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„In einem Artikel zur Plagiatsaffäre zu plagiieren, ist ein bisserl keck“, sagt Armin Wolf und gibt gleichzeitig den Hinweis zu diesem Artikel. „Ein bisserl keck“ ist da vielleicht ein bisserl untertrieben, gerade in diesem Zusammenhang.

Am Sonntag veröffentlicht die Süddeutsche ein Portrait zu Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle. (Der Autor ist klar erkenntlich, eine Agenturmeldung ist daher ausgeschlossen.) Am Dienstag erscheint zum gleichen Thema ein Artikel auf DiePresse.com, am Mittwoch erscheint er auch in der Printausgabe. Das Blatt titelt „Der naive Professor“. Die beiden Artikel sind nicht völlig ident, aber ob hier gänzlich unabhängig voneinander recherchiert wurde, kann bezweifelt werden.

Aber urteilen Sie selbst:

Die Presse schreibt:

Der Lehrstuhl in Bayreuth ist eine Kaderschmiede für Staatswissenschaftler, Verfassungsrechtler, Sozialwissenschaftler und Rechtsphilosophen. Häberles Lehren werden von Verfassungsgerichten in Europa, in Japan und Lateinamerika mit Ehrfurcht zitiert

In der Süddeutschen steht:

Der Lehrstuhl in Bayreuth war eine Kaderschmiede für Staatswissenschaftler, Verfassungsrechtler, Sozialwissenschaftler und Rechtsphilosophen.(…) Seine Lehren werden von den Verfassungsgerichten in Europa, in Japan und Lateinamerika fast mit Ehrfurcht zitiert.

Dann wieder die Presse:

Er lädt sie zu sich ein, er diskutiert mit ihnen mit enthusiastischer Ernsthaftigkeit, er macht sie zu seinen geistigen Partnern. Dass einer von ihnen gegen die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen könnte, auf so einen Gedanken ist Häberle nie gekommen.

Das Gegenstück dazu in der Süddeutschen:

Trotz seiner vielen Auszeichnungen nahm sich Häberle stets Zeit für seine Studenten, lud sie sogar zu sich nach Hause ein, um mit ihnen zu diskutieren. Dass einer von ihnen gegen die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen könnte, kam ihm nie in den Sinn.

Immerhin wurde nicht der ganze Artikel abgeschrieben. Laut Süddeutscher ist Peter Häberle 77 Jahre alt, laut „Presse“ 76. Recht hat die „Presse“. Seinen 77. Geburtstag feiert Peter Häberle am 13. Mai.

„Die Welt braucht Journalismus” jammen [sic!] Medienmanager in der Krise gern. Das stimmt. “Kress”, “Standard” und “Kölner Stadtanzeiger” demonstrieren, wie nötig wir Journalisten brauchen – sie sollten mal welche anstellen.

Blogger Thomas Knüwer ist für seinen angriffigen Schreibstil bekannt, aber das ist schon ein harsches Urteil. Andererseits hat er guten Grund gegen die drei Medien zu sticheln, verkauften die doch ihren Lesern eine mäßig gute Satire als Faktum. Quellenprüfung? Recherche? Hausverstand? – das alles hat es offenbar nicht gegeben.

Die Werbeagentur Jung von Matt wollte die Band „Wir sind Helden“ für eine Werbekampagne der BILD-Zeitung gewinnen. Ködern wollte man sie damit, dass auch eine sehr kritische Meinung über BILD publiziert werden würde und außerdem gäbe es 10.000 Euro für eine wohltätige Organisation ihrer Wahl. Doch Sängerin Judith Holofernes veröffentlichte auf der Bandhomepage eine genial formulierte Absage:

Die laufende Plakat-​Aktion der Bild-​Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.

Bald gehörte #Helden auf Twitter zu den Top-Schlagworten weltweit und die Bandhomepage ging vor Anfragen in die Knie. Die Begeisterung über die schlagfertige Antwort war groß. Eine Userin im Online-Jugendangebot der “Süddeutschen Zeitung” erfand in der Folge eine satirische Antwort von Jung von Matt auf die Antwort von Holofernes, die unter anderem DerStandard.at offenbar für echt hielt, anstatt sich – wie Thomas Knüwer schreibt – einige Fragen zu stellen, wie zum Beispiel:

Warum reagiert Jung von Matt nur auf Jetzt.de? Warum verpackt Jetzt.de dies nicht in eine Geschichte, die dem Leser erklärt, warum das da so steht? Ist der harsche und platt beleidigende Ton des Textes wirklich die Art, wie Jung von Matt kommunizieren würde?

