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Kategorie: z Medien

Am Samstag ist ein 26-jähriger Österreicher mit einem Geländewagen durch die Grazer Innenstadt gerast, hat dabei 3 Menschen getötet und viele andere teils schwer verletzt. Obwohl der steirische Landespolizeidirektor noch am selben Tag einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen hat, versucht die Krone auch noch am nächsten Tag, die Tat irgendwie mit Extremismus in Verbindung zu bringen. Anders als mit der Agenda, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten, kann man das kaum erklären.

So heißt es in einem Artikel vom Sonntag:

Laut derzeitigem Ermittlungsstand ist der 26-Jährige kein Mitglied einer Fanatikergruppe, dennoch trägt sein blindwütiges Vorgehen gegen völlig unbeteiligte Passanten auch die Handschrift eines Terroristen. Bei vielen „Krone“Lesern und Usern blieb so der schreckliche Gedanke: „Und wenn es doch Terror war und ‚die‘ uns nur beruhigen wollen…?“

Die Krone übertrifft sich hier selbst und nimmt ihren Lesern vorweg, was sie zu denken haben. Trotz eindeutiger Aussagen der Polizei muss so ein Verbrechen in der Welt der Krone offenbar im Zusammenhang mit Islamismus stehen. Hier werden vorgekaute Ressentiments in mundgerechten Häppchen für den Stammtisch serviert.

Ein weiterer Artikel aus der sonntäglichen Printausgabe:

krone

Die Krone stellt wirre Zusammenhänge her: Es wird Bildmaterial vom letzten Jahr verwendet, als es in Graz Razzien im Islamistenumfeld gab; der österreichische Verfassungsschutz-Direktor wird zum Charlie-Hebdo-Anschlag zitiert. Beides Themen, die nichts mit dem Grazer Amokfahrer zu tun haben. Dennoch werden sie erwähnt, um den Lesern das Gefühl zu geben, die Tat müsse einen extremistischen Hintergrund haben. Das i-Tüpfelchen ist aber der schlichtweg falsche Satz

Noch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem gebürtigen Bosnier doch um einen Schläfer handelt…

Doch! Genau das wurde bereits am selben Tag vom Landespolizeidirektor ausgeschlossen. Eine solch direkte und eindeutige Aussage zu ignorieren kann man nicht als journalistische Ungenauigkeit bezeichnen. Hier muss man bewusste Tatsachenverdrehung vermuten.

Die „Krone“ argumentiert in ihrer Ausgabe vom 6. Mai mit einer Studie gegen die kürzlich von den Grünen angeregte Diskussion über eine Ringstraße der Zukunft. Bei dieser schon 2012 publizierten Studie handelt es sich um eine Veröffentlichung der KFZ-Lobby, die lediglich auf temporäre Sperren des Rings eingeht. Mit einer dauerhaften Verkehrsberuhigung, wie von der „Krone“ suggeriert, hat diese Studie nichts zu tun.

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In der Studie geht es ausschließlich um die Erhöhung der Schadstoffemissionen als Folge von vorübergehenden Straßensperren für ein bis vier Stunden, wie es bei Demos (wie z.B. jene der Plattform „Autofreie Stadt“) der Fall ist, welche die „Krone“ sehr häufig kritisiert.

In der Arbeit schätzt die Autorin die verursachten Mehremissionen, die durch Staus und Umleitungen aufgrund einer vorübergehenden Ringsperre entstehen. Dabei gelangt sie zum wenig überraschenden Ergebnis, dass es mit Sperre eines Abschnitts des Rings zu einer höheren Schadstoffbelastung kommt als ohne einer solchen Straßensperre.

Screenshot: krone.atDoch selbstverständlich würde eine Umgestaltung der Ringstraße mit einer umfangreichen Neuordnung der Verkehrsströme einhergehen und ist mit einer kurzzeitigen Straßensperre nicht vergleichbar.

