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Kategorie: z Medien

Kennt ihr den Wilhelmsschrei? Ein Todesschrei auf Band, der erstmals in den 50ern für die Nachvertonung eines Hollywood-Films eingesetzt wurde und so markerschütternd gut gelungen ist, dass er zum Teil bis heute als Synchronschrei des Todes eingesetzt wird. Oft auch als Insider-Gag unter Soundleuten. Rechts ein Zusammenschnitt.

Der Wilhelmsschrei scheint beim ORF einen kleinen Bruder zu haben.

Schon bei „Dancing Stars“ (ich habe nur ein paar Ausschnitte im Internet gesehen, ich schwöre), habe ich mich gewundert, wie eine Handvoll betulicher Herrschaften, an ihren Tischchen im ORF-Ballroom, akustisch ausrasten können wie bei einem Hansi-Hinterseer-Open-Air. Ich hab dann ein bisschen genauer hineingehört, in den Studio-Applaus, und seither verfolgt sie mich durch alle großen ORF-Shows, die ORF-Eule:

(Video laut aufdrehen und auf das „Uhuhuhuuu!“ im Hintergrund achten)

Hört ihr sie auch?

Beide kämpfen auf ihre Art für den Wandel der Medien: Wolfgang Fellner, der „Opa des Inzest-Journalismus“, so die Jury der frisch vergebenen Big Brother Awards. Und A1-Chef Hannes Ametsreiter, ebenfalls geehrt, als Totengräber der Netzneutralität*).

Das verbindet. Und so darf A1 heute auf einer Doppelseite das „Thema des Tages“ einnehmen. Jene journalistische (!) Rubrik im Fellner-Blatt, wo für gewöhnlich Persönlichkeitsverletzungen Rufmord das Wichtigste des Tages abgehandelt wird:

(Bild anklicken für Großansicht)

Ein kleiner Auszug aus dem investigativen Report:

… Neues Super-Smartphone bei A1 … Heute erster Verkaufstag des neuen Apple-Smartphones bei A1 … A1 startete den Verkauf als Erster … Als Erster öffnete Mobilfunk-Marktführer A1 um Mitternacht seine Shops … Im A1-Shop in der Pernhartgasse gab es um Mitternacht eine Produktpräsentation … Größte Stückzahl bei A1 … Bei A1 haben sich mehr als 10.000 Interessenten vorregistriert … „Anfangs gibt es immer zu wenige“, sagt A1-Vorstand Alexander Sperl … Top-Angebote. A1 bietet das iPhone 4S mit Vertrag und iPhone-Paket … Wer jetzt einen der vier A1-Smartphone-Tarife abschließt, hat sein gesamtes Vertragsleben lang doppelt so viele … Doppeltes Freivolumen: In allen vier A1-Smartphone-Tarifen bekommen Neukunden jetzt das doppelte Freivolumen … Und dass auch datenintensive Anwendungen wie Fernsehen am iPhone (A1 TV-App) richtig Spaß machen, dafür sorgt das super-schnelle A1-Netz …

Gezählte 38 Mal wird die Marke auf den beiden redaktionellen Seiten erwähnt. In dieser Ausprägung fällt es schwer, noch von Schleichwerbung zu sprechen. Das ist schon Tourette.

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*) Ohne Netzneutralität entspräche das Internet in etwa einem Kiosk, wo eines Morgens nur mehr „Österreich“ und „Krone“ gut sichtbar aufliegen, weil sie dem Betreiber dafür mehr Geld zahlen als die Konkurrenz. Und Zeitungen, die gar nichts zahlen? „Die hol ich aus dem Lager, dauert nur ein bisschen.“

Überschrift in "Österreich" Serben fielen über zwei Wiener her. Messerstich: Opfer den Hals zerschnitten"Von einer brutalen G’schicht weiß „Österreich“ in der Printausgabe von Sonntag zu berichten:

Serben fielen über zwei Wiener her

Klare Sache. Zwei Wiener, zwei Serben, letztere greifen erstere an und verletzen sie. Ganz so klar ist die Sache doch nicht, wie sich beim Durchlesen des Artikels herausstellt:

(…) Die zwei Unbekannten schimpften die beiden Freunde in vermutlich serbischer Sprache. Plötzlich zog einer der Übeltäter ein Messer aus seiner Tasche und stach dem Wiener, Gerald K., in den Hals. Anschließend flüchteten die beiden Serben in unbekannte Richtung.

Der einzige Hinweis auf die Herkunft der Täter ist also die Aussage der Opfer und einzigen Zeugen, wonach die zwei Männer „vermutlich“ auf Serbisch geschimpft hätten. So schnell kommt man zu einer Staatsbürgerschaft sonst nur mit viel Geld in einem südlichen österreichischem Bundesland.

Ein Gedankenexperiment: Die zwei angegriffenen Wiener sind Slawisten. Und weil sie aufgrund der Aussprache einzelner Wörter genau wussten, dass die Männer serbisch und nicht zB kroatisch gesprochen haben, konnten sie so eine genaue Angabe über die gesprochene Sprache machen.

