Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Oe24 bzw. der Ableger „Madonna“  berichtet am 21.11.2012 über ein Foto von Tyra Banks. Obwohl das Bild offensichtlich bearbeitet wurde, gibt man sich entsetzt:

 „Das Topmodel hat ein völlig deformiertes Bild von sich selber getwittert – und lacht darüber! Doch Fans wundern sich. Seit wann hat Tyra so ein deformiertes Gesicht? Die Wahrheit ist – schon immer.“

Das Supermodel twitterte in letzter Zeit häufiger solche Bilder von sich selbst. Schmales Kinn, hohe Stirn – die Augen wirken unnatürlich nach hinten verschoben.

Nein, die Frau versucht nicht ihre Karriere zu ruinieren. Sie macht mit den Bildern Werbung für die Handy-App Smize Yourself. Das Spielzeug, mit dem man Gesichter verzerren kann, wurde von Tyra Banks eigener Firma entwickelt. Sie wirbt mit den Fotos auch im iTunes Store. Fakten, die leicht festzustellen gewesen wären. Aber tot-recherchierte Geschichten verkaufen sich eben schlecht.

Die Frau hat gestanden, zwei Männer getötet, zerstückelt und im Keller einbetoniert zu haben. Wie muss eine Zeitungsredaktion mental strukturiert sein, der das alleine noch nicht reicht?

Spielte sie in einem Sexfilm mit?
Wilde Gerüchte über Esti-Porno aufgetaucht [Diashow]

Und im Artikel:

Fakt ist: Eine Ähnlichkeit von Esti zur Hauptdarstellerin ist nicht zu leugnen.

Fakt ist: Erektionen stören das Urteilsvermögen.

Die Darstellerin (ja, ich hab mein Google-Suchprofil dafür versaut) ist Britin. Sie nennt sich Lynda Leigh, hat vorgestern anscheinend noch selbst getwittert und ist nach offiziellen Angaben mind. 12 Jahre älter als die Angeklagte in unserem Mordprozess. Es ist also nach menschlichem Ermessen völlig ausgeschlossen, dass die beiden Damen ident sind.

„Österreich“ weiß das natürlich, schließlich haben sie den Film. Warum also bringen sie diese Lüge?

Weil es in Wolfgang Fellners Gewerbe etwas gibt, das ihn und seine Redaktion vermutlich noch schärfer macht als jeder Pornostreifen: Klicks!

Hier die meistgelesenen Artikel des Tages auf oe24.at:

TOP GELESEN CHRONIK
1 Wilde Gerüchte über Esti-Porno
2 …

Es ist furchtbar banal: Je fantastischer und absurder eine Geschichte, desto mehr Leser öffnen den Artikel, klicken sich durch die Fotogalerie und mittendrin — wie auch sonst überall — kommt Werbung, für die umso mehr verlangt werden kann, je mehr Klicks das Portal generiert.

Wer Werbung auf oe24 bucht, findet sich so schon mal in der Galerie zu einem Porno wieder:

Immerhin ahnen wir jetzt, was der gelbe Briefkasten mit den strammen Wadeln zwischen den Drehs für unsere Post so treibt.

Diese armen Chinesen. Erst bleiben sie auf ihrer Busreise nach Rom in einer Vorarlberger Sumpfwiese stecken und dann prügelt der ZIB2-Moderator aus ihrem Malheur auch noch jeden Witz heraus, der sich in 38 Sekunden unterbringen lässt:

Originalvideo abrufbar bis 26.11.2012

Zum Schluss möchten wir Ihnen nicht vorenthalten, dass 25 Chinesen die bereits aus der Antike stammende Erkenntnis widerlegt haben, wonach alle Wege nach Rom führen. Und zwar, indem Sie auf ihrer Reise nach Rom einen Weg gewählt haben, der auf diesem sumpfigen Feld in der Lauteracher Ried in Vorarlberg endet. Dort sind sie mit ihrem Reisebus stecken geblieben. Nicht, weil die Vorarlberger topographischen Angaben so schwer ins Chinesische zu übertragen sind, sondern weil das Navi sie ganz offenbar in die Irre geleitet hat. Die Fahrgäste blieben asiatisch gelassen, Probleme mit der Führung werden ja auch im eigenen Land lieber nicht gleich angesprochen.

Brüller, oder? Apropos irreführend:
Moderation und Bildschnitt erwecken den Eindruck, das Navi habe den Bus und seinen scheinbar nicht allzu hellen Fahrer geradewegs in eine Sumpfwiese geführt. Das ist falsch.

Die Route führte entlang einer normalen, befestigten Straße. Allerdings dürfte der Fahrer Hinweisschilder nicht beachtet haben und so war an einer niedrigen, holzüberdachten Brücke Schluss für den Bus. Er versuchte zu wenden und dabei fuhr er notgedrungen in die Wiese. Und von wegen „vom Navi in die Irre geleitet“: Was kann ein PKW-Navi dafür, wenn die Route sich für einen Reisebus als ungeeignet erweist?

