Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

„Die Welt braucht Journalismus” jammen [sic!] Medienmanager in der Krise gern. Das stimmt. “Kress”, “Standard” und “Kölner Stadtanzeiger” demonstrieren, wie nötig wir Journalisten brauchen – sie sollten mal welche anstellen.

Blogger Thomas Knüwer ist für seinen angriffigen Schreibstil bekannt, aber das ist schon ein harsches Urteil. Andererseits hat er guten Grund gegen die drei Medien zu sticheln, verkauften die doch ihren Lesern eine mäßig gute Satire als Faktum. Quellenprüfung? Recherche? Hausverstand? – das alles hat es offenbar nicht gegeben.

Die Werbeagentur Jung von Matt wollte die Band „Wir sind Helden“ für eine Werbekampagne der BILD-Zeitung gewinnen. Ködern wollte man sie damit, dass auch eine sehr kritische Meinung über BILD publiziert werden würde und außerdem gäbe es 10.000 Euro für eine wohltätige Organisation ihrer Wahl. Doch Sängerin Judith Holofernes veröffentlichte auf der Bandhomepage eine genial formulierte Absage:

Die laufende Plakat-​Aktion der Bild-​Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.

Bald gehörte #Helden auf Twitter zu den Top-Schlagworten weltweit und die Bandhomepage ging vor Anfragen in die Knie. Die Begeisterung über die schlagfertige Antwort war groß. Eine Userin im Online-Jugendangebot der “Süddeutschen Zeitung” erfand in der Folge eine satirische Antwort von Jung von Matt auf die Antwort von Holofernes, die unter anderem DerStandard.at offenbar für echt hielt, anstatt sich – wie Thomas Knüwer schreibt – einige Fragen zu stellen, wie zum Beispiel:

Warum reagiert Jung von Matt nur auf Jetzt.de? Warum verpackt Jetzt.de dies nicht in eine Geschichte, die dem Leser erklärt, warum das da so steht? Ist der harsche und platt beleidigende Ton des Textes wirklich die Art, wie Jung von Matt kommunizieren würde?

Mittlerweile wurde auf den eigenen Fehler eingegangen:

Danke an dieser Stelle an Thomas Knüwer. Schon erstaunlich, was Medienjournalisten Agenturen so alles abnehmen ; -)

Erstaunlich allerdings auch, dass die Redakteurin diese Fehleinschätzung mit einem Smiley quittiert und offenbar immer noch glaubt, das wäre eine offizielle Agenturmeldung gewesen. Wie Jetzt.de-Chefredakteur Dirk von Gehlen ausführt:

Dieser Text stammt von einem der rund 160.000 registrierten Nutzer auf jetzt.de. Er ist keine offizielle Antwort der Werbeagentur. Er ist nicht redaktionell verfasst.

Update (21:06 Uhr):

Des einen Leid ist des anderen Freud
Während die einen für ihre Berichterstattung kritisiert werden, können sich die anderen über gigantische Aufmerksamkeit freuen. Über die BILD-Zeitung und Jung von Matts Werbekampagne wird sicher noch länger gesprochen, geschrieben und getwittert werden. Aber nicht nur diese beiden Unternehmen haben viel Aufmerksamkeit generiert… Mit dem selben Tag an dem die Absage von Holofernes veröffentlicht wurde, kann man bei Amazon auch eine neue Maxi-CD „Alles auf Anfang“ der Band bestellen. Ob das Zufall ist? Leisen Zweifel meldet Twitterer Martin Schimak an. Verkaufsfördernd ist es allemal.

Seriöse, repräsentative Umfragen haben zwei Haken: Sie kosten Geld. Und sie brauchen Zeit. Offenbar zu viel für „Österreich“ und Kronen Zeitung.

Online-Umfragen, wie man sie auf nahezu allen Medienportalen findet, sind reine Unterhaltungselemente ohne höheren Anspruch. Sie ermöglichen auf einfache Weise Interaktivität und können zu einem gewissen Grad ein Stimmungsbild unter den aktuellen Besuchern der eigenen Website zeichnen.

