
Dass Rechnen nicht immer einfach ist, haben auch schon andere Medien bewiesen.
(Danke für den Hinweis und das Foto von Stefan.)
Der nächste PISA-Schock: Österreichs Medien versagen in der Kernkompetenz „sinnerfassendes Lesen und korrekte Wiedergabe einer Studie“…
Die Presse zeigt eine APA-Grafik (s. rechts), in der Mexiko konsequent auf Platz 35 von 34 OECD-Staaten ausgewiesen wird. (Die APA hat in allen drei Ranglisten die Zeile „OECD-Schnitt“ als eigenen Staat mitgezählt.)
Ähnlich erstaunlich, die „Daten & Fakten“ der Kronen Zeitung:

Der Test umfasste 101 Aufgaben, davon 102 aus der Hauptdomäne Lesen, 36 aus Mathematik und 53 aus Naturwissenschaft.
In Wahrheit waren es insgesamt 191 verschiedene Aufgaben. Aber auch diese Zahl ist grob irreführend, da die Schüler jeweils nur einen Bruchteil davon in ihren unterschiedlichen Testheften vorfanden.
Die OÖN berichten:
Den 31-OECD-Staaten [sic!] haben sich mittlerweile 34 Partner-Länder für die Studie angeschlossen.
Und:
Österreichs Schüler sind dabei von Platz 16 auf 39 aus dem Mittelfeld ins hintere Drittel abgestürzt, knapp vor der Türkei, Chile und Mexiko.
Es ist genau umgekehrt: 34 OECD-Staaten und 31 Partnerländer haben am Test teilgenommen. 65 Nationen also insgesamt. Das „hintere Drittel“ begänne demzufolge bei Platz 44 — da muss die 39 noch ein bisschen abstürzen.
Nach der PISA-Auswertung kursieren ja immer zwei Ranglisten: Jene der OECD-Staaten und eine etwa doppelt so lange, die alle teilnehmenden Länder umfasst. Die OÖN haben oben, ebenso wie HEUTE und Wiener Zeitung, unseren OECD-Rang 2006 mit jenem unter allen Ländern 2009 verglichen, wodurch Österreichs ohnehin schlimmer Absturz noch mal um ein paar Plätze dramatischer wirkt.
Als Entschädigung für den unzulässigen Vergleich zieht die Wiener Zeitung immerhin drei Plätze ab und verfehlt damit sowohl die korrekte OECD 31 als auch die 39, die wir im gesamten Testfeld einnehmen:
Besonders tief ist der Fall beim Lesen, auf dem der Schwerpunkt des Tests lag: Von Platz 16 auf Platz 36.
Und wenn Österreich scheitert, ist „Österreich“ ganz vorne (auf dem Titel) mit dabei:
PISA-Test: Österreich ist Letzter in der EU
[…] Unter allen EU-Staaten, die von PISA getestet wurden, liegt Österreich an letzter Stelle.
… wenn man mal von Litauen, Bulgarien und Rumänien absieht, die hinter uns liegen.
Und dann wären da noch jene ungezählten Seelen, die PISA immer noch für eine Stadt in Italien halten, und auch so schreiben…
[Update] Facebook-User Daniel K. hat in einem PISA-Bericht der Krone diesen sehr speziellen Lese(r)test gefunden, den wir euch nicht vorenthalten möchten:

(Danke Josef B. fürs Weiterleiten.)
Der tragische Unfall bei „Wetten, dass..?“ war in nahezu allen deutschsprachigen Medien ein großes Thema. Nur die LeserInnen von „Österreich“ sahen sich Sonntag Früh mit einem gänzlich anderen Bericht zur Show konfrontiert:
Robbie holte Show aus Koma
Wenn am späten Abend etwas Wichtiges passiert, haben tagesaktuelle Printmedien in der Regel ein Problem: Die Geschichte schafft es nicht mehr in die nächste Ausgabe und die Menschen lesen nichts darüber. Und eigentlich kann man ja Storys nicht im vorhinein produzieren, denn wer weiß schon was morgen sein wird. „Österreich“ scheint das in diesem Fall ein wenig anders zu sehen.
