Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Grafik: kabarett.at

Durch das Ableben von Hans Dichand ist ein besonderers Medienereignis untergegangen: Der Beschluss des neuen ORF-Gesetzes (PDF), das auch die Einstellung der ORF Futurezone mit sich bringt.

Dazu ein paar Stimmen aus der Blogosphäre:

Beate Firlinger tritt in einem offenen Email an Medien-Staatssekretär Ostermayer für den Weiterbestand der Futurezone ein:

Die zahlreichen Argumente, die [gegen eine Einstellung] sprechen, sind Ihnen sicher bekannt. Ich möchte sie hier nicht wiederholen, nur darauf hinweisen, dass aus meiner bescheidenen Sicht die Vereinbarung zwischen ORF und VÖZ eine Form des Protektionismus darstellt, der nicht im Sinne zukunftsfähiger öffentlich-rechtlicher Online-Angebote des ORF agiert.

Martin Blumenau hält die Entscheidung ebenfalls für einen Fehler:

(..) Zudem versagt sich das Unternehmen (wie das einer der diesbezüglichen Vordenker formulierte) auch nur die Möglichkeit des Nachdenkens über den nächsten Schritt, also der demnächst aufschlagenden 3.0-Revolution. Das wird noch gravierende Probleme nach sich ziehen. Ein Gesetz ist allerdings nur für ein paar Jahre gültig, ehe es novelliert oder ersetzt wird – der Tod hingegen währt für immer.

In ihrem Blog KoopTech beschreibt Christiane Schulzki-Haddouti die Einstellung der Futurezone als Bauernopfer gegenüber dem Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber im Streit um einen geschätzten Werbekuchen von 5 Mio €. Sie kritisiert:

Möglicherweise weiß ORF-Verhandlungsführer Grasl aber gar nicht, was er damit aufgegeben hat. Nämlich neben heise.de die einzige zuverlässige konstante Quelle zur europäischen Netzpolitik im deutschsprachigen Raum.

Ritchie Pettauer sieht das anders und stellt die Qualität der Fuzo in Frage:

Ich kann ein­fach nicht mit gutem Gewissen dafür ein­tre­ten, dass mit mei­nem Steuergeld eine Redaktion finan­ziert wird, die zum Großteil Meldungen wie “Lange Wartezeiten für iPhone 4 — Rekordandrang ver­zö­gert Auslieferung” von den Primärquellen ab– und umschreibt.

Mittlerweile hat sich mit „Retten wir die Futurezone“ und auf Facebook eine Initiative gebildet, die den ORF auffordert, Marke, Domain und Inhalte der Community zu übergeben, damit eine Weiterführung möglich wird.

Stellen Sie sich vor: Sie lesen in „Heute“ folgende Schlagzeile:

Sie wissen also schon mal, dass es sich um eine 32-jährige Österreicherin handeln muss, die offensichtlich ein Kind entführt hat. Das passende Bild unter der Schlagzeile lässt vermuten, dass diese Person mollig bis dick ist und dunkle Haare hat:

Zusätzlich dazu veröffentlicht „Heute“ im selben Artikel, dass es sich um eine „Elisabeth Sch.“ handelt, die eine Wohnung in Kössen, einem 4000-Seelen-Dorf in Tirol, hat.

Im § 7a des Österreichischen Mediengesetzes steht dazu Folgendes:

Werden in einem Medium der Name, das Bild oder andere Angaben veröffentlicht, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen, die (..) einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist oder wegen einer solchen verurteilt wurde, und werden hiedurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt, (..) so hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung.

Wer sich kurz Zeit nimmt und ein wenig googelt, hat schnell heraus gefunden, wieviele Elisabeths mit „Sch“ beginnendem Nachnamen es in Kössen gibt: Es sind mindestens sechs, leicht inklusive Anschrift und Telefonnummern auffindbar. Das alles innerhalb von wenigen Klicks für JEDEN! ersichtlich, dem Internet sei Dank.

Und jetzt stellen Sie sich vor, sie würden sich – aus welchen bizarren Gründen auch immer – an dieser Person rächen wollen. Glauben Sie, sie könnten dies mit Hilfe der Informationen im „Heute“-Artikel und beschränkten Internetkenntnissen bewerkstelligen? Glauben Sie, es wäre Ihnen möglich, herauszufinden, wer diese Frau Sch. ist, wo sie genau wohnt, wo sie arbeitet, vielleicht sogar wer ihre Familie ist? Bedenken Sie ihre Rachegefühle, ihren Hass! Wer könnte Sie schon aufhalten?

