Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

„Heute“ berichtete am 11.05 in dem Artikel „Geheimplan: Mariahilfer Straße wird Fußgeherzone!“ über die „geheimen“ Pläne für den Umbau der Mariahilferstraße. Der Titel klingt spannend und sensationell, die Einleitung sieht jedoch ganz anders aus:

(…)Thomas Blimlinger, grüner Bezirksvorsteher von Neubau, präsentiert „Heute“ seinen revolutionären Plan: Er möchte auf Wiens bekanntester Einkaufsstraße zwischen Zieglergasse und Neubaugasse eine gemeinsame Fläche für Autos, Radler und Fußgeher schaffen(…)

In der Regel wird ein geheimer  Plan von der Öffentlichkeit ferngehalten, und schon gar nicht präsentiert, oder liebe „Heute“?

Der haitianische Fotojournalist Daniel Morel, der kurz nach dem starken Erdbeben im Januar Fotos über Twitter veröffentlicht hatte, fand diese kurz darauf auf den Frontpages dieser Welt wieder – jemand hatte diese entwendet und der Presseagentur AFP verkauft. Danach sieht es zumindest aus. Nun wurde Morel verklagt – von AFP.

Das „Russian Photos Blog“ hat die Affäre, die auch den Umgang klassischer Medien mit Social-Media-Inhalten neu definieren könnte, nachgezeichnet.

Der Standard schrieb am Freitag, 30.04.10: „Durch die Lecks dürften pro Tag rund 666 Tonnen Rohöl strömen.“ Heute.at schreibt am gleichen Tag von 6600 Tonnen.

Welche Zahl ist real?

Heute vom Di 4.5.2010

Auf der EBC*L – Seite wird eine große Anzahl von Anbietern aufgelistet – also warum gerade exklusiv Dr. Roland?

In der Ausgabe von „Heute“ vom 4.5. wird in der Rubrik Bildung auf den Wirtschaftsführerschein EBC*L aufmerksam gemacht. Informationen dazu bekomme man exklusiv bei der Europa-Akademie Roland unter www.roland.at. Auf der ganzen Seite findet sich aber kein einziger Hinweis auf eine entgeltliche Einschaltung.

Handelt es sich hierbei etwa um eine kostenpflichtige Einschaltung (Kooperation, Druckkostenbeitrag etc.)? Das würde einen Verstoß gegen § 26 MedienG bedeuten.

Zugegeben, es ist nicht leicht mit Kobuk. Unverpixelte Bilder passen uns oft nicht und verpixelt ist’s dann auch wieder falsch. Aber der Reihe nach…

Das ist Österreichs faulster Lehrer:


(Screenshot: oe24.at)

Schon bemerkenswert. „Österreich“ hat ein Profi-Foto des Lehrers aufgetrieben, das nur in einer von 104 Wochen der vergangenen zwei Jahre entstanden sein konnte. Und das Beste: Kobuk hat dieses Bild auch ausfindig gemacht. Offenbar war der gute Mann, der sich für seine 53 Jahre beneidenswert gut gehalten hat, in einem seiner Nebenjobs auch Model für internationale Fotoagenturen. Warum „Österreich“ uns diese Sensation verheimlicht, bleibt ein Rätsel.

Irgendwie empfinde ich jetzt — im Gegensatz zu „Österreich“ — auch gar keine Skrupel mehr, den Lehrer auf dem Bild für unsere Leser zu enttarnen und nebenbei einen kleinen Fehler in der Schlagzeile zu korrigieren.

Das ist „Österreichs“ faulster Lehrer:


(Fotomontage: Kobuk)

PS: Die Agentur hat das Foto unter anderem mit dem Stichwort „retrosexuell“ beschlagwortet — wieder was gelernt.

Das ist aber auch kompliziert mit diesen Gewichtsangaben:

Nachdem, wie von uns bereits berichtet, DerStandard.at bei einem Artikel über die Ölpest im Golf von Mexiko und die in diesem Zusammenhang verwendete schwere „Stahlglocke“ ein falsches Gewicht von 64 Tonnen angab, ziehen nun weitere Medien nach und liefern übertriebene Daten:
Bild.de spricht von 125 Tonnen und Spiegel.de von 113 Tonnen. Krone.at bekommt zwar das Gewicht mit 100 Tonnen richtig hin, macht dafür allerdings die Glocke 3 Meter höher.

