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und schauen fern.

Kategorie: Schleichwerbung

„Stars rocken Magic Life“ und „Heute“ rockt die Schleichwerbung: Der Werbekunde Magic Life wirbt in einem Inserat für Livekonzerte „nationaler und internationaler Künstler“ und wird direkt darüber mit einem redaktionellen Artikel für ebendiese Konzerte belohnt:

Magische Nächte sind in den „Club Magic Life“-Anlagen garantiert.

Auf derselben Doppelseite (hier in groß) findet sich auch eine Anzeige der Fluglinie Emirates. Auch dazu passt ein redaktioneller Artikel ebendort, der über die Destination Johannesburg der Emirates informiert.

Auf dieser Doppelseite findet sich auch ein Fall, den der PR-Ethik-Rat wohl „Umfeldjournalismus“ nennen würde: Ein redaktioneller Beitrag deklariert Kroatien als „Geheimtipp“, welchen man bequem mit dem Auto erreichen kann. Auf der Seite davor findet sich die Anzeige eines Reiseveranstalters mit Destinationen in Kroatien und Preisangaben bei Selbstanreise.

Wer die heutige Ausgabe von „Österreich“ zur Hand nimmt, sieht auf den ersten Blick, dass auf dem Umschlag für einen Total-Abverkauf von „Kleider Bauer“ geworben wird – an sich nicht schlimm, immerhin wird darauf hingewiesen, dass es sich um Werbung handelt:

Blättert man ein paar Seiten weiter, stößt man im Wien-Teil der Zeitung auf einen weiteren – dieses Mal redaktionellen – Hinweis auf den „Kleider Bauer“-Abverkauf:

Ein Zufall? Möglicherweise. Aber ein Blick auf ähnliche Artikel in der letzten Zeit lässt anderes vermuten.

Wie bereits berichtet dürfte die Zeitung „Österreich“ große Zuneigung zum Urlaubsziel Ägypten empfinden, denn vor Ostern warb sie wieder mit Urlaubsangeboten (Artikel vom 13.4., Seite 5). Der Reiseveranstalter Joe24.at, dessen Geschäftsführer im Artikel zu Wort kommt, hat die gleichen Eigentümer wie „Österreich“.

Profitieren tun jetzt die Reisenden.

Sicher nicht nur die.

Ein schönes Beispiel zu unserem aktuellen Fokus Schleichwerbung lieferte letztes Monat das Gratisblatt „Österreich“:

Erster Akt: Dienstag, 5. April

Der lange Text zur Eröffnung eines Mediamarktes „mit tollen Preishits“ auf Seite 17..

..ist wahrscheinlich nur im Seitenspiegel verrutscht und eigentlich Teil des Inserats sechs Seiten weiter vorne:

Zweiter Akt: Mittwoch, 6. April :

Nur ein Inserat auf Seite 11. Na bitte, war am Vortag sicher nur ein kleiner Fehler.

Dritter Akt: Donnerstag, 7. April:

Ähh.. Also das ist so: Der Artikel auf Seite 18 hat..

"Österreich"-Werbung

..mit der bezahlten Werbebeilage natürlich nichts zu tun. Der wäre selbstverständlich auch so erschienen, denn es handelt sich ja um den „größten Mediamarkt Europas“!

Vierter Akt: Freitag, 8. April:

Liebes „Österreich“, jetzt bringst Du mich aber langsam in Verlegenheit. Der Artikel auf Seite 21 zum „Ansturm auf den neuen Mediamarkt“ und seine „Top-Angebote“ wird doch..

..nicht etwa… Schleichwerbung sein und mit der Werbebeilage in Zusammenhang stehen?

Dass Information und Werbung oft nah beieinander liegen, wissen wir bereits.