Mittlerweile wurde auf den eigenen Fehler eingegangen:

Danke an dieser Stelle an Thomas Knüwer. Schon erstaunlich, was Medienjournalisten Agenturen so alles abnehmen ; -)

Erstaunlich allerdings auch, dass die Redakteurin diese Fehleinschätzung mit einem Smiley quittiert und offenbar immer noch glaubt, das wäre eine offizielle Agenturmeldung gewesen. Wie Jetzt.de-Chefredakteur Dirk von Gehlen ausführt:

Dieser Text stammt von einem der rund 160.000 registrierten Nutzer auf jetzt.de. Er ist keine offizielle Antwort der Werbeagentur. Er ist nicht redaktionell verfasst.

Update (21:06 Uhr):

Des einen Leid ist des anderen Freud
Während die einen für ihre Berichterstattung kritisiert werden, können sich die anderen über gigantische Aufmerksamkeit freuen. Über die BILD-Zeitung und Jung von Matts Werbekampagne wird sicher noch länger gesprochen, geschrieben und getwittert werden. Aber nicht nur diese beiden Unternehmen haben viel Aufmerksamkeit generiert… Mit dem selben Tag an dem die Absage von Holofernes veröffentlicht wurde, kann man bei Amazon auch eine neue Maxi-CD „Alles auf Anfang“ der Band bestellen. Ob das Zufall ist? Leisen Zweifel meldet Twitterer Martin Schimak an. Verkaufsfördernd ist es allemal.

Statistiken regen die Fantasie an. Das beweist folgender Text, der im Rahmen der Glosse „Das Letzte“ in der deutschen „Zeit“ vom 10. Februar 2011 erschienen ist:

In Hamburg, so berichtet Bild, seien 55 Prozent aller Männer ledig, aber nur 47 Prozent der Frauen. Das wirft Fragen auf. Wenn 53% der Hamburgerinnen verheiratet sind, aber nur 45% der Hamburger, kann das entweder bedeuten, dass einige Hamburger mit mehreren Hamburgerinnen verheiratet sind. Oder es bedeutet, dass viele Hamburgerinnen Nicht-Hamburger heiraten, sei es weil, die Hamburger nicht attraktiv genug finden, sei es, weil sie selber so attraktiv sind, dass Auswärtige mit Erfolg um sie werben.“

Entweder-Oder-Formulierungen sind ja meistens ein schwieriges Metier. So könnte jetzt beispielsweise behauptet werden, dass entweder in Hamburg einfach mehr Hamburger als Hamburgerinnen leben – stellte man sich nämlich eine Stadt vor, in der exakt 100.000 Frauen und 117.777 Männer, und wären dort 53% der Frauen mit 45% der Männer verheiratet, dann würde niemand eine Doppelehe führen und ebenso keine Auffälligkeit bezüglich Ehen mit Außer-Städtischen zu sehen sein.

Oder man leitet daraus ab, dass man nicht einfach so Bild-Umfragen zitieren sollte: Denn dieser Bericht (pdf) des Statistikamts Nord aus dem Jahr 2009 (!) zeigt – hier ein Faksimile – dass in Hamburg tatsächlich 40% der Männer, und nur 37% der Frauen verheiratet sind. Und das, obwohl es eigentlich mehr Frauen als Männer gibt.

Man sieht: Das Statistik-Deuten ist eine Krux.

Axel Maireder ist Sozialwissenschafter am Publizistikinstitut der Universität Wien. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog.

Der gestrige Fernsehabend war eine doppelte Enttäuschung. Zum einen erdreistete sich der ägyptische Diktator – das ägyptische Volk ignorierend – seinen schon angekündigten Rücktritt abzusagen (bzw. hinter lächerlichem Geplänkel so zu verstecken, dass er nicht gewertet werden konnte). Zum anderen kam die Berichterstattung des ORF zu den Ereignissen einem journalistischen Fiasko gleich: Nicht nur, dass es dem ORF nicht gelang für die schon seit Stunden angekündigte Rede Mubaraks einen ordentlichen Arabisch-Dolmetscher zu finden, der die ohne Zweifel historische Rede Mubaraks ohne Gestammel würdig zu übersetzen weiß. Nicht nur, dass sich die Moderatorin und ihr Gast bemüßigt fühlten eben diese Rede auch noch ständig zu kommentieren.

Nein, dem ORF gelang es sogar die Ansprache genau in jenem Moment abzubrechen, in dem der Präsident zum Schlußpunkt ansetzte und stattdessen eine Werbepause (!) einzulegen. Während die fehlende Kompetenz des Dolmetschers und die laufende Kommentierung als hochgradig unprofessionell zu bewerten sind, ist letzteres unanständig und insbesondere einem öffentlich-rechtlichem Sender zutiefst unwürdig.

