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und schauen fern.

Kategorie: Heute

Ich fasse mal zusammen:
Ein junges, blondes Mädchen mit kurzem Rock („Heute”) wurde in einer Wiener Nacht-U-Bahn von zwei Männern, die „überraschend gut Deutsch gesprochen haben“ („Krone”) sexuell belästigt („Heute”) … also angepöbelt („Heute” im selben Artikel). Eine Lehrerin rief schließlich: „Schleicht’s euch raus, es reicht!“ und zog Parallelen zu einer Vergewaltigung in der selben U-Bahnlinie. Daraufhin eskalierte die Situation und die Frau wurde von einem dritten Mann ins Gesicht geschlagen (APA) oder auch von allen drei Männern verprügelt („Heute”). Wobei sie jedenfalls einen Kieferbruch erlitt (APA), um genau zu sein, einen Bruch des Oberkiefers („Heute”).

Um ganz genau zu sein, gar keinen Bruch:

„Frau S., Sie kommen gerade aus dem Spital, wie geht’s Ihnen?“

„Mir geht’s jetzt körperlich besser. Es ist der Kieferbruch ausgeschlossen worden, aber ich bin einfach geschockt.“

(ORF „heute mittag”, 27.12.)

Da hat also mitten in der Nacht eine Reisende in der Wiener U-Bahn einen Fausthieb kassiert, nachdem sie — nach eigenen Angaben — einen Streit mit aggressiven Fahrgästen verbal eskaliert hatte. Und daraus macht die größte Nachrichtenagentur des Landes eine „EILT“-Meldung.

 

Um das klarzustellen: Es geht hier nicht um Verharmlosung oder Entschuldigung dieses Vorfalls. Sondern darum, wie Journalisten auf Biegen und Kieferbrechen eine Gewaltserie herbeischreiben, weil nach einer schrecklichen Vergewaltigung das Thema „U-Bahn-Horror für Frauen“ gerade so schön „zieht“. Und um noch ein bisschen anzuschieben, hat „Heute“ sogar eine Presseaussendung zur Story gemacht (die erste seit Monaten). Damit andere Medien zeitnah aufspringen und die Mär von der unheimlichen Serie gemeinsam erst so richtig ins Rollen bringen.

Lob in diesem Zusammenhang an ORF.at, das einzige(?) Medium, das dem Kieferbruch ein „angeblich“ vorangesetzt und damit (sehr indirekt) den Tipp für diesen Kobuk gegeben hat.

Während Berichte über die feministische Gruppe „Femen“ durch alle Medien geistern, verwendet „heute.at“ diese rein als Hingucker – Sex sells besser als Protest gegen Seximus und Zwangsprostitution.

Kategorie „love“ in der „heute.at“

Die ukrainische Gruppe „Femen“, die sich mit recht ungewöhnlichen Mitteln in die Aufmerksamkeit der internationalen Berichterstattung gekämpft hat, tritt ein für die Rechte von Menschen; dabei wendet sie sich beispielsweise gegen Sexismus und den Mißbrauch von Frauen als Zwangsprostituierte.

Die Methode, mit der „Femen“ vorgeht, ist tatsächlich recht ungewöhnlich: gut aussehende, junge Frauen, die ihren nackten Körper verwenden um Aufmerksamkeit für ihre politischen Themen zu bekommen. Dabei wird genau mit der Sexualisierung des weiblichen Körpers, die sie anklagen, gespielt.

Und, es funktioniert. Die Bilder geistern durch alle Medien und damit auch ihre Themen.

Nur „heute.at“ hat es nicht verstanden. Die führen die Bilder der Femen unter der Kategorie „Love“ und machen sich gar nicht weiter die Mühe, die Bilder auch noch in den politischen Kontext zu setzen, aus dem sie entstanden sind.

„Femen“ im Protest gegen EM-Prostitution

Und um das ganze noch zu toppen, lässt sich die „Heute“ von den Ideen der „Femen“ zu weiteren Schandtaten hinreißen.