Selbst die Autorin der Studie bestätigte mir gegenüber, dass für eine dauerhafte Sperre die Berechnungen mit anderen Randbedingungen durchgeführt werden müssten. Inhaltlich ist diese Studie für eine Argumentation gegen eine langfristige Umgestaltung mit einem dafür notwendigen Verkehrskonzept also völlig ungeeignet.

Laut dem „Krone“-Artikel handle es sich um zwei ExpertInnen der Technischen Universität (TU) Wien, die bereits vor Monaten sämtliche Folgen einer Sperre der Ringstrasse erhoben hätten. Die besagte Studie wurde allerdings bereits vor mittlerweile 40 Monaten veröffentlicht und kommt nicht von der TU. Der Herausgeber der Studie ist nämlich der Österreichische Verein für Kraftfahrzeugstechnik.

Bildschirmfoto 2015-05-07 um 12.52.11Der ÖVT schafft es nicht zum ersten Mal, dass über seine Studien in den österreichischen Medien prominent berichtet wird. Schon voriges Jahr haben wir aufgezeigt, wie APA, Heute & Co über eine dieser Lobbystudien berichteten, ohne dass für die Leserschaft eine journalistische Einordnung erfolgte.

Der Artikel merkt an, die Autorin der Studie würde „ganz ohne politisch motivierte Emotion“ erklären, „warum sich die Situation sicher nicht bessert“. Doch ganz im Gegenteil dazu setzt sich der ÖVK seit Jahren sehr intensiv für die Interessen der Automobilbranche ein. Der ebenfalls erwähnte achtzigjährige Hans Peter Lenz, dessen Vorsitzender, wird als „Motoren-Papst“ bezeichnet, der als Vorstand am Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik als strikter Verteidiger der Verbrennungskraftmaschine galt. Er behauptete beispielsweise auch,  dass es Tatsache sei, dass es keine vom Menschen verursachte Klimakatastrophe gäbe.

Die Krone trägt nichts zu einer demokratischen Debatte über eine umfassende Umgestaltung der Wiener Ringstraße bei. Vielmehr führt sie ihre LeserInnen absichtlich in die Irre.

Kürzlich machte eine vermeintliche Sensation in internationalen und auch österreichischen Medien die Runde. So behaupten „buzz.oe24.at“, „heute.at“, die Online-Ausgabe der „Bild“ und viele internationalen Medien, dass so mancher Bart ekliger und dreckiger als Toiletten sei. In Online-Artikeln von „Heute“ und „Bild“ ist sogar die Rede davon, dass in Bärten Spuren von Kot enthalten sei. Wie sich herausstellt, ist das Unfug.

Bart

Die Meldungen gehen auf ein Experiment des US Senders KOAT Action News 7 zurück. Dort wurden bakterielle Proben aus den Bärten von zufällig ausgewählten Männern analysiert. Laut Ergebnis wurden teilweise Bakterien, die unter anderem im Darm zu finden sind, auch in den Bart-Proben gefunden. Einige Medien setzen dann diese Bakterien mit „Spuren von Kot“ gleich. Das ist so allerdings nicht richtig.

Im Video des Senders erklärt der leitende Mikrobiologe, dass es sich hierbei um Enterobakterien handelt. Enterobakterien kommen so gut wie überall vor. Im Kot, auf dem Boden, auf der Haut, im Bart oder auf dem Gerät mit dem du diesen Artikel gerade liest. Deswegen hast du aber noch lange kein Kot auf deinem Smartphone oder Tablet. Diese Bakterien sind also allgegenwärtig und sie mit Kot gleichzusetzen, wie es zum Beispiel „Heute“ macht, ist unsinnig:

„So befinden sich Mikrobiologen zufolge im Bart eines Mannes mehr Bakterien als auf einem Klo, darunter sogar Spuren von Kot.“

Ob dieses Experiment wissenschaftlichen Kriterien standhalten würde ist fraglich. Ein Gegen-Experiment mit Proben von der Gesichtshaut von glattrasierten Personen wurde vom US-Sender KOAT Action News 7 jedenfalls nicht durchgeführt.

