Die neusten kleinen Pannen des Mediengeschehens:
- Die Presse am Sonntag verwechselt in einer Infografik das Horn von Afrika mit der arabischen Halbinsel.
- Oe24.at hat grammatikalische Schwierigkeiten bei der Berichterstattung über Mara Carfagnax und Silvio Berlusconi, der diese „zur erst zur Moderatorin und später zur Ministerin“ machte.
- Kurier.at dafür hat technische: ‚Freche Diebestour mit Polizeiformular‚ heißt der Artikel. Worum es geht, ist schwer zu sagen.
- Für das Pandababy in Schönbrunn wurde per online-Abstimmung ein Name gefunden. Drei Namen standen zur Auswahl. Darüber, wie man sie schreibt, war sich Oe24.at nicht sicher:

DerStandard.at berichtet korrekt von den 29 Verschütteten in einem Bergwerk in Neuseeland. In der Printversion sind es nur bis zu 27 Kumpel.- Doppel hält besser, dürfte man sich beim ORF Steiermark gedacht haben.
Stefan Bachleitner ist Politikberater in Wien. Dieser Beitrag erschien zuerst in seinem Blog Politikon.
„Heute in Österreich“ (19.11. 17:05, ORF 2)Der ORF lässt einen dubiosen „Terrorexperten“ auf dem Wiener Christkindlmarkt vor Anschlägen warnen, Muslime werden dabei live unter Generalverdacht gestellt. Ein Musterbeispiel für Angstmache.
In Deutschland herrscht Angst, Terrorwarnungen dominieren die Schlagzeilen. Zwar ist noch unklar, wie konkret die Gefährdungslage tatsächlich ist, doch so wie sich manche Politiker verhalten, funktioniert Terror sogar ganz ohne Terroristen.
In Österreich lieferte nun ausgerechnet der ORF ein Musterbeispiel dafür, wie sich Ängste schüren und instrumentalisieren lassen: Die vorgestrige Ausgabe der Nachrichtensendung „Heute in Österreich“ stellte die Frage „Terrorgefahr in Österreich?“ und gab darauf eine Antwort, die eher in eine „Tatort“-Folge gepasst hätte als in eine Nachrichtensendung.
Obwohl derzeit keine einzige heimische Behörde von einer höheren Gefährdung in Österreich ausgeht, wird der Beitrag mit folgendem Hinweis eröffnet:
„Gleich mehrere Terrorexperten sprechen auch bei uns von einer erhöhten Gefahr von Anschlägen in größeren Städten.“
Diese „Experten“ kommen dann in dem Beitrag auch ausführlich zu Wort. Dabei handelt es sich u. a. um den dubiosen Geschäftsmann Peter Schoor, der in dem Beitrag als „Terrorexperte und Buchautor“ ausgewiesen wird und folgendes sagen darf:
„Den Terroristen heute ist das egal. Es geht heute darum, möglichst viele Menschen zu töten, zu verletzen, eine psychische Wirkung zu erzielen. Und wenn ich diese Wirkung erreiche, indem ich mir einfache Ziele wie zum Beispiel in Österreich aussuche, dann haben die Terroristen ihr Ziel erreicht.“
Schoor, der laut Beschreibung seines Verlags „seit mehr als 30 Jahren im internationalen Umfeld von Polizei, Militär und Politik aktiv“ ist (was immer das heißen mag) und sich beruflich „an der Schnittstelle zwischen Psychologie und Sicherheit“ bewegt (was immer das heißen mag), hat nur ein einziges echtes Buch auf den Markt gebracht. Es ist heuer erschienen und der Titel „Im Auge des Terrors: Wie viel Islam verträgt Europa?“ deutet an, dass Terrorbekämpfung für ihn auch eine religions- und kulturpolitische Dimension hat.