Abgerundet wurde dieses traurige Bild des ORF noch von den KollegInnen bei orf.at, denen schlicht das journalistische Gespür zu fehlen schien, die Lage in Ägypten im Rahmen einer Überschrift korrekt zu bewerten. Während von CNN bis Al Jazeera, von tagesschau.de bis derstandard.at, der Unmut der Demonstranten über den nicht erfolgten formalen Rücktritt des Mubaraks als zentral für die Nachricht erkannt wurde, titelte orf.at schlicht und wenig ergreifend: “Mubarak übergibt Macht an seinen Vize”. Enttäuschend.

UPDATE (12.02, 07:30): Der ORF erklärt in einer Stellungnahme, von der derstandard.at berichtet, der Werbeblock sei notwendig gewesen um das Studio umzubauen (Und das ging nicht während der laufenden Rede von Mubarak?) und der Übersetzer hätte mit der schlechten Tonqualität der Originalaufnahme von Al Jazeera gekämpft (Okay, das erklärt es zumindest).

Screenshots von 10.2, etwa 23 Uhr:

ORF.at:

Tagesschau.de

DerStandard.at:

CNN.com

Am Sonntag war in der Printausgabe der „Kronen Zeitung“ ein Bericht zu lesen, laut dem eine „Türkenbande“ fünf Jugendliche überfallen haben soll. Wie sich herausstellt, besteht die ganze Story aus zusammengewürfelten Halbwahrheiten.

Türkenbande beraubte mit Messern fünf Jugendliche

Ob es sich bei den TäterInnen um TürkInnen handelt, ist unklar. Die Polizeidirektion Wien bestätigt, dass derzeit lediglich eine TäterInnenbeschreibung der Opfer vorliegt. Es wurde also Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Allerdings sagten die Opfer aus, die TäterInnen hätten einen „türkischen Akzent“ gehabt.

Wieder schlug eine dieser skrupellosen Migrantenbanden, die unbehelligt in Wien ihr Unwesen treiben, zu.

Die Formulierung der Krone legt nahe, dass die TäterInnen wiederholt Straftaten begehen. Ob es sich tatsächlich um eine „skrupellose Bande“ handelt, die unbehelligt in Wien ihr Unwesen treibt, ist reine Spekulation. Ebenso möglich ist, dass es sich um eine Gruppe Jugendlicher handelt, die erstmals straffällig geworden sind.

derartige Coups gehören auf Wiens Straßen mittlerweile zur Tagesordnung

Falsch. Die Polizeidirektion Wien bestätigt auf Anfrage von Kobuk, dass derartige Vergehen in Wien „ganz sicher nicht“ täglich passieren. Wie oft genau, kann gar nicht gesagt werden, da diese Art der Anzeigen nicht gesondert in einer Statistik erfasst werden. Die Jugendkriminalität (pdf) ist jedenfalls seit 2006 um 18% gesunken, wobei von 2009 auf 2010 ein minimaler Anstieg (0,1%) an Anzeigen registriert wurde.

Die sieben halbwüchsigen Türken (…) zückten feige ihre Messer und raubten ihren eingeschüchterten Opfern die Messer.

Sieben böse Türken, haben also fünf armen Opfern die Messer geklaut? Freilich nicht. Es wurden bei dem Vergehen zwei Handys gestohlen. Weiter oben hat die Krone das allerdings richtig geschrieben.

Inzwischen wird der Ruf nach hartem Durchgreifen immer lauter: FPÖ-Mandatar Erich Königsberger: „Wir müssen die ausländischen Banden stoppen und sofort abschieben.“

Der „türkische Akzent“ der TäterInnen ist ein Hinweis, dass es sich nicht um junge TürkInnen („Jungtürken“ sowieso nicht), sondern um „Jungösterreicher“ handelt. Nur 4,6% der MigrantInnen der zweiten Generation sind türkische StaatsbürgerInnen. Für die dritte Generation (beide Elternteile in Österreich geboren) gibt es so eine Statistik gar nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sicht nicht um eine ausländische „Bande“ sondern eine heimische handelt, ist also hoch. Und nur weil ein österreichischer Staatsbürger Eltern oder Großeltern hat, die in der Türkei geboren sind, kann man ihn nicht einfach dorthin abschieben. Das weiß hoffentlich auch Erich Königsberger, der neben seiner Tätigkeit als FPÖ-Politiker als Polizist arbeitet.