Diese Meldung war wohl zu saftig, um sie mit Recherche zu verderben: Einige Medien, darunter „Heute“ und „Österreich“, berichten über ein Restaurant in Nigeria, das Menschenfleisch aufgetischt haben soll. Was uns diese Medien auftischen sind allerdings keine aktuellen Nachrichten, sondern eine Falschmeldung, die noch dazu schon seit August 2013 durch Netz geistert.

Menschenfleisch Screenshot

Das erste Mal geht die Meldung im August 2013 durchs Netz. Damals überwiegend in afrikanischen Medien. Soweit sich die Quellen zurückverfolgen lassen, dürfte der nigerianische Blog „Naijazip“ der Ursprung der Meldung sein. Der Artikel ist in einem subjektiven Stil geschrieben und der Blog sagt von sich selbst, „Latest Gossip News“ zu bieten.

Ein halbes Jahr später, im Februar 2014, taucht die Story in den ersten deutschsprachigen Medien auf. Die Meldung wird eins zu eins übernommen.

Über ein weiteres Jahr später, heuer im Mai, zieht die BBC Swahili nach. Deren Artikel ist auch die Quelle für „Österreich“ und „Heute“. Mittlerweile hat die BBC den Artikel allerdings gelöscht, und kurz davor noch einen Disclaimer eingebaut (Google Translate):

BBC Swahili has confirmed that a story we published about a restaurant in Nigeria selling human flesh was not true. Police in Nigeria have denied reports that they shut down a human flesh selling restaurant.

Ein Fake also, wie man auch auf Snopes.com nachlesen kann. Es ist doch bemerkenswert, wie eine Meldung von einem nigerianischen Blog fast 2 Jahre später noch um die Welt gehen kann. Und in diesen 2 Jahren hat es sich niemand (bis auf die BBC heute) angetan, bei der nigerianischen Polizei nachzufragen, ob an der Geschichte etwas Wahres dran ist.

Mitarbeit: Thomas Hoisl

Wien hat sie schon, München will sie noch, die gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen. Der Unterschied: Laut Krone zahlt München für dieselbe Aktion um 53.000 Euro weniger als Wien. Doch so einfach geht die Rechnung der Krone nicht auf.
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Was die Krone nämlich verschweigt: In München wird es deutlich weniger Ampeln geben. In Wien wurden die Ampelpärchen auf 120 Schutzwegen montiert. Das entspricht 240 Ampeln. In München sind aber zur Zeit nur 32 Ampeln mit gleichgeschlechtlicher Pärchenoptik geplant. Das bestätigt uns der zuständige Landesreferent Klaus Krämer auf Anfrage. Er schreibt:

„Die Kosten für einen „Signalbegriff“ (in diesem Fall das Rot oder das Grün) belaufen sich nach den uns vorliegenden Zahlen auf etwa 150 €. Also ca. 300 € pro Fußgängersignal (bestehend aus zwei Signalbegriffen), 600 € pro Fußgängerfurt, da immer zwei Fußgängersignale (oder 4 Signalbegriffe) vorhanden sind. So können mit 10.000 € insgesamt ungefähr 16 Fußgängerfurten ausgestattet werden, die wir über mehrere Lichtsignalanlagen verteilen wollen.“

Die Kosten für das Wiener Projekt belaufen sich auf 63.000 Euro. Das macht pro Ampel 262,50 Euro. Damit sind die Münchner Ampeln pro Stück sogar um 40 Euro teurer als die Wiener Modelle.

Einfache Rechnung:

 GesamtkostenAnzahl der AmpelnKosten pro Ampel
Wien63.000 €240262,50 €
München~10.000 €32~300 €

Es stimmt also, dass Wien mehr Geld für das Projekt ausgibt als München. Der Krone Vergleich ist aber trügerisch. Die Anzahl der Ampeln wird im Artikel kein einziges Mal erwähnt.

