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und schauen fern.

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Die Gratiszeitung „Österreich“ stempelt in der Ausgabe vom 15. Mai einen psychisch kranken Mann, der noch dazu Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, als „Gemeinde-Bau-Ekel“ ab. Und das natürlich boulevardwirksam auf dem Titelblatt und im Artikel auf Seite 8.

Nicht einmal Menschen mit (psychischer) Behinderung sind also vor vorverurteilender Berichterstattung gefeit. Die Redakteure bezeichnen das Mordopfer als „Gemeindebau-Ekel“, im Artikel sogar als „Gemeindebau-Schreck“. Sie bezichtigen ihn auch des Drogenmissbrauchs:

Laut Anrainer dürfte Frühpensionist Andreas T., der alleine wohnte, ein Drogenproblem gehabt haben.

Außerdem informiert die Redaktion über sein Schizophrenie-Leiden.

Den „ekelhaften“ Eindruck des Opfers komplettiert die Gratiszeitung noch mit dieser Aussage des Nachbarns:

„Wenn er wieder einen Schub hatte, hat er alle angepöbelt.“

Fest steht: das Opfer kann sich nicht mehr verteidigen. Der psychisch kranke Mann, der weder absichtlich noch mutwillig zum „Gemeindebau-Schreck“ wird, kommt im Artikel beinahe schlechter weg als der 16-jährige Täter. Dieser wird nur kurz als „Straßengangster“ bezeichnet.

Das Traurige daran ist aber, dass uns diese pietätlose Arbeitsweise bekannt vorkommt.

In der Printausgabe vom 19. April hat die Tageszeitung Österreich Richter gespielt und einen Verdächtigen an den Pranger gestellt. Das Blatt glaubte bereits zu wissen, wer die Gift-Briefe an US-Präsident Obama und einen Senator geschickt hatte. Nur wenige Tage später stellte sich jedoch heraus, dass der Mann unschuldig ist.

Mit Schlagzeilen wie „Elvis wollte Obama töten“ verurteilte das Blatt einen Elvis-Imitator als Gift-Brief-Attentäter. „Österreich“ veröffentlichte auch online Screenshots und Fotos aus dem Facebook Profil des Verdächtigen. In der Printausgabe auf auf Seite 3 hieß es etwa:

Er war Elvis-Imitator und Obama-Hasser(…) Er verschickte drei Briefe mit Rizin-Gift (…) Der irre Täter ist ein Elvis-Imitator

Die erhoffte Sensationsmeldung blieb jedoch aus. Wie einige Tage später nämlich bekannt wurde, ließen die Ermittler alle Vorwürfe gegen den Verdächtigen fallen und der Mann kam frei. „Die letzte Woche war ein Alptraum“, sagte er laut Medienberichten nach seiner Freilassung.

Auch wenn es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass der Mann hierzulande sein Recht für die erlittenen Kränkung gelten machen wird, so dreht sich der wahre King wegen dieses Fauxpas mit Sicherheit mindestens drei Mal im Grab um.

Vielen Dank an Philipp Schmidt für den Hinweis auf Twitter

Wieder einmal beschleicht uns das Gefühl, dass „Österreich“ mit redaktionellen Artikeln eigentlich etwas bewerben will. Und das nicht nur einmal, sondern gleich fünf Mal infolge!

Zur Eröffnung des Wiener Einkaufszentrums „The Mall“ hat es sich die Gratiszeitung offenbar zum Ziel gemacht, ihren Lesern fünf Tage lang von Eröffnungsangeboten und Gewinnspielen zu erzählen. Alle Ausgaben vom Montag, dem 22.4., bis zum Freitag, dem 25.4., berichten über die Eröffnung. In keinem der Artikel befindet sich ein Hinweis auf eine entgeltliche Einschaltung.

Fünf Berichte innerhalb von fünf Tagen

Eine Kostprobe: Der Leser erfährt von „nationalen und internationalen Marken“ und „tollen Eröffnungsangeboten“. „Weiters gibt es 10.000 Sofortgewinne beim Glücksrad“, „und überall warten Schnäppchen.“ Sieht so journalistische Distanz aus?

Das Einkaufscenter und seine Geschäfte rührten in dieser Woche auch heftig in der Werbetrommel. In der Mittwochsausgabe vom 22.4. findet sich am Cover eine ganzseitige Anzeige zur Eröffnung, eine Beilage von Mediamarkt, und zwei Inserate bzw. ein als Werbung gekennzeichneter Artikel von Interspar – jeweils für ihre Filialen in „The Mall“.

Etwas bekannt kommt uns diese Strategie schon vor: Bereits 2011 berichtete die Gratiszeitung in ähnlicher Weise über eine Mediamarkt-Eröffnung in Stadlau .