Wir haben ja nichts gegen Auflockerung, aber das sind schon beachtliche journalistische Unschärfen für einen Beitrag, der sich immerhin 38 Sekunden Zeit nimmt, um in Zeitlupe zu zeigen wie ein Sack Reis umfällt.

Der österreichische Golfprofi Bernd Wiesberger hat dieses Jahr schon über 1 Million Euro an Preisgeld gewonnen – die Kronen Zeitung schrieb am 12.11.2012 darüber. Allerdings war das Bild nicht echt und der Profi erzürnt.

Die Version der Krone

 

Das Original von Reuters

Im Krone-Bild umarmt Wiesberger den großen Geldstapel. Im Bildtext steht:

… damit knackte er als erster heimischer Golfer die 1-Million-Marke.

Doch die Kronen Zeitung hat dieses Foto manipuliert. Bernd Wiesberger gewann nämlich sein Geld auf verschiedenen Turnieren. Das Orginalfoto stammt von Reuters und zeigt eigentlich den deutschen Poker Weltmeister Pius Heinz, der im Jahr 2011 8,7 Millionen Dollar gewann. Diese 8,7 Millionen Dollar lagen damals am Poker Tisch und der Sieger umarmte diese Menge Geld.

Dass es sich um eine Fotomontage handelt, druckte die Krone am rechten Bildrand sehr klein ab. Dass Bilder auf Menschen aber stärker wirken als klein gedruckter Text, zeigte die Reaktion des Golfprofis und seines Umfeldes. Er erfuhr noch im Ausland von dem Bild und war bei seiner Rückkehr erbost. Gegenüber LAOLA1.at sagte er:

Selbst in meinem engsten Bekanntenkreis haben viele geglaubt, dass das Foto echt ist.

Dabei würde ich mich nie so ablichten lassen.

Er nannte das Foto geschmacklos und unprofessionell.

In der Ausgabe vom 8. November berichtet „News“ über den Schauspieler Martin Weinek, der eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung eingebracht hat. Die Identität des Beschuldigten schützt die Zeitschrift  mit einem schwarzen Balken vor seinen Augen. Angesichts der Informationen, die im Text auf den ersten Blick über ihn zu finden sind, wirkt dieser Versuch allerdings lächerlich.

Laut dem Artikel handelt es sich um Thomas S.. „News“ nennt zwar nicht den vollen Namen des Beschuldigten, dafür aber seinen 270-Einwohner großen Wohnort (in dem er der Sohn des Bürgermeisters ist),  seinen Beruf und zahlreiche andere persönliche Informationen. Mit diesen Daten konnte auch Kobuk seinen vollständigen Namen und sein Foto mit einer kurzen Google-Recherche leicht herausfinden. Wie viele Feuerwehrkommandanten, die Sohn des Bürgermeisters sind, gibt es wohl in einem 270-Einwohner Ort?

Da helfen auch ein abgekürzter Nachname und ein Balken über den Augen nicht mehr. Denn, wenn der Rest des erkennbaren Gesichts auf dem Foto Rückschlüsse auf die Identität zulässt, ist dies bereits eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Entscheidend ist, ob das erweiterte persönliche Umfeld (der Bäcker ums Eck oder der Friseur) die Person identifizieren und wiedererkennen kann. Der Oberste Gerichtshof hat das bereits mehrfach bestätigt.

Auch Kurier und ORF-Burgenland berichten über den Vorfall. Sie schreiben ebenfalls vom Sohn des Bürgermeisters, nennen aber nicht den Vornamen, der ORF erwähnt nicht einmal den Ort.  Bekannte werden ihn wohl dennoch erkennen. ORF und Kurier versuchen dies aber immerhin nicht mit einem schwarzen Balken zu kaschieren.

Die „Kronen Zeitung“ beschuldigt am 9.11.2012 in der Burgenland-Ausgabe einen Lkw-Fahrer 1500 Liter Diesel aus den Lastwagen seines Arbeitgebers gestohlen zu haben. Beweise gibt es dafür allerdings keine.

Frecher Dieb zweigte 1500 Liter Diesel ab

Übler Dieselgestank im Kofferraum seines Pkw überführte einen Lkw-Fahrer aus Ungarn als Dieseldieb.

Das Boulevardblatt verurteilt im Titel und relativiert dann weiter unten:

Den Beamten stieg zwar sofort Dieselgestank in die Nase, als sie den Pkw-Kofferraum des Beschuldigten öffneten, Kanister wurden allerdings keine gefunden

Auch die vom Arbeitgeber installierte Videokamera lieferte keinen Nachweis:

Für eine Verurteilung reichten die Beweise vorerst nicht aus: „Auf den Videoaufnahmen war nicht zu erkennen, ob der Angeklagte tatsächlich Diesel abgezweigt hat“, sagte Richter Wolfgang Rauter.

Wer braucht schon Gerichte, wenn es die „Kronen Zeitung“ gibt?

Update: Krone-Redakteur Richard Schmitt hat auf Twitter zu diesem Artikel Stellung genommen:

In der „Österreich“-Redaktion  hat wohl jemand kürzlich zu viele Blondinenwitze gelesen. Die Zeitung berichtet am 25.10.2012 über einen Raubüberfall auf einen Taxifahrer und liefert exklusiv sexistische Hintergrundinformationen:

Es war nicht allein die Haarfarbe, weshalb beim Coup ohne IQ alles schiefging.

