie — erklärbar, die in ihrer Schamlosigkeit, Menschenverachtung und Pietätlosigkeit neue Tiefpunkte auf der nach unten offenen Skala des Gossenjournalismus in Österreich setzt (gemeint sind Blatt und Land).

In Wien wurde eine Frau getötet, ihre Leiche zerteilt und in Müllcontainern versteckt. Der mutmaßliche Täter erklärte gegenüber der Polizei, das Messer sei während eines sexuellen Rollenspiels abgerutscht, der Tod ein Unfall, die Verschleierungstaten danach im Schock geschehen.

Das ist im wesentlichen die Nachricht. Vielleicht noch Stellungnahmen der Behörde und des Anwalts, später der Bericht über den Prozess und dessen Ausgang. Eventuell noch Erklärungsversuche zu Tat und Motiv durch befähigte Personen. Mehr geht uns nichts an. Mehr muss keiner wissen.

„Österreich“ hingegen…

Die kaputte Welt... (Österreich, 6.7.2010)

  • zeigt sechs unverpixelte Fotos der Getöteten. (Quelle: „Privat“ — und merkt den Widerspruch nicht.)
  • schreibt vom Titel bis ins Blattinnere stets von „Sex-Mord“ und „Mordopfer“ (womit sich nebenbei auch die Unschuldsvermutung erledigt hätte).
  • titelt pietätvoll: „Die kaputte Welt des Mordopfers“. (Wer läse das nicht gern über einen verlorenen Freund/Verwandten?)
  • spekuliert wild: „Irgendetwas muss in der Jugend der jungen Frau passiert sein: Ein Missbrauch, eine Verletzung […]”
  • diagnostiziert ein „Alkohol- und Borderline-Problem“ (breitet also ganz bewusst und schamlos Eskapaden aus, die laut „Österreichs“ eigener Einschätzung auf einer Erkrankung beruhen könnten).
  • verbreitet Gerüchte über die Mutter der Getöteten („sie war Prostituierte“), die das Opfer laut einer angeblichen Freundin gerüchteweise mal verbreitet haben soll.
  • berichtet über angebliche oder tatsächliche (es geht uns nichts an!) Suizidversuche.
  • lässt über persönliche Facebook-Inhalte (in Text und Bild), bis hin zu einem sog. Pornovideo, „das ÖSTERREICH vorliegt“ (und vermutlich in Kürze auf der Homepage zu sehen sein wird) kein Tat-irrelevantes, privates Detail aus, dessen die Redaktion habhaft werden konnte.
  • benutzt ein Verbrechen als Vorwand, um das gesamte Leben eines Menschen in den Dreck zu schreiben und darin endgültig auszulöschen.

Und das war jetzt nur, wie „Österreich“ über das Opfer(!) berichtet hat…

Update Nov. 2010: Auf unser Betreiben verurteilte der „Österreichische Medienrat“ am 11. Nov. per OTS-Aussendung diese Form der Berichterstattung.

Update Mai. 2011: „Österreich“ und andere Medien berichten nach wie vor ohne Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz über den Fall.

Die Gratisblätter „Heute“ und „Österreich“ berichteten am 19.05. über die eklatanten Fehlstunden der heimischen Lehrer.

„Heute“ schreibt in fetten Lettern:

und „Österreich“ noch größer:

Im Artikel schreibt „Heute“:

  • 58 Prozent der Lehrer schwänzen Stunden komplett
  • 14 Prozent sind mangelhaft vorbereitet
  • und 49 Prozent kommen zu spät.

Und „Österreich“ schreibt:

  • 21 Prozent der Lehrer fehlen regelmäßig
  • 15 Prozent bereiten sich mangelhaft vor
  • und 8 Prozent kommen zu spät.

Woher nehmen „Österreich“ und „Heute“ die Zahlen? „Österreich“ gibt die Talis-Studie als Quelle an, „Heute“ schreibt dagegen nur nebulös von einer „Schul-Studie“. Erst aus dem Kontext von Datum der Veröffentlichung, zitierte Zahlen und Experten kann man schließen, dass sich auch „Heute“ auf die Talis-Studie bezieht.

Der Zahlensalat geht aber weiter, „DerStandard.at“ schreibt:

  • über 20 Prozent sind „sehr viel“ oder zu „einem gewissen Ausmaß abwesend“
  • 14 Prozent sind „nicht genügend“ auf den Unterricht vorbereitet
  • und beinahe 10 Prozent kommen zu spät.

Wie kommen nun die Medien auf so unterschiedliche Zahlen? Auf Seite 84 des BIFIE-Reports 4/2010 (pdf) findet man die Antwort:

„Heute“, „Österreich“ und „DerStandard.at“ haben die Statistik verschieden interpretiert. Das Zuspätkommen ist ein schönes Beispiel dafür:

  • „Österreich“ zählt bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen = 8 Prozent und schreibt über „regelmäßiges“ Zuspätkommen
  • „Heute“ zählt ein wenig, bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen = 49 Prozent und schreibt von „zu spät kommen“
  • Und „DerStandard.at“ zählt bis zu einem gewissen Ausmaß und sehr viel zusammen und schreibt von „beinahe 10 Prozent“.

