Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Beide kämpfen auf ihre Art für den Wandel der Medien: Wolfgang Fellner, der „Opa des Inzest-Journalismus“, so die Jury der frisch vergebenen Big Brother Awards. Und A1-Chef Hannes Ametsreiter, ebenfalls geehrt, als Totengräber der Netzneutralität*).

Das verbindet. Und so darf A1 heute auf einer Doppelseite das „Thema des Tages“ einnehmen. Jene journalistische (!) Rubrik im Fellner-Blatt, wo für gewöhnlich Persönlichkeitsverletzungen Rufmord das Wichtigste des Tages abgehandelt wird:

(Bild anklicken für Großansicht)

Ein kleiner Auszug aus dem investigativen Report:

… Neues Super-Smartphone bei A1 … Heute erster Verkaufstag des neuen Apple-Smartphones bei A1 … A1 startete den Verkauf als Erster … Als Erster öffnete Mobilfunk-Marktführer A1 um Mitternacht seine Shops … Im A1-Shop in der Pernhartgasse gab es um Mitternacht eine Produktpräsentation … Größte Stückzahl bei A1 … Bei A1 haben sich mehr als 10.000 Interessenten vorregistriert … „Anfangs gibt es immer zu wenige“, sagt A1-Vorstand Alexander Sperl … Top-Angebote. A1 bietet das iPhone 4S mit Vertrag und iPhone-Paket … Wer jetzt einen der vier A1-Smartphone-Tarife abschließt, hat sein gesamtes Vertragsleben lang doppelt so viele … Doppeltes Freivolumen: In allen vier A1-Smartphone-Tarifen bekommen Neukunden jetzt das doppelte Freivolumen … Und dass auch datenintensive Anwendungen wie Fernsehen am iPhone (A1 TV-App) richtig Spaß machen, dafür sorgt das super-schnelle A1-Netz …

Gezählte 38 Mal wird die Marke auf den beiden redaktionellen Seiten erwähnt. In dieser Ausprägung fällt es schwer, noch von Schleichwerbung zu sprechen. Das ist schon Tourette.

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*) Ohne Netzneutralität entspräche das Internet in etwa einem Kiosk, wo eines Morgens nur mehr „Österreich“ und „Krone“ gut sichtbar aufliegen, weil sie dem Betreiber dafür mehr Geld zahlen als die Konkurrenz. Und Zeitungen, die gar nichts zahlen? „Die hol ich aus dem Lager, dauert nur ein bisschen.“

Überschrift in "Österreich" Serben fielen über zwei Wiener her. Messerstich: Opfer den Hals zerschnitten"Von einer brutalen G’schicht weiß „Österreich“ in der Printausgabe von Sonntag zu berichten:

Serben fielen über zwei Wiener her

Klare Sache. Zwei Wiener, zwei Serben, letztere greifen erstere an und verletzen sie. Ganz so klar ist die Sache doch nicht, wie sich beim Durchlesen des Artikels herausstellt:

(…) Die zwei Unbekannten schimpften die beiden Freunde in vermutlich serbischer Sprache. Plötzlich zog einer der Übeltäter ein Messer aus seiner Tasche und stach dem Wiener, Gerald K., in den Hals. Anschließend flüchteten die beiden Serben in unbekannte Richtung.

Der einzige Hinweis auf die Herkunft der Täter ist also die Aussage der Opfer und einzigen Zeugen, wonach die zwei Männer „vermutlich“ auf Serbisch geschimpft hätten. So schnell kommt man zu einer Staatsbürgerschaft sonst nur mit viel Geld in einem südlichen österreichischem Bundesland.

Ein Gedankenexperiment: Die zwei angegriffenen Wiener sind Slawisten. Und weil sie aufgrund der Aussprache einzelner Wörter genau wussten, dass die Männer serbisch und nicht zB kroatisch gesprochen haben, konnten sie so eine genaue Angabe über die gesprochene Sprache machen.

Selbst wenn man zweifelsfrei – aufgrund der Aussage der einzigen Zeugen, die gleichzeitig Opfer sind – wüsste, dass die beiden Männer serbisch gesprochen hätten, könnte man daraus nicht ableiten, dass es sich um Serben gehandelt hat. Viele ÖsterreicherInnen sprechen (zusätzlich oder ausschließlich) andere Sprachen als Deutsch. Und dass sich „Österreich“ mit den verschiedenen Ländern Südosteuropas ein bisserl schwer tut, wissen wir ja inzwischen.

„Österreich“ schließt aufgrund der Aussage zweier Zeugen vorschnell auf eine Staatszugehörigkeit – vielleicht, weil’s so schön ins Klischee passt?

