Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Florian Klenk fragt Krone-Innenpolitikchef Claus Pándi nach Peter „Ich treffe mich mit niemandem“ Gnam:

Es wäre zu schade, wenn dieser Dialog aus dem Inneren der Wiener Medienszene in den Tiefen des Twitter-Nirvanas verschwinden würde.

(Quellen: 1, 2, 3.)

Ein PS. von Die 4 da:

Danke an Jonas Reis für den Hinweis!

Über das Verhältnis von Politik und Medien wird in Österreich selten laut gesprochen.
Bestenfalls hinter vorgehaltener Hand. Das ist nun anders.
12 ½ Zeilen im KURIER ändern alles.

Dass Politiker Jobs vergeben können, ist bekannt.
Dass Journalisten sie dabei kontrollieren, ebenso.
Dass Politiker Journalisten-Jobs vergeben, ist neu.
Zumindest, dass es öffentlich ausgesprochen wird.
Vor allem aber, dass das betreffende Medium diesen Eindruck selbst vermittelt und es als Leistung des Politikers darstellt.

.
KURIER, 19. Dezember, Niederösterreich-Ausgabe:

„Rasche Hilfe für die KURIER-Leser
Telefonsprechstunde: Der traditionelle Termin des Landeshauptmanns in der KURIER-Redaktion brachte erneut viele Lösungen“

Ein emotionaler Anruf kam von einer verzweifelten Mutter aus Breitenfurt:
„Mein Sohn hat Publizistik studiert, zusätzliche Ausbildungen gemacht und findet keinen Job“,
weint die Frau.
Erwin Pröll überlegt keine Sekunde:
„Gnädige Frau, wäre der KURIER vielleicht
etwas für ihren Sohn?“
Mit der Telefonnummer von KURIER-Chronik-Chef Michael Jäger in der Tasche beendet die Frau das Gespräch hörbar erleichert.“

Das lässt drei Schlüsse zu:

a) Landeshauptmann Erwin Pröll kann jemanden zum Journalist machen. Beim KURIER.
Das hieße, ein Politiker kann jene, die ihn kontrollieren sollen, selbst bestimmen.
Tragisch für die Demokratie. Tragisch für den KURIER.
Aber für den Politiker wäre solchjemand dort wohl gut brauchbar.
b) Landeshauptmann Erwin Pröll hat den Jemand nur empfohlen.
Das hieße, er hätte ihn für Fähigkeiten gelobt, die er nicht überprüft haben konnte.
c) Landeshauptmann Erwin Pröll hat nur einen Kontakt hergestellt.
Das hieße, der Jungpublizist hätte es bislang nicht geschafft, die Nummer des KURIER-Chronik-Chefs zu recherchieren. Und sei’s nur für ein Volontariat.
Tragisch für einen angehenden Journalisten.

Bewundernswert ist die Selbstverständlichkeit mit der der KURIER die Passage publiziert.
Bleibt sie unwidersprochen, zeichnen die 12 ½ Zeilen – ganz abgesehen von Titel und Tonalität – ein erschreckendes Bild vom Selbstverständnis des KURIER.

Und sie konterkarierten damit die Inszenierung des KURIER an sich respektive Aussagen seines Chefredakteurs.

Den KURIER betreffend ließe das wieder drei Schlüsse zu:

a) Beim KURIER ist es üblich oder möglich – oder für seine Redakteure zumindest denkmöglich! –, dass Politiker die faktische Macht haben KURIER-Jobs auf diese Art und Weise zu besetzen.
Das wäre bei allen wirtschaftlichen Gegebenheiten wohl eine Täuschung des Lesers, dem man als politisch „Unabhängige Tageszeitung für Österreich“ (Subtitel) seit kurzem auch „Journalismus pur“ verspricht (Slogan).

b) Der KURIER sucht dringend Journalisten und ist dankbar für jeden der ihm vermittelt wird.
Das widerspräche den Aussagen von KURIER-Chefredakteur Helmut Brandstätter. Demnach werde es sogar Kürzungen im Personalbereich geben. Vielleicht weist aber auch keiner der vorhandenen Mitarbeiter die schon zitierten (Recherche-)Qualitäten des Jungpublizisten aus Breitenfurt auf.
c) Der KURIER-Redakteur hat mit dem Telefonat lediglich das Geschehen wiedergegeben. Unreflektiert eben. Und weder der KURIER-Redakteur, noch der KURIER-Chef vom Dienst oder KURIER-Chronik-Chef oder KURIER-Chefredakteur, befanden es für nötig der falschen Vorstellung des Politikers über die Jobvergabe beim KURIER zu widersprechen, und im Sinne unabhängigen Journalismus’ auch gegenüber dem Leser unmissverständlich klar zu stellen, dass ein derartiger Vorgang beim KURIER gänzlich ausgeschlossen ist.
Eine derartig unreflektierte Berichterstattung widerspräche einem wesentlichen Kriterium einer Qualitätszeitung. Und eben das nimmt Chefredakteur Helmut Brandstätter für den KURIER in Anspruch: „Der Kurier ist eine Qualitätszeitung“.