Aber nicht nur bei den Zahlen wurde geschummelt. „Österreich“ schreibt: „Neue OECD-Studie“. Tatsächlich stammt die Talis-Studie von 2008. Das hat „Österreich“ und „Heute“ mal vorsorglich weggelassen. Bleibt nur noch die Frage offen: Warum berichten gerade jetzt die Medien über eine Studie von 2008? Auch „DerStandard.at“ beantwortet diese Frage nicht. Das Rätsel löst aber eine OTS-Aussendung des BIFIEs. Denn am 17.05. um 19:00 Uhr fand eine Veranstaltung zur Studie statt. Präsentiert wurden vertiefende Analysen und Expertenberichte. Die Ergebnisse der Studie wurde außerdem in einem neuen BIFIE-Report zusammengefasst.

Haben die – sonst großartigen – Salzburger Nachrichten ein Geografie-Problem?

Das fragt Armin Wolf auf Twitter und postet obenstehenden Scan. Seine Rückfrage an SN-Chefredakteur Andreas Koller, ob es sich nicht doch um ein Fake handle, blieb bislang unbeantwortet.

Interessanterweise sind die Ex-YU-Staaten korrekt eingezeichnet, inklusive Montenegro – einem Staat, den es erst seit 2006 gibt, als die DDR und die ebenfalls abgebildete Tschechoslowakei längst Geschichte waren. Ein solches Europa hat also nie existiert.

In der Online-Version des Artikels fehlt die Illustration.

Update: Hans hat in den Kommentaren den Link zur E-Paper-Version gepostet – kein Fake.

Update 2: Weitere Beobachtungen aus den Kommentaren: West-Berlin ist Teil der DDR, Liechtenstein ist zu groß, das deutlich größere Andorra fehlt dafür, ebenso wie die restlichen Zwergstaaten Europas. Wer findet noch was?

Update 3: Kommentator „Superwayne“ hat als Quelle die Bildagentur Fotolia identifiziert, über die der User „Perth“ das kartografische Meisterwerk um ein paar Euro zum Download anbietet. Der Künstler bietet da einige weitere Karten an, unter anderem lässt er Korsika verschwinden und die rechnet der „Tschechischen Republik“ die Slowakei zu.

Update 4: Malta fehlt (in der E-Paper-Version) ebenso und die Plattform heißt Fotolia, nicht Fotalia (oben ausgebessert). Keep the comments coming! 🙂

Bösen Gerüchten zufolge hetzt die Krone auch deshalb so gerne gegen die EU, weil sie damit keinem ihrer größten Anzeigenkunden — wie z.B. der heimischen Regierung — auf die Füße tritt. Böse Gerüchte, wie gesagt, aber schwer zu entkräften, wenn wir die Titelstory der letzten Sonntagskrone etwas näher betrachten:

167 Prozent mehr für die eigene Propaganda
Spesen-Explosion im EU-Parlament!

Im Blattinneren, prominent auf Seite 3, heißt es weiter:

Freche Spesen-Explosion ohne Hemmungen im EU-Parlament

Sie predigen uns das Sparen, greifen aber selbst hemmungslos nach dem Geld, das unser Geld ist […] Den Vogel schießt aber der Posten „Förderung für Stiftungen“ der Parteien ab: von 4,3 Mio. [2008] auf 11,4 Millionen [2011]; das sind 167 %!

Ja, das wäre nicht nur in Krisenzeiten ziemlich frech von der EU — wäre es nicht die Krone, die in Wahrheit hier den Vogel abschießt.

Der aufmerksame Leser hat sich vielleicht schon gewundert, warum hier die Zahlen für 2011 mit jenen von 2008 verglichen wurden, und nicht mit jenen von 2010, was ja im wahrsten Sinne naheliegender und bestimmt auch fairer wäre. Aber um Fairness geht’s hier nicht…

Die Zahlen von 2008 sind für die Krone deshalb so verlockend, weil sie aus dem Anfangsjahr der Stiftungsförderung durch das EU-Parlament stammen. Und weil das Parlament damals erst im September die Finanzierung übernahm, decken die ausbezahlten Fördersummen für 2008 auch nur vier Monate ab (alles hier nachzulesen, incl. PDF mit Kostenaufstellung).

Das heißt, die Kronen Zeitung hat nicht nur zwei Jahre übersprungen, was alleine schon unseriös wäre. Sie hat in ihrem blinden Eifer auch noch die Zahlen für zwölf Monate im Jahr 2011 mit jenen für vier Monate im Jahr 2008 verglichen und regt sich nun fürchterlich über eine „Spesen-Explosion für Propaganda“ um ca. das Dreifache auf. Fast wäre es zum Lachen, stünde dieser haarsträubende Unsinn nicht auf der Titelseite der einflussreichsten Zeitung Österreichs.

Update: Die Krone bezieht sich auf die jüngst beschlossenen Zahlen für 2011, nicht wie ursprünglich hier geschrieben 2010 — hat also sogar zwei Jahre übersprungen. (Jahreszahlen wurden oben entsprechend korrigiert.)

Denn sie hat hier tatsächlich das Kunststück zuwege gebracht, faktisch nichts Falsches zu schreiben und dennoch die Leser komplett in die Irre zu führen. Wie nennt man das mit einem Wort? Ach ja.