Danke an die Twitteruser @kellerabteil und @thebalancebeam, die mich auf den Krone Artikel aufmerksam gemacht haben.

Ohne Worte:

Danke an Walter Gröbchen, dem das auffiel.


Matura mit 14? Klingt nach etwas für Mensa-Anwärter. Geht es nach der letzten Sonntagsausgabe von „Österreich“, scheint das die ÖVP für alle Schüler landesweit zu fordern.

Was sich erst beim Weiterlesen erschließt: Die eigentlich gemeinte Mittlere Reife ist ein Bildungsabschluss, der mit der Matura nicht das geringste zu tun hat.

Danke an Yilmaz Gülüm für Hinweis und Foto.

Worin liegt der Neuigkeitswert dieser Nachricht auf DerStandard.at über einen Roboter, der einen Rubik-Würfel in 15 Sekunden lösen kann?

Es gibt seit zumindest Anfang des Vorjahres ein deutlich schnelleres Gerät, gebaut mit handelsüblichem Lego-Spielzeug:

Via Kommentar von Martin auf DerStandard.at, der übrigens auch nach über einer Woche noch zu keiner Reaktion geführt hat.

Auch im neuen Jahr haben sich schon einige kleine Kobuks angesammelt:

Standard vom 30. 12. 2010

  • Der „Standard“ vom 30. 12. zählt 900 Mio. Flughäfen in den USA und gleich mehrere Milliarden in Asien.
  • In der Online-Ausgabe von „Heute“ findet die Sonnenfinsternis vom Dienstag dem 04.01. einen Tag früher statt, während man in der Printausgabe einen Tag zu spät ist. Das Wirtschaftsblatt vom 21. 12. verrechnet sich gleich um fast ein Jahrzehnt bei der Datierung des Öldesasters der Exxon Valdez, und die OÖN von heute verlegen „Terminator III“ drei Jahrzehnte in die Vergangenheit.

  • „Österreich“ sieht eine Verdoppelung der Kirchenaustritte bei einem Plus von 47%. Der Fehler wurde inzwischen behoben.
  • Der Kommandeur der „USS Enterprise“, Owen Honors, wurde aufgrund beleidigender Videos entlassen. Doch warum schafft es kaum ein OnlineMedium, auf das (ohnehin zensurierte) Youtube-Video zu verlinken oder es einzubetten, damit man sich eine eigene Meinung bilden kann? Wir holen das nach:

Danke an Gerhard Peischl, Flo Pötscher, Claudia N. und Jakob Pfeiffer für die Hinweise!

Wenn Fr. Grafik, ihr Freund Hr. Screenshot und Cousin Youtube vorbei kommen und ihre Rechte einklagen, ist Vorsicht geboten. Wenn dann noch Onkel Twitter dazu kommt, könnte es schon teuer werden.

Gar nicht wenige Fotos auf Oe24.at stehen unter „© gfl“. Was verbirgt sich hinter dem Kürzel? Viele der Bilder entpuppen sich als Screenshots aus Videos. Es sind aber auch strittigere dabei:

Das Foto unten stammt ursprünglich aus einem Blog. Hinweise, dass man es ohne weiteres verwenden kann, gibt es nicht. (Dass das Foto nicht den beschriebenen ägyptischen Hai sondern einen kalifornischen zeigt, scheint auch nicht weiter zu stören.)

Das nachfolgende Foto verwendet Oe24.at gleich zwei Mal. Das Copyright gehört einem Tiroler Krankenhaus, wie unten auf ihrer Homepage vermerkt ist.

Beim nächsten Foto war die Herkunft nicht so leicht herauszufinden. Die traditionsreiche El País gibt jedenfalls als Inhaber des Fotos Reuters an (in der Galerie rechts unten).

Beim letzten Foto (zu diesem Artikel) hat man sich offenbar aus dem Facebook-Profil einer jungen Dame bedient. Ebenso bei vier weiteren Fotos von ihr, die in einer eigenen Galerie gezeigt werden.

Böse Zungen behaupten ja, „gfl“ stehe für „gfladert„.

Sinn zur Selbstironie beweist die Oe24.at-Redaktion auch bei dieser Story: „Wie die Bilder ins Internet gelangten, ist ungewiss“, steht im Artikel. Wie die Bilder auf Oe24.at gelangten, ist ebenso ungewiss. Es fehlt jegliche Quellenangabe. Passend dazu auch die Kopfzeile des Artikels: „Gestohlene Aufnahmen“.

Quellen: 1, 2, 3, 4. Danke auch an Herbert Sasshofer für den Hinweis zu „(c) Twitter“ auf Facebook!