Die Print-Ausgabe der „Presse“ vom Montag enthält eine ganze Seite „Baupanorama“ – mitfinanziert von der Landesinnung Bau Wien, die Interessenvertretung aller in einer Branche tätigen Unternehmen und Selbstständigen. Die Innung hat, stolz auf die Kooperation, die Seite freundlicherweise als PDF online gestellt. Dort ist auch der Hinweis auf die Kofinanzierung der Seite zu lesen:
Seite mit finanzieller Unterstützung der Landesinnung Bau Wien.
Solche mitfinanzierten Extra-Teile sind üblich – die redaktionelle Verantwortung dieser Inhalte in redaktioneller Aufmachung hat aber, trotz „finanzieller Unterstützung“, bei der Redaktion zu liegen.
Bei der „Presse“ sieht man das offenbar anders: Ein Fünftel der gesponserten Seite macht die Kommentarspalte aus. Die gehört ganz allein Gastkommentator Josef Witke. Er ist „Landesinnungsmeister für Elektro-und Alarmanlagentechnik und Kommunikationselektronikhersteller“, wie unter seinem Kommentar zu lesen ist – also ein führendes Mitglied der Innung, die die Seite sponsert. Witke schreibt über Energiesparlampen, Importverbote für Geräte, die viel Strom verbrauchen und von seiner Zukunftsvision der von Stromfirmen ferngesteurten Elektroheizungen:
(…) Strom ist – in Verbindung mit erneuerbarer Energie – nun einmal am effizientesten steuerbar, das heißt, Elektroheizungen können aus der Ferne bei Spitzenlast zu- und bei Überschuss abgeschaltet werden.
Das lässt viele wohl nicht nur dafür danken, dass einem der Stromanbieter bis jetzt noch nicht die Heizung abdrehen kann, wenn’s gerade zu wenig Strom gibt. Man darf sich auch über den Deal wundern, den die Presse offenbar mit der Wirtschaftskammer eingegangen ist: „Ihr finanziert uns eine Seite Zeitung, dafür geben wir euch Platz für einen Kommentar von einem eurer Leute – außerdem ein passendes redaktionelles Umfeld.“ Das passiert seit Jänner diesen Jahres – jeden Montag gibt’s das „Baupanorama“, fast jeden Montag schreibt jemand von der Bauinnung einen Kommentar (hier nachzulesen).
Aktuell wird heftig darüber diskutiert, dass sich Firmen und politische Parteien wohlwollende Berichterstattung mit Inseraten kaufen. Gleichzeitig verkauft „Die Presse“ jede Woche einen scheinbar redaktionellen Kommentar an die Wirtschaftskammer. Darüber sollten wir zumindest nachdenken.
Nachtrag 11.10.: Ich habe die Chefredaktion der „Presse“ um eine Stellungnahme gebeten. Sobald diese einlangt, wird sie hier zu lesen sein.
10 Kommentar(e)
Na ja, es steht immerhin „Gastkommentar“ dabei.
Aber steht in der Zeitung irgendwo, dass die ganze Seite eine PR-Seite ist?
Bei Spitzenlast E-Heizungen ein- und bei Überschuss abzuschalten ist natürlich gerade verkehrt. Abgesehen davon, dass E-Heizungen sowieso verboten gehören.
Es heißt übrigens „Interessenvertretung“, nicht „InteressenSvertretung“ (1. Absatz)
Medienkooperationen sind ein heikles Thema und meiner Meinung nach mit seriösem Journalismus nicht vereinbar (genauso wenig mit seriöser PR-Arbeit). Selbst wenn die PRESSE in diesem Fall argumentieren könnte, sie hätte Witke zum Gastkommentar eingeladen, bleibt dennoch der schale Beigeschmack, dass sich eine Qualitätszeitung – als die sich die PRESSE versteht – dafür bezahlen lässt, dass sie ein Thema aufgreift. Wenn es wichtig und aktuell wäre, sollte es auch ohne Zuschuss den Weg ins Blatt finden.
@Kurt: Da hat vermutlich der Verbund auch noch mitgesponsort, daher passts das schon so
@ Markus Prichner
„bleibt dennoch der schale Beigeschmack, dass sich eine Qualitätszeitung – als die sich die PRESSE versteht – dafür bezahlen lässt, dass sie ein Thema aufgreift. Wenn es wichtig und aktuell wäre, sollte es auch ohne Zuschuss den Weg ins Blatt finden.“
Sich (als „Qualitätszeitung“) das Aufgreifen eines Themas bezahlen zu lassen, ist heikel, klar. Was ist aber, wenn das Thema an sich wichtig ist und dafür bezahlt wird, dass nur die eigene Meinung und sein eigenes Interesse veröffentlicht wird?
Meines Erachtens deutlich gefährlicher.
@Markus Pirchner:
Danke für den Hinweis, wurde ausgebessert!
Ich denke schon, dass man als Zeitung Unternehmenskooperationen (irreführendes Wort – als wären Zeitungen keine Unternehmen) auch seriös gestalten kann. Wenn ich mich richtig erinnere, hat ein Mobilfunkbetreiber eine Zeit lang Kultur-Extra-Strecken des Standard gesponsert. Da hatte die Firma aber auch kein Interesse an einer bestimmten Berichterstattung, sondern wollte sich einfach als Kulturfördererin präsentieren.
Sicher muss man als Zeitung bei so etwas vorsichtig sein, dass die Unabhängigkeit nicht flöten geht. Das hat die „Presse“ nicht geschafft.
Na das ist doch wirklich nicht schlimm, die Seite ist gekennzeichnet mit: Seite mit finanzieller Unterstützung der Landesinnung
BauWien.
Weiters bin ich mir sicher, wie ich die Presse kenne, dass die redaktionellen Elemente von einem Redakteur in redaktioneller Unabhängigkeit geschrieben werden.
Die Kolumne kommt mit Sicherheit von der Bauinnung, ist aber auch mit dem Logo und den Hinweis gekennzeichnet.
Ich finde die Artikel auch immer sehr gut und interessant.
Da fassen wir doch gleich tief in den Topf mit den Killerphrasen: „Des war immer schon so!“ „Das haben wir immer schon so gemacht“ Belegen lässt sich das mit Karl Kraus, der über die Neue Freie Presse sagte, dass es „keine Schlechtigkeit gibt, die der Herausgeber der Neuen Freien Presse nicht für bares Geld zu vertreten, und keinen Wert gibt, den er aus Idealismus nicht zu leugnen bereit ist“
@Markus Pirchner, Sebastian Fellner
Das Ausbessern des angeblichen Fehlers war unnötig. In Österreich darf man Interessensvertretung schreiben.
Wir müssen hierzulande ja nicht krampfhaft alle bundesdeutschen Besonderheiten der Sprache übernehmen, nur weil wir vielleicht glauben, dadurch intelligenter zu erscheinen…
Danke, Reinhold! Danke. Hättest du das nicht schon geschrieben, hätte ich es getan. Das arme Fugen-S…