In seriösen Medien haben Sätze in Anführungszeichen eine klare Bedeutung: Sie kennzeichnen die wörtliche Wiedergabe von andernorts Gesagtem oder Geschriebenem. Bei Straßenblättern wie der „Kronen Zeitung“ ist das ein bisschen anders. Dort werden Anführungszeichen auch als Stilmittel verwendet, um Erfundenem mehr Nachdruck zu verleihen:
Gewusst hat es längst jeder*, jetzt aber geben es die Täter auch noch zu: Facebook hilft […] auch beim Einbrechen! […] 78 Prozent der ehemaligen Täter gestehen: „Ja, wir nutzen Facebook & Co.“
„Nein, wir nutzen es nicht. Denn erstens sind wir Ex-Einbrecher und zweitens…“ ist das Zitat schlicht gelogen. Denn nicht einmal die Grundaussage stimmt, wie unsere BILDblog-Kollegen in einer mittlerweile dreiteiligen Serie aufgezeigt haben: 39 Ex-Einbrecher hatten lediglich angegeben, dass sie glauben, dass Facebook, Twitter und Co. bei Einbrüchen ihrer aktiven Kollegen eine Rolle spielen. Eine reine Mutmaßung, die nichts darüber aussagt, bei wie vielen Einbrüchen — und ob überhaupt in signifikantem Ausmaß — das in der Realität der Fall ist.
Im englischen Originalartikel wird auch „Google Street View“ als mögliche Infoquelle für Beutezüge erwähnt. Also jene Straßenpanoramen, die nicht aus dem All, sondern von speziellen Google-Autos am Boden aufgenommen werden. Das Problem: „Google Street View“ existiert in Österreich gar nicht. Wie erzeugt man nun bei den eigenen Lesern Betroffenheit und Angst vor etwas, dass es in Österreich gar nicht gibt?
Auch dafür hat die „Krone“ schnell mal was erfunden:
Und nicht nur das. Auch die Satellitenbild-Funktion bei „Google Maps“ ist für die Kriminellen Gold wert. Wo ist der nächste Nachbar, gibt es einen Zaun, wo kann ich mich verstecken — die Antworten auf all diese Fragen werden den Einbrechern per Internet bequem nach Hause geliefert. 74 Prozent der Profi-Gangster vertrauen auf die Hilfe aus dem All.
Kunstvolle Angst-Prosa, frei erfundene Zitate und schaurige Fantasiegeschichten, die sich um einen kleinen, wahren Kern ranken. Die Grenze scheint nicht nur am Kiosk fließend, zwischen Groschen-Heft und „Kronen Zeitung“.
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*) Eine Legende, an der die „Krone“ fleißig strickt, siehe auch die Schlagzeilen in diesem älteren Kobuk.
Ob Priester im Notstand, Polizisten in „Notwehr“ oder ein Minister, der zu schön um wahr zu sein. Was die „Krone“ auszeichnet, ist ein untrügliches Gespür, wann den Mächtigen und Institutionen des Landes Unrecht widerfährt. Schlagen sich andere Medien allzu leichtfertig auf die Seite der Schwachen, Gepeinigten und Übervorteilten, weiß die „Krone“ um ihre staatstragende Verantwortung als Blitzumleiter des Volkszorns: Würde auch sie Öl in die schwelenden Feuer gießen, geriete womöglich das Gefüge des Landes ins Wanken — und am Ende noch sie selbst.
Drum hört nicht auf jene, die unser Land schlechtschreiben. Lasst uns in Leserbriefen gemeinsam den immer gleichen Mond anheulen. Aber stellt keine neuen Fragen, ruft nicht nach Aufklärung. Österreich ist schön. Die Kirche ist heilig. Grasser der Beste. Und unsere Banken sind sicher!
„So sicher sind unsere Banken — Experten bestätigen, dass man sich keine Sorgen machen muss“
(Kronen Zeitung, 29.10.2011, S. 10)
Wie „Das Biber“ entdeckte, berichtete „Österreich“ in der Ausgabe vom 13. Oktober über den hohen Ausländeranteil in Österreich. Die Grafik wies zumindest einen Fehler auf:
Die „Krone“ toppte „Österreichs“ faux pas in der Krone Bunt vom 16. Oktober und verlegte Serbien nach Bosnien:
Nicht der erste Kobuk vom Balkan.
