Wir recherchieren nach,
damit ihr nicht müsst.

Kategorie: ORF

Andreas Quatember lehrt Statistik an der JKU Linz. Der folgende Beitrag erschien zuerst auf seiner Instituts-Homepage in der Rubrik “Unsinn in den Medien”.

Jeder dritte Schulwegunfall im Herbst

Jeder dritte Schulwegunfall passiert im Herbst zwischen Oktober und Dezember, warnt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Vor allem in Oberösterreich passieren die meisten Schulwegunfälle in der dunklen Jahreszeit, so eine Studie.

Heuer passierten in Oberösterreich allein in der ersten Jahreshälfte bereits 32 Schulwegunfälle. Die Statistik zeigt, dass in der Zeit zwischen Oktober und Dezember das Risiko für die Schulkinder noch weiter steigt. Denn von den 64 Unfällen im Vorjahr passierten 20, also etwa ein Drittel in der sogenannten dunklen Jahreszeit. […]

(Quelle: orf.at, gefunden von Christoph Pamminger)

Um auf dem Schulweg überhaupt einen Unfall haben zu können, muss ein(e) Schüler(in) in die Schule gehen. Das tun sie in Österreich von 52 Jahreswochen ca. in

  • 12 Frühlingswochen (13 – 1 Osterferienwoche),
  • 4 Sommerwochen (13 – 9 Sommerferienwochen),
  • 13 Herbstwochen (keine Ferien) und in
  • 10 Winterwochen (13 – 2 Weihnachtsferien- und 1 Semesterferienwoche).

Der Herbst stellt mit 13 von insgesamt 39 also genau ein Drittel aller Schulwochen. Mit 20 von insgesamt 64 Schulwegunfällen passierten in Oberösterreich im Vorjahr allerdings nur 31,2 % aller Unfälle im Herbst. Also – wenn überhaupt – dann sind im Herbst im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten sogar verhältnismäßig weniger Unfälle zu verzeichnen. Einfach die vier Jahreszeiten als gleich lang zu betrachten, wenn man Schulwegunfälle untersucht ist natürlich Unsinn. Oder was halten Sie von folgender Schlagzeile?

August sicherster Schulwegmonat
Noch nie sind im August Unfälle am Schulweg passiert!

Trotzdem sollten Eltern natürlich auf reflektierende Kleidung achten und Kinder diese auch anziehen. Aber das ist eine andere Geschichte …

Ganz wohl war dem ORF offenbar nicht, als er gestern zum zweiten Mal einen mit Gebührengeldern gekauften 9/11-Verschwörungsfilm aus dem Internet zum „dok.film“ adelte. Daher verabschiedete er sich gleich zu Beginn der Ausstrahlung von seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag und distanzierte sich vom eigenen Programm:

Der folgende Dokumentarfilm „9/11 Mysteries“ wurde von der amerikanischen Autorin Sophia Smallstorm [sic! Das ist ein Pseudonym, die Dame heißt Sofia Shafquat] im Jahr 2006 produziert. Smallstorm widerspricht darin den offiziellen Darstellungen der Ereignisse vom 11. September 2001.

Der ORF stellt diese spekulative Ansicht zur Diskussion, distanziert sich jedoch von anfälligen [sic!] Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen.

In anderen Worten, der ORF macht mitten in den Raum ein Häufchen und sagt: „Ist nicht von mir, ich stell das nur zur Diskussion.“

Wie eine profunde Diskussion entstehen soll, wenn der ORF den Zusehern das nötige Hintergrundwissen vorenthält, um eloquent dargebrachte Falschbehauptungen, Verdrehungen und Unterstellungen als solche zu erkennen, bleibt sein Geheimnis. Dabei haben diese Arbeit schon andere auf sich genommen. Der ORF hätte nur die kommentierte Version der Doku senden müssen. Wo sich jemand die Mühe gemacht hat, praktisch jeden zweiten Satz per Insert zu relativieren oder mit Fakten zu widerlegen.

Auch der Privatsender HISTORY hat sich des Themas angenommen. In „The 9/11 Conspiracies, Fact or Fiction“ werden nahezu alle 9/11-Verschwörungstheorien und -filme aufgegriffen (auch der vom ORF) und Experten mit deren Aussagen konfrontiert. Im Rahmen unseres Bildungsauftrags senden wir die englischsprachige Doku im Anschluss an diesen Beitrag — ganz ohne Distanzierung.