Die Tageszeitung “Österreich” berichtet in ihrer Ausgabe vom 19. Oktober unter der Rubrik „Wien Aktuell“ von dem Fitnessgerät Powerplate.

Wie es der Zufall so will, findet sich auf der selben Seite eine Werbeanzeige, der auch im Artikel genannten Firma Lifestyleladies, die in Österreich das Training mit dem Sportgerät anbietet.

Der Artikel selbst ist nichts anderes als ein leicht modifizierter Pressetext der der Vertriebsfirma des Fintnessgeräts, welcher auch auf der angepriesenen Homepage heruntergeladen werden kann. Dort findet sich übrigens auch ein Flyer für ein Probetraining. Die Models auf dem Gutschein weisen eine frappierende Ähnlichkeit zu den jungen Damen auf, die uns im Zeitungsbericht so freundlich entgegen lächeln.

Den identischen Text findet man auch auf Oe24.at, wo als „Service“ der Redaktion ein Probetraining bei den Lifestyleladies empfohlen wird.

Eine Kennzeichnung als Werbeanzeige sucht man vergebens.

Oe24.at ist bei der Berichterstattung über den umstrittenen Kunsthallen-Chef ein scheinbar unauffälliger Fehler unterlaufen, denn der Herr mit der ähnlichen Frisur ist nicht Kunsthallendirektor Gerald Matt sondern der amerikanische Schauspieler Matt Gerald (zu sehen beispielsweise in Avatar).

Folgt man den Links in der Seitenspalte, findet man ein Foto vom „richtigen“ Matt.

Der Untertitel der Geschichte zeigt zudem kein sehr klinisches Verhältnis zur Rechtschreibung:

Grünen und ÖVP liegen in Punkto Kunsthallen-Boss Gerald Matt im Klinisch.

Brauchbare PR dürfte die Regionalzeitung Kärntner Woche (Region Völkermarkt & Jauntal) vom 12. Oktober für den größten Energiekonzern des südlichsten Bundeslandes gemacht haben – übrigens auch in der Online-Ausgabe.

Der Artikel lässt kritische Distanz vermissen und liest sich wie eine Presseaussendung der Energiefirma. Besonders auffallend ist der häufige Gebrauch des Firmennamens, vor allem im ersten Absatz: Von insgesamt 42 Wörtern findet sich hier sechsmal das Wörtchen „Kelag“. Jedes siebte Wort ist also der Name der Firma über die berichtet wird. Ein Auszug:

„Kelag-Vorstand Harald Kogler zeichnet – mit Günther Stückler – als Geschäftsführer der Kelag Wärme für den Ausbau dieses Kelag-Geschäftsfeldes verantwortlich. Die Kelag Wärme ist eine 100%-Tochter der Kelag.“

Mancher dürfte sich in eine Episode der Schlümpfe versetzt fühlen. Alles kela… ähh, klar?

Immerhin fehlt auch die offizielle Werbeeinschaltung einige Seiten später nicht:

Bei manchen Artikeln weiß man nicht recht ob diese ernst gemeint sein sollen oder nicht, wie zuletzt bei diesem, erschienen in „Heute“ am 17. Oktober:

Dieser Artikel erinnert mehr an ein Kinderbuch, das jungen Lesern Albträume bereiten könnte, anstatt an eine qualitative, journalistische Arbeit.

„Viele Jahre lebte Hirsch Hansi glücklich im Wald“

… und…

„Jägern ist er ein Leben lang geschickt ausgewichen“

… doch am …

“Samstagabend stakste der Zwölfender über die Fernpass-Straße und übersah dabei den Pkw eines Innsbrucker Ehepaares“

Interessant, dass „Heute“ den Hirsch in eine Erzählperspektive rückt und ihm eine Identität verleiht, wahrscheinlich wäre eine Kurzmeldung „Wildunfall auf Fernpass-Straße, Lenker leicht verletzt“ zu wenig Sensation gewesen. Über das Schicksal der menschlichen Beteiligten wird nur am Rande berichtet:

„Der Lenker konnte aus dem Wrack befreit werden – leicht verletzt! Hansi verendete noch am Asphalt“

Da war wohl der Wurm im Apfel: Auf Heute.at konnte es ein Journalist nicht abwarten und präsentierte den Lesern das iPhone 5, obwohl am selben Abend dann doch nur das iPhone 4S vorgestellt wurde. Der Artikel steht bis heute unverändert online.

