Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

In den Stunden und Tagen nach dem Amoklauf in Graz zeigten einige Medien eine besonders unrühmliche Seite – geprägt von Spekulationen, verstörenden Bildern und unangebrachten Besuchen.

Am Dienstag erschütterte ein Amoklauf an einer Grazer Schule das ganze Land. Während Einsatzkräfte versuchten, die Lage unter Kontrolle zu bringen und Angehörige betreut wurden, übertrafen sich viele Medien in medienethischen Verfehlungen: Sie spekulierten über Motive, zeigten Aufnahmen der Opfer und veröffentlichten identifizierendes Material. Ein Überblick über die schwerwiegendsten Verstöße gegen journalistische Sorgfaltspflichten der letzten beiden Tage.

Klicks über alles – das Problem mit dem Opferschutz

Screenshots von Berichten, die mit Videos Clickbaits generieren wollen. Dazu gehören Kronen Zeitung, Auf1, Exxpress und Servus TV.

Die Polizei hatte die Lage gerade erst gesichert. Polizeisprecher Sabri Yorgun gab der Presse die wenigen, aber gesicherten Informationen weiter: Ein Einzeltäter tötete gegen 10 Uhr vormittags mehrere Personen und verletzte weitere. In einem Sportstadion wurde eine Sammelstelle für die Eltern der Opfer und der Überlebenden eingerichtet.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der FPÖ-nahe Propagandasender Auf1 aber bereits eine „Informantin“ kontaktiert – eine 16-jährige Schülerin, die ihnen exklusiv Videos zuspielte und Informationen von Rettungssanitätern vor Ort weitergab. Stolz schreibt der Verschwörungssender: „Die 16-Jährige steht stark unter Schock und hat uns diese Informationen weinend übermittelt.“

Die Videos sind verstörend, unterlegt mit bedrückender Musik. Sie zeigen, wie offensichtlich Schwerverletzte in einen Rettungshubschrauber transportiert werden oder tragen Titel wie „Schrecklicher Anblick: Tote Schüler auf Rettungstragen aufgereiht“. Die Tagespresse hat einen Überblick der in diesen Stunden geposteten Videos veröffentlicht.

Die Seite Oe24 verlinkt diese Videos zunächst in einem Beitrag, löscht ihn später jedoch wieder. Gegenüber dem Standard bestreitet die Redaktion überhaupt, das Material veröffentlicht zu haben.

Es ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Videos viele Eltern noch auf dem Weg zur von der Polizei eingerichteten Sammelstelle waren. Dem Schutz der Angehörigen zum Trotz setzt Auf1 mit diesen „exklusiven“ Aufnahmen auf Klicks. Sie sind damit nicht alleine. Auch Kronen Zeitung, Exxpress, ServusTV und die deutsche Bild verbreiteten Handyaufnahmen aus der Schule. Mit Titeln wie „Video zeigt Amok-Horror an Grazer Schule“ wurden Nutzer:innen auf die Seiten gezogen. Das Innenministerium fordert gleichzeitig dazu auf, „keine Fotos oder Videos vom Einsatz in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen, um die laufenden Ermittlungen, die Opfer und die Einsatzkräfte zu schützen“.

Der österreichische Presserat mahnt ebenfalls Zurückhaltung ein, Bilder sind einprägsam und Videos können retraumatisierend wirken. Kinder und Jugendliche sind dabei besonders geschützt. „Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen“ sagt dazu der deutsche Presserat.

Dieser Opferschutz wird auch durch voyeuristische Schilderungen verletzt, wie sie in der Kronen Zeitung am Mittwoch auf Seite 4 zu lesen sind („(…) brechen blutüberströmt zusammen (…)“).

Wenn „angeblich“ reicht – das Problem mit Spekulationen

Gerade, weil die Informationslage zu Beginn noch dünn und die Frage nach dem „Warum“ groß ist, verfallen auch viele Medien wilden Spekulationen.

Bereits kurz nach der Tat treffen zahlreiche österreichische und deutsche Medien ein. Sie berichten, was ihnen der Polizeisprecher mitteilt – und was sie darüber hinaus an Spekulationen aufschnappen. Eine Reporterin der ntv Nachrichten berichtet, dass der Täter „ungehemmt durch Klassenzimmertüren“ geschossen habe – „angeblich“. Wie genau die Tat passiert ist, ist bis heute unklar.