Clunkity Clunk

Wem dieser Film zu lang ist, dem empfehle ich dennoch exemplarisch die Stelle bei 27:56. Im ORF behauptete Sophia Smallstorm Sofia Shafquat ja, der Einsturz jedes Turms hätte im Normalfall 96 (!) Sekunden dauern müssen — da haben vielleicht doch einige kurz gestutzt. Im HISTORY-Interview erklärt sie aber unwiderlegbar, warum es ohne Sprengung unmöglich schneller hätte gehen können:

[Less than 15 seconds] that’s basically free-fall speed. I have a hypothetical demonstration. A collapse is „clunkity clunk … clunkity clunk … clunkity clunk …“, floor by floor. Say that 110 times. And a major Republican tried this. He took his watch with the second hand and he said ‚clunkety clunk‘ 110 times. It took him over three minutes.

[Weniger als 15 Sekunden] das ist praktisch freier Fall. Nehmen wir dieses theoretische Beispiel: Ein Einsturz ist „clunkity clunk … clunkity clunk … clunkity clunk …“, Stockwerk für Stockwerk. Sagen Sie das 110 Mal. Ein bedeutender Republikaner hat das ausprobiert. Er nahm den Sekundenzeiger seiner Uhr und sagte ‚clunkity clunk‘, 110 Mal. Er benötigte dafür über drei Minuten.

Der Treppenwitz

Noch 2003 weigerte sich der ORF trotz zahlreicher Proteste standhaft, eine kritische Dokumentation der Filmemacherin Nathalie Borgers über die Kronen Zeitung ins Programm zu nehmen. Begründung damals: Die Produktion entspräche in mehreren Punkten nicht den Qualitätskriterien für ORF-Dokus. Und Wolfgang Lorenz weiter:

Wo in einer Dokumentation Fakten und Analysen gefragt wären, bleibt die Gestalterin in der bloßen Illustration von Vorurteilen hängen.

Und jetzt — auch wenn die Marke ruiniert ist — unser „dok.film“:

Video: Kronen Zeitung – Tag für Tag ein Boulevardstück

1. Die „Kleine Zeitung“ lässt am 25.05. in einem Bericht über Tornados in den USA vier Tote sterben:

2. Wie man solche Fehler vermeidet, zeigt die Printausgabe der „Presse“ am 29.05. auf Seite 45:

3. Der ORF verwandelt am 12.04. Staatssekretär Sebastian Kurz im Interview zu einer Frau Schittenhelm (nach 4:20 min):

4. Nach dem Erdbeben in Japan war man bei Oe24.at so verwirrt, dass man seitdem die Erdrotation im gleichen Artikel für um 1,8 Mikrosekunden erhöht und weniger Zeilen darunter wieder für verkürzt hält:

Herzlichen Dank u.a. an Tom und Klaus für die Hinweise.

In der ZIB 24 vom 26.5. bekam man zur Verhaftung des ehemaligen Oberbefehlshabers der Armee der bosnischen Serben folgenden Satz zu hören:

Ratko Mladic, der Mann, der verantwortlich ist für das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem 2. Weltkrieg.

Selbst bei diesem heiklen Thema gilt für den Angeklagten immer noch die Unschuldsvermutung.

 

Tatsache ist, dass sich Medien mit vorverurteilenden Aussagen zurückhalten müssen, bis das Urteil offiziell verkündet wurde. Dies gewährleistet dieser Paragraph des österreichischen Mediengesetzes.

Auch das International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia hat sich hier gegen eine Vorverurteilung und für die Unschuldsvermutung und einen fairen Prozess ausgesprochen.

Danke für den Hinweis an einen Leser.

Wer in der Grazer Innenstadt sein Auto in eine Parkgarage stellt, muss ordentlich blechen. Zumindest laut einer „Studie“ des Webportals Hotelreservierung.de. Darin wurden 339 Parkhäuser in ganz Europa verglichen, und die Stadt Graz ist absoluter Preis-Spitzenreiter. Durchschnittlich zahle man hier 62 Euro pro Tag:


Aber es kommt noch teurer:

So kassiert ein Parkhaus in Graz in Österreich sage und schreibe 96 Euro [für ein Tagesticket, Anm. des Autors], was 573% über dem internationalen Schnitt von 14,27€ liegt.