Warum just die Telefonnummer von KURIER-Chronik-Chef Michael Jäger vermittelt wurde, bis vor Kurzem noch KURIER-Niederösterreich-Chef, tut dabei gar nichts mehr zur Sache.

Das Tragische an all den Varianten, die in der 12 ½ Zeilen-Passage des KURIER stecken:
Sie sind dazu angetan, dem Vertrauen in die gute Arbeit der verdienten Mitarbeiter des KURIER zu schaden – und dem Journalismus im Allgemeinen.

All jene Journalisten, die sich mit Unabhängigikeit, Objektivität und Fairness bei allen Widrigkeiten täglich bemühen ihrer Kontrollfunktion als Vierter Macht im Staat gerecht zu werden, die Politik kritisch hinterfragen und Machtmissbrauch aufdecken, verdienen es nicht unter einem Generalverdacht zu stehen. Auch der bedauernswerte Publizistikabsolvent in seiner schwierigen Situation auf Jobsuche nicht.

Dem Generalverdacht, dass Politiker Journalisten machen können.
Mit den 12 ½ Zeilen im KURIER könnte dieser Eindruck leider entstehen.

Ich ersuche den KURIER daher um Widerspruch.
Im Sinne des Journalismus.
…des puren Journalismus.

Der Standard und viele andere Medien veröffentlichen eine Meldung von APA/dpa über Details zu den Vorwürfen gegen den Wikileaks Gründer Julian Assange. Diese Meldung stützt sich auf einen Artikel des Guardian. Wie wir bereits wissen, ist das Übersetzen nicht immer einfach, so auch in diesem Fall.

Die APA/dpa meint:

Die „Fräulein A“ genannte Schwedin soll er bei anderer Gelegenheit zu von ihr nicht gewünschtem Sex genötigt haben.

Wohingegen der Guardian schreibt:

She told police that Assange had continued to make sexual advances to her every day after they slept together (..).

Doch „Advances“ sind übersetzt noch keine „Nötigung“ sondern „Annäherungsversuche“, „Avancen“. Die Entscheidung, etwa ob hier ein Fall von Nötigung vorliegt, hat darüber hinaus das schwedische Gericht zu treffen.

Auf DerStandard.at wurde entsprechende Passage nach einem Kommentar von Markus Kienast bereits korrigiert. Der Kommentar selbst ist dabei laut Markus allerdings in der Moderationsschleife hängen geblieben.

Bild: (cc) Ross_TT


Große Zahlen anschaulich darzustellen ist nicht immer ganz einfach, das stellt der Kurier in seiner Sonntagsausgabe einmal mehr unter Beweis.

Wie sinnvoll es ist, die österreichische Milchproduktion in Volumen von deutschen Fußballstadien anzugeben, ist eine andere Frage, doch rechnen wir es durch:

3,26 Mio. Liter dividiert durch 900 ergibt 3.622 Liter. Die Allianz-Arena hat demnach ein Volumen von gut 3,6m³… Hohe und lange Bälle zählen damit wohl nicht zum Spielstil der Bayern.

Für Interessierte aus der Rubrik „unnützes Wissen“:

Die Milchproduktion betrug 2009 3.230.000 Tonnen, also ca. 3,12 Milliarden Liter. Das Volumen der Allianz-Arena schlägt Daumen mal Pi mit 2.928.300m³ (258m x 227m x 50m) zu Buche. Lässt man sie also ein wenig überschwappen, passt die jährlich in Österreich produzierte Milch knapp in das Münchner Stadion. Allerdings nur ein Mal.

Fotos: (cc) Miaers und (cc) Nathan 16. Montage: Peter Pfeiffer. Scan: Kurier vom 19.12., Seite 9.

„Falter“-Herausgeber Armin Thurnher vergleicht die Bewohner der Internetgemeinde gerne väterlich liebevoll mit Meerschweinchen („weil sie so zuverlässig auf Reize reagieren“). Ich hätte da auch einen possierlichen Nager für seine Zunft: Den Lemming.

Raimund Löw schreibt diese Woche im „Falter“ über „Die Treibjagd des Westens gegen Julian Assange“ und stellt unter anderem fest:

Mike Huckebee [sic!], ein Präsidentschaftskandidat der Republikaner, würde ihn am liebsten hinrichten lassen.

Das Geräusch, das jetzt einige vernehmen, das ist nur BILDblogger und Journalist Stefan Niggemeier, wie er an seinem Beißholz nagt. Wies er doch gestern, schon leicht verzweifelnd, zum wiederholten Mal darauf hin, dass Mike Huckabee eben nicht die Todesstrafe für Wikileaks-Gründer Julian Assange gefordert hat. Sondern, wegen Hochverrats, für jenen Maulwurf im Staatsdienst, der die Informationen an Wikileaks weitergab.