Ein Fall von (Eis-) Kaltschreiben. Komischerweise weiß es Heute.at eigentlich auch besser, wenn man sich diesen Artikel vom gleichen Datum anschaut. Sogar der Text ähnelt sich in vielen Abschnitten.

Interessant ist das ja eigentlich schon: Da fasst das FBI endlich den bösen, bösen Hacker, der die Nacktaufnahmen der Stars von deren Computern und Mobiltelefonen klaut, und dann kommt „Österreich“ und veröffentlicht ebendiese prekären Aufnahmen sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe.

Aufatmen. Nach den Hackerangriffen auf Prominente wie Scarlett Johansson (26) und Mila Kunis (28) kann Hollywood wieder ruhig schlafen. Im Rahmen der “Operation Hackerrazzi“ wurde Christopher Chaney (35) nach elfmonatigen FBI-Ermittlungen in Florida festgenommen.

Ob die Stars wirklich so ruhig schlafen können, wenn plötzlich Tageszeitungen anfangen, die viel diskutierten Nacktfotos abzudrucken? Und dazu texten:

Lasziv auf dem Bett: Das Foto war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Dass dies eine Verletzung der Intimsphäre darstellt, scheint „Österreich“ wenig zu stören:

Berechtigte Interessen werden in jedem Fall durch Veröffentlichungen von Aktfotos des oder der Abgebildeten ohne deren Einwilligung verletzt. Die Verletzung berechtigter Interessen liegt hier in der Verletzung des aus dem Grundsatz der Achtung der Privatsphäre erfließenden Selbstbestimmungsrechts […].

(Korn: Einführung in das Kommunikationsrecht)

Woher hat „Österreich“ die Fotos überhaupt? Weder in der Print- noch in der Online-Version des Artikels wird die Quelle des Fotos offengelegt (Ja, eh – vom Iphone der Scarlett, werden viele jetzt denken. Reicht aber nicht). Des Rätsels Lösung finden wir beim Konkurrenzblatt „Heute„:

© Facebook

Wie „Das Biber“ entdeckte, berichtete „Österreich“ in der Ausgabe vom 13. Oktober über den hohen Ausländeranteil in Österreich. Die Grafik wies zumindest einen Fehler auf:

Die „Krone“ toppte „Österreichs“ faux pas in der Krone Bunt vom 16. Oktober und verlegte Serbien nach Bosnien:

Nicht der erste Kobuk vom Balkan.

Andreas Quatember lehrt Statistik an der JKU Linz. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seiner Instituts-Homepage in der Rubrik “Unsinn in den Medien”.

Jeder dritte Schulwegunfall im Herbst

Jeder dritte Schulwegunfall passiert im Herbst zwischen Oktober und Dezember, warnt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Vor allem in Oberösterreich passieren die meisten Schulwegunfälle in der dunklen Jahreszeit, so eine Studie.

Heuer passierten in Oberösterreich allein in der ersten Jahreshälfte bereits 32 Schulwegunfälle. Die Statistik zeigt, dass in der Zeit zwischen Oktober und Dezember das Risiko für die Schulkinder noch weiter steigt. Denn von den 64 Unfällen im Vorjahr passierten 20, also etwa ein Drittel in der sogenannten dunklen Jahreszeit. […]

(Quelle: orf.at, gefunden von Christoph Pamminger)

Um auf dem Schulweg überhaupt einen Unfall haben zu können, muss ein(e) Schüler(in) in die Schule gehen. Das tun sie in Österreich von 52 Jahreswochen ca. in

  • 12 Frühlingswochen (13 – 1 Osterferienwoche),
  • 4 Sommerwochen (13 – 9 Sommerferienwochen),
  • 13 Herbstwochen (keine Ferien) und in
  • 10 Winterwochen (13 – 2 Weihnachtsferien- und 1 Semesterferienwoche).

Der Herbst stellt mit 13 von insgesamt 39 also genau ein Drittel aller Schulwochen. Mit 20 von insgesamt 64 Schulwegunfällen passierten in Oberösterreich im Vorjahr allerdings nur 31,2 % aller Unfälle im Herbst. Also – wenn überhaupt – dann sind im Herbst im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten sogar verhältnismäßig weniger Unfälle zu verzeichnen. Einfach die vier Jahreszeiten als gleich lang zu betrachten, wenn man Schulwegunfälle untersucht ist natürlich Unsinn. Oder was halten Sie von folgender Schlagzeile?

August sicherster Schulwegmonat
Noch nie sind im August Unfälle am Schulweg passiert!

Trotzdem sollten Eltern natürlich auf reflektierende Kleidung achten und Kinder diese auch anziehen. Aber das ist eine andere Geschichte …