„Angeblich“ war der Täter auch Schüler des betroffenen Gymnasiums, erzählt sie – und so steht es auch bereits kurz nach der Tat in zahlreichen Medienberichten, ohne dass es dafür eine Bestätigung durch Polizei oder Innenministerium gegeben hätte. Später stellt sich heraus: Es handelte sich um einen ehemaligen Schüler.

Auch das Gerücht, der Ex-Schüler sei ein Mobbingopfer gewesen, verbreitet sich schnell und hartnäckig. Mit der Schlagzeile „Abschiedsbrief gefunden – Amokläufer fühlte sich gemobbt“ verbreitet Oe24 überhaupt gleich eine Falschinformation – denn aus dem Abschiedsbrief ist kein Motiv herauszulesen, wie Franz Ruf, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, in der ZiB klarstellte. Auch Medien wie die rechte Seite Exxpress („Späte Rache? Ex-Schüler war der Schütze – Mobbing als Tatmotiv“) oder das Gratisblatt Heute („Was steckt hinter Amok? ‚Aus Kränkung, Wut wird Gewalt‘“) beteiligen sich früh an den Spekulationen.

Das Problem daran: Auch wenn sie später berichtigt oder näher beschrieben werden, bleiben diese Spekulationen über den Tathergang und die Motivlage in der öffentlichen Wahrnehmung bestehen. Außerdem können sie die Ermittlungsarbeiten, die zeitgleich beginnen, behindern. So wie Clickbaits dienen Spekulationen oft nicht der Information, sondern der Emotionalisierung und Reichweitensteigerung.

Für die Reportage mit dem Titel „Daheim beim Amokläufer“ suchten Journalist:innen des Profil noch am Tag des Attentats das Haus der Familie des Täters auf und redeten mit Nachbar:innen und sogar bei der Mutter – die nicht öffnete. Aus der Tatsache, dass der 21-Jährige mit seinem 18-jährigen Nachbarn keinen Kontakt hatte, schließt profil, dass der Täter „sehr distanziert“ gewesen sein müsse. Ein echter Erkenntnisgewinn ergibt sich daraus nicht. Das „Porträt“ wurde trotzdem gebracht– für Klicks.

Screenshot eines Artikels des Nachrichtenmagazins „Profil“ mit dem Titel „Daheim beim Amokläufer: 'Er war total in sich gekehrt'“. Im Text darunter berichten Nachbar:innen von ihrer Wahrnehmung des Täters. Sie beschreiben ihn als unauffällig, verschlossen und distanziert. Der Text thematisiert, dass Reporter:innen das Wohnumfeld des Täters noch am Tag der Tat aufsuchten. Auch dieses Bild ist mit dem Kobuk!-Logo versehen.

Gefährlicher Fokus auf den Täter – das Problem der Täter-Heroisierung

Collage mit mehreren Schlagzeilen österreichischer Medien, die den Täter eines Amoklaufs in Graz in den Mittelpunkt stellen. Zu sehen sind unter anderem Überschriften wie „Psychiater: Amok-Täter suchte Rache“ (Kronen Zeitung), „Arthur A.: Das ist der Amok-Schütze von Graz“ (OE24), „Erste Fotos: Das ist der Amok-Täter von Graz!“ (Kronen Zeitung) und „Abschiedsbrief gefunden – Amokläufer fühlte sich gemobbt“ (OE24). Die Bildcollage trägt den Titel „Der Täter im Mittelpunkt“ und ist mit dem Logo von Kobuk! versehen.

Auch die Gefahr der Täter-Heroisierung wird oft übersehen – der österreichische Presserat warnte bereits am Folgetag davor. Der Täter wird etwa durch die Verbreitung von Fotos, biografischen Details oder einer übermäßigen Fokussierung auf seine Person glorifiziert.

So veröffentlichte die Kronen Zeitung als erstes Medium online großflächig zwei unverpixelte Fotos des Attentäters, kurz danach macht das Oe24. Am Folgetag gestalten beide Medien sogar ihre Titelseiten damit. Ob die Veröffentlichung der Fotos so zulässig ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Problematisch ist sie jedenfalls.