„Heute“ informiert in ihrer Rubrik „Muttertag-Spezial“ in drei Artikeln über „NOAN-Olivenöl“, ein Produkt, dessen Hersteller verspricht, einen Teil des Umsatzes und den Reinerlös Kinderhilfsprojekten zugute kommen zu lassen. Mangels Spendegütesiegels sind wir gezwungen, die Angaben der in Griechenland registrierten Firma zu glauben. Was schwerer wiegt: „Heute“ verzichtet auf jegliche Offenlegung, warum dieses Produkt derart massiv redaktionell beworben wird und ob es dafür eine Gegenleistung gab. Ein „Wir freuen uns, diese Kinderhilfsprojekte mit diesem Muttertagsartikel kostenlos zu unterstützen“ hätte uns da schon genügt.

Bereits beim ersten Artikel „Meistermenü vom Starkoch für Mama“ wird uns das Produkt (von mir rot gekennzeichnet) ans Herz gelegt:

Auf der nächsten Seite gibt es gleich zwei informative „Berichte“ über das besagte Olivenöl, welches laut „Heute“ nicht nur Kinderprojekte fördert, sondern natürlich auch jedes Gericht verfeinert:

Interessant ist auch: Schon 2009 ist online ein Artikel zum Olivenöl zu lesen.

(Danke Alexander Cjzerny für den Hinweis.)

Der nette Herr im Bild rechts ist aus einer Szene aus Kottan ermittelt aus dem Jahr 1977:

Schremser: (Blättert in einer griechischen Zeitung.)
Kottan: Können Sie griechisch?
Schremser: Ka Wort, warum?
Kottan: Nur so.
Schremser: Ah, Sie meinen wegen der Zeitung? A österreichische Zeitung im österreichischen Fernsehen? Schleichwerbung – das geht nicht!

Auf Kobuk startet ab sofort ein Schwerpunkt zum Thema Schleichwerbung (hier die Sammlung aller Artikel dazu), denn: Wer wie die Kobuk-Autoren Medien quasi beruflich kritisch konsumiert, stellt unweigerlich früher oder später fest, wie unfassbar viele Artikel und Beiträge ganz offensichtlich mehr mit Scheckbuchjournalismus oder den Agenden irgendwelcher Interessensgruppen zu tun haben als mit tatsächlich Berichtenswertem.

Nicht immer kann nachgewiesen werden, dass für Berichterstattung tatsächlich Geld floss. Oft ist das kommerzielle Motiv hinter einem Artikel allzu offensichtlich, manchmal sieht Werbung trotz Kennzeichnung redaktionellen Beiträgen einfach nur täuschend ähnlich, bisweilen fragt man sich gar, ob nicht einfach einem befreundeten Unternehmer ein Gefallen getan werden soll, manchmal ist es vielleicht nur pure Faulheit, aber immer, immer ist Schleichwerbung elend!

Sie untergräbt die Glaubwürdigkeit der Medien, sie korrumpiert unsere Gesellschaft, sie täuscht und tarnt und lügt. Und die Politik hat kein Interesse dagegen vorzugehen, ist sie doch längst selbst verstrickt.

Dabei sagt das Medienrecht: Entgeltliche Beiträge sind als solche zu kennzeichnen. Der OGH leitet daraus ein Trennungsgebot zwischen redaktionellen und entgeltlichen Inhalten ab. (Genau besehen sind sogar wörtlich übernommene Presseaussendungen „entgeltlich“, denn die ersparte Arbeit stellt einen geldwerten Vorteil dar. Die Rechtslage dürfte für so eine Auslegung aber zu schwammig sein.) Auch hat der OGH bemängelt, dass es der Gesetzgeber unterlassen hat, „das Deutlichkeitsgebot (der Kennzeichnung) näher zu umschreiben“.

Da Schleichwerbung nur schwer beweisbar ist, müssen Verdachtsfälle öffentlich diskutiert werden. Übrigens gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung: Wir können nicht ausschließen, dass unser Eindruck von Schleichwerbung täuscht. Die abschließende Meinung müssen sich die Leser bilden. Unsere Definition von Schleichwerbung ist deshalb: Uns beschleicht der Verdacht, hier soll für etwas geworben werden.