Am 24.03.2015 berichtet die Tageszeitung „Heute“: „Unsere Kicker schießen in Europa am präzisesten“. Österreichs Nationalmannschaft soll präziser schießen als Deutschland, Spanien, Niederlande, England und Co.. Dieser Satz scheint zu schön um wahr zu sein. Und tatsächlich: „Heute“ berichtet nur die halbe Wahrheit.

DSC_0438

Bei der Rechnung von „Heute“ handelt es sich um einen Schmäh. Die Zeitung vergleicht das Verhältnis zwischen Schüssen insgesamt und Schüssen aufs Tor. Österreich schneidet mit 48% besser ab, als alle anderen Mannschaften, die „Heute“ aufzählt (siehe Tabelle).

DSC_0438_Tabelle

Jedoch vergisst das Gratisblatt die Werte anderer europäischer Nationalteams mit ins Visier zu nehmen. Mit den Werten der UEFA(Stand 14. März 2015) und einer Excel Tabelle sieht die Welt gleich ganz anders aus. Polen, Irland, Slowakei und Rumänien schießen noch präziser als Österreich. Irland schießt mit einem Wert von 53,5% am präzisesten.

UEFA Tabelle_Ausschnitt_kurz

Abgesehen davon ist die Relevanz dieses Wertes fraglich, denn „Versuche aufs Tor“ bedeutet nicht gleichzeitig „ins Tor“. Polen erzielte mittlerweile 15 Tore, Österreich nur 5. Aussagekräftiger ist jedenfalls die Frage, wie viele Schüsse ein Team braucht, um ein Tor zu schießen (6. Spalte unserer Tabelle). Bei Österreich sind es im Schnitt 10,4 Schüsse. Und auch das ist leider ganz und gar nicht top in Europa.

 

In fast allen österreichischen Medien war zuletzt von einem dramatisch hohen Anstieg an illegal geschleppten Flüchtlingen die Rede. Bei Personen aus Syrien habe sich die Zahl von 2013 auf 2014 angeblich sogar verzehnfacht. Das Problem daran: Das stimmt so nicht.

Bildschirmfoto 2015-04-14 um 00.01.07

Die Meldungen beziehen sich auf den kürzlich veröffentlichten Schlepperbericht des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2014. Tatsächlich unterlief der Behörde bei der Ausarbeitung des Berichtes aber wohl selbst ein Fehler.

Konkret hakt es bei den Vergleichszahlen aus 2013. Laut dem aktuellen Bericht sei die Zahl illegaler Flüchtlinge aus Syrien von 847 (2013) auf 9.083 (2014) gestiegen. Im Schlepperbericht von 2013 steht allerdings, aus Syrien seien damals nicht 847, sondern 2.959 Menschen aufgegriffen worden. Wie kommt der aktuelle Bericht also auf 847? Auch die APA roch den Braten und fragte nach:

Laut Oberst Gerald Tatzgern, Leiter des Büros für Menschenhandel und Schlepperei im BK, handelt es sich bei den Zahlen nämlich um Momentaufnahmen. Stellt sich danach heraus, dass ein Aufgegriffener etwa Staatsbürger einer anderen Nation ist, als von ihm ursprünglich angegeben, ändert das nachträglich auch die Statistik.“

Das mag plausibel klingen. Wenn man genauer hinsieht merkt man aber, dass Herr Oberst die APA offenbar an der Nase herumführte. Denn: Nicht die Statistik änderte sich, sondern das Bundeskriminalamt nahm fälschlicherweise als Vergleichszahlen des Vorjahres die Daten aus 2012, statt aus 2013. Dadurch entsteht im aktuellen Bericht ein viel rasanterer Anstieg, als er tatsächlich stattfand.