So harmlos kommt er daher, dieser Gesundheitstipp in der heutigen Kronen Zeitung. Im Schafspelz bis kurz vors Finale, als würd’s wirklich nicht um Umsatz gehen. Und dann noch als vertrauenswürdige Empfehlung eines Arztes, nicht anonym von irgendwo aus USA, sondern von quasi nebenan. Das ist schon wirklich gut gemacht:
Ohne Ironie, kurz war ich selbst so weit, mir gleich heute so einen Kaugummi zu besorgen. Die Kunst ist ja auch, die Leute glauben zu machen, dass sonst bis zum Abend die Zähne verfaulen. Aber faul ist hier was ganz anderes…
Links (ungekürzt): der redaktionelle „Krone“-Artikel vom 22.9.
Rechts (gekürzt): Presseaussendung des Kaugummiherstellers Wrigley vom 14.9.
Krone:
Zwei von drei Österreichern haben mittags keine Gelegenheit, Zähne zu putzen — so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. Aber auch wer häufig unterwegs ist, kann leicht auf Mundhygiene achten.
Wrigley:
Nur rund jeder 3. Österreicher hat laut einer 2011 durchgeführten Market-Umfrage mittags Gelegenheit zum Zähneputzen. Fazit: Auch wenn man viel unterwegs ist, kann man zwischendurch einiges für Mundhygiene und Zahngesundheit tun.
Krone:
Tagsüber nach Möglichkeit auf zu süße oder scharfe Speisen verzichten. Vorsicht, Softdrinks sind Zahnschmelzkiller Nummer 1!
Wrigley:
Verzichten Sie mittags unterwegs nach Möglichkeit auf zu süße oder scharfe Speisen […] Softdrinks sind die Zahnschmelzkiller Nummer 1!
Krone:
Nach dem Essen (das gilt auch für Snacks!) den Mund gründlich mit Wasser ausspülen und nach Möglichkeit Zahnseide verwenden.
Wrigley:
Nach jedem Essen oder Snack sollten zumindest die groben Speisereste entfernt werden. Verwenden Sie nach Möglichkeit Zahnseide und spülen Sie den Mund auch nach kleinen Mahlzeiten regelmäßig kräftig mit Wasser aus.
Krone:
Am besten nach jeder Mahlzeit oder süßen Getränken auf zuckerfreien Kaugummi setzen. 10 bis 20 Minuten im Mund behalten. „Dadurch werden vermehrt Speichel gebildet und Säuren neutralisiert“, erklärt Zahnarzt DDr. Paul Moser aus Großgmain, Salzburg.
Wrigley:
Der Haupteffekt des Kauens von zuckerfreien Kaugummis liegt in der erhöhten Speichelproduktion, die eine Neutralisation des Säuregehaltes […] zur Folge hat. […] Gekaut werden sollte idealerweise nach jedem Essen oder Trinken, wenn Zähneputzen nicht möglich ist. Studien zufolge ist eine Kauzeit von 10-20 Minuten […] optimal. „Zuckerfreier Kaugummi stellt eine sinnvolle Ergänzung der täglichen Zahnpflege dar[…]“, erklärt DDr. Moser [Facharzt für Zahnheilkunde in Salzburg]
Oder vielleicht doch lieber ne Karotte…?
Da müht man sich ab, in den besten Redaktionen des Landes,
trotzt mit gefüllter Portokassa den kleinkarierten Beschränkungen des Medienrechts
und pfeift auf journalistische Moral und Ehrenkodex sowieso.
Immerhin hat man einen Informationsauftrag zu erfüllen. Muss den Lesern ein gnadenlos recherchiertes Bild vermitteln, über diesen abartigen Eigenbrötler, der sich nie am Gemeindeleben beteiligte und in keinem Verein war:
Außer beim ASKÖ, über 60 Jahre — doch was kümmern uns unsere Lügen vom letzten Tag? Heut ist wahr. Gestern war.