Screenshot der Titelseiten von Kronen Zeitung und Oe24 vom 12 Juni. Beide machen den Amokläufer zur Titelgeschichte, mit großem Portraitfoto und den Schlagzeilen "Die dunkle Seite des Schul-Killers" (Krone) bzw. "Der Amok Killer von Graz" (Oe24)

In der gestrigen ZiB 2 mahnte der Jugendpsychiater Paul Plener nämlich, dass Medien „möglichst wenig Identifikationspotenzial“ mit dem Täter liefern und sich daher so wenig wie möglich mit seiner Person beschäftigen sollten. Das Nachahmungspotenzial sei zu groß. Tatsächlich berichtet Franz Ruf vom Innenministerium am nächsten Tag im Ö1 Morgenjournal von ersten Nachahmungstätern, die Drohungen gegen Schulen ausgesprochen hätten.

Bei Suiziden – und im aktuellen Fall handelt es sich um einen suizidalen Amoklauf – soll wegen der Gefahr der Nachahmung auf überschießende Berichterstattung verzichtet werden, sagt dazu auch der österreichische Presserat.

Dennoch stürzt sich vor allem der Boulevard am Tag nach dem Attentat auf alle Details über den Täter. Spekulationen über sein Motiv  („Der Killer sah sich als Opfer“, Krone) rücken seine Perspektive in den Mittelpunkt. Berichte über sein „dunkles Seelenleben“ (Krone) oder „neue Details über Amok-Schützen“ (Oe24) verstärken den Täter-Kult. „Die Fotos – so lebte der Grazer Attentäter mit der Mama“ heißt ein anderer Bericht auf Heute. Dort findet sich eine Bildstrecke mit Fotos von Nachbarschaft, Wohnhaus und Täter (mit Augenbalken).

Die Aufnahmen des Wohnhauses sind auch aus einem anderen Grund problematisch – denn auch die Hinterbliebenen des Täters haben Anspruch auf Persönlichkeitsschutz. Am Mittwoch zeigt die ZiB 13 im Beitrag „Attentäter in Heimatort kaum bekannt“ ebenfalls mehrere Aufnahmen des Gebäudes, inklusive Hausnummer. Etwa zwei Stunden später wird der auf ORF On gespeicherte Beitrag bearbeitet – und die Aufnahmen entfernt, „aus rechtlichen Gründen“.

Screenshot aus der ZiB 13 vom 11. Juni. Gezeigt wird die ORF On-Maske, während der Beitrag „Attentäter in Heimatort kaum bekannt“ läuft. Das Bild zeigt lediglich die Meldung „Aus rechtlichen Gründen kann dieser Teil der Sendung leider nicht gezeigt werden“ in weißer Schrift auf dunkelblauem Hintergrund.

Der 10. Juni war auch eine medienethische Bewährungsprobe. Viele Medienhäuser scheiterten. Selbstverständlich muss eine Tat dieses Ausmaßes öffentlich – und damit auch medial – aufgearbeitet werden. Doch wer schockierende Videos zeigt, den Persönlichkeitsschutz von Opfern und Angehörigen verletzt oder bereits wenige Stunden nach der Tat wilde Mutmaßungen verbreitet, trägt dazu nichts bei. Im Gegenteil: Solches Verhalten untergräbt Vertrauen, verschärft Leid – und wirkt im schlimmsten Fall nach.


Normalerweise verlinken wir alle Beiträge, die wir kritisieren, damit ihr euch selbst ein Bild machen könnt. In Fällen jedoch, in denen traumatisierende Inhalte gezeigt oder der Persönlichkeitsschutz verletzt wird, verzichten wir bewusst darauf.


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Glaubt man den Schlagzeilen, ist die „Gen Z“ eine besonders kuriose Generation: Sie freut sich mehr für ihre Haustiere als für ihre Partner und ist sogar zu ängstlich, um auswärts zu essen. Unsere Analyse zeigt: Oft sind Gen Z-Meldungen substanzlos – mit aufgebauschten Umfrageergebnissen und fragwürdigen Quellen.