Über Gewicht und Maße dieser Stahlglocke lässt sich aber schwer diskutieren. Es stellt sich also die Frage, warum nicht einfach die von BP selbst angegeben Daten verwendet werden.

Bild: © BP p.l.c.

Update: Selbst BP veröffentlicht mittlerweile unterschiedliche Angaben zum Gewicht der Glocke. Obwohl noch vor einer Woche in einer Presseerklärung von 100 Tonnen gesprochen wurde, ist in einem aktuellen „Fact Sheet“ das Gewicht mit 125 Tonnen beziffert.

Vielen Dank an Kobuk Leserin Annie.

Die Presse vom 06.05. wirft dem ORF vor, eventuell unzulässige Werbung im Technik-Magazin On gezeigt zu haben. „On“ ist eine sogenannten Patronanzsendung. Bei einer Patronanzsendung sponsort eine Firma deren Austrahlung.

Die Presse kritisiert vor allem drei Punkte:

  1. In der Sendung kam ein Siemens-Schulungsleiter zu Wort, auch Produkte seines Unternehmens wurden deutlich platziert. Laut § 17 (2) ORF-Gesetz dürfen in Sendungen keine Hinweise auf den Auftraggeber erfolgen. Hat Siemens für den Beitrag an den ORF gezahlt, wurde dieses Gesetz verletzt.
  2. In der Sendung wurde über Energiesparen mit Haushaltsgeräten berichtet. Das Pikante daran ist, dass Saturn Sponsor ist und solche Geräte anbietet. Ebenfalls laut § 17 ORF-Gesetz dürfen Patronanzsendungen nicht zum Kauf von Erzeugnissen des Auftraggebers anregen.
  3. Der Auftraggeber darf außerdem die Sendung nicht so beeinflussen, dass die redaktionelle Unabhängigkeit des ORF angetastet wird. Auch das ist im § 17 ORF-Gesetz geregelt.

Der ORF hat daher bei Patronanzsendungen wenig Spielraum. Saturn wurde korrekt am Anfang und am Ende der Sendung als Sponsor genannt. Medienrechtsanwalt Michael Pilz entkräftet auch zwei dieser Anschuldigungen, denn das bloße Informieren ist keine Verkaufsförderung. Den dritten Kritikpunkt sieht er aber kritisch:

Die redaktionelle Freiheit des ORF darf nicht beeinflusst werden. Der ORF ist immer dazu angehalten, den Inhalt auch einer Patronanzsendung autonom zu gestalten.

Fraglich ist, ob diese Autonomie verletzt worden ist.

In Laakirchen wurde letzte Woche ein Rentner vor seinem Haus von Polizeibeamten erschossen, nachdem er diese mit einer Waffen-Attrappe bedroht hatte — vermutlich, weil er sie in der Dunkelheit für Einbrecher hielt. Die Kronen Zeitung berichtete, dass der 84-Jährige…

[…] eine geradezu panische Angst vor Einbrechern hatte. Deshalb hat [er] Attrappen einer Überwachungskamera und einer Wehrmachtspistole angeschafft. Und deshalb wollte der gehbehinderte Witwer offenbar auch sein Haus und seinen darin schlafenden Enkel bewaffnet verteidigen, als Mittwoch um 1.45 Uhr Früh ein Zeitungsausträger in der […]straße Nr. 10 an die falsche Adresse kam.

Die richtige Adresse, die steht jetzt in der Krone und weil Tote eher selten klagen, gleich auch noch sein voller Name. Ja, gegen Krone Crime View wirkt selbst Google mit seinen vorwitzigen Kameraugen wie ein strenger Datenschützer. Was im Nebel des bunten Faktenfeuerwerks aber untergeht, sind die wirklich spannenden Fragen zu diesem Fall:

  • Was versetzt einen Menschen, der in einer beschaulichen Wohngegend auf dem Land lebt, in derartige Panik vor Verbrechern?
  • Und wie kommt er auf den Gedanken, es sei eine gute Idee — ja vielleicht gar nicht mal so außergewöhnlich — Einbrechern mit der Waffe in der Hand entgegenzutreten?

Es wäre nun müßig, hier über den konkreten Fall zu spekulieren. Doch ganz allgemein gibt es durchaus Anhaltspunkte, was Menschen in ähnlicher Lage zu derart fatalem Denken und Tun bewegen — oder sagen wir mal — zumindest darin bestärken könnte.

