Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Von Datenschutz halten Kinder hierzulande wenig„, schreibt die Gratiszeitung „Heute“. Während die „Krone“ zur gleichen Studie in eine Sex-Schlagseite verfällt und zu groteskem Spagat fähig ist, macht sich „Heute“ an private Daten. Und zwar an die privaten Daten eines 12-jährigen Mädchens aus den USA.

Um zu illustrieren, dass „Facebook-Profile von Kindern zu öffentlich“ seien, druckte „Heute“ am 16.11 das Profil der 12-jährigen Kayla R. aus New Jersey ab, samt Foto, vollem Namen und persönlichen Statusnachrichten. Frech: Die Foto-Credits daneben: „Archiv“.

Als Kayla von Kobuk-Autor Ricardo Arangüena erfuhr, dass ihr Profil in Österreich groß in der Zeitung prangt, löschte sie dieses sofort. Ihre Mutter ist entsetzt und überlegt rechtliche Schritte. Ein Einverständnis zum Abdruck lag nie vor.

Dabei war Kaylas Profil harmlos, es zeigte das Leben einer ganz normalen 12-jährigen. Auf MySpace tauscht sie Fotos von Justin Bieber und auf Youtube lädt sie Songs hoch, die sie in die Webcam singt. Nichts, das lüsterne ältere Herren besonders anlocken würde. Aber offenbar Fotoredakteure und bigotte Datenschützer.

„Heute“ schließt mit:

Experten plädieren jetzt für mehr Medienerziehung, speziell zu den Gefahren des Internets.

Die Gefahren manch anderer Medien mögen dabei nicht vergessen werden. Wir haben „Heute“ um Stellungnahme ersucht. (Recherche: Ricardo Arangüena.)

Unser Kreis zeigt, wo die eckige Markierung der 'Presse' hingehört hätte.

Die neusten kleinen Pannen des Mediengeschehens:

  • Die Presse am Sonntag verwechselt in einer Infografik das Horn von Afrika mit der arabischen Halbinsel.
  • Oe24.at hat grammatikalische Schwierigkeiten bei der Berichterstattung über Mara Carfagnax und Silvio Berlusconi, der diese „zur erst zur Moderatorin und später zur Ministerin“ machte.
  • Kurier.at dafür hat technische: ‚Freche Diebestour mit Polizeiformular‚ heißt der Artikel. Worum es geht, ist schwer zu sagen.
  • Für das Pandababy in Schönbrunn wurde per online-Abstimmung ein Name gefunden. Drei Namen standen zur Auswahl. Darüber, wie man sie schreibt, war sich Oe24.at nicht sicher:

  • DerStandard.at berichtet korrekt von den 29 Verschütteten in einem Bergwerk in Neuseeland. In der Printversion sind es nur bis zu 27 Kumpel.
  • Doppel hält besser, dürfte man sich beim ORF Steiermark gedacht haben.

Danke an Andreas und Janneke für die Hinweise!

Stefan Bachleitner ist Politikberater in Wien. Dieser Beitrag erschien zuerst in seinem Blog Politikon.


„Heute in Österreich“ (19.11. 17:05, ORF 2)Der ORF lässt einen dubiosen „Terrorexperten“ auf dem Wiener Christkindlmarkt vor Anschlägen warnen, Muslime werden dabei live unter Generalverdacht gestellt. Ein Musterbeispiel für Angstmache.

In Deutschland herrscht Angst, Terrorwarnungen dominieren die Schlagzeilen. Zwar ist noch unklar, wie konkret die Gefährdungslage tatsächlich ist, doch so wie sich manche Politiker verhalten, funktioniert Terror sogar ganz ohne Terroristen.

In Österreich lieferte nun ausgerechnet der ORF ein Musterbeispiel dafür, wie sich Ängste schüren und instrumentalisieren lassen: Die vorgestrige Ausgabe der Nachrichtensendung „Heute in Österreich“ stellte die Frage „Terrorgefahr in Österreich?“ und gab darauf eine Antwort, die eher in eine „Tatort“-Folge gepasst hätte als in eine Nachrichtensendung.