Schon lange standen Gäste und Showacts fest. Daher entschloss man sich wohl, den Artikel zur Sendung einfach am Tag vorher zu schreiben. Robbie Williams sollte vorbei kommen, gemeinsam mit „Take That“. Sicher ein guter Auftritt, sicher ein Highlight. Würdig einer Erwähnung am Titelblatt.
Freilich lief es ganz anders: Robbie Williams kam nicht zu seinem Auftritt, denn ein erschütternder Unfall führte zum Abbruch der Show. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Wettkandidat Samuel K. aktuell im künstlichen Koma befindet. Die Realität zeigt eben manchmal, wie daneben man mit seiner Wortwahl liegen kann, wenn man über etwas schreibt, das noch gar nicht passiert ist.
Die „Österreich“-Redaktion erkannte ihren Fehler. Zu Mittag sahen sowohl das Cover, als auch die Story dazu, ganz anders aus (siehe links). Im Vorhinein produzierte Storys, auch Kaltschreiben genannt, gab es bei „Österreich“ offenbar schon öfters.
Bei soviel Kritik muss auch ein wenig Platz für Lob sein. Die ZDF-Regie reagierte völlig angemessen und wiederholte die Aufnahmen des Vorfalls nicht. Auch war man sichtlich um die Wahrung der Privatsphäre bemüht und spannte schwarze Tücher rund um den Kandidaten, sodass Fotos nicht möglich waren. Die ersten Videos wurden indes schon veröffentlicht, als noch nicht einmal klar war, ob Samuel K. lebte, oder tödlich verunglückt war.
Vielen Dank an Twitter-User @RealMarcelHauer, der die Fotos der ursprünglichen „Österreich“-Ausgabe gemacht hat, sowie an die vielen Hinweisgeber.
Update:
Wolfgang Fellner sagt im Interview mit Spiegel Online „dass der überholte Artikel nur (…) in entfernte Regionen von Tirol, Steiermark und Kärnten geliefert wurde.“ Der Twitter-User @RealMarcelHauer, erklärte mir hingegen, dass seine Fotos aus dem Niederösterreich-Abo stammen.
Ahnungslose „Österreich“-Leser werden derzeit auf Österreichs Straßen fotografiert. Wer sein Bild am nächsten Tag in der Zeitung findet, kann bis 14:30 Uhr telefonisch seinen Gewinn anmelden und bekommt 100 Euro. „ÖSTERREICH lesen und Weihnachtsgeld gewinnen“ nennt sich das dann.
Nach 14:30 Uhr erlischt das Anrecht auf den Gewinn, das Foto jedoch bleibt. Wie steht es da mit der Privatsphäre? Wir haben Martina F.*, eine unfreiwillige Teinehmerin des Gewinnspieles angeschrieben und gefragt:
Die Fotografin stand am Ende der Rolltreppe am Karlsplatz. Ich habe gemerkt, dass ich fotografiert wurde. Es war jedoch nicht ersichtlich, dass die Dame von der Österreich Zeitung ist. Sie hat mich auch nicht angesprochen. Besonders erfreut, war ich nicht, als ich mich in der Zeitung gesehen habe, aber die €100 sind (…) ja auch nicht schlecht.
Weiß zufällig jemand, ob eine Klage nach §78 UrhG mehr einbringt als €100?
*Name auf Wunsch geändert
Schon am 18. November wusste der österreichische Boulevard ganz genau, wann das britische Prinzenpaar heiraten würde. Doch knapp daneben ist auch vorbei. Wobei eigentlich 70 Tage (für „Österreich“) und 106 Tage (für „Heute“) eh nicht so knapp sind.

Das kann schonmal passieren, wenn man sich auf Quoten von Buchmachern verlässt. Auch bemerkenswert: „Heute“ wusste schon am 18.11. exklusiv, dass drei Milliarden Menschen (43% der Weltbevölkerung) bei der Hochzeit zusehen werden.
Wolfgang Fellner erklärte diese Woche stolz, „Österreich“ habe soeben den Break-even erreicht. Gerüchteweise wird damit redaktionsintern jener Punkt bezeichnet, ab dem die Gerichte von Österreich mehr Textbeiträge liefern als die Redaktion von „Österreich“.
„Österreich“ verspricht in der Ausgabe vom 6. November jedem/jeder ÖsterreicherIn heuer noch 606,43 Euro auf dem Konto.