Selbst wenn man zweifelsfrei – aufgrund der Aussage der einzigen Zeugen, die gleichzeitig Opfer sind – wüsste, dass die beiden Männer serbisch gesprochen hätten, könnte man daraus nicht ableiten, dass es sich um Serben gehandelt hat. Viele ÖsterreicherInnen sprechen (zusätzlich oder ausschließlich) andere Sprachen als Deutsch. Und dass sich „Österreich“ mit den verschiedenen Ländern Südosteuropas ein bisserl schwer tut, wissen wir ja inzwischen.

„Österreich“ schließt aufgrund der Aussage zweier Zeugen vorschnell auf eine Staatszugehörigkeit – vielleicht, weil’s so schön ins Klischee passt?

Oe24.at ist bei der Berichterstattung über den umstrittenen Kunsthallen-Chef ein scheinbar unauffälliger Fehler unterlaufen, denn der Herr mit der ähnlichen Frisur ist nicht Kunsthallendirektor Gerald Matt sondern der amerikanische Schauspieler Matt Gerald (zu sehen beispielsweise in Avatar).

Folgt man den Links in der Seitenspalte, findet man ein Foto vom „richtigen“ Matt.

Der Untertitel der Geschichte zeigt zudem kein sehr klinisches Verhältnis zur Rechtschreibung:

Grünen und ÖVP liegen in Punkto Kunsthallen-Boss Gerald Matt im Klinisch.

Brauchbare PR dürfte die Regionalzeitung Kärntner Woche (Region Völkermarkt & Jauntal) vom 12. Oktober für den größten Energiekonzern des südlichsten Bundeslandes gemacht haben – übrigens auch in der Online-Ausgabe.

Der Artikel lässt kritische Distanz vermissen und liest sich wie eine Presseaussendung der Energiefirma. Besonders auffallend ist der häufige Gebrauch des Firmennamens, vor allem im ersten Absatz: Von insgesamt 42 Wörtern findet sich hier sechsmal das Wörtchen „Kelag“. Jedes siebte Wort ist also der Name der Firma über die berichtet wird. Ein Auszug:

„Kelag-Vorstand Harald Kogler zeichnet – mit Günther Stückler – als Geschäftsführer der Kelag Wärme für den Ausbau dieses Kelag-Geschäftsfeldes verantwortlich. Die Kelag Wärme ist eine 100%-Tochter der Kelag.“

Mancher dürfte sich in eine Episode der Schlümpfe versetzt fühlen. Alles kela… ähh, klar?

Immerhin fehlt auch die offizielle Werbeeinschaltung einige Seiten später nicht:

Da war wohl der Wurm im Apfel: Auf Heute.at konnte es ein Journalist nicht abwarten und präsentierte den Lesern das iPhone 5, obwohl am selben Abend dann doch nur das iPhone 4S vorgestellt wurde. Der Artikel steht bis heute unverändert online.

Ein Fall von (Eis-) Kaltschreiben. Komischerweise weiß es Heute.at eigentlich auch besser, wenn man sich diesen Artikel vom gleichen Datum anschaut. Sogar der Text ähnelt sich in vielen Abschnitten.

Interessant ist das ja eigentlich schon: Da fasst das FBI endlich den bösen, bösen Hacker, der die Nacktaufnahmen der Stars von deren Computern und Mobiltelefonen klaut, und dann kommt „Österreich“ und veröffentlicht ebendiese prekären Aufnahmen sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe.

Aufatmen. Nach den Hackerangriffen auf Prominente wie Scarlett Johansson (26) und Mila Kunis (28) kann Hollywood wieder ruhig schlafen. Im Rahmen der “Operation Hackerrazzi“ wurde Christopher Chaney (35) nach elfmonatigen FBI-Ermittlungen in Florida festgenommen.

Ob die Stars wirklich so ruhig schlafen können, wenn plötzlich Tageszeitungen anfangen, die viel diskutierten Nacktfotos abzudrucken? Und dazu texten:

Lasziv auf dem Bett: Das Foto war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Dass dies eine Verletzung der Intimsphäre darstellt, scheint „Österreich“ wenig zu stören:

Berechtigte Interessen werden in jedem Fall durch Veröffentlichungen von Aktfotos des oder der Abgebildeten ohne deren Einwilligung verletzt. Die Verletzung berechtigter Interessen liegt hier in der Verletzung des aus dem Grundsatz der Achtung der Privatsphäre erfließenden Selbstbestimmungsrechts […].