Heute mit Pornobalken „Toooooor!“

Während die „Femen“ versuchen den Konnex von Prostitution und Fussball in ihrem Protest gut sichtbar zu machen, lässt sich die „Heute“ davon inspirieren, indem sie die Idee für ihren Hingucker verwendet. Ein deutsches Promisternchen, das im Zuge der EM mit Fußbällen um Aufmerksamkeit strippt, wird von „Heute“ mit einem Pornobalken verziert und mit „Toooooor!“ beschriftet.

Eigentor für „Heute“.

Update: Maria Jelenko, die Online-Chefredakteurin von „Heute“ hat uns per Kommentar und Email um „Richtigstellung“ gebeten, da schon vor Monaten diese „Hintergrundgeschichte“ zu FEMEN erschienen sei (ausnahmsweise verlinken wir mit voller URL):

www.heute.at/love/erotik/art23700,709608

Ohne Worte.

Ausnahmekünstler August Walla hat jetzt nämlich viele seiner Werke und Texte in dem Buch „walla.! weltallende“ zusammengefasst.

August Walla, der laut „Heute“ aktuell ein Buch herausgebracht haben soll, ist leider bereits im Juli 2001 verstorben. Tatsächlich ist der Herausgeber Johann Feilacher, der dieses Werk über das Leben des Ausnahmekünstlers mit Hilfe von Gastbeiträgen namhafter Autoren zusammengestellt hat.

Danke an Stefan Bachleitner für den Hinweis!

Im Goldenen Zeitalter Ovids gab es keine Gesetze, keine Furcht und keine Strafe. Im Goldenen Zeitalter der Autofahrer, das „Heute“ beschwört (Donnerstag-Ausgabe), war der Sprit billig, das Autofahren machte noch Spaß und Gesetze wie das der Inflation schienen nicht zu gelten:

Die Milchmädchenrechnung 35 Euro dividiert durch den jeweiligen Spritpreis mal Spritverbrauch stimmt nur leider nicht. Ich habe den Verbraucherpreisindex befragt, ob 35 Euro früher auch 35 Euro waren – hier das Ergebnis (und ohne Google-Maps-Copyright-Verletzung):

Von wegen Sölden, man kam ums gleiche Geld gerade mal übers Deutsche Eck, lediglich ein Drittel weiter als heute. Basel war erst recht nicht drin, die Füllung Diesel reichte nur bis Ulm. (Alle Formeln und Quellen dazu gibt’s übrigens hier.)

Und da ist noch nicht mal berücksichtigt, dass Autos vor 20 Jahren einen wesentlich höheren Verbrauch – und damit eine niedrigere Reichweite – hatten. (Update: Laut dem dt. Umweltbundesamt sank der Durchschnittsverbrauch von 1991 bis 2009 um 1,7 Liter pro 100 km. Danke an Michael Groh für den Hinweis!)

Ach früher war halt alles viel besser! Und die Autofahrer, ja die armen Autofahrer sind sowieso die Melkkühe der Nation.

Freie, unabhängige Medien sind die Wachhunde der Demokratie. Es ist daher nicht ganz unerheblich, von wem manche ihre schönsten Knochen kriegen — und nach welchen Kriterien. Man darf also schon mal seriös und fachlich fundiert die Presseförderung hinterfragen, in Österreich.

Oder man macht’s wie “Österreich”:

"Österreich", 21. 2. 2012, S. 4/5

Eine Presseförderung, wo die Regierung direkt sieben auflagenschwache Tageszeitungen finanziert, […] gibt es auf der Welt nicht mehr.

Was uns „Österreich“ über die Welt erzählt, sollte man immer mit Vorsicht genießen. Dabei hätte ein Blick nach Europa schon gereicht:

Internationale Zahlenvergleiche (aus diesem PDF, S. 63) sind naturgemäß mit Vorsicht zu genießen, aber weltweit einmalig, wie Wolfgang Fellner schreibt, ist direkte Presseförderung für finanz- und auflagenschwache Blätter keineswegs.