Nach Schoor wird ein gewisser Hans-Ulrich Helfer mit der Untertitelung „Journalist, Zürich“ interviewt, der meint:
„Ich glaube, dass wir – Schweiz und Österreich – nicht glauben sollen, dass wir kein Ziel sind. Das heißt, dass wir genau so achtsam sein müssen wie Deutschland oder England oder Belgien oder Spanien. Das ist die gleiche Bedrohungslage.“
Die bescheidene Bezeichnung „Journalist“ wird Helfer eigentlich nicht gerecht. Der ehemalige Staatsschützer der Stadt Zürich betreibt ein Unternehmen zur Beschaffung und Auswertung von Informationen (was immer das heißen mag), macht als Präsident der „Informationsgruppe Pro-Kampfflugzeuge“ Stimmung für die Anschaffung von schwerem Kriegsgerät und ist stolz darauf, bei den Schweizer Big Brother Awards im Jahr 2003 für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden zu sein.
In Kooperation mit dem ORF gelingt es den beiden, entgegen aller behördlichen Erkenntnisse ein Gefühl erhöhter Bedrohung zu vermitteln. Mangels konkreter Fakten wurde das Gefährdungspotenzial in Österreich durch einen spektakulären Test belegt. Mit versteckter Kamera filmte der ORF, was in Wien mit einem unbeaufsichtigten Rucksack – „groß genug für einen Sprengsatz“ – passiert, der vor dem Stephansdom abgestellt oder in der U-Bahn vergessen wird. Vor zwanzig Jahren hätte man mit einem solchen Test noch bewiesen, dass Wien eine der sichersten Großstädte der Welt ist, denn obwohl niemand darauf aufgepasst hat, wurde die Tasche nicht geklaut.
Der absolute Höhepunkt des Beitrags ist dann aber ein dramatischer Live-Einstieg in die „schöne heile Weihnachtswelt am Christkindlmarkt in Wien“, wo Peter Schoor seine antiislamische Weltsicht ausbreiten darf. Der Beginn des Interviews sei nachfolgend komplett wiedergegeben:
Katharina Kramer: „Herr Schoor, die Behörden haben keine Hinweise auf Terroranschläge in Österreich. Warum glauben Sie trotzdem an eine Terrorgefahr?“
Peter Schoor: „Nun, wir haben in Österreich 586.000 Muslime. Davon sind etwa 70.000 bereit, die Einführung einer Scharia nach europäischem (sic!) Vorbild einzuführen. Was mir Sorge macht ist die Dunkelziffer, weil es ist völlig unbekannt, wie viele davon auch wirklich bereit sind, das mit Gewalt umzusetzen.“
Schoor hatte sich wohl schon einen Glühwein genehmigt, sonst wäre ihm der Versprecher mit der Scharia nach „europäischen Vorbild“ wohl nicht passiert. Die Botschaft ist aber auch so angekommen: Weihnachten, Christkindlmarkt und Stephansdom werden von abertausenden Muslimen gefährdet. In meinen Augen ist dieser Beitrag meilenweit von den Programmrichtlinien des ORF entfernt, laut denen sich ORF-Angebote „um Integration, Gleichbereichtigung und Verständigung zu bemühen“ haben.
P. S.: In abgewandelter Form, allerdings ohne Live-Einstieg, wurde dieser Beitrag auch in der ZIB 1 und der ZIB 2 veröffentlicht.
Update 31. März 2011: Vier Monate später hat sich der ORF-Beschwerderat mit dieser Sache auseinandergesetzt – ohne auf alle wesentlichen Punkte einzugehen.
Gut zwei Wochen sind seit dem letzten Sammelkobuk vergangen und wieder haben sich einige kuriose Kleinigkeiten in der Kobuk-Redaktion angesammelt:
So lässt die Oe24.at Redaktion einen Tierquäler einem Pferd gleich eine 20 Meter lange Stichwunde zufügen- Die renommierte NZZ lässt die jahrzehntelange Alleinherschaft der Sozialisten in Wien zu Ende gehen, obwohl die Sozialdemokraten, wie sie seit 1991 heißen, bis 2001 mit der ÖVP regierten.