Wie fix Schleichwerbung im Produktportfolio mancher Medien verankert ist, zeigt ein Experiment der taz: In einer verdeckten Recherche bat ein als Medienberater getarnter Journalist die Anzeigenabteilungen von zehn deutschen Verlagen um ein „geeignetes redaktionelles Umfeld“, das Codewort für Schleichwerbung. Die Verkäufer der Frankfurter Rundschau lieferten gar Artikelentwürfe (siehe Bild), die Steuerhinterziehungsmodelle in Österreich bewerben sollten. Das gesamte Experiment findet sich hier und dieser ARD-Beitrag fasst die Recherche gut zusammen:

Alle Kobuk-Artikel mit Schleichwerbeverdacht finden sich in der Kategorie Schleichwerbung.

PS: Danke an Hans-Peter Lehofer für die Kottan-Idee!


In der „Heute“-Ausgabe vom 20.04. fand sich neben der notorischen „Himmlischen SMS“ eine nicht als solche gekennzeichnete Bewerbung eines originellen Gedächtnistrainingsangebots.

Hübsch verpackt als vermeintliche Neuigkeit unter „Das Neueste kurz“.

Für € 6,49 bietet der Textil-Diskonter KiK Damenjeans an. Dieses Schnäppchen veranlasste die „Österreich“-Redaktion, in der Printausgabe vom Dienstag einen Artikel zur „Preisschlacht um Jeans“ zu verfassen. Dabei wird der Name „Kik“ in der Bildunterschrift und in den ersten drei Spalten des Texts insgesamt neun Mal genannt. Die Mitbewerber C&A, H&M und Kleider Bauer teilen sich eine Spalte.

Man beachte auch die Preisangabe im Foto:

Eine Kennzeichnung als Inserat sucht man vergebens. Für einen aufmerksamen „Österreich“-Leser stellt das Angebot allerdings keine Neuheit dar, da bereits am Vortag diese Aktion in einem Inserat angekündigt wurde:

Wir hatten ja schon viel hier auf Kobuk: Spalten– oder seitenweise ungekennzeichnete Werbung, 1:1 abgedruckte Presseaussendungen, von der Schoko-Industrie finanzierte Gesundheitsstudien oder überhaupt „Berichterstattung wie vereinbart“.

Aber Reisevertrieb per Tageszeitung-Titelstory, das ist neu:

Die „259 Euro für 1 Woche Luxus“ der Titelseite finden sich auf Seite 6 wieder: Als ein Angebot der Joe24.at GmbH, eine 100%-Tochter der Media Digital GmbH, die wiederum zur Gänze der Fellner Medien GmbH gehört. Genau wie die Tageszeitung „Österreich“.

Joe24-Geschäftsführer Peter Grossmann darf auch gleich die Begründung liefern, warum derzeit ein „neuer Reise-Boom“ dafür sorgt, dass die „Jets ausgebucht“ sind:

Zu besten Zeiten flogen wöchentlich 2.000 Österreicher nach Ägypten. Laut Grossmann könnte das bald wieder so sein.

Der „neue Run auf Reisen ans Rote Meer“ ist nicht nur eine Titelstory wert, sondern offenbar auch so massiv, dass Grossmann seine Reisen zu Spottpreisen verschleudern muss, um die Flieger voll zu kriegen: „Im Schnitt sind die Preise um 40% günstiger.“

Immerhin sind vier der zehn aufgelisteten „besten Ferien-Angebote“ von der Konkurrenz. Doch sind sie das wirklich? Zwei der vier Reisen werden von ETI angeboten, ein auf Ägypten spezialisierter Reiseveranstalter, der auch der Veranstalter von 10 der 12 derzeit von Joe24 vermittelten Pauschalreisen ist. Zu erkennen auch am Scan unten am ETI-Sonnenlogo auf den drei Reisen. Der ETI-Chef kommt neben seinem Geschäftspartner Grossmann auch im Artikel zu Wort.