96 Euro pro Tag! Wahnsinn! Dem Horrorpreis liegt eine einfache Rechnung zugrunde: 4 Euro Stundenpreis x 24 Stunden = 96 Euro. Diese  Milchmädchenrechnung kam zustande, weil für die Studie nur online recherchiert wurde und für Graz gerade einmal zwei Parkhäuser (statt etwa 30) herangezogen wurden (ganz unten im Bild, unter dem Punkt Erhebungsbasis). Und auf der Website des Parkraumservice Graz fand man bis vor wenigen Tagen eine wichtige Info noch nicht: Dass es jeweils ein Tagesmaximum von 40 Euro gibt. Könnte man aber, zum Beispiel, leicht per Telefonat oder über die Arbeiterkammer (PDF) herausfinden. Die knapp 100 Euro pro Tag sind also falsch, ebenso der Grazer Durchschnitt von 62 Euro, der liegt laut Arbeiterkammer-Tabelle etwa bei 23 Euro.

Trotzdem kam der Bericht über die horrenden Parkgaragenpreise in Graz in zahlreichen österreichischen Medien. Beispielsweise auf Orf.at, wo der unbekannte Autor pflichtbewusst angibt, die Geschichte online gegenrecherchiert zu haben. Und da fand er eben kein Tagesmaximum. Vielleicht wäre hier die gute alte Telefonrecherche besser gewesen. Auf DerStandard.at ist zudem verwirrterweise einmal von 93, einmal von 96 Euro die Rede.

Dass es auch anders geht, zeigt die Kleine Zeitung. Dort hat man sorgfältiger recherchiert und bei Parkraummanager Günter Janezic nachgefragt.

Danke an Lukas A. für den Hinweis via Facebook.

Der Wikipedia-Artikel über Janet Jackson beginnt mit:

Mit mehr als 130 Millionen verkauften Tonträgern gilt sie als eine der erfolgreichsten Interpretinnen der 1990er Jahre.

Dem Satz konnte die APA offenbar nicht widerstehen, als sie erfuhr, dass Janet Jackson den diesjährigen Lifeball besuchen wird:

Die Presse.com:

Krone.at:

ORF.at:

Keiner Nur einer dieser Artikel ist übrigens mit dem Kürzel der APA versehen.

Update: Den Satz dürfte bereits die Presseabteilung des Life Balls abgeschrieben haben, denn er stand in deren Presseaussendung. Danke an „Fg68at“ für den Hinweis in den Kommentaren.

Statistiken sind nicht einfach zu interpretieren – das haben uns die österreichischen Medien schon öfters gezeigt.

Opfer der Statistik wurde dieser Tage die APA, als sie über die neuen Daten der Media-Analyse berichtete. Die größte Reichweite bei den Tageszeitungen hat laut der Media-Analyse, wie auch in den vergangenen Jahren, die „Kronen Zeitung“ (38,9 % österreichweit, 35,6 % in Wien), deren Chefredakteur bekanntlich Christoph Dichand ist. Seine Ehefrau Eva Dichand, Herausgeberin der Gratiszeitung „Heute“, durfte sich ebenfalls über gute Reichweitenwerte freuen (12,0 % österreichweit, 37,6 % in Wien) – da fragt man sich, wie viele Menschen in Österreich eines der beiden Dichand-Blätter lesen. Die APA fand das scheinbar heraus und ORF.at, die Wiener Zeitung sowie relevant.at übernahmen diese Meldung:

„Das Ehepaar verwaltet gemeinsam ein beeindruckendes Imperium: Von insgesamt 5,2 Millionen Tageszeitungslesern in der Republik griffen mehr als 3,6 Millionen zu einer der beiden Dichand-Zeitungen.“

3,6 Millionen sind viele Menschen, das wären immerhin 69,23 Prozent aller TageszeitungsleserInnen. Aber wie kommt man auf diese 3,6 Millionen? Die APA scheint hier zusammengezählt zu haben: Laut Media-Analyse lesen 2.764.000 Menschen die „Kronen Zeitung“, 849.000 „Heute“. Addiert man die beiden Zahlen, kommt man tatsächlich auf gerundete 3,6 Millionen.

Leider wurde ein Detail am Rande nicht beachtet: Es gibt in Österreich doch einige Menschen, die zu mehr als einer Zeitung täglich greifen – diese wurden also doppelt gerechnet.