Hätte man in die Schlepperberichte der Vorjahre geschaut, wäre dieser Fehler aufgefallen.

Als Beleg hier die Zahlen aus dem Bericht von 2012 am Beispiel Syriens:

Bildschirmfoto 2015-04-14 um 00.14.11

Aus Syrien waren es im Jahr 2012 also insgesamt 847 illegal gefasste Flüchtlinge gewesen.

Die Zahlen aus dem Bericht von 2013 zeigen dann einen Anstieg von diesen 847 auf 2.959 Personen:

Bildschirmfoto 2015-04-13 um 18.27.55

Im neuen Bericht für 2014 wurden dann als Vergleichszahl für 2013 nicht die 2.959, sondern fälschlicherweise die alten Zahlen aus 2012 (847) genommen. Das Jahr 2013 wurde quasi ausgelassen:

Bildschirmfoto 2015-04-13 um 18.40.09

So kommt man im Fall Syriens auf einen immens hohen Anstieg von +972,3 Prozent bzw. das von den Medien getitelte Zehnfache. In Wahrheit wäre es, wenn man mit der richtigen Vorjahreszahl vergleicht, „nur“ ein Anstieg um 206,91 Prozent. Drei Mal so viele Menschen ist zwar immer noch viel, aber weit weniger als das behauptete Zehnfache. Der Fehler zieht sich auch bei allen anderen Ländern durch: Die Zahlen von 2014 wurden durchgehend mit jenen von 2012 vergleichen, weshalb auch eine „nachträgliche Änderungen der Statistik“ als Erklärung unglaubwürdig ist. Die Anstiege sind jedenfalls völlig verfälscht. So auch beim Kosovo, wo es keinen Anstieg von den erwähnten 262,2 Prozent gibt, sondern nur um 50 Prozent.

Der ursprüngliche Fehler liegt also beim Bundeskriminalamt. Das Innenministerium gab den Bericht schließlich heraus. Und was danach folgte ist ein Lehrbeispiel des „Wird schon passen“-Journalismus. Zuerst vertraute die APA dem Ministerium blind, und dann schrieben praktisch alle Medien von der APA ab. Copy & passt.

Auch die Größten machen Fehler. Am 7. April berichtete die Zeit im Bild, dass in Island gerade ein Vulkan ausbrechen würde (noch bis 14. April hier zu sehen). Das Problem dabei: Diesen Vulkanausbruch gibt es gar nicht.

Hier das Transkript der ZIB-Meldung:

In Island speit ein Vulkan seit einigen Tagen große Lavamassen aus. Der Vulkan ist schon seit Ende des vergangenen Jahres aktiv, jetzt allerdings wird der Lavaausstoß immer stärker. Die Umgebung wurde bereits für Menschen gesperrt.

Die Bilder sind zwar echt, aber schon ziemlich alt. Dasselbe Bildmaterial wurde schon im November 2014 auf Youtube veröffentlicht.

Das isländische meteorologische Büro berichtete bereits im Februar, dass der besagte Ausbruch zu Ende sei. Die seismischen Aktivitäten nehmen beständig ab. Auch das angesprochene Sperrgebiet wurde verkleinert. Seitdem ist es still geworden um den Vulkan. So still, dass ein Vulkan-Blog sogar sagt, die momentan ungewöhnlich geringe Aktivität sei glatt eine Schlagzeile wert.

Der ORF war mit dem Fehler übrigens nicht alleine. Ein kleiner Lokalsender aus den USA übernahm die Meldung auch und spielt damit in der selben Liga wie Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Danke Claudia Zettel für den Hinweis auf Twitter.

Update – so dürfte es zu diesem Fehler gekommen sein

Von Teilnehmern der heutigen Frühsitzung des ZIB-Teams ist zu erfahren, wie es zu dieser Falschmeldung gekommen sein dürfte. (Chefredakteur Fritz Dittelbacher sei „ziemlich angefressen“ gewesen.)