Die beiden übrigen Reisen werden von Ltur angeboten – zumindest theoretisch. Praktisch konnte ich auf Ltur.com weder eine derart günstige Ägypten-Reise finden, noch überhaupt irgendeine, die von österreichischen Flughäfen aus starten würde. (Screenshots verfügbar.) Es dürfte also der gesamte Umsatz, der durch diese Titelgeschichtenkampagne erzielt wird, bei Joe24 und seinen Geschäftspartnern landen.

Eine kleine Formulierung eines anscheinend von Gewissen und Herausgeber geplagten Redakteurs lässt einen Lichtblick am düsteren Himmel der journalistischen Prostitution erhoffen:

Seit Mubarak abtrat, wollen scheinbar alle nach Ägypten reisen.

Wen dieser Schein bis hierhin nicht getäuscht hat, den überzeugt vielleicht die Rückseite derselben Tageszeitung (unten) – oder der eine oder andere redaktionelle Beitrag à la „Urlaub jetzt so billig wie nie“ und „Last-Minute ist Sommer-Reise-Trend„.

Für alle Beteiligten gilt übrigens die völlige Unschuldsvermutung.

Update: Oben zwei Absätze zu den Reiseveranstaltern ETI und Ltur eingefügt. Danke Hans für den Hinweis!

Update 2: They did it again.

(Scans: „Österreich“ Gratisausgabe, Freitag 18. 2. 2011; via Chorherr)

Während der ORF gestern über Kindersklaven berichtete, die unter Duldung der Schokolade-Industrie (und letztlich nahezu uns allen) gewerbsmäßig entführt und zur billigen Kakao-Ernte gezwungen werden, lieferte die APA zwei Tage zuvor weitaus freundlichere Schlagzeilen zum Thema: Kakaobohnen enthielten mehr Antioxidantien als Früchte, hieß es da, laut einer Studie. Zahlreiche Medien übernahmen den Bericht und in der Krone war die Schokolade am Ende sogar gleich gesund wie Obst.

Dazu ein Leserhinweis, direkt aus unserer Inbox (mit Genehmigung des Autors):

Hallo liebes Kobuk-Team,

ich bin Medizinstudent und habe gerade das großartige Buch „Die Wissenschaftslüge“ von Ben Goldacre gelesen. Er zeigt vor allem auf, wie kritiklos oftmals Medien Pseudostudien für voll nehmen und unhinterfragt an die Leserschaft weitergeben.

Ein aktuelles Paradebeispiel ist der zahnlose Kurzbericht der Kronen Zeitung über eine Studie, dass Schokolade gesünder als Obst sein soll. Nur zu blöd, dass genau in jenem Ort namens Hershey im US-Bundesstaat Pennsylvania, einer der größten Schokoladenproduzenten der Welt seinen Sitz hat.

Beweis: https://de.wikipedia.org/wiki/Hershey_Company

LG
Alexander Niederecker

Und weil es oft noch schlimmer ist, als der Leser denkt, hat dieser Schokoladehersteller die Studie nicht nur in Auftrag gegeben, sondern auch gleich in den eigenen Labors durchgeführt. Praktisch, nicht?

Bemerkenswerterweise hat in Österreich doch ein Nachrichtenportal auf diesen Umstand kritisch hingewiesen:

Ob die Untersuchungen auch unabhängigen Forschern standhalten, bleibt abzuwarten, schließlich handelt es sich beim „Hershey Center for Health and Nutrition“ um ein Labor des US- Lebensmittelriesen Hershey – bekannt vor allem für Schokolade und andere zuckerhaltige Lebensmittel.

Welche Online-Redaktion hier, im Gegensatz zu APA, Kronen Zeitung und Co., so vorbildlich recherchiert hat? Ihr erratet es vermutlich nicht.

Danke für den Hinweis an Alexander und für das Foto an A.B.