Es wundert also nicht, dass Österreichs Angestellte nun endlich wieder aufatmen können. Mit einem Gehaltsplus von 2,5 Prozent bei einem durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen von 24.257 Euro wird sich heuer jede Österreicherin und jeder Österreicher über 606,43 Euro mehr auf dem Konto freuen können.
In der Printausgabe etwas abweichend:
Österreichs Arbeitnehmer können also endlich wieder jubeln. Mit einem Gehaltsplus…
QUIZ-FRAGE: Wer kriegt jetzt die 606 Euro?
a) Angestellte
b) Alle ArbeitnehmerInnen
c) Alle Österreicherinnen und Österreicher
Hier die Auflösung: Keine der Antworten ist richtig. Der Lohn- und Gehaltsabschluss gilt natürlich nur für die ca. 165.000 Beschäftigten in der Metallindustrie und im Bergbau. Und auch für diese Beschäftigtengruppe sind es heuer keine 606 Euro – das wäre nämlich die Lohnerhöhung aufs ganze Jahr aufgerechnet. Der Abschluss gilt nur rückwirkend mit 1. November.
Apropos Geld: Was würdet ihr mit 606 Euro machen, die plötzlich vom Himmel fallen?
Dazu ein Tipp von „Österreich“:
Für das Geld bekommt man beim Reiseveranstalter joe24.at beispielsweise eine einwöchige Urlaubsreise in ein Fünf-Sterne-Hotel an der türkischen Riviera für zwei Personen.
Der Österreichische Medienrat hat das Boulevard-Blatt „Österreich“ heute in einem Fall besonders menschenverachtender Berichterstattung zu einem Tötungsdelikt öffentlich verurteilt. Das Gremium, unter Vorsitz von Verfassungsjurist Heinz Mayer, folgte damit in allen wesentlichen Teilen einer Beschwerde von Kobuk.
So weit die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Dies ist die bislang einzige(!) öffentliche Entscheidung des Medienrates seit seiner Gründung 2009. Wache Medienkonsumenten ahnen, dass hier etwas grundsätzlich falsch läuft.
Der Medienrat ist der bislang jüngste — und Dank völliger Sanktionslosigkeit — zahnloseste Versuch, in Österreich eine freiwillige mediale Selbstkontrolle zu etablieren. Zuvor gab es den Presserat (1961 – 2001), den maßgeblich die Krone gesprengt hat, dann die Leseranwaltschaft (gegr. 2003), derzeit den Medienrat (seit 2009) und weil das alles nicht funktioniert hat, wurde heute der feierliche Start des „neuen Presserats“ angekündigt. Am 26. Jänner soll es so weit sein.
Das ist doch eine Farce, mag man denken. Warum tun „die“ sich das immer wieder an, riskieren sogar den Ruf honoriger Persönlichkeiten, wenn’s doch eh wieder nix wird? Die Antwort ist einfach. Fred Thurnheim, der Präsident des „Österreichischen Journalisten Clubs“ hat sie gleich in der ersten Minute der Antritts-Pressekonferenz des Medienrates ganz unverblümt gegeben:
„Wir haben gleich eine Botschaft an die Politik […]: Das Selbstkontrollorgan für die Medien in Österreich, der österreichische Medienrat, ist hiermit gegründet. Er funktioniert ab dem heutigen Tag und daher ist eine Verschärfung des Mediengesetzes, wie es die Justizministerin andenkt, nicht mehr notwendig. Wir können, und wir sind in der Lage, die österreichische Medienlandschaft selbständig zu kontrollieren und auch entsprechend zu organisieren, was die Ethik des Journalismus betrifft.“
Strengere Mediengesetze — und damit eine Beschränkung der Medienfreiheit — zu verhindern, muss für ein Selbstkontrollorgan kein Geburtsfehler sein, wie der deutsche Presserat beweist. Auch er wurde 1956 aus der selben Motivation heraus gegründet.
Aber warum funktioniert dann der deutsche Presserat trotz beschränkter Sanktionsgewalt ganz gut, während man in Österreich nicht mal weiß, wie das Kind gerade heißt und ob’s noch atmet?