Gehen wir einfach nur zwei Tage zurück, vor das tragische Ereignis, und dann noch etwas tiefer ins Archiv der Krone-Leserbriefe:

Amerika, du hast es besser
[…] „Und was gedenkt die österreichische Regierung gegen die ausufernde Kriminalität zu tun?“ Die Antwort lautet: Entwaffnung der potenziellen Opfer! […] Die USA gingen den umgekehrten Weg. Dort erlaubte man den unbescholtenen Bürgern das verdeckte Tragen von Schusswaffen. Und siehe da – die Schwerkriminalität sank eklatant. […] (Franz S., Ilz, 27.4.2010)

Pro FPÖ-Strache
[…] Ich habe in den letzten Monaten bereits zweimal „ungebetene“ fremdsprachige Personen in unserem Stiegenhaus (und Keller) angetroffen […] Ich bin ein alter Mann und habe keine Möglichkeit gehabt, diese Leute (Burschen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren) anzuhalten, bis die Polizei kommt. Da diese Kerle bei unserem kurzen Gespräch ständig eine Hand in der Hosentasche hatten, musste ich annehmen, dass sie zum sofortigen Einsatz einer Waffe (z. B. Messer) bereit waren. […] Mit einer erlaubten Waffe könnte man diese Gauner wenigstens so lange anhalten, bis die Polizei kommt! (Gustav Z., Wien, 26.4.2007)

Für Fußballmeisterschaft Waffenschein besorgen!
[…] die internationalen Kriminellen […] werden massenweise nach Österreich strömen […] Jeder Geschäftsmann und Haus- bzw. Wohnungsbesitzer sollte sich einen Waffenschein besorgen und mit Pistole oder Gewehr bei Fuß sein Eigentum verteidigen […] (Martha W., Wien, 12.12.2007)

Oft zählen Sekunden…
Positiv überrascht nahm ich den Leserbrief von Frau W. [s. oben] zur Kenntnis, die den rechtschaffenen Bürgern angesichts der explodierenden Ost-Kriminalität rät, sich Waffen anzuschaffen und diese zur erlaubten Notwehr im eigenen Heim bereitzuhalten. Da in unseren Medien üblicherweise nur weltfremde Waffengegner zu Wort kommen, die uns Bürger wehrlos machen und der Gnade der Verbrecher ausliefern wollen, danke ich der „Krone“ für diese Veröffentlichung ganz besonders. […] (Mag. Christoph L., Wien, 18.12.2007)

Selbstschutz!
Tagtäglich erreichen uns immer mehr Meldungen von Einbrüchen. Gleichzeitig wird den Opfern bzw. zukünftigen Opfern geraten, sich möglichst wenig zu wehren. Kein Wunder, dass die Einbrecher gerne wiederkommen, wenn sie so behandelt werden. Das Ziel sollte die Wiederherstellung der inneren Sicherheit sein, statt Täter- sollte Opferschutz betrieben werden. Wenn nötig, dann auch mit Einsatz von Waffen, solange diese in Österreich noch frei ab 18 erhältlich sind. (Georg O., per E-Mail, 10.2.2008)

Notwehr!
Tatsache ist, dass die neuen Räuber mit einer ungekannten Keckheit in unsere „bewohnten“ Häuser und Wohnungen eindringen. […] Kriminologische Studien haben ergeben, dass Verbrecher in erster Linie das „bewaffnete Opfer“ fürchten. Andere Schutzmaßnahmen sind wünschenswert, aber die Pistole in der Hand ist besser als die Polizei am Telefon! […] Ich werde einen Einbrecher mit in Anschlag gehaltener Waffe empfangen. (Franz S., Ilz, 10.02.2008)

Neuartige Raubüberfälle
Der ORF-Teletext berichtet, dass Österreich unter einer „neuen“ Art von Raubüberfällen leide. So legen es Räuber und Einbrecher – offenbar seit der gänzlichen Öffnung der Ostgrenzen – darauf an, ihren Opfern persönlich zu begegnen. […] Ich verstehe jeden Hausbesitzer, der nichts auf die politische Gutmenschlichkeit gibt und sich nun zum Selbstschutz bewaffnet. (Roland R., Wien, 26.2.2008)

Sicheres Österreich? Bei jedem allerkleinsten Geräusch steh ich auf, die geladene Waffe im Anschlag!
[…] Bei jedem kleinsten Geräusch stehe ich auf und kontrolliere meine Wohnung, die geladene Waffe im Anschlag. Ich komme mir in meiner eigenen Wohnung bedroht vor wie Rambo im Dschungel. […] (Herbert S., Mistelbach, 28.7.2009)

Wenn Jugendliche mit tragischem Erfolg zur Waffe greifen, wissen wir sofort, was schuld war: Fernsehen, Internet und Killerspiele. Die unheilige Trinität der medialen Jugendgefährdung. Doch wie ist das bei älteren Semestern, wenn die mal aus dem Ruder laufen? Durch welches Medium werden sie verdorben? Wo holen die sich ihren täglichen Kick an Nervenkitzel und Gewalt? Sollten wir statt Killerspielen hier vielleicht nach Krone-Abos suchen?