Gestern um 14:13 berichtete die APA über das steirische Sparbudget und die dazu gehörige Diskussion im Landtag. Auch die Kleine Zeitung zog um 14:23 nach und veröffentlichte einen Artikel dazu. Und natürlich ist auch auf ORF Steiermark ein Bericht darüber zu lesen.

Screenshot kleine Zeitung

Klingt im ersten Moment alles ganz normal. Komisch nur, dass diese Sitzung erst rund zwei Stunden später um 16 Uhr statt fand, so unser Hinweisgeber Bernd Pekari. Auf der Homepage des Landtags wurde die Sitzung per Livestream übertragen, der bestätigte, dass die Anträge erst ab 16 Uhr diskutiert wurden.

Die medizinische Wirkung von homöopathischen Präparaten ist, ich will es einmal milde formulieren, äußerst umstritten. Oder besser gesagt: Wissenschaftlich betrachtet nicht vorhanden.

Das scheint aber noch nicht bis zum ORF Oberösterreich durchgedrungen zu sein. Das Thema: Eine österreichische Homöopathengesellschaft, konkret die Ärztegesellschaft für klassische Homöopathie (kurz ÄKH), fordert mehr Krankenkassenleistungen. Schon jetzt zahlt die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse für homöopathische „Medikamente“, aber auch der teure Besuch beim Homöopathen sollte laut ÄKH zukünftig abgegolten werden. Was in der Sendung Oberösterreich Heute vom 17.03.2011 dann dem Zuschauer präsentiert wurde, ist einseitig, blauäugig, manchmal schlichtweg falsch und zweitweise regelrechte Homöopathie-Propaganda.

Hier nur einige der vielen haarsträubenden Zitate aus dem sechsminütigen Beitrag:

Mit Arzneien, die so verdünnt verabreicht werden, dass Wirksubstanzen nicht nachweisbar sind. Die Wirkung wird nur durch den Informationsgehalt der Arznei erreicht.

Nun müsste dem Zuschauer nur noch jemand erklären, was der „Informationsgehalt der Arznei“ ist.

Wobei die klassische Homöopathie auch ihre Grenzen klar darlegt und nach Operationen oder im Fall von Krebs oft zusätzlich zur Chemo- oder Strahlentherapie angewendet wird.

Dass Homöopathie zusätzlich hilft, Krebs zu heilen, ist beinahe schon fahrlässig falsch.

In der Schweiz haben ein Bericht, der der Homöopathie wissenschaftliche Effektivität bescheinigt und ein Volksentscheid dazu geführt, dass ab 2012 die Kassen homöopathische Behandlungen bezahlen.

Das ist ebenso nur teilweise richtig, das beweist schon die Lektüre des zugehörigen ORF-Online Artikels. Dort findet sich im letzten Absatz nämlich der Beschluss des Eidgenössischen Department für Inneres und der lautet folgendermaßen:

Bis heute fehlt der Nachweis, dass diese fünf Behandlungsmethoden (Homöopathie, anthroposophische Medizin, Neuraltherapie, Phytotherapie und die traditionelle chinesische Medizin – Anm. des Autors) gesetzlichen Kriterien der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit [sic] und der Wirtschaftlichkeit (WZW) vollumfänglich erfüllen.

Im Studiogespräch von Oberösterreich Heute geht es in diesem Tonfall weiter. Geladen sind klarerweise keine Kritiker der Homöopathie, sondern ein praktizierender Homöopath und Prim. Prof. Dr. Maximilian Gstöttner von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Letzterer lässt keinen Zweifel mehr:

[…] völlig außer Streit ob Homöopathie wirkt oder nicht. Sie wirkt.

Und wer freut sich schlussendlich über diese Berichterstattung? Eh klar: die ÄKH. Damit die Krankenkassen weiter/noch mehr für angeblich heilende Zuckerkugeln blechen.

(Dank an Stefan Löffler für den Hinweis.)

In einem Artikel zum Erdbeben in Japan verlinkt ORF.at You-Tube Video. Blöd nur, dass es nicht Japan, sondern das Erdbeben in Neuseeland im Dezember zeigt. Um das zu sehen, muss man kein Experte sein:

Hinweis Nr. 1: Police statt 警察?
Screenshot Police

Hinweis Nr. 2: Eine Kirche, in Japan?
Screenshot der Kirche

Die irgendwie auch stark dieser Kirche ähnelt, die in Christchurch steht:

Foto (cc) Helmut Pfau.

Danke für den Hinweis an Helmut Decker.