„Hat die Gen Z Angst davor, im Restaurant eine Bestellung aufzugeben?“ Das fragte Ende 2023 Der Standard online. Die kuriose Schlagzeile bezog sich auf eine Umfrage einer britischen Restaurantkette, wonach sich viele Menschen beim auswärts Essen überfordert fühlen – aus Sorge, das Falsche zu bestellen. Die New York Post kommentierte diese sogenannte „Speisekartenangst“ süffisant: „Add dining out to the growing list of things Gen Z can’t do like the rest of us.“ Das Problem an der Geschichte: Sie ist belangloser Clickbait – und damit in guter Gesellschaft, wenn es um Artikel über die Generation Z geht.

Die Umfrage wird nämlich überinterpretiert: Zwar fühlten sich mehr Angehörige der Gen Z unwohl im Lokal als ältere Generationen. Doch insgesamt gab die Mehrheit der Befragten an, „menu anxiety“ zu haben – unabhängig vom Alter. Die Quellenlage ist undurchsichtig: In keinem Medium, das die Meldung aufnahm, hat Kobuk einen Link zur Umfrage gefunden. Wie seriös die Umfrage ist, bleibt damit unklar. Und wenn wir schon von Quellen sprechen: Als weiteren „Beleg“ für die Relevanz der Speisekartenangst mussten auf derstandard.at Anekdoten aus dem Diskussionsportal Reddit herhalten.

Das ist kein Einzelfall. Wenn Medien Artikel über vermeintliche Eigenschaften einer Generation schreiben, sind diese oft Clickbait mit mangelhafter Quellenlage. Wir haben uns durch den Dschungel der Generationen-Berichterstattung geschlagen und dutzende solcher Artikel gelesen. Die junge „Generation Z“ (Jahrgang 1995 bis 2009) steht besonders im Fokus. Kaum ein Lebensbereich wird ausgespart, der sich nicht an den angeblichen Eigenarten der Gen Z aufhängen lässt – vom Schlaf- und Datingverhalten bis hin zur Arbeitsmoral.

Bildcollage mit Screenshots aus Medienberichten über die Generation Z

Dünne Quellenlage

Viele der Artikel haben keinerlei journalistisches Gewicht.

Österreichs Medien sind voll mit PR-Fotos aus dem Österreichischen Bundeskanzleramt. Sie vermitteln uns Bilder unserer Politiker*innen, die nicht die Realität widerspiegeln. 

Unsere Politker*innen sind super. Sie sind sympathisch, sie erklären uns die Welt, sie haben die Krisen im Griff. Diesen Eindruck könnte man bekommen, wenn man in Österreich eine Tageszeitung aufschlägt. Von den Bildern strahlen sie uns entgegen, adrett und kompetent.

 Foto Propaganda Medien

„Österreichische Kinder verlernen deutsche Sprache“ titelt die Gratiszeitung Heute am 29. März. In der Sub-Headline heißt es weiter: „In vielen Kindergärten kommen deutsch-sprechende Kinder laut einer Studie unter die Räder.“ Ein „Kindergarten-Schock“ sei das. Angeblich, berichtet Heute weiter, würden laut einer aktuellen Studie österreichische Kinder in Kindergärten mit mehrheitlich nicht-deutschsprachigen Kindern vergessen, wie man Deutsch spricht.

Das Problem dabei: Die besagte Studie lässt diesen Schluss überhaupt nicht zu.

"Heute" missbraucht Kindergarten-Studie

Eine Gruppe homophober Schläger verprügelt systematisch junge Männer. Die Gruppe tarnt ihre Hassverbrechen und behauptet, sie würde Pädophile jagen. Medien tappen in die Falle: Sie übernehmen das Framing der Kriminellen viel zu unkritisch und verzerren so, worum es bei den Straftaten wirklich geht. Denn keines der Opfer war tatsächlich pädophil.

„Razzien: Polizei geht gegen Pädophilen-Jäger vor“, berichtet die Kronen Zeitung am Morgen des 21. März 2025. „Laut ‘Krone’-Infos handelt es sich um eine Aktion gegen die sogenannte ‘Pedo-Hunter-Szene’, die Selbstjustiz gegen Kinderschänder vornimmt“, heißt es weiter. Im nächsten Satz zitiert die Krone einen Beamten der Landespolizeidirektion Steiermark, der von Straftaten „unter dem Deckmantel der Selbstjustiz“ und einem „Hate-Crime-Delikt gegen eine bestimmte Personengruppe“ spricht.