Für mehr langt’s aber nicht. Dafür sind diese Votings meist zu anfällig für Manipulationen und in der schwer verzerrten Stichprobe sind naturgemäß nur Internetbenutzer enthalten, die die Website kennen, sie zufällig (oder aufgrund einer Kampagne) im Votingzeitraum besucht haben und die das Thema dann auch noch interessiert hat.

Ähnlich treffsicher wie Horoskope, sind die Ergebnisse derartiger Umfragen — abgesehen von Zufallstreffern — nie repräsentativ. Meist nicht mal für die Besucher der eigenen Website und schon gar nicht für die gesamte Bevölkerung. Aber wer wäre schon so größenwahnsinnig, das von seiner popeligen Web-Umfrage zu behaupten?

Nun, die laut Eigendefinition größen… äh „größte Tageszeitung der Welt“ zum Beispiel. Die Kronen Zeitung, letzten Samstag. Und das nicht als Praktikantenübung, gut versteckt im Blatt, sondern richtig groß, als Titelstory. Tatsächlich eine „Niederlage für die Bildungspolitik“, aber anders als die Krone meint:

Exklusiv-Umfrage [sic!] — Niederlage für die Bildungspolitik
Sitzenbleiben: 69 % gegen Abschaffung!

Und die laut Eigendefinition „beste Zeitung“, „Österreich“, am selben Tag. Natürlich auch am Cover. Gestern Reisebüro, heute Umfrage-Institut — bei dem berüchtigt flexiblen Selbstverständnis dieser Zeitungssimulation auch schon egal:

ÖSTERREICH-Umfrage zur Schule:
67 % gegen Aufsteigen mit Fünfer

„Österreich“ weist immerhin im Artikel auf die Art der Umfrage hin. Überlässt die Schlussfolgerungen daraus allerdings dem Leser:

Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das scheinbar [sic!] anders: In einer Umfrage auf dem ÖSTERREICH-Portal oe24.at sprachen sich gestern 67 Prozent gegen Schmieds Plan aus, nur 33 Prozent wollen das Sitzenbleiben abschaffen.

Wohlweislich verzichtet wird auf die Angabe der vermutlich beeindruckend niedrigen Zahl der abgegebenen Stimmen bei dieser online nicht mehr auffindbaren Umfrage (sofern sie je existiert hat).

Dümmer als „Österreich“ lässt die Kronen Zeitung im Artikel ihre Leser sterben. Dafür gibt sie sich um so selbstbewusster:

Nach dem Debakel mit dem Lehrermangel die nächste Schlappe: […] für die Mehrheit der Österreicher [steht] fest: Die Ehrenrunde soll bleiben! In einer „Krone“-Umfrage sind knapp 70 % für das Wiederholen einer Klasse.

Die meisten Leser werden hier eine repräsentative Umfrage vermuten, die vom Blatt bei einem Institut in Auftrag gegeben wurde. Dafür stand der Ausdruck „Krone-Umfrage“ früher mal. Nur wer wirklich danach sucht, findet — unter der großen Grafik, in der kleinsten Schrift, die es im Layout gibt — ganz kleinlaut den entscheidenden Hinweis, dass die „Exklusiv-Umfrage“ auf dem Samstags-Cover ein Blindgänger eine Blendgranate ist:

Quelle: „krone.at“-Umfrage, 900 abgegebene Stimmen

(„Krone.at-Umfrage“ hat übrigens genauso viele Zeichen wie „Exklusiv-Umfrage“. Am Platz kann’s also nicht gelegen haben, dass man sich auf dem Titelblatt für letzteres entschied.)

In einer repräsentativen Umfrage 2009 für das Magazin „Format“ haben sich übrigens noch 57 % der Österreicher für die Abschaffung des Sitzenbleibens (und stattdessen Nachholen des Lehrstoffs in Extra-Kursen) ausgesprochen. Und weiter hieß es dort:

Mit steigender Bildung spricht sich sogar eine klare Mehrheit für das Abschaffen des Sitzenbleibens aus.