Schon eher einmalig, die Rechenkünste von „Österreich“:

So erhält etwa das regelmäßig von „Österreich“ zitierte unter Ausschluss der Öffentlichkeit erscheinende Wirtschaftsblatt pro verkauftem Exemplar 42 € Förderung. […]

42 Euro pro Exemplar: […] Das Wirtschaftsblatt erhielt 2011 743.850 Euro […] — bei einer verkauften Auflage (Direktverkauf) von 17.547 Stück pro Tag. Das sind 42 Euro Steuergeld pro verkauftem Exemplar!

… wenn das Wirtschaftsblatt an nur einem Tag im Jahr erschiene. Hoffen wir, dass kein flüchtiger „Österreich“-Leser die Fördersumme auf 250 Tage hochrechnet — ich sage nur #oocupyWirtschaftsblatt.

ÖSTERREICH kassiert keinen Cent Presseförderung.

Offiziell nicht. Nach Branchenschätzungen gibt die Politik allerdings jährlich knapp 100 Millionen Euro für mehr oder weniger sinnvolle Inserate aus. Alleine Wolfgang Fellners „Österreich“ soll laut Kurier zwischen 2006 und Mitte 2011 über 35 Millionen Euro für Inserate vom Staat und staatsnahen Betrieben erhalten haben. Das wären im Schnitt über 500.000 Euro pro Monat, das Meiste davon Steuergeld.

Bei „Heute“ ist die Summe ähnlich hoch, für Freunde des gepflegten Déjà-vus:

"Heute", 20. 2. 2012, S. 5

https://www.andreas-unterberger.at/2011/10/wie-viel-zahlt-die-oeffentliche-hand-den-boulevardzeitungenij/

Boulevard ist, wo jeder Tod ein Mord, jeder Diebstahl ein Raub und jeder Wind ein Orkan ist — und sagt jetzt nicht, das sei Betrug.

DJ Ötzi in Miami ausgeraubt
Während einer Mittagspause brachen unbekannte Täter den Produktionswagen auf und entwendeten fast das gesamte Equipment der Filmcrew. […] Auch eine Diebstahlsanzeige [sic!] bei der Polizei Miami blieb bis dato erfolglos.

Und weil’s bei den Kollegen von „Österreich“ grad so toll mit Photoshop geklappt hat, pflanzt auch „Heute“ den DJ ganz unauffällig vor ein paar Archivpalmen hin.

Update 29.1.2012: Was soll man von einer öffentlich-rechtlichen Sendung erwarten, die „Heute in Österreich“ heißt? Hier die Anmoderation der Ötzi-Story im ORF (abrufbar bis 3.2.):

Miami – nicht nur die Top-Touristenattraktion und der Ausgangspunkt für viele Reisende quer durch Florida. Miami zählt auch zu den gefährlichsten Städten von Amerika. Das musste jetzt auch Gerry Friedle alias DJ Ötzi am eigenen Leib verspüren. Er wurde während eines Videodrehs zu seinem neuen Album, das er gemeinsam mit dem US-Country-Duo „Bellamy Brothers“ herausbringt, ausgeraubt. […]

Also noch mal ganz langsam: Ein Fahrzeugeinbruch, in Abwesenheit des Besitzers, ist kein Raub (und hoffentlich auch kein Beleg für die Gefährlichkeit einer Stadt). Zu behaupten DJ Ötzi sei „ausgeraubt“ worden, ist daher ungefähr so zutreffend, wie seinem Gesang reale Körperverletzung zu unterstellen. Obwohl…

(Mit Dank an Erich T. für den ORF-Hinweis)

Eigentlich war die Idee ja gut und recht witzig, aber nicht leicht umzusetzen: Vier Headlines nebeneinander, alle mit demselben Beginn, dem Wort „Zum“ gefolgt von einem nominal gebrauchten Verb und einer kurzen Erklärung.