Obwohl derzeit keine einzige heimische Behörde von einer höheren Gefährdung in Österreich ausgeht, wird der Beitrag mit folgendem Hinweis eröffnet:

„Gleich mehrere Terrorexperten sprechen auch bei uns von einer erhöhten Gefahr von Anschlägen in größeren Städten.“

Diese „Experten“ kommen dann in dem Beitrag auch ausführlich zu Wort. Dabei handelt es sich u. a. um den dubiosen Geschäftsmann Peter Schoor, der in dem Beitrag als „Terrorexperte und Buchautor“ ausgewiesen wird und folgendes sagen darf:

„Den Terroristen heute ist das egal. Es geht heute darum, möglichst viele Menschen zu töten, zu verletzen, eine psychische Wirkung zu erzielen. Und wenn ich diese Wirkung erreiche, indem ich mir einfache Ziele wie zum Beispiel in Österreich aussuche, dann haben die Terroristen ihr Ziel erreicht.“

Schoor, der laut Beschreibung seines Verlags „seit mehr als 30 Jahren im internationalen Umfeld von Polizei, Militär und Politik aktiv“ ist (was immer das heißen mag) und sich beruflich „an der Schnittstelle zwischen Psychologie und Sicherheit“ bewegt (was immer das heißen mag), hat nur ein einziges echtes Buch auf den Markt gebracht. Es ist heuer erschienen und der Titel „Im Auge des Terrors: Wie viel Islam verträgt Europa?“ deutet an, dass Terrorbekämpfung für ihn auch eine religions- und kulturpolitische Dimension hat.

Nach Schoor wird ein gewisser Hans-Ulrich Helfer mit der Untertitelung „Journalist, Zürich“ interviewt, der meint:

„Ich glaube, dass wir – Schweiz und Österreich – nicht glauben sollen, dass wir kein Ziel sind. Das heißt, dass wir genau so achtsam sein müssen wie Deutschland oder England oder Belgien oder Spanien. Das ist die gleiche Bedrohungslage.“

Die bescheidene Bezeichnung „Journalist“ wird Helfer eigentlich nicht gerecht. Der ehemalige Staatsschützer der Stadt Zürich betreibt ein Unternehmen zur Beschaffung und Auswertung von Informationen (was immer das heißen mag), macht als Präsident der „Informationsgruppe Pro-Kampfflugzeuge“ Stimmung für die Anschaffung von schwerem Kriegsgerät und ist stolz darauf, bei den Schweizer Big Brother Awards im Jahr 2003 für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden zu sein.

In Kooperation mit dem ORF gelingt es den beiden, entgegen aller behördlichen Erkenntnisse ein Gefühl erhöhter Bedrohung zu vermitteln. Mangels konkreter Fakten wurde das Gefährdungspotenzial in Österreich durch einen spektakulären Test belegt. Mit versteckter Kamera filmte der ORF, was in Wien mit einem unbeaufsichtigten Rucksack – „groß genug für einen Sprengsatz“ – passiert, der vor dem Stephansdom abgestellt oder in der U-Bahn vergessen wird. Vor zwanzig Jahren hätte man mit einem solchen Test noch bewiesen, dass Wien eine der sichersten Großstädte der Welt ist, denn obwohl niemand darauf aufgepasst hat, wurde die Tasche nicht geklaut.

Der absolute Höhepunkt des Beitrags ist dann aber ein dramatischer Live-Einstieg in die „schöne heile Weihnachtswelt am Christkindlmarkt in Wien“, wo Peter Schoor seine antiislamische Weltsicht ausbreiten darf. Der Beginn des Interviews sei nachfolgend komplett wiedergegeben:

Katharina Kramer: „Herr Schoor, die Behörden haben keine Hinweise auf Terroranschläge in Österreich. Warum glauben Sie trotzdem an eine Terrorgefahr?“

Peter Schoor: „Nun, wir haben in Österreich 586.000 Muslime. Davon sind etwa 70.000 bereit, die Einführung einer Scharia nach europäischem (sic!) Vorbild einzuführen. Was mir Sorge macht ist die Dunkelziffer, weil es ist völlig unbekannt, wie viele davon auch wirklich bereit sind, das mit Gewalt umzusetzen.“

Schoor hatte sich wohl schon einen Glühwein genehmigt, sonst wäre ihm der Versprecher mit der Scharia nach „europäischen Vorbild“ wohl nicht passiert. Die Botschaft ist aber auch so angekommen: Weihnachten, Christkindlmarkt und Stephansdom werden von abertausenden Muslimen gefährdet. In meinen Augen ist dieser Beitrag meilenweit von den Programmrichtlinien des ORF entfernt, laut denen sich ORF-Angebote „um Integration, Gleichbereichtigung und Verständigung zu bemühen“ haben.

P. S.: In abgewandelter Form, allerdings ohne Live-Einstieg, wurde dieser Beitrag auch in der ZIB 1 und der ZIB 2 veröffentlicht.