Oder was wäre, wenn Sie eine dieser Elisabeth Sch’s aus Kössen wären. Vielleicht sind Sie auch etwas mollig.

Und jetzt überdenken Sie nocheinmal die Rolle von „Heute“ und dem Schöpfer dieses Artikels, Claus Kramsl. Hätte er geschrieben „Elisabeth S.“ wären es immerhin neun Personentreffer mit Anschrift und Telefonnummer gewesen. Bei einer „Elisabeth S. aus dem Bezirk Kitzbühel“ (in dem Kössen liegt) wären es bereits 54 Treffer gewesen. Die Erweiterung auf Tirol hätte gar 415 Treffer erbracht. Niemand hätte nachvollziehen können, um wen es sich genau handeln könnte.

Die eigentliche Identität von Elisabeth Sch. hat „Heute“ nicht veröffentlicht, aber was ist mit den „andere Angaben“ , die (laut Mediengesetz) „geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen“?

Eine Frage, Herr Kramsl: Würden Sie einen Täter, der zufälligerweise wie Sie Claus K. heißt und aus Ihrem Heimatort stammt, auch so beschreiben?

Lieber Peter Pelinka,

In „Heute“ vom Dienstag, den 22.6.10 vergleichen Sie in ihrer Kolumne „Im Brennpunkt“ die Wiederwahl H.C. Straches mit 99,1% zum FPÖ-Parteichef mit nordkoreanischen Verhältnissen:

99,1 Prozent der Delegierten haben ihn gewählt und über seine Tiraden gegen alle ausländischen Gegner und inländischen Verräter gejubelt. Im Austria Center, aber sonst ganz wie daheim in Pjönjang. Das Ergebnis mutet ein wenig nordkoreanisch an? Gar nicht. Vor zwei Jahren waren es gar 99,3 Prozent gewesen.

Dass solche Wahlergebnisse in der österreichischen Politik so wie in wahrscheinlich jeder anderen Demokratie der Welt keine Seltenheit darstellen, darüber verlieren sie kein Wort: So wurde Werner Faymann erst vor kurzem mit 93,8 % zum Parteichef der SPÖ wiedergewählt, Eva Glawischnig Anfang 2009 mit 97,4% zur Bundesprecherin der Grünen.

Außerdem machen Sie in der selben Kolumne Kim Ir-sen alias Kim Il-sung zum aktuellen nordkoreanischen Diktator. Nur ist dieser bereits 1994 verstorben. Momentaner militärischer Anführer und damit Diktator Nordkoreas ist, wie auch auch Ihr „News“ schreibt,  seit seinem Tod sein Sohn Kim Jong-Il.

Vielleicht war der Onlineredaktion von Heute.at der erste Artikel zu diesem Vorfall nicht skandalös genug, und so schrieb man eben – zeitgleich – einen zweiten:

Die Beinahe-Katastrophe von Tirol: […] Weil das zweite Triebwerk auszufallen und das zurückgekehrte Flugzeug über Innsbruck abzustürzen drohte, wurden sämtliche Feuerwehren alarmiert!

Dass weder eine Absturzgefahr noch eine Katastrophe drohte, kann man auch bei den Kollegen vor Ort nachlesen.

Die Illustration war ebenfalls fishy.

Die Abschiebung der Zogajs ist in Österreich zu einem heißen politischen Thema geworden. Heiß wird einem jedoch auch beim Lesen dieses DerStandard.at -Artikels aufgrund von ungeschickt platzierten Werbungen, die in diesem Kontext einfach nur bösartig wirken.

Herzlichen Dank an Georg R. für den Hinweis!

Ausgerechnet die in Sachen Urheberrecht besonders wehleidige Verlagsbranche bedient sich zunehmend im Internet, wenn es darum geht, die eigenen Artikel zu illustrieren.

Screenshot: Heute.at

Aktuelles Beispiel dürfte diese Illustration eines Artikels auf Heute.at sein. Sie zeigt nicht nur das falsche Flugzeug, eine Fokker 100 statt einer Dash-8, sie ist auch mit „© Flickr“ gekennzeichnet. Das Originalfoto trägt jedoch das Copyright von Florian Larcher, eines jungen Innsbrucker Fotografen (der sich auf seinem Flickr-Profil verhandlungsbereit zeigt: „If someone need photos, please contact me.“). Was die Vermutung nahe legt, dass sich Heute.at einfach bedient hat.

Update: Der Fotograf bestätigt auf Anfrage: „Habe weder eine Einwilligung gegeben und gefragt wurde ich auch nicht.“ Ich habe Heute.at den Kontakt zu ihm vermittelt.

