Wir lesen Zeitung
und schauen fern.

Kategorie: Kampagnenmonitor

Zwentendorf, Hainburger Au, Gentechnik-Volksbegehren: Die Kronen Zeitung hat in der Vergangenheit immer wieder Stellung bezogen und die österreichische Politik nach ihrem Willen beeinflusst. Ihre Kampagnen genießen in der heimischen Medienwelt so etwas wie Legendenstatus. Der Kampf der Krone gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, und für eine bestimmte Art von Umweltschutz (nämlich solange es nicht gegen Autofahrer geht) sind bei der Zeitung inzwischen Teil der Blattlinie geworden.

Deshalb haben wir die Berichterstattung zu diesen Themen während des vergangenen Jahres zum Anlass genommen, einmal genauer hinzusehen: Wie schreibt man eigentlich eine Krone-Kampagne? Eine Anleitung in 6 Schritten:

Die Krone feiert sich gerne für ihren Aktivismus.

Schritt 1: Wähle das richtige Thema!
Nicht alle Geschichten eignen sich gleich gut für Meinungsmache. Man sollte generell die Finger von Themen lassen, bei denen es keine eindeutige „Volksmeinung“ gibt.

„Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS (Bild am Sonntag) und Glotze.“ Mit diesen Worten untermauerte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder einst die Macht der „Bild“ in Deutschland. Die größte Boulevardzeitung des Landes nimmt in puncto politischer Berichterstattung auch heute noch eine gewichtige Rolle ein und folgt dabei – gelinde gesagt – nicht immer journalistischen Leitlinien. Das ist auch bei der Berichterstattung über den deutschen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck der Fall.

In den vergangenen Monaten fuhr „Bild“ eine heftige Kampagne gegen den Grünen-Politiker. Mehrmals pro Woche schrieb die Boulevardzeitung negativ über Habeck – und das nicht nur über seine politische Arbeit, sondern auch über ihn als Person. „Bild“ machte den 53-Jährigen zum Sündenbock für alles Mögliche, was in Deutschland schiefläuft, oder irgendwann in Zukunft einmal schieflaufen könnte.

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert.Klimaministerin Leonore Gewessler kommt in den Fellner-Medien überhaupt nicht gut weg. Wieso es sich um eine Kampagne handelt und was das mit Inseratengeldern zu tun haben könnte.

Dabei fing alles so gut an. Als sich in den Medien Ende Dezember 2019 abzeichnete, dass Leonore Gewessler Umweltministerin werden würde, schwärmte Wolfgang Fellner, sie sei eine „spannende Ansage“. Am 18. Jänner 2020 schrieb er sogar:

„Leonore Gewessler ist eine (…) beeindruckende Frau: Die von allen geschätzte Managerin von Global 2000 zur Umwelt-Ministerin zu machen, war ein Geniestreich von Kogler. Sie hat die Ideen und die ­Power für die Umweltwende.“

Von dieser publizistischen Zuneigung ist nichts mehr übrig. Dass oe24/Österreich bestimmte Politiker:innen ganz besonders im Visier hat, ist nicht erst seit der Kampagne gegen die Wiener Stadtpolitikerin Ulli Sima bekannt. Seit geraumer Zeit schießen die Fellner-Medien nun auch gegen Leonore Gewessler.

Wir haben auf oe24.at 319 Artikel gelesen, in denen Gewessler zwischen 1. Juni 2022 und 17. Jänner 2023 erwähnt wird. Konzentriert man sich auf jene, in denen es auch vorrangig um die Grünen-Politikerin geht und sie nicht bloß am Rande vorkommt, bleiben 199 Artikel übrig. Diese haben wir in neutral, negativ und positiv unterteilt. Das Ergebnis spricht für sich:

Diagramm, das die Berichterstattung über Leonore Gewessler in drei Kategorien unterteilt.

Leserbriefe haben einen unschlagbaren Vorteil: Man kann sie als Meinungselemente der eigenen Leserschaft verkaufen – und gleichzeitig bieten sie die Möglichkeit, subtil Stimmung zu machen, indem man nur die “richtigen” Meinungen abgedruckt.

Die Kronen Zeitung ist für ihre Kampagnen berüchtigt. Als am 11. August ihr langjähriger Kolumnist Tassilo Wallentin angekündigt, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, ist die Zeitung offenbar in einem Dilemma: Eine offene Kampagne in der regulären Berichterstattung war wohl keine Option, weil zu offensichtlich. Einzelne Versuche dazu sind relativ schnell entlarvt worden.

Also musste ein anderes Instrument her: Leserbriefe.

Von Ende 2018 bis Anfang 2020 fährt die Tageszeitung „Österreich“ eine Negativkampagne gegen die damalige Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima. Insgesamt erscheinen über 50 negative, spöttische und unsachliche Artikel über sie. Vier davon haben sogar rechtliche Folgen.

Schlagzeilen wie „Wien lacht über Simas ‚Grünes Haus'“ und Bezeichnungen wie Anti-Hunde-Stadträtin“ machen keinen Hehl daraus: „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner hat ein Problem mit Ulli Sima (SPÖ).

Wenn Du mehr Infos brauchst, lass es mich wissen. Fellner hat Sima eh im Visier.

Diese Nachricht sendet ein Mitarbeiter Fellners laut Zack Zack im Jahr 2018 an Heinz-Christian Strache. Und er spricht damit nur aus, was bei einer Analyse aller Artikel der vergangenen Jahre über Ulli Sima in „Österreich“  sehr deutlich wird.