Der „Deckmantel der Selbstjustiz“, den die Polizei später wiederholen wird, ist wichtig. Das bedeutet nämlich, dass die Täter Selbstjustiz lediglich als Vorwand nutzten, um ihre eigentlichen kriminellen oder ideologischen Motive zu verdecken. Den Tätern ging es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Hass. Kein einziges Opfer ist der pädophilen Szene zuzuordnen, stellt die Polizei Freitagmittag klar. Und die Täter seien sich dessen „sehr wohl bewusst“ gewesen, betont der stellvertretende Landespolizeidirektor Joachim Huber.

Die Krone überarbeitet ihren Artikel, nennt die Täter im Titel nun „Dating-Jäger” und die Opfer „mutmaßliche Kinderschänder”. Aber reicht das?

Zwei Screenshots von Krone.at; Links der Bericht mit dem falschen Titel "Razzien: Polizei geht gegen Pädophilen-Jäger vor“. Rechts der aktualisierte Bericht mit dem Titel: "Razzien: Polizei geht gegen 'Dating-Jäger' vor"

Wo Worte fehlen, sprechen Bilder – doch nicht immer sind es die richtigen. Eine Analyse von Symbol- und Stockbildern in Kronen Zeitung, Heute und Der Standard zeigt, wie stark stereotype Darstellungen von Frauen das mediale Bild prägen: Fast alle sind jung, weiß, hübsch und schlank.

Frauen mit Schals, Frauen, die sich den Kopf halten und das Gesicht schmerzhaft verziehen, Frauen, die sich schnäuzen: Diese Bilder aus den Gesundheits-Rubriken von Kronen Zeitung und Heute lassen glauben, nur weiße Frauen mittleren Alters werden krank.

Diese Bilder aus den Gesundheits-Rubriken von Kronen Zeitung und Heute lassen glauben, nur weiße Frauen mittleren Alters werden krank.

Zeitungen haben es nicht immer leicht. Um in der Branche vorne mitzuspielen, muss man schnell sein und kann keinen Diskurs auslassen. Über 100 Artikel pro Tag in Print und auf der Website sind in vielen Redaktionen Normalzustand. Und wenn man als eifrige News-Journalistin dann auch noch schnell einen Artikel über ein sperriges Thema wie Aktienfonds, den Arbeitsmarkt oder Datenschutz schreiben muss, kann das passende Bild dazu zu finden, zum Problem werden. Genau hier kommen häufig Stockbilder zum Einsatz.

„Festnahme nach Mordverdacht“ lautet die Polizeimeldung am Morgen des 19. Februar. Keine fünf Stunden später hat die Gratiszeitung Oe24 schon ihr eigenes Bild konstruiert:

Oe24-Headline: Mord im Prater: Junger Liebhaber erschlug Katzen-Mama (47)

„Beide sind aus Wien und trotz des großen Altersunterschiedes offenbar ein Liebespaar“, spekuliert Oe24 wild drauflos. Zeitgleich stellt die Polizei fest: „In welchem Verhältnis die beiden stehen, ist noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen.“

Doch nicht nur mit Oe24 geht die Fantasie durch. Auch die Krone titelt „Frau in Liebesnest getötet“, spricht von ihr als „die ältere Sexpartnerin“ und dem Täter als „ihre nicht mal halb so alte Turtelei“. Auf Heute.at ist man sich ebenso sicher, das Opfer sei die „Liebhaberin“.

Die Plattform AUF1 berichtet oft über die Folgen der Pandemie – frei von Fakten und voller Verschwörungstheorien. Der Verein dahinter definiert sich als gemeinnützig. Will er das weiter sein, muss er sich künftig an journalistische Regeln halten

Mit strengem und direktem Blick in die Kamera berichtet der Moderator bei den Nachrichten AUF1 am 26. Februar von einem massiven Anstieg des gefährlichen „Turbo-Krebs“. Immer mehr junge Menschen sollen seit der Einführung der Corona-Impfung daran erkranken. Dass der Arzt, auf den sich AUF1 als Quelle beruft, längst keine Zulassung mehr hat, bleibt dabei unerwähnt – ein Detail, das nicht nur irreführend, sondern auch gefährlich ist. Doch genau solche fragwürdigen Behauptungen sind bei AUF1 Teil der täglichen Berichterstattung.