(Korn: Einführung in das Kommunikationsrecht)

Woher hat „Österreich“ die Fotos überhaupt? Weder in der Print- noch in der Online-Version des Artikels wird die Quelle des Fotos offengelegt (Ja, eh – vom Iphone der Scarlett, werden viele jetzt denken. Reicht aber nicht). Des Rätsels Lösung finden wir beim Konkurrenzblatt „Heute„:

© Facebook

Die Print-Ausgabe der „Presse“ vom Montag enthält eine ganze Seite „Baupanorama“ – mitfinanziert von der Landesinnung Bau Wien, die Interessenvertretung aller in einer Branche tätigen Unternehmen und Selbstständigen. Die Innung hat, stolz auf die Kooperation, die Seite freundlicherweise als PDF online gestellt. Dort ist auch der Hinweis auf die Kofinanzierung der Seite zu lesen:

Seite mit finanzieller Unterstützung der Landesinnung Bau Wien.

Solche mitfinanzierten Extra-Teile sind üblich – die redaktionelle Verantwortung dieser Inhalte in redaktioneller Aufmachung hat aber, trotz „finanzieller Unterstützung“, bei der Redaktion zu liegen.

Bei der „Presse“ sieht man das offenbar anders: Ein Fünftel der gesponserten Seite macht die Kommentarspalte aus. Die gehört ganz allein Gastkommentator Josef Witke. Er ist „Landesinnungsmeister für Elektro-und Alarmanlagentechnik und Kommunikationselektronikhersteller“, wie unter seinem Kommentar zu lesen ist – also ein führendes Mitglied der Innung, die die Seite sponsert. Witke schreibt über Energiesparlampen, Importverbote für Geräte, die viel Strom verbrauchen und von seiner Zukunftsvision der von Stromfirmen ferngesteurten Elektroheizungen:

(…) Strom ist – in Verbindung mit erneuerbarer Energie – nun einmal am effizientesten steuerbar, das heißt, Elektroheizungen können aus der Ferne bei Spitzenlast zu- und bei Überschuss abgeschaltet werden.

Das lässt viele wohl nicht nur dafür danken, dass einem der Stromanbieter bis jetzt noch nicht die Heizung abdrehen kann, wenn’s gerade zu wenig Strom gibt. Man darf sich auch über den Deal wundern, den die Presse offenbar mit der Wirtschaftskammer eingegangen ist: „Ihr finanziert uns eine Seite Zeitung, dafür geben wir euch Platz für einen Kommentar von einem eurer Leute – außerdem ein passendes redaktionelles Umfeld.“ Das passiert seit Jänner diesen Jahres – jeden Montag gibt’s das „Baupanorama“, fast jeden Montag schreibt jemand von der Bauinnung einen Kommentar (hier nachzulesen).

Aktuell wird heftig darüber diskutiert, dass sich Firmen und politische Parteien wohlwollende Berichterstattung mit Inseraten kaufen. Gleichzeitig verkauft „Die Presse“ jede Woche einen scheinbar redaktionellen Kommentar an die Wirtschaftskammer. Darüber sollten wir zumindest nachdenken.

Nachtrag 11.10.: Ich habe die Chefredaktion der „Presse“ um eine Stellungnahme gebeten. Sobald diese einlangt, wird sie hier zu lesen sein.

Ein Kurier-Leser wurde stutzig, als er die Titelgeschite vom 28. August in den Händen hielt. „Rekordfrau“ Gerlinde Kaltenbrunner mit Bart?

Gerlinde Kaltenbrunner ist Darek Zaluski.

Des Rätsels Lösung: bei dem abgebildeten Gipfelstürmer handelt es sich laut Bildtext um Kaltenbrunners Kollegen Darek Zaluski.

Danke Tim für den Hinweis!

UPDATE: Stellungnahme des Fotografen siehe unten.

Heute hitzebedingt nur ein leichtes Sommerrätsel: Auf dem Suchbild unten verbirgt sich ein Spanner, der über Kopf in die privaten Räume von Verbrechensopfern fotografiert. Wer findet ihn?

ÖSTERREICH: „ein einziger Müllhaufen“

UPDATE 31. August: Der Österreich-Fotograf, der namentlich nicht genannt werden möchte, möchte diesen Artikel gelöscht sehen. Wir haben das trotz Androhung von „rechtlichen Schritten“ abgelehnt. Wir haben ihn um eine Stellungnahme gebeten:

Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie noch einmal um Stellungnahme bitten:

– Hatten Sie Erlaubnis, das betreffende Grundstück zu betreten?
– Hatten Sie Erlaubnis, das Innere des Gebäudes für eine Veröffentlichung zu fotografieren?
– Haben Sie im Auftrag Ihrer Redaktion oder auf eigene Faust gehandelt?

Seine Antwort:

Es ist mehr als lächerlich von mir in irgendeiner Weise eine Stellungnahme zu erwarten!

Weiters haben Sie mit den Bildern eine Urheberrechtsverletzung begangen.

Sie zeigen mit Ihrem Artikel weder irgendwelche Missstände auf etc. Das Einzige, was Sie machen, ist eine Person (von keinerlei öffentlichem Interesse) an den Pranger zu stellen, ohne dafür Beweise zu haben. Oder fühlen Sie sich zu einem Richter berufen? Was Sie ja ironischerweise den Medien vorwerfen. Entschuldigen Sie bitte, dass ich von der sachlichen Argumentationsbasis abschweife.