Der „Standard“ vom 10. November lässt Angelika Merkel Multikulti für tot erklären.- Und DerStandard.at adelt das RedBull-Fernsehen ServusTV gleich zu einem öffentlich-rechtlichen Privatsender.
Danke an Hans Kirchmeyr und Michael Breitner für die Hinweise!
Anlässlich der Indienreise Barack Obamas sorgte in US-Medien eine Zahl für Furore: 200 Mio. Dollar täglich sollte der Staatsbesuch kosten, die konservativen Moderatoren Glenn Beck und Rush Limbaugh gaben sich entrüstet, CNN berichtete und vor allem FOX widmete sich der Thematik ausführlich:
https://www.youtube.com/watch?v=7o0jUknE3SM
Um diesen Betrag in Relation zu setzen: Der Afghanistan Krieg kostet die Vereinigten Staaten täglich ca. 190 Millionen Dollar. Eine vergleichbare Afrikareise Bill Clintons im Jahr 1998 schlug ohne den als geheim eingestuften Ausgaben für die Sicherheit mit 42,8 Millionen zu Buche, allerdings für die gesamten 12 Tage. Das entspricht 3,6 Millionen pro Tag, wie die New York Times vorrechnet.
Tatsächlich hatten diese lächerlich hoch wirkenden Zahlen nicht lange Bestand. Als Quelle stellte sich eine NDTV-Meldung (New Delhi Television) heraus, die sich wiederum auf eine anonyme Quelle berief. Spätestens nach der Stellungnahme durch Vertreter des Weißen Hauses war die Falschmeldung als solche enttarnt. Das hielt einige deutschsprachige Regionalmedien aber trotzdem nicht davon ab, sie Tage später zu veröffentlichen.
Vielleicht ist das alles aber auch nur ein rein kulturelles Missverständnis.
Oe24.at über über den geplanten Facebook-Email-Dienst:

Es dürften ein paar mehr sein.
(Via Dieter Zirnig)
Update: Es ist noch ein Fehler im Text (Danke für den Hinweis von Skoops)
So heißt es laut Oe24.at, dass Facebook-Mitarbeiter eine Mail-Adresse mit der Endung „facebook.com“ bekommen, User eine mit der Endung „fb.com“.
Laut facebookmarketing.de ist es aber genau umgekehrt, denn „jeder Nutzer erhält seine eigene E-Mailadresse die sich aus der VanityURL sowie @facebook.com zusammensetzt.“

The US according to Futurezone..
Nur vier Prozent aller US-Internetuser bzw. nur ein Prozent der Bevölkerung nutzt orstbezogene Dienste.
Doch nützen 4% aller Internetnutzer und 1% der Bevölkerung diese Dienste, dann nützen nur 25% der US-Amerikaner das Internet. Tatsächlich sind es jedoch über drei Viertel.
Im Report von Pew Internet Research, auf den sich der Artikel bezieht, der entsprechende Teil auf Englisch:
4% of online adults use a service such as Foursquare or Gowalla that allows them to share their location with friends and to find others who are nearby. On any given day, 1% of internet users are using these services.
Nicht „ein Prozent der Bevölkerung“ sondern ein Prozent der Internetuser nutzen an jedem beliebigen Tag einen solchen Dienst.
(Danke an Axel Maireder für den Hinweis via Twitter.)
„Österreich“ verspricht in der Ausgabe vom 6. November jedem/jeder ÖsterreicherIn heuer noch 606,43 Euro auf dem Konto.
Es wundert also nicht, dass Österreichs Angestellte nun endlich wieder aufatmen können. Mit einem Gehaltsplus von 2,5 Prozent bei einem durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen von 24.257 Euro wird sich heuer jede Österreicherin und jeder Österreicher über 606,43 Euro mehr auf dem Konto freuen können.