Die „Sport Bild“ hat am 20. März exklusiv in der Printausgabe berichtet, der Extremsportler Felix Baumgartner wolle zum Mond fliegen und suche noch einen Sponsor. Die dpa verbreitete die Nachricht, die APA übernahm sie.  Nahezu alle größeren österreichischen Medien ebenso wie etliche deutsche Zeitungen veröffentlichten die Geschichte. Aber niemand fragte nach, ob die Meldung stimmt. So machte eine Ente ihre Runde.

Die Gratiszeitung „Heute“ brachte die Story am nächsten Tag sogar aufs Cover : „Ich will auf den Mond fliegen“. Die Online-Ausgaben der Kleinen Zeitung, News, Kurier, Salzburger Nachrichten, Kronen Zeitung, Standard, Ö3, und viele mehr stellten die Geschichte vom geplanten Mondflug mit leichten Variationen ins Netz. Die Salzburger Nachrichten, Kleine, Kurier u.a. brachten die Story auch gedruckt.

Nachdem am Sonntag auch „Österreich“ die Geschichte groß brachte, wurde es „Super-Felix“ offenbar zu viel.  Auf Facebook dementierte Felix Baumgartner die Spekulationen.

Es ist immer wieder bemerkenswert mit welcher „billigen effekthascherei“ manche Medienvertreter versuchen Auflage zu machen!!! Als ich neulich beim Laureus Award gefragt wuerde ob ich noch Traeume habe sagte ich:“ Ja, ich wuerde gern zum Mond fliegen“. Daraus wurde dann- „Felix plant naechsten Coup!!“ Diese headline ist so weit von der Wahrheit entfernt wie die Erde vom Mond. Es gibt weder Plaene noch wurde jemals mit meinem langjaehrigen Partner Red Bull darueber gesprochen!!! Ich konzentriere mich in Zukunft auf’s Helikopter fliegen und meine Aufgabe als UN Botschafter. Also liebe Medienvertreter, wenn euch guter Journalismus am Herzen liegt dann schreibt Ihr genau das!! Wenn nicht- habt ihr mir recht gegeben!!Lg Euer Felix

Update: Die APA hat die Meldung von der dpa übernommen. Wir haben das oben im Text entsprechend ergänzt.

Unter dem Titel „So gefährlich ist ihr Bezirk“ betreibt „Österreich“ (Printausgabe vom 4. Jänner) Verunsicherung und Panikmache in großem Stil. Um einen drastischen Kriminalitätsanstieg in Wien zu belegen, werden die Zahlen des Sicherheitsmonitors herangezogen – einer Statistik, die eigentlich etwas anderes aussagt.

Beim Sicherheitsmonitor handelt es sich um ein internes Analyseinstrument der Polizei, das Erstverdachtsfälle dokumentiert. Die Kriminalstatistik dagegen zeigt die tatsächlichen Delikte, also die Anzeigen der Polizei an die Gerichte. Der Erstverdacht kann von den Ermittlungsergebnissen eben auch abweichen. Bereits 2008 warnte das Bundeskriminalamt vor der Gefahr von Falschmeldungen und Fehlinterpretationen des Sicherheitsmonitors.

Im „Österreich“-Artikel stützt man sich allerdings auf die Zahlen ebendieses Sicherheitsmonitors. Das Blatt gibt für jeden Bezirk hohe Zuwachsraten an (siehe Artikel, roter Kasten). Laut „Österreich“ ergibt das einen durchschnittlichen Anstieg der Kriminalität um 4,3 Prozent für ganz Wien.  Die echte Kriminalstatistik 2012 (PDF) zeigt ein anderes Bild. Sie bestätigt zwar eine Zunahme der Delikte in Wien, allerdings nur um 1,1 Prozent im Vergleich zum Jahr davor.

In absoluten Zahlen ist im Gegenteil eine rückläufige Tendenz in den letzten zehn Jahren zu beobachten

Dem zugehörigen Pressegespräch zur Kriminalstatistik kann man entnehmen, dass der geringe Anstieg 2012 auf der Erfassung neuer Kriminalitätsformen, vor allem im Bereich der Internetkriminalität  beruhe. Das widerspricht schon mal dem konstruierten Bedrohungszenario der „Österreich“-Berichterstattung.

Nach Auskunft der Bundespolizeidirektion stimmt auch der angegebene Zeitraum nicht, da sich des Zahlen des Sicherheitsmonitors auf den Zeitraum April bis September beziehen und nicht wie im Artikel angeführt auf den Zeitraum April bis November.