Und dennoch gibt es immer noch Menschen, die diesem “Inzest-Monster” die … Stange halten:
Die trotz aller Aufklärungsarbeit der Top-Journalisten-Richter-Henker dieses Landes erst ein Gerichtsurteil abwarten möchten, oder zumindest die offizielle Anklage, bevor sie sich über diesen Mann — von dem sie derzeit gesichert nur wissen, dass er von seinen Töchtern mehrere Tage hilflos am Boden liegen gelassen wurde und nun schwer von ihnen beschuldigt wird — ihr eigenes Urteil bilden. Ja lesen diese Menschen denn keine Zeitung?!
Ein „Heute“-Redakteur bringt kopfschüttelnd und leicht fassungslos auf den Punkt, was er von der Einstellung solcher Bürger hält, die das mediale Vor-Urteil infrage stellen:
Wahnsinn!
Update 9.9.2011: Der Verdächtige wurde heute aus der U-Haft entlassen. Die Inzest-Vorwürfe waren Medienberichten zufolge ein Missverständnis bei der Einvernahme der beiden geistig beeinträchtigten Schwestern. Und jetzt einfach noch mal die Bilder anschauen, in diesem Artikel.
Seufz. Da bemüht sich der „Standard“ seit Wochen in einer äußerst lesenswerten Serie, mit „Mythen der Lebensrettung“ aufzuräumen und die „Krone“ setzt neue in die Welt:
Der Pensionist […] hatte bereits aufgehört zu atmen. Doch der diplomierte Krankenpfleger wusste sofort, was zu tun war. „Stabile Seitenlage, Herz-Lungen-Reanimation. Ich ahnte, dass es noch nicht zu spät ist“, erzählt der 44-Jährige.
Dabei ist so eine Seitenlage ja durchaus hilfreich (außer halt bei Herzstillstand). Auch beim Lesen der Kronen Zeitung. Dort nicht primär wegen der Gefahr des Erbrechens, sondern weil sie neue Perspektiven eröffnet. Zum Beispiel darauf, wie die „weltgrößte Zeitung“ es mit dem Urheberrecht hält:
„Foto: Internet“
Quelle: Zeitung. Ich hab das Foto trotzdem gefunden und die Fotografin gleich dazu. Nein, sie heißt nicht „Internet“ und war gelinde gesagt etwas überrascht, dass die „Krone“ so was nötig hat:
Nein, die „Krone“ hat bei mir nicht angefragt. Ich finde das aber auch überhaupt nicht in Ordnung! Ich weiß aber jetzt auch nicht so genau, was ich machen soll, werde mal googeln.
Vielleicht haben unsere Leser ja einen Tipp?
Einer Fotografin hätte die „Krone“ laut Honorarrechner jedenfalls um die 100 Euro zahlen müssen, plus jetzt 100 % Strafaufschlag wegen fehlender Namensangabe. Eine Hobbyfotografin hingegen, würde sich in Österreich strafbar machen, wenn sie ihr Bild verkauft (Update: Das gilt „nur“ für Auftragsarbeiten — danke für die Hinweise in den Kommentaren). Aufgrund unserer, in der entwickelten Welt ziemlich einmaligen Gewerbeordnung, die mittlerweile sogar Ziel einer Protestinitiative ist.
PS: In der Morgenausgabe sind die Kobuks der gestrigen Abendausgabe korrigiert. Ein aktuelles Foto des Lebensretters mit korrekter Urheberangabe hat noch den Weg ins Blatt gefunden und die stabile Seitenlage erfolgt nun nach der Reanimation. Damit schrammt der größere Teil der Auflage an diesem Kobuk vorbei. Aber wenn’s schnell gehen muss, mal eben die Bilder klauen, ist dennoch keine Art.
[Update 13.9.]
Vergangenen Freitag erreichte uns diese erfreuliche Nachricht der Fotografin:
Hallo […] ich wollte mich bei Ihnen noch mal bedanken. Ich habe der Krone eine Rechnung über 220 € für das „geklaute“ Foto gestellt und mit Klage gedroht — sie haben sich bei mir entschuldigt und das Geld heute überwiesen.
Rektor Seymour Skinner, alias Armin Tamzarian aus den „Simpsons“, schreibt erneut einen Leserbrief an die Kronen Zeitung. Diesmal mit einem Plädoyer gegen Fußball.