Update 31. März 2011: Vier Monate später hat sich der ORF-Beschwerderat mit dieser Sache auseinandergesetzt – ohne auf alle wesentlichen Punkte einzugehen.

Gut zwei Wochen sind seit dem letzten Sammelkobuk vergangen und wieder haben sich einige kuriose Kleinigkeiten in der Kobuk-Redaktion angesammelt:

Danke an Hans Kirchmeyr und Michael Breitner für die Hinweise!

Wolfgang Fellner erklärte diese Woche stolz, „Österreich“ habe soeben den Break-even erreicht. Gerüchteweise wird damit redaktionsintern jener Punkt bezeichnet, ab dem die Gerichte von Österreich mehr Textbeiträge liefern als die Redaktion von „Österreich“.

Kenner nennen es die Dichotomie der Krone und halten sie für eine der Säulen ihres großen Erfolges. Laien würden einfach nur sagen: Wer richtig Erfolg haben will, muss auch ein bisschen wahnsinnig sein…

Links:

(Bild anklicken für Vergrößerung)

Jedes dritte Baby im Internet
Kaum auf der Welt — und schon im Web […] Für […] Landtagsabgeordnete Doris Schulz aus Wels ist das gefährlich [weil die Bilder kaum mehr gelöscht und von Pädophilen gesammelt werden könnten.]

Rechts:

Unser Baby [Leserfoto]
Hallo Welt, hier bin ich! Das könnte die Geste des kleinen Simon W[…] aus N[…] bei S[…] bedeuten. […]

Alle von uns veröffentlichten Baby-Fotos finden Sie auch auf unserem Internet-Portal ooe.krone.at.

Danke Stefan M. für den großartigen Hinweis und Scan!

Die Europäische Union präsentierte kürzlich eine EU-weit durchgeführte Risikostudie über die Internetnutzung von Jugendlichen und Kindern (pdf), von der teilnehmenden Universität Salzburg hier zusammengefasst.

Rot eingefärbt die Themenkategorie Sex, blau Cyberbullying, grün Datenmissbrauch

Nun könnte man z.B. berichten,  dass österreichische Kinder viel zu sorglos im Umgang mit Privatsphäreeinstellungen sind, wie das ORF.at getan hat, oder wie zdf.de auf Eltern oft unbekannte Phänomene wie Cyberbullying hinweisen. Doch die Krone greift einfach den reißerischten Aspekt heraus , selbst wenn das die zitierte Studie nicht in dieser Form hergibt, nämlich die Formel Kinder + Sex.

So wird ausführlich über Nachrichten und Bilder mit sexuellem Inhalt und Online-Treffen mit fremden Personen berichtet, jedoch so gut wie nicht über Cyberbullying oder Datenmissbrauch, obwohl dem in der Studie viel Raum gewidmet ist. Und selbst dabei übertreibt die Krone mit falschen Superlativen:

Österreichische Kinder sehen besonders oft Bilder mit sexuellem oder pornographischem Inhalt – 16 Prozent hatten im Internet in den letzten 12 Monaten Kontakt mit solchen Abbildungen, […]

Doch österreichische Kinder liegen hier genau im europäischen Mittelfeld: So sehen in zwölf Ländern – zum Teil deutlich – mehr Kinder sexuelle Bilder, in zehn Ländern sind es weniger als. Oder:

16 Prozent aller österreichischen Kinder haben sich bereits mit fremden Personen aus dem Internet getroffen – eine große Gefahr.“

Eine große Gefahr? Insgesamt hat lediglich 1% aller befragten Kinder angegeben, von einem Offline-Treffen enttäuscht oder verstört gewesen zu sein – und selbst davon gibt die Hälfte an, dass sie dies nicht oder kaum belastet hat. All das mag daran liegen, dass sich die Mehrzahl der Kinder (56%) offline mit solchen „fremden“ Menschen trifft, die bereits irgendeine Verbindung zu ihrer Familie oder ihrem Bekanntenkreis haben. Von 19.345 EU-weit befragten Kindern gaben lediglich sieben an, körperlich verletzt worden zu sein; 14 berichteten über sexuelle Belästigung (in irgendeiner Form).

Ist es nicht eigentlich die Krone, die fatal blauäugig (siehe Titel) ist, wenn sie als einziges Gefahrenmoment für Kinder im Internet das Thema Sex ausmacht?