Na bumm! Scheinbar ist die Haarfarbe der Verdächtigen die wichtigste Information in diesem Artikel. Immerhin wird sie gleich dreimal erwähnt – in der Print-Ausgabe sogar im Titel:

Brutaler Blondinen-Coup. Taxiraub nach Poker-Runde.

Oder weiter im Text:

Wie ÖSTERREICH berich­tete, hielten die Blondinen (zwei gefärbt, eine vielleicht echt) Taxler Erwin D. an (…)

Die erwähnten Frauen werden nicht nur auf ihr Äußeres reduziert, sondern auch aufgrund ihrer blonden Haare als dumm dargestellt. Auch davon abgesehen spart „Österreich“ nicht mit diskriminierenden Beschreibungen:

Cops waren klüger als stark geschminkte Verdächtige.

Geld hatten die zwei beschäftigungslosen Model-Typen und ihre Verkäuferin-Freundin  mit den eigenen vier Wänden (…) auch keines mehr.

Nicht besonders gendersensibel, liebe “Österreich”-Redaktion.

 

 

Bei „Österreich“ nimmt man es nicht immer genau mit Fußball-Ergebnissen. Die Zeitung berichtet über das Champions League-Spiel zwischen Paris St. Germain (PSG) und Dinamo Zagreb mit unterschiedlichen Resultaten.

In der Wiener Ausgabe berichtet das Blatt am 25.10.2012 vom 2:0-Sieg des französischen Teams:

Quelle: AOM

Quelle: AOM

 

Die LeserInnen von „Österreich“ in Niederösterreich und dem Burgenland bekamen am gleichen Tag hingegen einen 3:0-Sieg der Franzosen präsentiert:

Quelle: AOM

Quelle: AOM

 

Demnach erzielte Hoarau in der 88. Minute das 3:0, obwohl der Treffer – wie in der Wiener Ausgabe korrekt berichtet – in Wahrheit nicht gezählt hat. Es blieb beim 2:0!


Um Spannung und Empathie zu erzeugen, bleibt die Wahrheit bei „Österreich“ auf der Strecke. Die Online-Ausgabe stellt die Krankheitsgeschichte einer jungen Supertalent-Kandidatin missverständlich dar, verdreht die Fakten und lässt die Jury bei ihrem Auftritt sogar in Tränen ausbrechen. Gespielt wird hier nicht nur mit Emotionen, sondern vor allem mit falschen Tatsachen.

Tränen sind nämlich höchstens im Publikum geflossen, bei der Jury jedenfalls nicht. Aber die Geschichte bietet sich natürlich an: ein junges Mädchen, das Knochenkrebs hatte und nun den Traum der Musikkarriere verwirklichen will.

Der 15-Jährige Teenager muss mit der Diagnose Knochenkrebs leben. (…) trotz der niederschmetternden Diagnose gibt Laura nicht auf. Sie kämpft erbittert gegen den Krebs an und verliert dabei kein einziges Mal ihren Überlebenswillen und ihre Kraft.

Dass die Krankheit mittlerweile überwunden ist, kann man, wenn überhaupt, nur zwischen den Zeilen herauslesen. „Österreich“ vertut sich auch beim Alter: Im Boulevardblatt erkrankte das Mädchen erst mit zehn Jahren.

RTL, der Sender der Show, stellt die Fakten dagegen klar:

Kandidatin Laura Pinski ist mit neun Jahren an Knochenkrebs erkrankt. Durch ihre Krankheit ist die Schülerin zum Singen gekommen. Mittlerweile ist Laura geheilt

„Österreich“ legt aber noch eins drauf:

Es passiert freilich nicht oft, dass alle drei Juroren zur gleichen Zeit, einer Meinung sind.

Selten genug jedenfalls, um auch diese Information zu erfinden. Die Jury war sich nicht einig. Thomas Gottschalk stimmte mit „Nein“.

Trotz der schlimmen Krankheit zweifelt das Mädchen kein einziges Mal an sich selbst und will aufgeben.

Vorsicht liebe Redaktion: Wenn ihr euch schon so eine schöne Geschichte ausdenkt, widersprecht euch wenigstens nicht selbst.

 

Da war ein Redakteur von OE24.at wohl etwas zu euphorisch und hat unzensierte Portraitfotos und die vollständigen Namen zweier Lüstlinge veröffentlicht, die in einem Familien-Lokal in den USA Sex hatten.

„Sex sells“ war für OE24.at die Devise – dass das eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes bedeutet, interessierte bei „Österreich“ wohl niemanden.

Das Foto der Dame stammt von ihrer Facebook-Seite.

Bilder und Namen sind u.a. auch in England und den USA erschienen.

 

Update: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass das Facebook-Profil der Dame gelöscht worden sei. Das Profil existiert allerdings sehr wohl noch auf Facebook – Danke Stefan Jaritsch für den Hinweis!