Vor einem Jahr erschien auf Kobuk ein Artikel über die menschenverachtende und pietätlose Berichterstattung von „Österreich“ über den Mord an Stefanie P. Der Artikel hatte immerhin eine Verurteilung durch den Medienrat zur Folge.
Nun findet der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter statt. Hat „Österreich“ dazugelernt? Nein, im Gegenteil: Auch andere Medien unterlassen den gesetzlich vorgeschriebenen Schutz von Persönlichkeit, Identität und Intimssphäre von Opfer und Tatverdächtigem zugunsten reißerischer Berichterstattung über Sex & Crime.
Das Medienrecht sieht in § 7a den Schutz vor identifizierender Berichterstattung vor, um Opfer und ihre Angehörigen nicht ein zweites, öffentliches Mal zum Opfer werden zu lassen und um zu verhindern, dass Verdächtige oder Verurteilte in Form eines ‘Medienprangers’ anstelle oder neben einer gerichtlichen Bestrafung eine soziale Ersatz- oder Zusatzbestrafung erfahren. (Korn, 2010)
Da die Dokumentation der Verstöße gegen diese Bestimmung diesen Blogeintrag sprengen würde (siehe Collage oben), gibt es hier alle Zeitungsausschnitte zum Mordfall Stefanie P. in einem separaten Album (von uns anonymisiert).
Die auffälligsten Verfehlungen der letzten Tage:
- Bilder des Angeklagten und des Opfers werden tagelang unverpixelt in Heute, Krone und Österreich abgedruckt. Dasselbe passiert in Onlineartikeln. Bei „Heute“ gibt man unverfroren zu, dass ein Foto des Opfers schlicht von Facebook stammt (siehe Bildcredit!). Auch der Kurier hält sich bei Philipp K. und Opfer Stefanie P. nicht zurück.
- Wie in den Zeitungsausschnitten ersichtlich, präsentieren „Österreich“ und die Krone (auf der Titelseite) den vollen Namen des Angeklagten und die Krone sogar den vollen Namen des Opfers und seiner Schwester. Der Beitrag ist zwar schon etwas älter, doch auch die Oberösterreichischen Nachrichten bringen ein unverpixeltes Foto und den vollen Namen des Opfers. Überraschenderweise reihte sich sogar die „Presse“ in diese Riege ein, wie man im Google-Cache eines Berichts noch sehen kann, hier wurde aber mittlerweile (vergleichsweise vorbildlich) schon korrigert.
- Allem Anschein nach herrscht in den Redaktionen Verwirrung darüber, wann und wie die Identität der Beteiligten geschützt werden muss. Beispiel Oe24.at: Online wird der Angeklagte verpixelt (das Foto kommt schließlich von der APA), aber trotzdem mit vollem Namen genannt. An anderer Stelle jedoch wieder abgekürzt. Auch die Krone gibt sich ungeschickt: Beim Video-Beitrag zum Prozess ist der Angeklagte zunächst unverpixelt und klar erkennbar, im Video selbst jedoch unkenntlich gemacht.
- „Österreich“ nimmt in der Ausgabe vom 5. Mai gleich das Urteil vorweg, denn „Lebenslang ist beinahe fix!“ Die in Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgeschriebene Unschuldsvermutung scheint nicht zu gelten.
- „Österreich“ und der Kurier finden es darüberhinaus angebracht, den Angeklagten plakativ mit dem Spitznamen „Milchgesicht“ zu betiteln, was sich über mehrere Artikel hinzieht.
- Ebenso unverschont bleibt das Privatleben der Beiden. Die Krone präsentiert, im öffentlichen Interesse natürlich, deren „Liebes-Collage“, das Magazin News zeigt in einer Online-Bilderstrecke Privatfotos und sogar intime Liebesbriefe.
Aus ihrem Interview in „Österreich“ schließen wir, dass die Mutter des Angeklagten ihr Gesicht bewusst in der Öffentlichkeit zeigen will. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass ihr Sohn, der mutmaßliche Täter, diese Ansicht teilt. Dass ein explizites Einverständnis vorliegt, ist zu bezweifeln, schließlich haben andere Medien brav verpixelt.