P.S.: Vielen Dank an Walter R., der uns auf der Kobuk-Facebook-Seite auf diesen Artikel hingewiesen hat!

Screenshot www.glennbeck.com

Anlässlich der Indienreise Barack Obamas sorgte in US-Medien eine Zahl für Furore: 200 Mio. Dollar täglich sollte der Staatsbesuch kosten, die konservativen Moderatoren Glenn Beck und Rush Limbaugh gaben sich entrüstet, CNN berichtete und vor allem FOX widmete sich der Thematik ausführlich:

https://www.youtube.com/watch?v=7o0jUknE3SM

Um diesen Betrag in Relation zu setzen: Der Afghanistan Krieg kostet die Vereinigten Staaten täglich ca. 190 Millionen Dollar. Eine vergleichbare Afrikareise Bill Clintons im Jahr 1998 schlug ohne den als geheim eingestuften Ausgaben für die Sicherheit mit 42,8 Millionen zu Buche, allerdings für die gesamten 12 Tage. Das entspricht 3,6 Millionen pro Tag, wie die New York Times vorrechnet.

Tatsächlich hatten diese lächerlich hoch wirkenden Zahlen nicht lange Bestand. Als Quelle stellte sich eine NDTV-Meldung (New Delhi Television) heraus, die sich wiederum auf eine anonyme Quelle berief. Spätestens nach der Stellungnahme durch Vertreter des Weißen Hauses war die Falschmeldung als solche enttarnt. Das hielt einige deutschsprachige Regionalmedien aber trotzdem nicht davon ab, sie Tage später zu veröffentlichen.

Vielleicht ist das alles aber auch nur ein rein kulturelles Missverständnis.

Foto: Artikel aus der Heute

„Heute“ titelt Familienbeihilfe: Auch für 200.000 Ausländer. Im dem Artikel heißt es:

Thematisch ausgeklammert blieb aber der Bezug österreichischer Kinderbeihilfe durch Ausländer: 200.486 Türken, Slowaken, etc. sind dazu berechtigt. Kosten: 312 Millionen Euro.

Auf meine Nachfrage beim Sozialreferat der ÖH Wien stellt dieses jedoch klar, dass im Gesetz lediglich die Alterwerte verändert werden: Jedes „26“ wird durch „24“ und jedes „27“ durch „25“ ersetzt. Es gibt keine Sonderregelungen für MigrantInnen.

Die Zahl 200.486 ist eine Angabe der Statistik Austria. Es handelt sich hierbei um 200.486 Kinder von MigrantInnen, die 2009 Familienbeihilfe bezogen. Auf den ersten Blick mag diese Zahl groß erscheinen, doch insgesamt bekamen im Jahr 2009 1.814.923 Kinder Familienbeihilfe.

Weiters schreibt „Heute“:

Einzige Bedingungen dafür: mit Hauptwohnsitz in Österreich drei Monate jobben.

Nicht ganz. Laut Auslaender.at sind mehrere Punkte zu erfüllen:

  1. Ständiger Aufenthalt im Inland seit mindestens 60 Kalendermonaten,
  2. Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland,
  3. Länger als drei Monate im Inland beschäftigt Einkünfte und aus dieser Beschäftigung aus nichtselbstständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Inland, sofern in einem zwischenstaatlichen Abkommen vorgesehen.

Auch Robert Misik greift das Thema in seinem Blog auf. Er meint, dass es bei Rechtspopulisten und Neoliberalen ein beliebtes Mittel sei, die Leistungen des Sozialstaates so darzustellen, dass die Inländer zahlen und die Ausländer beziehen:

Nicht zuletzt deshalb marschiereren rechtsradikale Ausländerfeinde und neoliberale Mehr-Markt-weniger-Staat-Fanatiker so gerne Hand in Hand, obwohl sie ja angeblich so überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Also, überraschend kommt das nicht. Ekelhaft ist es trotzdem.

Oe24.at über über den geplanten Facebook-Email-Dienst:

Screenshot oe24.at

Es dürften ein paar mehr sein.

(Via Dieter Zirnig)

Update: Es ist noch ein Fehler im Text (Danke für den Hinweis von Skoops)
So heißt es laut Oe24.at, dass Facebook-Mitarbeiter eine Mail-Adresse mit der Endung „facebook.com“ bekommen, User eine mit der Endung „fb.com“.

Laut facebookmarketing.de ist es aber genau umgekehrt, denn „jeder Nutzer erhält seine eigene E-Mailadresse die sich aus der VanityURL sowie @facebook.com zusammensetzt.“