Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Unter der Schlagzeile „Lindsay Lohan futtert sich die Schenkel dick“ beschwert man sich auf Krone.at über die neuerdings gesunde Figur des Hollywood-Stars.

Früher hatte Lohan schwere Essstörungen – aber laut Krone.at offenbar immer noch besser als mit diesen – ach so furchtbar „dicken“ – Schenkeln herumzulaufen:

Essen statt Drogen und Alkohol: Ist das alles zu viel für Lohan? Einerseits muss sie sich unheimlich zusammenreißen – muss vom Alkohol und den Drogen wegkommen. Andererseits werden ihre Anstrengungen auch noch durch falsche Verdächtungen bombardiert. Ihre Lösung für das Problem ist offenbar futtern. Burger, Eiscreme, Pommes als beruhigende Ersatzbefriedung.

Abgesehen von der Tatsache, dass hier ein völlig verzerrtes Bild von der weiblichen Figur vermittelt wird, ist dieser Artikel geradezu ein Paradebeispiel für die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts: Ganz à la Das schwache Geschöpf futtert, um mit seinen Problemen zurechtzukommen und erlaubt es sich auch noch dick zu werden.

49% aller 15-jährigen Mädchen fühlen sich zu dick, etwa jede 15. Österreicherin ist von Essstörungen betroffen. Müsste hier nicht das Jugendschutzgesetz zur Anwendung kommen? Dieses besagt:

Inhalte von Medien (..), die junge Menschen in ihrer Entwicklung gefährden könnten, dürfen diesen nicht angeboten, weitergegeben oder sonst zugänglich gemacht werden.

In einem Interview mit dem ZEIT-Magazin äußert sich der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt, über die Hetze der BILD-Zeitung gegen Griechenland und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Im Gespräch mit Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, bezeichnet er die Berichterstattung des Boulevardmediums als „Missbrauch der Pressefreiheit“.

Auf die Frage, wo denn die Grenze zwischen rhetorischer Überzeugungskraft und purer Demagogie liege, antwortet Schmidt mit klaren Worten:

Wenn ich lese, wie die auflagenstärkste europäische Tageszeitung, genannt Bild, in den letzten Wochen beinahe jeden Tag den Lesern klargemacht hat, dass man sein eigenes Geld nicht dafür verwenden sollte, dem aus eigener Schuld in Not geratenen Nachbarstaat Griechenland zu helfen, dann ist das in Wirklichkeit Demagogie oder, wenn Sie so wollen, ein Missbrauch der Pressefreiheit.

(Via BildBlog/ Bild: Nuriya Fatykhova, Creative Commons)

Die Aussichten für Samstag: Schnee und 15 °C auf selber Meereshöhe.
Bitte warm anziehen und Datum zurückstellen nicht vergessen…

Tatverdächtiger "Cretu" unverpixelt (Österreich, 18.6.2010)Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.

Ich habe keine Ahnung, nach welchen Kriterien „Österreich“ entscheidet, den selben Tatverdächtigen mal mehr (gestern, online, Gesicht voll verpixelt), mal weniger (heute, online, Augen schmal verpixelt), mal gar nicht (heute, offline, s. Bild) zu anonymisieren.

Schlimmer noch: Ich fürchte, diese Ahnungslosigkeit teile ich mit der „Österreich“-Redaktion.

  • Seit heute wissen wir wieder, die Kronen Zeitung kann auch würdevoll über Verstorbene berichten. Das war nicht immer so. Der Tod des Herausgebers ist Anlass für viele, ihm etwas nachzurufen – mehr oder weniger leise.
  • Nachrufe waren dieser Tage auch auf die ORF-Futurezone zu lesen. Eine spannende Gegenposition zu den Rettungsversuchen im Web 2.0 nimmt das „Datenschmutz“-Blog ein. Es hält das Drama um die Futurezone für ein öffentlich-rechtliches Missverständnis.
  • „Zur Politik“ geht einigen Merkwürdigkeiten der österreichischen Presseförderung nach und fragt sich, warum die Eisenstädter Kirchenzeitung mehr Geld bekommt als der FALTER, eines der wichtigsten investigativen Medien im Land, das unter anderem die Strafunmündigkeit eines Landeshauptmanns aufgedeckt hat.
  • Ja, und falls auf Kobuk grad mal nix läuft, können wir immer einen kurzweiligen Abstecher zu nömix empfehlen.

(Foto: CC Zanthia)

Oder in der deutschen Übersetzung: Kronen Zeitung – Tag für Tag ein Boulevardstück.

Krone – L’Autriche entre les lignes, so heißt der Dokumentarfilm der Belgierin Nathalie Borgers, den sich der ORF nie zu zeigen traute. Auf ARTE wurde er ausgestrahlt – worauf der Sender aus dem TV-Programm der „Krone“ flog.

Anlässlich des gestrigen Ablebens Hans Dichands hier die einstündige Doku in sechs Teilen:

Update 20. Juni: Der Rechteinhaber ließ die Doku inzwischen von Youtube entfernen. Mit etwas Suchen findet man sie aber auf anderen Videoportalen oder als Torrent.