Der Fehler sei auf Druck des Chefs vom Dienst, einen Fehler des Monitoring-Teams sowie einen Redakteur, der diese Meldung eigentlich nicht machen wollte (und dann den Fehler nicht merkte), zurückzuführen.

Spannend ist dabei der letzte Teil, denn das Redakteursstatut des ORF sieht eindeutig vor, dass Redakteure nicht angehalten werden dürfen, einen Beitrag zu verfassen, den sie inhaltlich nicht vertreten können. Und: „Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf kein Nachteil erwachsen.“

Genau das sei dem Vernehmen nach seit einigen Jahren nicht mehr gelebte Praxis. Die Redaktion müsse, so ein Redaktionsmitglied, regelmäßig Sendungsblöcke mit Stories geringer Relevanz und unter Zeitdruck auffüllen, wobei die inhaltliche Latte explizit „nicht hoch gelegt“ sei, nach dem Motto „Füll einfach auf!“. Wer sich weigere, dem werde Arbeitsverweigerung nachgesagt. Dem Druck könne man kaum widerstehen.

Zitat: „Mich wundert, dass nicht mehr passiert. Viele Geschichten sind irrelevant, haben einen falschen Drall oder sind, wie das aktuelle Beispiel, sogar schlichtweg falsch.“

(Update von Helge Fahrnberger)

Update II – Stellungnahme des ORF

Der ‚Ressortleiter Ausland‘, Andreas Pfeifer, schickt uns folgende Stellungnahme:

Die ZIB hat in einer Blockmeldung behauptet, dass ein isländischer Vulkan, der derzeit nicht aktiv ist, derzeit aktiv ist. War das falsch ? Ja, das war falsch. Was war der Grund? Das Bildmaterial ist kurz vor der Sendung eingelangt, in der Eile ist es misslungen, zwischen aktuellen und archivierten Bildern geflissentlich zu unterscheiden. Die ZIB bedauert, ich bedauere auch.

Ihr Blog behauptet, dass dieser Vorfall strukturelle Hintergründe habe: Druckausübung auf Redakteure, niedrig gelegte Latten für zu sendende Informationen, Angst vor dem Eindruck von Arbeitsverweigerung. Ist das richtig ? Nein, das ist auch falsch. Weil nicht geschehen. Weil es eine Mythenbildung betreibt, die sich weder von diesem Vorfall noch von unserem Redaktionsalltag und Redaktionsethos ableiten lässt. Weil es lächerlich ist, anzunehmen, dass ORF-Redakteure zu vulkanologischen Falschmeldungen gezwungen werden.
Ich bedaure auch die Falschmeldung Ihres Blogs – und bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Pfeifer

Allerdings wurde nicht behauptet, dass „ORF-Redakteure zu vulkanologischen Falschmeldungen gezwungen“ werden. Natürlich ist der Beitrag ein Fehler der beteiligten Journalisten. Unsere Gesprächspartner in der ZIB-Redaktion sind jedoch offenbar der Ansicht, dass dieser Fehler auch mit den Arbeitsbedingungen in der Redaktion zusammenhängt.

Einige erinnern sich bestimmt noch an die „Heute“-Story von den vermeintlichen Dschihadisten im Gemeindebau, die wir kürzlich auf Facebook hatten:

HEUTE, 19.2.2015, S1

„Heute“ versucht laut Eigenwerbung zwar, schlechten Journalismus wegzulassen, aber wenn er schon mal da ist? Von loslassen war nicht die Rede. Und so wurde diese Falschmeldung am nächsten Tag nicht nur nicht korrigiert, sondern sogar noch ein Artikel nachgelegt:

HEUTE, 20.2.2015, S8

Das Perfide: Auch die „Heute“-Redaktion wusste zu diesem Zeitpunkt bereits nachweislich, dass für die Polizei praktisch kein Terrorverdacht mehr vorlag. Dennoch behauptete das Gratisblatt wider besseres Wissen weiterhin, es handle sich um eine „Dschihad-Wohnung“ und die Polizei sei darin auf „Terrormaterial“ gestoßen. Dazu noch ein Foto vom „Tatort“-Gemeindebau. Dort gab’s zwar nie eine Tat, dafür aber in „Heute“ die genaue Adresse (inkl. Stockwerk!) der unschuldig Terrorverdächtigten.