Die Leser sind Dichands Medium. Durch sie spricht er zu uns und offenbart Einblicke in die Abgründe der österreichischen Seele — die vielleicht doch nur die seinen sind. Es geht das Gerücht, die meisten Briefe im „freien Wort“ seien von ihm höchstselbst erwählt. Manche auch geschrieben? Das scheint kaum nötig. Der Herausgeber nutzt geschickt das Potenzial seiner Millionen Leser — lange bevor Crowdsourcing im Internet ein Thema wurde. Und der „intelligente Schwarm“ spielt, was der Meister wünscht und virtuos zu seinem Bild der Wirklichkeit zusammenfügt. Nahezu täglich, auf drei (!) ganzen Seiten.

Viele Blätter distanzieren sich formal von den Inhalten der veröffentlichten Zuschriften. Die Krone nicht. Im Gegenteil, sie ging den umgekehrten Weg: Von seltenen Ausnahmen abgesehen, hat sie die Leserbriefe der Blattlinie unterworfen und ihre Schreiber zu einer Art Schattenredaktion formiert. Mit fixer Stammbesetzung und wechselnden freien Mitarbeitern für das von Freiheit befreite, letztlich nur mehr kosten-„freie Wort“.

Zugegeben, der Killerspiel-Vergleich, er trifft nicht ganz. Denn Killerspiele sind nicht real. Sie bewegen sich in den Grenzen einer virtuellen Welt und praktisch alle Spieler sind sich dessen bewusst. Was in der Krone steht, hingegen, ist real. Die täglichen Bedrohungen und fallweise drastischen Anleitungen zu deren Abwehr werden wahr, sobald nur ein Leser sie für wahr hält. Er wird, in welcher Form auch immer, darauf reagieren. Und damit wird das Wort zur Wirklichkeit, Teil unserer Welt und des echten Lebens. Oder frei nach Foucault: Der Diskurs erzeugt Realität. Das macht die Krone — im Vergleich zum Killerspiel — gefährlich.

Screenshot: derstandard.at

Die Stahlglocke, die auf dem Bild zu sehen ist, soll laut BP über das Bohrloch vor dem Golf von Mexiko gestellt werden, um das auslaufende Öl aufzufangen und anschließend abzupumpen. Auf der Seite von BP steht dazu Folgendes:

The 40x24x14 feet steel vessel, which weighs almost 100 tons, is expected to be lowered to the seabed today.

Auf DerStandard.at findet man jedoch, wie auf dem Screenshot links zu sehen ist, Informationen über eine 64 Tonnen schwere Betonkonstruktion – logisch, denn ohne Stahl ist das Ding wahrscheinlich auch leichter.

Natürlich ist es kein tragischer Fehler, und natürlich wäre er durch einen kurzen Check gefunden und ausgebessert worden, aber dann hätten wir Kobuks ja nichts mehr zu tun.

Wie sehr sich der heimische Boulevard um den Identitätsschutz kümmert, haben wir bereits aufgezeigt.

„Heute“ veröffentlichte am 27.4. das Foto jenes Mannes, der dafür verurteilt wurde, im März 2009 eine Frau in Hernals ausgeraubt und erstochen zu haben. Sein Gesicht ist dabei  deutlich erkennbar. Die Tat ist zweifelsohne schrecklich, aber auch ein Täter hat ein Recht auf Identitätsschutz. So besagt § 7a (2) des Mediengesetzes ganz klar, dass ein Verurteilter Recht auf sein eigenes Bild hat. Es darf nicht veröffentlicht werden, wenn dadurch schutzwürdige Interessen verletzt werden. Der Sinn dieses Gesetzes besteht darin, dass der Täter von einem Gericht und nicht zusätzlich von der Öffentlichkeit bestraft werden soll.

Dabei hätte man sich diesmal die korrekte Handhabung bei dem österreichischen Boulevardblatt abschauen können: Auf Krone.at wurde das Gesicht verpixelt.