Update 2: Das Bild wurde inzwischen ausgetauscht.

Update 3: Der Onlinechef von „Heute“ nimmt in den Kommentaren Stellung.

Gleich acht Menschen soll ein HIV-Infizierter auf dem Berliner CSD im Zuge eines Streits gebissen haben, berichtet das Berliner Boulevardblatt B.Z.

Der  Amok-Beißer vom CSD (B.Z., 21.6.2010)Die Polizei weiß zwar bislang nur von zwei Opfern, aber die offizielle Zahl hätte der schönen Headline vom „Amok-Beißer“ doch zuviel an Dramatik genommen. Zudem scheinen sich die Beamten bei den Ermittlungen ohnehin etwas verrannt zu haben:

Außerdem soll bei dem Beschuldigten auch ein Joint gefunden worden sein. Von ihm wurden auf der Wache Fingerabdrücke genommen, Fotos für die Kartei gemacht.

Um die geistige Beweglichkeit seiner Leser zu fördern, versteckt „Österreich“ jetzt kleine Logik-Rätsel in seinen Geschichten. Zum Beispiel in dieser hier:

An der Kinokassa erlebte Hollywood-Star Ashton Kutcher ein peinliches Hoppala. Als er mit seiner Kreditkarte für Popcorn und Getränke bezahlen wollte, ging nichts mehr. Das Plastikgeld wurde abgelehnt.

Peinlich - Ashton Kutchers Kreditkarte abgelehnt (Österreich,  18.6.2010)Ashtons Gesicht lief rot an. Doch der Schauspieler hatte Glück: Der Manager des Kinos erkannte seinen prominenten Gast und eilte zu seiner Rettung herbei. Er entschuldigte sich bei Kutcher für die Unannehmlichkeiten. Speis und Trank gingen aufs Haus. Ein Augenzeuge: „Ashton war das scheinbar gar nicht peinlich. Er hat einfach darüber gelacht.“

Preisfrage: Einen Satz hat der Autor (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) frei erfunden. Welchen?

Unter der Schlagzeile „Lindsay Lohan futtert sich die Schenkel dick“ beschwert man sich auf Krone.at über die neuerdings gesunde Figur des Hollywood-Stars.

Früher hatte Lohan schwere Essstörungen – aber laut Krone.at offenbar immer noch besser als mit diesen – ach so furchtbar „dicken“ – Schenkeln herumzulaufen:

Essen statt Drogen und Alkohol: Ist das alles zu viel für Lohan? Einerseits muss sie sich unheimlich zusammenreißen – muss vom Alkohol und den Drogen wegkommen. Andererseits werden ihre Anstrengungen auch noch durch falsche Verdächtungen bombardiert. Ihre Lösung für das Problem ist offenbar futtern. Burger, Eiscreme, Pommes als beruhigende Ersatzbefriedung.

Abgesehen von der Tatsache, dass hier ein völlig verzerrtes Bild von der weiblichen Figur vermittelt wird, ist dieser Artikel geradezu ein Paradebeispiel für die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts: Ganz à la Das schwache Geschöpf futtert, um mit seinen Problemen zurechtzukommen und erlaubt es sich auch noch dick zu werden.

49% aller 15-jährigen Mädchen fühlen sich zu dick, etwa jede 15. Österreicherin ist von Essstörungen betroffen. Müsste hier nicht das Jugendschutzgesetz zur Anwendung kommen? Dieses besagt:

Inhalte von Medien (..), die junge Menschen in ihrer Entwicklung gefährden könnten, dürfen diesen nicht angeboten, weitergegeben oder sonst zugänglich gemacht werden.

In einem Interview mit dem ZEIT-Magazin äußert sich der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt, über die Hetze der BILD-Zeitung gegen Griechenland und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Im Gespräch mit Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, bezeichnet er die Berichterstattung des Boulevardmediums als „Missbrauch der Pressefreiheit“.

Auf die Frage, wo denn die Grenze zwischen rhetorischer Überzeugungskraft und purer Demagogie liege, antwortet Schmidt mit klaren Worten:

Wenn ich lese, wie die auflagenstärkste europäische Tageszeitung, genannt Bild, in den letzten Wochen beinahe jeden Tag den Lesern klargemacht hat, dass man sein eigenes Geld nicht dafür verwenden sollte, dem aus eigener Schuld in Not geratenen Nachbarstaat Griechenland zu helfen, dann ist das in Wirklichkeit Demagogie oder, wenn Sie so wollen, ein Missbrauch der Pressefreiheit.

(Via BildBlog/ Bild: Nuriya Fatykhova, Creative Commons)