Wenn Philipp K. anonym bleiben wollte (was der Berichterstattung der APA nach durchaus denkbar ist), stellt sich die Frage, ob es zulässig ist, den Namen eines Verdächtigen abzukürzen, aber dann dennoch jedermann mittels des vollen Namens der Mutter über seine Identität zu informieren. Immerhin, rein rechtlich zählen sowohl Name als auch familiäre Beziehungen zu jenen Identifizierungsmerkmalen, die vom Identitätsschutzparagraphen (§ 7a MedienG) erfasst werden.
Der Ehrenpreis für den sinnfreiesten Versuch, die Persönlichkeitsrechte zu schützen, geht an Oe24.at: Sowohl Angeklagter als auch Opfer werden innerhalb der selben Seite je einmal verpixelt und einmal nicht:
Vielen Dank an Patrick, Alex, Petra, Tanja und Hannes, die alle an diesem Artikel mitgearbeitet haben!
Dass man in der Kronen Zeitung die Leserbriefe oft selbst schreiben dürfte, ist kein großes Geheimnis.
Hier frage ich mich aber, ob sich die Krone-Redaktion oder ein Krone-Leser diesen Spaß erlaubt hat: Denn Armin Tamzarian ist ein Charakter aus der Serie „The Simpsons“, uns allen besser als Rektor Seymour Skinner bekannt.
Danke für Hinweis und Twitpic an Florian Allesch!
Yilmaz‘ und Hans‘ Debatte zur Verwendung des belasteten Begriffs „Ostarbeiter“ durch die Krone hat viele Reaktionen hervorgerufen. Es zahlt sich aus, auch einen Blick auf den Inhalt dieser über mehrere Tage gehenden „Ostarbeiter“-Kampagne der Krone zu werfen. So sah die Seite 5 der Ostersonntagsausgabe aus:
Gleich im ersten Absatz steht:
Laut letzten Prognosen werden ab heute in einer Woche Zehntausende Ostarbeiter auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen. Exakt kann die Zahl nicht vorausgesagt werden – mit bis zu 30.000 muss aber in jedem Fall gerechnet werden
Abgesehen von der merkwürdigen Formulierung („bis zu“ + „in jedem Fall“) nennt der Autor/die Autorin hier keine Quelle. Die Zahl 30.000 kann auch sonst in der medialen Berichterstattung nicht gefunden werden.
Die meisten Medien beziehen sich in ihrer Berichterstattung auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), die am 11.4. von Sozialminister Hundstorfer präsentiert wurde. Laut Originaltext-Service der APA erwartet man auf Basis dieser Studie 21.000 – 26.000 Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern. Für welchen Zeitraum diese Zahl gilt ist nicht vermerkt. Auch die „Qualitätsmedien“ sind sich diesbezüglich nicht einig: Derstandard.at nennt 15.000 auf die ersten beiden Jahre, Diepresse.com bezieht die Zahl 21.000 – 26.000 ebenso in den ersten beiden Jahren, beide berufen sich auf Klaus Novotny vom Wifo.
Im zweiten Absatz bezieht sich die „Krone“ ebenso aufs Wifo:
Mit diesem ersten Ansturm [also die „bis zu 30.000“] ist es jedoch nicht getan, denn laut Wifo Studien werde es sich um ein längerfristiges Phänomen handeln: In den kommenden zehn bis zwanzig Jahren wird damit gerechnet, dass jährlich etwas mehr als 20.000 junge Arbeitskräfte aus dem Osten Interesse an Arbeit in Österreich zeigen werden.
Abgesehen davon, dass auch diese Angabe nirgends eine Entsprechung findet, ist die Formulierung irreführend. Der Leser/ die Leserin bekommt leicht den Eindruck, nach dem ersten Ansturm (bis zu 30.000) kämen pro Jahr nochmals 20.000 dazu. „Interesse zeigen“ kann allerdings nicht mit tatsächlichem Arbeiten in Österreich gleich gesetzt werden.
Auf der selben Seite findet sich ein Kommentar, das ein „Faules Osterei aus dem Osten“, das unvermeidliche Wolf-Martin-Gedicht zum Thema sowie die Warnung: „Auch Tunesier sind schon im Anmarsch“.