In der Printausgabe etwas abweichend:
Österreichs Arbeitnehmer können also endlich wieder jubeln. Mit einem Gehaltsplus…
QUIZ-FRAGE: Wer kriegt jetzt die 606 Euro?
a) Angestellte
b) Alle ArbeitnehmerInnen
c) Alle Österreicherinnen und Österreicher
Hier die Auflösung: Keine der Antworten ist richtig. Der Lohn- und Gehaltsabschluss gilt natürlich nur für die ca. 165.000 Beschäftigten in der Metallindustrie und im Bergbau. Und auch für diese Beschäftigtengruppe sind es heuer keine 606 Euro – das wäre nämlich die Lohnerhöhung aufs ganze Jahr aufgerechnet. Der Abschluss gilt nur rückwirkend mit 1. November.
Apropos Geld: Was würdet ihr mit 606 Euro machen, die plötzlich vom Himmel fallen?
Dazu ein Tipp von „Österreich“:
Für das Geld bekommt man beim Reiseveranstalter joe24.at beispielsweise eine einwöchige Urlaubsreise in ein Fünf-Sterne-Hotel an der türkischen Riviera für zwei Personen.
Der Österreichische Medienrat hat das Boulevard-Blatt „Österreich“ heute in einem Fall besonders menschenverachtender Berichterstattung zu einem Tötungsdelikt öffentlich verurteilt. Das Gremium, unter Vorsitz von Verfassungsjurist Heinz Mayer, folgte damit in allen wesentlichen Teilen einer Beschwerde von Kobuk.
So weit die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Dies ist die bislang einzige(!) öffentliche Entscheidung des Medienrates seit seiner Gründung 2009. Wache Medienkonsumenten ahnen, dass hier etwas grundsätzlich falsch läuft.
Der Medienrat ist der bislang jüngste — und Dank völliger Sanktionslosigkeit — zahnloseste Versuch, in Österreich eine freiwillige mediale Selbstkontrolle zu etablieren. Zuvor gab es den Presserat (1961 – 2001), den maßgeblich die Krone gesprengt hat, dann die Leseranwaltschaft (gegr. 2003), derzeit den Medienrat (seit 2009) und weil das alles nicht funktioniert hat, wurde heute der feierliche Start des „neuen Presserats“ angekündigt. Am 26. Jänner soll es so weit sein.
Das ist doch eine Farce, mag man denken. Warum tun „die“ sich das immer wieder an, riskieren sogar den Ruf honoriger Persönlichkeiten, wenn’s doch eh wieder nix wird? Die Antwort ist einfach. Fred Thurnheim, der Präsident des „Österreichischen Journalisten Clubs“ hat sie gleich in der ersten Minute der Antritts-Pressekonferenz des Medienrates ganz unverblümt gegeben:
„Wir haben gleich eine Botschaft an die Politik […]: Das Selbstkontrollorgan für die Medien in Österreich, der österreichische Medienrat, ist hiermit gegründet. Er funktioniert ab dem heutigen Tag und daher ist eine Verschärfung des Mediengesetzes, wie es die Justizministerin andenkt, nicht mehr notwendig. Wir können, und wir sind in der Lage, die österreichische Medienlandschaft selbständig zu kontrollieren und auch entsprechend zu organisieren, was die Ethik des Journalismus betrifft.“
Strengere Mediengesetze — und damit eine Beschränkung der Medienfreiheit — zu verhindern, muss für ein Selbstkontrollorgan kein Geburtsfehler sein, wie der deutsche Presserat beweist. Auch er wurde 1956 aus der selben Motivation heraus gegründet.
Aber warum funktioniert dann der deutsche Presserat trotz beschränkter Sanktionsgewalt ganz gut, während man in Österreich nicht mal weiß, wie das Kind gerade heißt und ob’s noch atmet?
Offenbar fürchten die Medien in Deutschland, dass im Falle eines reinen Gesetz-Verhinderungsrates tatsächlich die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen könnte. Hierzulande scheint diese Sorge weniger begründet. So gesehen spiegelt die Qualität des österreichischen Medienrats nur jene der österreichischen Medienpolitik.