Dass sich auf krone.at und oe24.at hingegen eine klare Mehrheit der Voter dagegen ausgesprochen hat, sollte nicht zu dem Schluss verleiten, dass doch was dran sein könnte, an Online-Votings.

Wir hatten ja schon viel hier auf Kobuk: Spalten– oder seitenweise ungekennzeichnete Werbung, 1:1 abgedruckte Presseaussendungen, von der Schoko-Industrie finanzierte Gesundheitsstudien oder überhaupt „Berichterstattung wie vereinbart“.

Aber Reisevertrieb per Tageszeitung-Titelstory, das ist neu:

Die „259 Euro für 1 Woche Luxus“ der Titelseite finden sich auf Seite 6 wieder: Als ein Angebot der Joe24.at GmbH, eine 100%-Tochter der Media Digital GmbH, die wiederum zur Gänze der Fellner Medien GmbH gehört. Genau wie die Tageszeitung „Österreich“.

Joe24-Geschäftsführer Peter Grossmann darf auch gleich die Begründung liefern, warum derzeit ein „neuer Reise-Boom“ dafür sorgt, dass die „Jets ausgebucht“ sind:

Zu besten Zeiten flogen wöchentlich 2.000 Österreicher nach Ägypten. Laut Grossmann könnte das bald wieder so sein.

Der „neue Run auf Reisen ans Rote Meer“ ist nicht nur eine Titelstory wert, sondern offenbar auch so massiv, dass Grossmann seine Reisen zu Spottpreisen verschleudern muss, um die Flieger voll zu kriegen: „Im Schnitt sind die Preise um 40% günstiger.“

Immerhin sind vier der zehn aufgelisteten „besten Ferien-Angebote“ von der Konkurrenz. Doch sind sie das wirklich? Zwei der vier Reisen werden von ETI angeboten, ein auf Ägypten spezialisierter Reiseveranstalter, der auch der Veranstalter von 10 der 12 derzeit von Joe24 vermittelten Pauschalreisen ist. Zu erkennen auch am Scan unten am ETI-Sonnenlogo auf den drei Reisen. Der ETI-Chef kommt neben seinem Geschäftspartner Grossmann auch im Artikel zu Wort.

Die beiden übrigen Reisen werden von Ltur angeboten – zumindest theoretisch. Praktisch konnte ich auf Ltur.com weder eine derart günstige Ägypten-Reise finden, noch überhaupt irgendeine, die von österreichischen Flughäfen aus starten würde. (Screenshots verfügbar.) Es dürfte also der gesamte Umsatz, der durch diese Titelgeschichtenkampagne erzielt wird, bei Joe24 und seinen Geschäftspartnern landen.

Eine kleine Formulierung eines anscheinend von Gewissen und Herausgeber geplagten Redakteurs lässt einen Lichtblick am düsteren Himmel der journalistischen Prostitution erhoffen:

Seit Mubarak abtrat, wollen scheinbar alle nach Ägypten reisen.

Wen dieser Schein bis hierhin nicht getäuscht hat, den überzeugt vielleicht die Rückseite derselben Tageszeitung (unten) – oder der eine oder andere redaktionelle Beitrag à la „Urlaub jetzt so billig wie nie“ und „Last-Minute ist Sommer-Reise-Trend„.

Für alle Beteiligten gilt übrigens die völlige Unschuldsvermutung.

Update: Oben zwei Absätze zu den Reiseveranstaltern ETI und Ltur eingefügt. Danke Hans für den Hinweis!

Update 2: They did it again.

(Scans: „Österreich“ Gratisausgabe, Freitag 18. 2. 2011; via Chorherr)

Vor drei Wochen hatte Wolfgang Fellner Besuch von der Staatsanwaltschaft bei sich zu Hause und im Büro. Die Ermittler verdächtigen ihn der Beihilfe zur Untreue im Dunstkreis der Immofinanz-Causa. Empört vermeldete er daraufhin, er werde rechtliche Schritte ergreifen, denn die Hausdurchsuchung sei „ein klarer Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention“ gewesen.