Offenbar fürchten die Medien in Deutschland, dass im Falle eines reinen Gesetz-Verhinderungsrates tatsächlich die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen könnte. Hierzulande scheint diese Sorge weniger begründet. So gesehen spiegelt die Qualität des österreichischen Medienrats nur jene der österreichischen Medienpolitik.
„Österreich“ titelte heute mit Die Türkei provoziert Österreich.
Gemeint war das Interview mit dem Türken-Botschafter Kardi Ecved Tezcan in der „Presse“, das man jedoch nicht besonders genau gelesen zu haben scheint:
Der Journalist und Tezcan einigen sich im Gespräch bereits ganz am Anfang, dass Tezcan seine persönliche Meinung wiedergibt und nicht in seiner Funktion als Diplomat spricht. Dass das Gespräch weiters nicht mit dem türkischen Außenminister abgesprochen war, stellte die APA am 10.11 bereits vormittags fest, lange vor Redaktionsschluss.
Ein weiterer kleiner, aber feiner Unterschied (Vorsicht, für Querleser kaum zu bemerken): Tezcan sagt niemals UNO soll weg aus Österreich, wie er zitiert wird. Korrekt lautet der Wortlaut:
Wenn ich der Generalsekretär der UNO (…) wäre, würde ich nicht hier bleiben.
Auch das unter Anführungszeichen stehende Ihr seid schuld an Ghettos sucht man im Interview vergebens. Dieser Satz dürfte dem „Zitat“ zugrunde liegen:
Wenn Türken in Wien Wohnungen beantragen, werden sie immer in dieselbe Gegend geschickt, gleichzeitig wirft man ihnen vor, Ghettos zu formen.
Das könnte man mit viel gutem Willen als Schuldanklage werten – wäre da nicht noch ein zweiter Absatz, der genau diese Anklage wieder relativiert:
Ich werde nicht nur den Österreichern Vorwürfe machen. Wir haben auch Probleme, mit anderen Leuten in Kontakt zu treten. Warum? Migranten in New York oder anderswo formen auch Ghettos. Das Erste, was sie im Ausland machen, ist, Landsleute zu suchen.
Klingt irgendwie nicht nach Ihr seid schuld an Ghettos.
Nationafeiertage scheinen mediale Mikro-Saure-Gurken-Zeit zu sein: Ausgehend von einer APA-Meldung wurde von vielen Zeitungen Österreichs, wie DerStandard.at, „Österreich“ und Kleine Zeitung kurz vor dem Nationalfeiertag eine Studie des Zentrums für Zukunftsstudien an der Fachhochschule Salzburg zitiert, wonach jeder zweite Österreicher „stolz“ auf sein Heimatland ist. In allen Berichten wurde darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse in den verschiedenen Bundesländern erheblich variieren.
Doch wie sicher können solche Daten sein, wenn eine Stichprobe von nur 1000 Personen für ganz Österreich auch noch auf die Bundesländer verteilt wird? Diese 1000 Personen können mathematisch auf zwei Arten auf die Bundesländer verteilt werden. Österreich teilt sich in neun Bundesländer auf, wenn man dies durchrechnet, dann sind das im Falle dieser Umfrage im Schnitt etwa 111 Befragte pro Bundesland.
Wurde die Stichprobengröße jedoch der Einwohnerzahl angeglichen, dann wurden in Wien 200 Personen befragt und im Burgenland nur noch 30. Auffallend ist zumindest, dass es in Burgenland und Vorarlberg, den kleinsten Bundesländern, der Ausschlag am höchsten ist. Liegt das vielleicht daran, dass nur eine Handvoll Menschen befragt wurde, die für ein beinahe zufälliges Ergebnis sorgen?

Über die richtige Größe der Stichproben für eine valide Aussage streiten sich die Geister, obwohl anzunehmen ist, dass hier beide Arten der Verteilung der 1000 Befragten zu keinem befriedigenden Ergebnis führen: Nach diesem Stichprobenkalkulator dürften 111 Personen für Wien (bei Methode A) oder 30 Personen für das Burgenland (bei Methode B) jedenfalls sehr deutlich zu wenig sein.
Die Medien, die solche APA-Meldungen drucken, scheinen die Angaben leider nicht zu hinterfragen.