Aber damit noch nicht genug, dürfte es sich auch noch um die falschen Zuwachszahlen handeln, was sich schwerer belegen lässt, da die Zahlen des Sicherheitsmonitors nicht öffentlich zugänglich sind. Im Gespräch mit der Pressestelle der Bundespolizeidirektion wurde ich aber darauf hingewiesen, dass es sich bei den im Artikel angegebenen Zuwachsraten vermutlich um den prozentuellen Anteil der einzelnen Bezirke an der Gesamtkriminalität Wiens handelt:

Addiert man nämlich die einzelnen Prozentzahlen der Bezirke (Artikel, roter Kasten) ergibt das in Summe 99,8 Prozent. Nimmt man einen Rundungsfehler von 0,2 Prozent an, der sich bei nur einer Dezimalstelle ergeben kann, dann ist man bei 100 Prozent Gesamtkriminalität.

Falsche Statistik, falscher Zeitraum und (wahrscheinlich) auch noch die falsche Spalte erwischt – so kann es gehen, wenn man verzweifelt eine Kriminalitätsexplosion heraufbeschwören möchte.

Der Winter ist im österreichischen Fußball Transferzeit. Bei Rapid Wien gab es am 14. Jänner allerdings noch nichts Neues zu vermelden. Und somit erfand „Österreich“ ein paar  Gerüchte augenscheinlich selbst:

Wilde Gerüchte auf der Internet-Plattform „Transfermarkt.at“: Rapid soll am Tunesier Youssef Mouihbi (27, zentrales Mittelfeld) und am Senegalesen Jacques Faty (28, Abwehr) dran sein.

Doch zu diesem Zeitpunkt behandelte kein einziger Beitrag auf transfermarkt.at das angebliche Interesse Rapids an den beiden Spielern.

Doch selbst wenn es so gewesen wäre: In der Gerüchteküche, auf die sich „Österreich“ wohl bezieht, kann jeder registrierter User Gerüchte eröffnen. Dafür braucht man jedoch den Nachweis einer externen Quelle (ein Online- oder Zeitungsartikel). Gerüchte mit unseriösen Quellen werden von den Betreibern geschlossen.

Das Paradoxe an der Geschichte: Nach dem Erscheinen des „Österreich“-Artikels gab es tatsächlich zwei Gerüchte auf transfermarkt.at. Die Quelle dafür: Eben jener „Österreich“ Artikel, der über vorher noch nicht vorhandene „wilde Gerüchte“ auf transfermarkt.at berichtete.

Nicht einmal eine halbe Stunde nach der Eröffnung der besagten Gerüchte, wurden diese auf transfermarkt.at, aufgrund mangelnder Quellen, aber auch schon wieder geschlossen. Ein aufmerksamer User durchschaute den Trick:

Das Paradoxe ist, dass sich das Schundblatt hier auf ein nicht existierendes Gerücht auf TM.at bezieht. Dieses aber existiert nun mit der Quelle, worin das Gerücht aber schon existieren müsste.

Kurz: Lächerlicher Journalismus von oe24!

Ein Artikel über Gewichtsreduktion in der Rubrik „Gesundheit“ auf Heute.at ist voller irreführender Links. Die Verlinkungen führen ausschließlich auf weitere Seiten von Heute.at und haben wenig oder nichts mit dem verlinkten Wort zu tun.

Klickt man beispielsweise auf den Link „Gedankenessen“, erwartet man, genaueres über das Wort zu erfahren oder einen weiteren Artikel zu diesem Thema zu finden. Doch stattdessen gelangt man zu einem weiteren Artikel, in dem es um „Dickmacher“ geht. Ebenso der Link „aktuelle Studie“, der eine genauere Auskunft über die durchgeführte Studie verspricht. Doch was erscheint ist ein Artikel über Weihnachtsrezepte.

In der Rubrik „Gesundheit“ finden sich eine Vielzahl von Artikeln, deren Verlinkungen wenig Sinn ergeben. Weiterführende Links erfüllen in der Regel den Zweck, nähere Informationen zum Thema zu geben, während das verlinkte Wort einen genauen Hinweis darauf gibt, worüber man mehr erfahren will.

Vermutlich ein Fall von falsch verstandener Suchmaschinenoptimierung.

Waren Sie kürzlich auf einer Reise? Falls ja, schweben Sie laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)  in Gefahr, sich mit HIV oder Syphillis angesteckt zu haben. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass es Ihnen gut geht, dafür aber das Blatt an Sensationsgeilheit leidet.

Reisende holen sich im Ausland oft HIV und Syphilis. Reisende, die im Ausland Sex haben, verzichten offenbar noch immer häufig auf ein Kondom.