Wie sich der „Österreich“-Herausgeber (es gilt die Unschuldsvermutung) eine menschenrechts-konforme Hausdurchsuchung vorstellt — ich habe da konkret Art. 8 im Auge — davon konnte man sich dann gestern ein Bild machen:

Fotos aus seiner Villa — Hier starb Peter Alexander
Es war [sic!] sein privates Reich, gehütet wie ein Schatz. Nach seinem Tod tauchen nun Bilder aus Peter Alexanders Villa in Döbling auf. Auf den Fotos sieht man, wie Alexander lebte […]

(Verfremdungen durch Kobuk)


Man muss sich das einmal vor Augen führen: Der Menschenrechtsexperte Wolfgang Fellner bricht in die Wohnung eines Toten ein (bildlich gesprochen) und zerrt dessen intimsten letzten Lebensbereich ins Licht seiner billigen Kuriositätenschau. Obwohl, oder gerade weil der Verstorbene sich konsequent und absolut unmissverständlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte.

Das ist „Journalismus“, der über Leichen geht — und auch so riecht.

Statistiken regen die Fantasie an. Das beweist folgender Text, der im Rahmen der Glosse „Das Letzte“ in der deutschen „Zeit“ vom 10. Februar 2011 erschienen ist:

In Hamburg, so berichtet Bild, seien 55 Prozent aller Männer ledig, aber nur 47 Prozent der Frauen. Das wirft Fragen auf. Wenn 53% der Hamburgerinnen verheiratet sind, aber nur 45% der Hamburger, kann das entweder bedeuten, dass einige Hamburger mit mehreren Hamburgerinnen verheiratet sind. Oder es bedeutet, dass viele Hamburgerinnen Nicht-Hamburger heiraten, sei es weil, die Hamburger nicht attraktiv genug finden, sei es, weil sie selber so attraktiv sind, dass Auswärtige mit Erfolg um sie werben.“

Entweder-Oder-Formulierungen sind ja meistens ein schwieriges Metier. So könnte jetzt beispielsweise behauptet werden, dass entweder in Hamburg einfach mehr Hamburger als Hamburgerinnen leben – stellte man sich nämlich eine Stadt vor, in der exakt 100.000 Frauen und 117.777 Männer, und wären dort 53% der Frauen mit 45% der Männer verheiratet, dann würde niemand eine Doppelehe führen und ebenso keine Auffälligkeit bezüglich Ehen mit Außer-Städtischen zu sehen sein.

Oder man leitet daraus ab, dass man nicht einfach so Bild-Umfragen zitieren sollte: Denn dieser Bericht (pdf) des Statistikamts Nord aus dem Jahr 2009 (!) zeigt – hier ein Faksimile – dass in Hamburg tatsächlich 40% der Männer, und nur 37% der Frauen verheiratet sind. Und das, obwohl es eigentlich mehr Frauen als Männer gibt.

Man sieht: Das Statistik-Deuten ist eine Krux.

Vier Friedhofsbilder auf der letzten Galerieseite, darunter der sichtlich trauernde Privatmann Peter Alexander, dem ein Paparazzo beim Besuch am Grab seiner Liebsten aufgelauert hatte. Für  „Österreich“ — und damit sinkt es im deutschen Sprachraum tief, abgrundtief unter jedes andere Boulevardmedium, das über den Tod des großen Entertainers berichtet hat — sind das mit die „besten“ Bilder…

„It’s a fluid situation“ antwortete das US-State-Department in den letzten Tagen meist, wenn sie von Medien um eine Stellungnahme zur Revolution in Ägypten gefragt wurden. Fluid situations sind schwierige Zeiten für Printmedien. Hier ein paar Köstlichkeiten aus den letzten Tagen. (Weitere Beispiele bitte per Kommentar posten!)