Drei Mal funktionierte das ganze auch:

Zum Abschied: Salesch sagt baba
Zum Staunen: Klaute Gaga Song-Ideen?
Zum Feiern: 007 ist seit 50 Jahren im Dienst

Doch gerade, als die „Heute“-Redaktion voll in Fahrt war, passierte der Fauxpas:

Poeten sind auch im heute arm dran.

In der Ausgabe vom 6.12. erzählt „Heute“ die Erfolge des spanischen „Tormanngottes“ Iker Casillas  in Bildern:

Doch der gezeigte „legendäre WM-Kuss beim Interview“ ist nur eine Imitation des berühmten Kusses Iker Casillas und seiner Freundin Sara Carbonero bei der WM 2010, wie man auf YouTube erkennen kann (am besten anhand des hineinmontierten Hintergrundes):

Falscher Kuss (Youtube):                                                      Richtiger Kuss (Youtube):

Österreich, die Süddeutsche oder das Abendblatt machten es im Juli 2010 richtig und veröffentlichten das originale Kussbild, auf Heute.at konnte kein früherer Bericht darüber gefunden werden.

(Danke an die beiden in Wien weilenden spanischen Touristen für den Hinweis!)

Die Gratiszeitung „Heute“ infomiert am 2.12. über himmelschreiende Ungerechtigkeiten der heimischen Justiz, über „Wahnsinns-Urteile“, nach denen einmal Lügen so viel koste wie 20 gebrochene Frauennasen:

Auch wenn die konkrete Strafbemessung für Laien schwierig erscheint, sollten Journalisten, die sich darüber lauthals und vorallem publizistisch mockieren, sich zumindest ein wenig schlau machen:

  • Geldstrafen berechnen sich nach Tagsätzen. Lediglich die Anzahl dieser Tagsätze richtet sich nach der Art und Schwere der Tat, und damit auch nach konkret vorliegenden mildernden oder erschwerenden Umständen, wie beispielsweise der (Un-)Bescholtenheit des Täters.
  • Die Höhe dieser Tagsätze allerdings bestimmt sich nach den wirtschaftlichen und persönlichen Umständen des Täters – und ist mit mindestens €4 und höchstens €5.000 festzusetzen (Strafgesetzbuch §19).

Die Strafbemessung ist also nicht einfach ein Preiszetterl, das auf einer Tat klebt. Eine niedrige Geldstrafe kann einfach ein Indiz dafür sein, dass der Täter ein armer Schlucker ist und/oder mildernde Umstände vorlagen.

Sich damit näher auseinander zu setzten,  hätte die Geschichte obsolet gemacht war „Heute“ wohl zu langweilig.

(Danke für den Hinweis an Georg Wageneder.)

Update:

Beispiel für gelungene Kritik an der österreichischen Justiz im Standard.

Bitte nicht nachmachen. Das Gehirn 40 Minuten ohne Sauerstoff und dabei keinen Schaden davontragen, das können nur speziell ausgebildete „Heute“-Redakteure … sich ausdenken:


Bub (2) überlebt 40 Minuten unter Wasser.
Caleb (li.) war in Arizona (USA) in einen Pool gefallen, trieb 40 Minuten lang unter Wasser. Als ihn seine Mama fand, schlug sein Herz nicht mehr. Dann das Wunder: Ärzte holen den Buben im Spital zurück ins Leben — Caleb ist auf dem Weg der Besserung.


Es lief so ab: Der Junge war von seiner Mutter leblos im Pool gefunden worden. Nach über einer halben Stunde gelang es, ihn wieder zu reanimieren — da war er natürlich längst nicht mehr „unter Wasser“. Mittlerweile ist der Bub vollständig genesen und hat glücklicherweise auch keine Folgeschäden davongetragen, die spätestens nach fünf Minuten ohne Sauerstoff irreversibel eingetreten wären, wie „Heute“ heute jeder weiß.