Vor genau fünf Jahren begann die Pandemie. Die ersten beiden positiv auf den Corona-Virus getesteten Personen in Österreich wurden entdeckt, wenige Tage später erklärte die WHO Corona zur Pandemie, die Regierung beschloss den ersten Lockdown ab 16. März 2020. Es war eine belastende Zeit, die viele Menschen inzwischen verdrängt oder einfach hinter sich gelassen haben. Für das AUF1-Publikum ist Corona und die Folgen nach wie vor ein „heißes“ Thema. 

Montag bis Freitag erscheint täglich um 18 Uhr die Sendung “Nachrichten AUF1” mit einer Länge von circa 15 bis 20 Minuten. Und fast immer wird folgendes thematisiert: Corona, die fehlende Corona-Aufarbeitung und angebliche Todesimpfungen. Eine Inhaltsanalyse von vierzig Nachrichtensendungen im Zeitraum vom 28. Oktober bis zum 20. Dezember 2024 auf AUF1 zeigt: Nur viermal waren Corona oder Impfungen kein Thema.

Die Gratiszeitung Heute gibt freiheitlichen Aufreger-Geschichten viel Raum, übernimmt gerne FPÖ-Sprech und pflegt sogar einen gewissen Kickl-Kult. Warum?

„‚Hören Sie genau zu‘ – FPÖ-Chef Kickl sagt jetzt ALLES“ verspricht Heute.at vergangenen Donnerstag. Blau-schwarz ist am Vortag offiziell gescheitert. Und wer es nicht zur Primetime in der ZIB verfolgt hat, kann nun Kickls „45 Minuten Klartext“ im Wortlaut auf dem Onlineauftritt der Gratiszeitung nachlesen. Dabei wurde die Kickl-Rede schon Mittwochabend unter dem Titel „FPÖ-Chef packt aus“ in großen Teilen für Heute-Leser transkribiert.

Zwei Headlines auf Heute.at zur Kickl-Rede nach dem Scheitern der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen.

Freiheitliche Botschaften bekommen im Heute-Universum viel Raum. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht aus einer Presseaussendung oder einem Social-Media-Posting der Freiheitlichen ein Bericht gemacht wird. Mit den journalistischen Kriterien Relevanz und Richtigkeit nimmt es die Online-First-Redaktion von Heute, seit Oktober 2023 geführt von Chefredakteur Clemens Oistric (33), dabei nicht immer so genau. Das ergab eine Kobuk-Auswertung von Geschichten und Kommentaren über die FPÖ rund um die Nationalratswahl 2024. Diese Anbiederung bringt dem Blatt aus seiner Sicht einige Vorteile: Exklusive Sager, mehr Klicks und eine Zweitverwertung in FPÖ-nahen Kanälen.

In zahlreichen Medien ist zu lesen, dass Österreichs Luftraum „unüberwacht“ sei. Das hat faktisch nie gestimmt. Das Verteidigungsministerium dementierte die Berichte allerdings nicht – und hat dafür offenbar Gründe.

„Luftraum über Österreich seit Freitag ungeschützt“, berichtet die Kronen Zeitung am 17. November. Und weiter: „Seit Freitagnachmittag kann am Himmel über Österreich theoretisch jeder machen, was er will.“ Man meint einen neuen Missstand beim österreichischen Bundesheer aufgedeckt zu haben.

Zahlreiche Medien übernahmen die Geschichte, mal reißerischer, mal weniger. Die Kernbotschaft vermittelten sie jedenfalls allesamt: Der Luftraum über Österreich sei ungeschützt. Neben Heute und Oe24 verbreiteten auch Der Standard, Kurier und der ORF die Schreckensnachricht.

Dabei hätte schon ein bisschen Recherche gereicht, um erstens die Fakten zu ermitteln und zweitens den Spin zu riechen, der hier offenbar verbreitet wurde.

Doch der Reihe nach. Mit „Luftraum ungeschützt“ ist gemeint, dass am 16. und 17. November die Eurofighter nicht starten konnten. Der Grund dafür ist ein Überstundenabbau bei Fluglotsen.