Die heutige Abendausgabe (!) der Kronen Zeitung titelt:

Blöd nur, dass Mubarak heute von eben diesen Militärs zurückgetreten wurde. (Danke an Thomas Mohr für das Foto!)

Ein Rücktritt, den gestern alle erwartet hatten – doch es kam anders, der alte Mann zeigte sich stur und schloss in seiner Rede einen Rücktritt kategorisch aus. (Wie blamabel die Übertragung dieser Rede im ORF war, der ansonsten dank Karim El-Gawhary großartige Analysen lieferte, hat Axel Maireder schon dokumentiert.)

Die Oberösterreichischen Nachrichten wollten offenbar trotz frühen Redaktionsschlusses nicht auf die großartige Meldung verzichten und titelten gestern:

Die richtige Schlagzeile zum gänzlich falschen Zeitpunkt – denn anstatt zu jubeln protestierten die Ägypter zornig bis in die Morgenstunden. (Danke an Florian Gossy für das Foto!) Ähnlich erging es auch der Bild.de, wie das BILDblog dokumentiert hat:

Die Tücken vorbereiteter Eilnachrichten, wie ein Blick in die URL des Artikels zeigt:

Siehe auch Sabine Bürgers Artikel auf DerStandard.at zum gleichen Thema. Wer kennt weitere #Mediafails?

Update: Sabine Bürger berichtet auf DerStandard.at von einem Brief des ORF-Chefredakteurs Dittlbacher, in dem dieser akustische Schwierigkeiten als Grund für die schlechte Simultanübersetzung nennt.

Update 2: Marlene Altenhofer schickt uns folgenden Zeitungsausschnitt aus der Kronen Zeitung vom 11.2. (OÖ-Ausgabe, tagsüber), die ebenfalls von einer Nacht der Feiern berichtete, obwohl sie vielmehr eine Nacht des Zorns war:

Update 3: Sabine Bürger schoss am Samstag, den 12.2. um ca. 16:30, also 24 Stunden nach Hosni Mubaraks Rücktritt, am Wiener Europaplatz folgendes Foto:

Axel Maireder ist Sozialwissenschafter am Publizistikinstitut der Universität Wien. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog.

Der gestrige Fernsehabend war eine doppelte Enttäuschung. Zum einen erdreistete sich der ägyptische Diktator – das ägyptische Volk ignorierend – seinen schon angekündigten Rücktritt abzusagen (bzw. hinter lächerlichem Geplänkel so zu verstecken, dass er nicht gewertet werden konnte). Zum anderen kam die Berichterstattung des ORF zu den Ereignissen einem journalistischen Fiasko gleich: Nicht nur, dass es dem ORF nicht gelang für die schon seit Stunden angekündigte Rede Mubaraks einen ordentlichen Arabisch-Dolmetscher zu finden, der die ohne Zweifel historische Rede Mubaraks ohne Gestammel würdig zu übersetzen weiß. Nicht nur, dass sich die Moderatorin und ihr Gast bemüßigt fühlten eben diese Rede auch noch ständig zu kommentieren.

Nein, dem ORF gelang es sogar die Ansprache genau in jenem Moment abzubrechen, in dem der Präsident zum Schlußpunkt ansetzte und stattdessen eine Werbepause (!) einzulegen. Während die fehlende Kompetenz des Dolmetschers und die laufende Kommentierung als hochgradig unprofessionell zu bewerten sind, ist letzteres unanständig und insbesondere einem öffentlich-rechtlichem Sender zutiefst unwürdig.

Abgerundet wurde dieses traurige Bild des ORF noch von den KollegInnen bei orf.at, denen schlicht das journalistische Gespür zu fehlen schien, die Lage in Ägypten im Rahmen einer Überschrift korrekt zu bewerten. Während von CNN bis Al Jazeera, von tagesschau.de bis derstandard.at, der Unmut der Demonstranten über den nicht erfolgten formalen Rücktritt des Mubaraks als zentral für die Nachricht erkannt wurde, titelte orf.at schlicht und wenig ergreifend: “Mubarak übergibt Macht an seinen Vize”. Enttäuschend.