Immerhin befindet sich der „Falter“ in bester Gesellschaft: AFP, dpa, FAZ, Spiegel und sogar die New York Times haben die Ente auch geschluckt gedruckt.

Als Anzeichen einer möglichen Verschwörung gegen Assange führt Löw übrigens u.a. an:

Bei seinen Reisen fühlt er sich beschattet, Gepäcksstücke verschwinden auf mysteriöse Weise.

Da kann ich Julian Assange beruhigen: es wäre weitaus verdächtiger, wäre auf seinen zahllosen Reisen nie ein Gepäcksstück mysteriös verschwunden.

www.oe24.at, Schulbegehren zu WerbezweckenDass „Österreich“ gerne im rechtlichen und ethischen Graubereich agiert, ist nichts Neues. Nun nützt die Zeitung die aktuelle Bildungsdebatte, um für Werbezwecke an die persönlichen Daten ihrer LeserInnen zu gelangen.

Auf Oe24.at kann man ein auch in der Printausgabe heftig beworbenes und täuschend nahe in den Kontext des Androsch-Volksbegehrens gerücktes „Online-Schulbegehren“ unterschreiben. Während die LeserInnen über die weitere Vorgangsweise dieses Schulbegehrens (was passiert mit den Unterschriften?) im Unklaren bleiben, versteckt sich bereits im Seitentitel der Hinweis auf das eigentliche Anliegen der Zeitung. Dieser lautet  „OE24 Gewinnspiel Anmeldung“ (sic!).

Mit der „Unterschrift für die Schulreform“ gibt man zugleich das Einverständnis, dass die persönlichen Daten für Werbezwecke weiter verwendet werden dürfen. Telefonnummer, Emailadresse und Postanschrift sind dabei Pflichtfelder. Diese Einverständniserklärung versteckt sich in sogenannten AGBs, die erst durch mühevolles Scrollen voll lesbar sind:

Jeder Einsender erklärt sich einverstanden, dass seine Daten für werbliche Zwecke von ÖSTERREICH und oe24.at, insbesondere für die Unterbreitung interessanter Angebote per Telefon oder E-Mail, genutzt werden können oder ihm ein ÖSTERREICH Gratis-Testabo zugesandt werden kann.

Grobe Bedenken gegen diese neue Variante der KundInnen-Keilerei äußerte auf meine Anfrage die Abteilung Konsumentenschutz der AK Wien, die im Fall von Beschwerden weitere Schritte einleiten will.

Danke an Herbert Sasshofer für den Hinweis!

Update: Der Seitentitel wurde inzwischen auf „OE24 Schul-Begehren“ geändert. ABGs sind entfernt. Nur der Link gibt noch Anlass zur Skepsis: https://app.oe24.at/oe24win/schul-begehren.do?do=authenticate

Damit hier auch Klatsch & Tratsch nicht zu kurz kommt, ein kleines Schmankerl aus dem Seitenblicke-Magazin:

www.seitenblicke.at, 9.12.2010

Links der falsche Ronaldo, rechts der richtige (nach Korrektur).

In einem Beitrag über den brasilianischen Fußball-Stars Ronaldo, der per Vaterschaftstest zum vierfachen Vater wurde, unterlag man einer Verwechslung mit dem portugiesischen Kicker-Star Cristiano Ronaldo (der seine Vaterfreuden ebenfalls twitterte). Übrigens kein Einzelfall. Der Fehler wurde mittlerweile korrigiert.

Danke Thomas für den Hinweis!

Während der „ZIB 24“ am 7.12. war die technische Abteilung anscheinend schon in Feiertagslaune: So wurde Hanno Settele, der sich visuell ohnehin stark vom Hintergrund abhob, kurzerhand vom Kapitol …

… ins US-Außenministerium gebeamt,

wo er anschließend als dessen Kommunikationschef  auftrat,

bevor er und das untere Drittel Washingstons komplett verschwanden.

Als wäre der Bluescreen nicht schon genug beansprucht worden, ging die magische Reise kurz darauf mit  Andreas Schleicher, dem Erfinder der PISA-Studie, weiter:

Das brachte den Hintergrund kurz zum kompletten Zusammenbruch,

als plötzlich Hanno Settele (in seiner Rolle als Kommunikationschef des US-Außenministeriums) wieder auftauchte:

Das war allerdings nur ein kurzes Aufbäumen, es folgte der endgültige Tod:

Der Vollständigkeit halber sollte allerdings erwähnt werden, dass man es dann doch noch schaffte, Andreas Schleicher das letzte Drittel seines Interviews vors Kapitol zu setzen.

Rechnen mit Österreich Foto

Dass Rechnen nicht immer einfach ist, haben auch schon andere Medien bewiesen.

(Danke für den Hinweis und das Foto von Stefan.)