Welche dramatischen Folgen diese Art von „Journalismus“ für die drei jungen Männer hatte, hat das ORF ZIB-Magazin gestern in einem bemerkenswerten Beitrag aufgezeigt:

Kurzfassung:
Einer hat den Job verloren. Die Wohnung wurde gekündigt. Der Briefkasten beschmiert. Die unmittelbare Wohnumgebung mit Parteiflugblättern aufgestachelt.

fpoe_gemeindebau_dschihad_flugblatt

Wer nach solchen Erlebnissen noch friedvoll bleibt, der muss schon stark im Glauben sein.

 

PS: Dominik Lagushkin hat in seinem Blog eine äußerst lesenswerte Chronologie der Ereignisse zusammengestellt.

PPS: Kurier und Profil haben die jungen Männer bereits einige Tage vor der ZIB besucht und Artikel mit weiteren interessanten Details veröffentlicht.

PPPS:
Guter Journalismus beginnt damit, dass man schlechten weglässt. ("Heute", Eigenwerbung)

Mit seiner klaren Absage an die Sparpolitik Europas sorgt der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis derzeit für viel Wirbel. Der „Kurier“ behauptet nun, dass Varoufakis vor zwei Jahren noch eine völlig andere Meinung vertreten hätte und beruft sich dabei auf einen Blogeintrag aus dem Jahr 2013. Die Zeitung scheint dabei aber die Kernaussagen von Varoufakis entweder nicht verstanden zu haben, oder verdreht seine Aussagen, um das ganze irgendwie als Kontroverse zu verkaufen.

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Im „Kurier“-Artikel heißt es:

„Noch vor zwei Jahren wollte Yiannis Varoufakis Deutschland an der Spitze in Europa sehen. So schnell können sich Meinungen ändern: „Europa braucht eine deutsche Hegemonie“ – diese Forderung nach einer starken Rolle Deutschlands kommt ausgerechnet von einem Regierungsmitglied der griechischen radikalen linken Partei Syriza“

Und weiter:

Berlin soll, laut Varoufakis damals, ein europaweites Erholungsprogramm entwickeln. Der Ökonom schlägt eine Art europäischen New Deal vor – ähnlich der wirtschaftlichen und sozialen Reformen in den USA in den 1930er-Jahren (…) Von diesen Ideen scheint Varoufakis heute nur noch wenig zu halten.

Falsch. Varoufakis vertritt auch heute noch exakt die selben Ideen. Er wünscht sich nach wie vor sowohl einen „New Deal“ und befürwortet ein hegemoniales Deutschland, wie er in einem aktuellen Interview mit der Zeit erklärt. Das hegemoniale Deutschland müsse seinen Kurs aber radikal ändern – weg von Austerität und Troika hinzu einem europaweiten „New Deal“-Konzept.

Der Kurier-Artikel lässt es so aussehen, als hätte Varoufakis damals Deutschlands Führung bedingungslos unterstützt, auch ohne dieses „Aber“. Deshalb spricht das Blatt auch von „Richtungswechsel“ und sagt „So schnell können sich Meinungen ändern“. Es wird eine künstliche Kontroverse erzeugt, dabei hat Varoufakis damals wie heute den Sparkurs Deutschlands und der Troika abgelehnt.

Der Kurier ist mit verdrehten Artikeln wie diesen allerdings in guter Gesellschaft. In den letzten Tagen war das nämlich nur eine von vielen Falschmeldungen, die über Griechenlands neue Regierung durch die Medien gingen.