Die Fakten: In einem Zeitraum von 14,5 Jahren haben Forscher weltweit Daten von rund 112.000 kranken Menschen untersucht, die im Zuge einer Reise eine „tropenmedizinische Einrichtung“  aufgesucht haben. Bei rund 0,9 Prozent – oder 974 Patienten – stellte man eine sexuell übertragbare Krankheit fest. Davon hatten sich 28 Prozent mit HIV und gut jeder Fünfte mit Syphilis infiziert, berichtet die FAZ.

Aufs Jahr gerechnet entspricht das etwa 19 HIV- und 13 Syphilis-Infektionen. Weltweit. Zum Vergleich: In Österreich gab es 2011 525 HIV-Neuinfektionen. In Deutschland 2.889. Außerdem werden die Abermillionen von gesunden Reisenden mit keinem Wort erwähnt. Das ist fast so, als würde man schreiben: „Menschen, die einen Onkologen aufsuchen, leiden erschreckend häufig an Krebs.“

Bei der „Ärzte Zeitung“ erfährt man , dass es sich bei den untersuchten „tropenmedizinischen Einrichtungen“ ausschließlich um „GeoSentinel-Kliniken“ handelt. GeoSentinel – das ist ein Netzwerk aus Kliniken, die ihr Geld mit Reisekrankheiten verdienen.

Und der Auftraggeber dieser Studie ist wer? Das GeoSentinel Surveillance Network. Die FAZ schreibt: „Der überwiegende Teil der in der Studie berücksichtigten waren Männer, (…) [die] vor der Reise keinen medizinischen Rat eingeholt hatten“. Bevor wir das nächste mal verreisen, wissen wir also wo wir hin müssen.

Oe24 bzw. der Ableger „Madonna“  berichtet am 21.11.2012 über ein Foto von Tyra Banks. Obwohl das Bild offensichtlich bearbeitet wurde, gibt man sich entsetzt:

 „Das Topmodel hat ein völlig deformiertes Bild von sich selber getwittert – und lacht darüber! Doch Fans wundern sich. Seit wann hat Tyra so ein deformiertes Gesicht? Die Wahrheit ist – schon immer.“

Das Supermodel twitterte in letzter Zeit häufiger solche Bilder von sich selbst. Schmales Kinn, hohe Stirn – die Augen wirken unnatürlich nach hinten verschoben.

Nein, die Frau versucht nicht ihre Karriere zu ruinieren. Sie macht mit den Bildern Werbung für die Handy-App Smize Yourself. Das Spielzeug, mit dem man Gesichter verzerren kann, wurde von Tyra Banks eigener Firma entwickelt. Sie wirbt mit den Fotos auch im iTunes Store. Fakten, die leicht festzustellen gewesen wären. Aber tot-recherchierte Geschichten verkaufen sich eben schlecht.

Die Frau hat gestanden, zwei Männer getötet, zerstückelt und im Keller einbetoniert zu haben. Wie muss eine Zeitungsredaktion mental strukturiert sein, der das alleine noch nicht reicht?

Spielte sie in einem Sexfilm mit?
Wilde Gerüchte über Esti-Porno aufgetaucht [Diashow]

Und im Artikel:

Fakt ist: Eine Ähnlichkeit von Esti zur Hauptdarstellerin ist nicht zu leugnen.

Fakt ist: Erektionen stören das Urteilsvermögen.

Die Darstellerin (ja, ich hab mein Google-Suchprofil dafür versaut) ist Britin. Sie nennt sich Lynda Leigh, hat vorgestern anscheinend noch selbst getwittert und ist nach offiziellen Angaben mind. 12 Jahre älter als die Angeklagte in unserem Mordprozess. Es ist also nach menschlichem Ermessen völlig ausgeschlossen, dass die beiden Damen ident sind.

„Österreich“ weiß das natürlich, schließlich haben sie den Film. Warum also bringen sie diese Lüge?

Weil es in Wolfgang Fellners Gewerbe etwas gibt, das ihn und seine Redaktion vermutlich noch schärfer macht als jeder Pornostreifen: Klicks!

Hier die meistgelesenen Artikel des Tages auf oe24.at:

TOP GELESEN CHRONIK
1 Wilde Gerüchte über Esti-Porno
2 …

Es ist furchtbar banal: Je fantastischer und absurder eine Geschichte, desto mehr Leser öffnen den Artikel, klicken sich durch die Fotogalerie und mittendrin — wie auch sonst überall — kommt Werbung, für die umso mehr verlangt werden kann, je mehr Klicks das Portal generiert.

Wer Werbung auf oe24 bucht, findet sich so schon mal in der Galerie zu einem Porno wieder:

Immerhin ahnen wir jetzt, was der gelbe Briefkasten mit den strammen Wadeln zwischen den Drehs für unsere Post so treibt.