UPDATE (12.02, 07:30): Der ORF erklärt in einer Stellungnahme, von der derstandard.at berichtet, der Werbeblock sei notwendig gewesen um das Studio umzubauen (Und das ging nicht während der laufenden Rede von Mubarak?) und der Übersetzer hätte mit der schlechten Tonqualität der Originalaufnahme von Al Jazeera gekämpft (Okay, das erklärt es zumindest).

Screenshots von 10.2, etwa 23 Uhr:

ORF.at:

Tagesschau.de

DerStandard.at:

CNN.com

Ich habe während des Sat.1-Magazins am Dienstag den Ton abgestellt und das Antennenkabel aus der Dose gezogen. Was soll ich sagen, von der Sendung war kein Wort mehr zu verstehen und das Bild total verrauscht. Fazit: Das Sat.1-Magazin ist ziemlicher Schrott. Definitiv nicht zu empfehlen.

Ihr haltet das für eine merkwürdige TV-Kritik? Dann seht euch mal an, wie die (ernsthaft) eine Mikrowelle getestet haben:

Zu guter Letzt haben wir noch die Mikrowelle für 36 Euro getestet. Leider wurden die Gerichte nicht richtig aufgetaut. Auch nicht richtig erwärmt. Und die Sicherheit war eine Katastrophe! Als unsere CD innen gebrannt hat, hat es keinen Warnton gegeben. Das heißt, sie ist defintiv nicht zu empfehlen!

Während der ORF gestern über Kindersklaven berichtete, die unter Duldung der Schokolade-Industrie (und letztlich nahezu uns allen) gewerbsmäßig entführt und zur billigen Kakao-Ernte gezwungen werden, lieferte die APA zwei Tage zuvor weitaus freundlichere Schlagzeilen zum Thema: Kakaobohnen enthielten mehr Antioxidantien als Früchte, hieß es da, laut einer Studie. Zahlreiche Medien übernahmen den Bericht und in der Krone war die Schokolade am Ende sogar gleich gesund wie Obst.

Dazu ein Leserhinweis, direkt aus unserer Inbox (mit Genehmigung des Autors):

Hallo liebes Kobuk-Team,

ich bin Medizinstudent und habe gerade das großartige Buch „Die Wissenschaftslüge“ von Ben Goldacre gelesen. Er zeigt vor allem auf, wie kritiklos oftmals Medien Pseudostudien für voll nehmen und unhinterfragt an die Leserschaft weitergeben.

Ein aktuelles Paradebeispiel ist der zahnlose Kurzbericht der Kronen Zeitung über eine Studie, dass Schokolade gesünder als Obst sein soll. Nur zu blöd, dass genau in jenem Ort namens Hershey im US-Bundesstaat Pennsylvania, einer der größten Schokoladenproduzenten der Welt seinen Sitz hat.

Beweis: https://de.wikipedia.org/wiki/Hershey_Company

LG
Alexander Niederecker

Und weil es oft noch schlimmer ist, als der Leser denkt, hat dieser Schokoladehersteller die Studie nicht nur in Auftrag gegeben, sondern auch gleich in den eigenen Labors durchgeführt. Praktisch, nicht?

Bemerkenswerterweise hat in Österreich doch ein Nachrichtenportal auf diesen Umstand kritisch hingewiesen:

Ob die Untersuchungen auch unabhängigen Forschern standhalten, bleibt abzuwarten, schließlich handelt es sich beim „Hershey Center for Health and Nutrition“ um ein Labor des US- Lebensmittelriesen Hershey – bekannt vor allem für Schokolade und andere zuckerhaltige Lebensmittel.

Welche Online-Redaktion hier, im Gegensatz zu APA, Kronen Zeitung und Co., so vorbildlich recherchiert hat? Ihr erratet es vermutlich nicht.

Danke für den Hinweis an Alexander und für das Foto an A.B.