Screenshot von Krone.at auf Hans Dichand

Wir Publizistikstudentinnen und -studenten lernen im Zuge unserer Ausbildung hier auf Kobuk.at Onlinejournalismus. Wie wichtig dabei der Titel ist, der über Lesen und Nichtlesen eines Artikels entscheidet, haben wir schon in der ersten Einheit gelehrt bekommen. Soeben lese ich, dass Hans Dichand, der erfolgreichste Medienmacher Österreichs, heute am Vormittag verstorben ist.

Man mag über Boulevardjournalismus und die Macht der „Krone“ über die Politik denken was man will, aber Dichand war es, der hierzulande das Schreiben einer Schlagzeile zur Kunst erhoben hat. So gesehen  hätten wir noch viel von ihm lernen können!  Zum Nachruf

Es ist eine Krux mit diesen verschiedenen Einheiten. Was bei uns Kilometer sind, sind in den USA Meilen, statt in Meter oder Zentimeter wird in Foot oder Inches gemessen, die Temperatur gibt es nur Grad Fahrenheit und eine Milliarde ist a billion.

Soweit, so klar. Eigentlich. Bild.de berichtet nun nämlich davon, dass Apple mittlerweile „5 Billionen“ Downloads im seinem App-Store zu verzeichnen hat. Dass es sich dabei allerdings „nur“ um ein Tausendstel davon handelt, scheint bei dieser beeindruckenden Zahl übersehen worden zu sein.

„E-Mail von Amadeus“ heißt die Rubrik in „Österreich“ und ist, man ahnt es, eine Art „Post von Jeannée“ für Arme, welche wiederum eine Art „Post von Wagner“ … Egal, bevor wir uns vom Keller rekursiv zum Erdkern bohren, kratzen wir lieber schnell die Kurve von Wagner zurück zu „Amadeus“. Dieser komponierte am Sonntag in seine Outbox:

Liebe Politiker, ihr habt bei euren Wählern ein Image, das unter dem von Mistkübelfahrern liegt. […]

Liebe „Österreich“-Redaktion,

die von euch verächtlich „Mistkübelfahrer“ Genannten kümmern sich auch um euren Müll und die meisten Menschen wissen das durchaus zu schätzen. Eine deutsche forsa-Umfrage zum Ansehen verschiedener Berufsgruppen sieht Müllmänner daher auf Platz 8 von 29, zwischen Lokführer und Lehrer. Politiker auf 26 und — Überraschung — Journalisten auf Platz 17. Ihr hättet also gar nicht so weit suchen müssen, für euren abfalligen Berufsvergleich…

lg Kobuk

In Zeiten der Krise haben Boulevardblätter aller Herren Länder Hochkonjunktur. Denn da kann man selbst mit Wirtschaftsthemen Emotionen beim Leser schüren. Die deutsche BILD-Zeitung zeigt par excellence wie das geht. Der BILDblog hat aufgezeigt, wie die Regeln des Aufhetzens funktionieren. Der österreichische Boulevard ist da nur etwas zurückhaltender: Auf Oe24.at zeigt uns die Venus von Milo auf einer Grafik vom 29. April doch glatt den Stinkefinger. Die Überschrift des dazugehörigen Artikels lautet:

Wo die griechische Regierung Geld verschwendet

All die Verschwendung wird schonungslos aufgedeckt: Von Pensionen für Töchter, über Boni alleine für das Pünktlichkommen, bis hin zu unnötigen Gremien. Aber das Schlimmste ist wohl:

Die Staatsbediensteten genießen nicht nur Kündigungsschutz, sondern können auch schon vor Erreichen des 50. Lebensjahres in den Ruhestand gehen und eine Pension beziehen.

So sicher ist sich dann „Österreich“ beim Pensionsantrittsalter aber doch nicht. In einem anderen Artikel heißt es:

Anhebung des Pensionsalters um 14 Jahre – von 53 auf 67 Jahre.

Und in einem anderen:

Damit ein Arbeitnehmer die volle Rente erhalten kann, muss er 40 Jahre lang gearbeitet haben und mindestens 60 Jahre alt sein. Bisher galt die Faustregel: 37 Jahre Arbeit und mindestens 58 Jahre alt.

Über das angeblich skandalös niedrige Pensionsantrittsalter der Griechen hat schon Michalis Pantelouris ausführlich in seinem Blog berichtet:

Tatsache ist: Griechische Beamte haben nach 35 Jahren Dienst einen Anspruch auf eine Pension, die sie vom Erreichen des Rentenalters an (bisher 60, ab jetzt 63*) ausgezahlt bekommen. Es kann also kein griechischer Beamter mit 50 oder noch früher in den Ruhestand gehen. Falls er allerdings mit 14 oder 15 Jahren angefangen hat, zu arbeiten (was es damals tatsächlich nicht so selten gab), dann könnte er mit 50 kündigen, zehn Jahre etwas anderes arbeiten oder von Luft und Liebe leben und dann mit 60 in den Ruhestand gehen.

Bild: Venus de Milo ohne Stinkefinker von BrotherMagneto, Creative Commons