Aber alles der Reihe nach: Ulli Sima ist seit 2004 Teil der Wiener Stadtregierung. Die Gratis-Tageszeitung „Österreich“ erscheint erstmals 2006. Im Dezember 2009 geht „Österreich“ vor das  Kartellgericht: Die Wiener Linien, die unter anderem von Ulli Simas ehemaligem Ressort vertreten werden, hatten „Österreich“ untersagt, Zeitungsentnahmeboxen in U-Bahn-Stationen aufzustellen. Der Gratis-Tageszeitung „Heute“ hingegen ist das erlaubt.

Das Verfahren dauert neun Jahre. In dieser Zeit ist die Berichterstattung unauffällig. Im Mai 2017 handelt „Österreich“ die Stadträtin sogar noch als die „logische“ Nachfolgerin des damaligen Wiener Bürgermeisters Michael Häupl. Sogar eine Klage der Wiener Linien Ende 2017, in der das Unternehmen die Erstattung der Entsorgungskosten von rund € 240.000 durch liegengelassene Zeitungen fordert, führt zu keinen nennenswerten Negativ-Artikeln.

Im Oktober 2018 endet das Verfahren vor dem Kartellgericht mit einem Vergleich. Die beiden Parteien einigen sich, dass die von den Wiener Linien gewährten Standorte keine Benachteiligung von „Österreich“ gegenüber „Heute“ darstellt. Bei der Gewährung neuer Standorte von Zeitungsentnahmeboxen sollen die Wiener Linien den beiden Medienunternehmen in Zukunft gleichwertige Standorte anbieten. Ab dann fängt die Negativkampagne an. Ab Ende 2018 ist in „Österreich“ fast wöchentlich Kritik an Ulli Sima zu lesen.

Die Kampagne beginnt

Im Mai 2019 berichtet „Österreich“, Sima hätte 2010 rund 26 Millionen Euro für ein Kraftwerksprojekt „versenkt“. Außerdem unterstellt die Zeitung eine Nahebeziehung zu dem für das Kraftwerk verantwortlichen Unternehmer. Noch im selben Monat muss „Österreich“ diese Aussage richtigstellen. Sima war zu diesem Zeitpunkt nicht für das Ressort der Wien Energie zuständig und kannte den Unternehmer nicht.

In derselben Ausgabe im Mai 2019 berichtet „Österreich“ über den „irren Plan“ Simas, laut dem die Wienzeile um eine PKW-Spur enger werden soll. Die Politikerin geht gegen diese Darstellung vor. Im Februar 2020 wird der Artikel in Form einer Gegendarstellung richtiggestellt. Die Tageszeitung nimmt ihre Aussagen als „unrichtig bzw. irreführend unvollständig“ zurück.

Ebenfalls im Mai 2019 berichtet die Tageszeitung in ihrer Print-Ausgabe darüber, dass Ulli Sima ein Gesetz plant, das die Tötung von Listenhunden vorsieht, und dass sie einen Rassehunde-Tötungsbefehl erteilen will. Sima klagt gegen diese Darstellung. Im August veröffentlicht „Österreich“ eine Gegendarstellung. Darin werden die Behauptungen als „unrichtig bzw. irreführend unvollständig“ bezeichnet.

Direkt neben der Gegendarstellung kommentiert „Österreich“ diese unter der Überschrift „Wir lassen uns von Anti-Hunde-Stadträtin Kritik nicht verbieten“ und bezeichnet Simas Klage als „jüngsten Höhepunkt“ ihrer „Pleiten, Pech und Pannen-Serie“.

Im Oktober 2019 berichtet „Österreich“, dass die Kontrollen im Zusammenhang mit dem Rauchverbot in der Gastronomie täglich 24.000 Euro kosten würden. Sima klagt erneut.

Noch im selben Monat verliert die Tageszeitung den Rechtsstreit in erster Instanz und die nächste Gegendarstellung wird veröffentlicht: Sowohl online als auch in der Print-Ausgabe werden die Aussagen über die „irren Personalkosten“ für die „Rauch-Sheriffs“ zurückgenommen. Auch diese Gegendarstellung wird direkt daneben von „Österreich“ kommentiert. Die Tageszeitung hinterfragt, wer Simas Prozesskosten bezahlt, und behauptet, die Stadträtin würde „ihr missliebige Zeitungen mit Serien von Gegendarstellungen und Klagen“ verfolgen. Die Gegendarstellung sei „an Lächerlichkeit kaum zu überbieten“.

„Österreich“ beruft gegen das erstinstanzliche Urteil, und dieses Mal gewinnt die Zeitung: Das Oberlandesgericht Wien hebt das Urteil im September 2020 auf. „Österreich“ veröffentlicht das Gerichtsurteil, die Kosten dafür trägt Ulli Sima.

Die Liste an Negativ-Artikeln lässt sich beliebig lange fortsetzen: Im August beschreibt die Tageszeitung das Absterben von Jungbäumen in Wien als „Baum-Massaker“ und bringt es mit der Stadträtin in Verbindung. Im September 2019 bezeichnet sie das Verteilen von Duftbäumen zur Werbung für parfümierte U-Bahnen („Ulli Simas Königs-Idee“) an Autofahrer als „super-nervige ‚Spaßaktion'“, „provokant“ und „Spaßettl“. Simas Magistratsabteilung nennt „Österreich“ spöttisch „Simas Reich“. Zusätzlich spekuliert „Österreich“ im Oktober über Simas Ablöse.

Auch der Aprilscherz geht 2019 wenig überraschend auf Simas Kosten: „Ulli Sima plant erstes Gefängnis für Wiens Hunde“ titelte „Österreich“ am ersten April. Auch vor Kommentaren über das Aussehen der Politikerin macht das Medium nicht halt. Ihr Outfit beim Life Ball 2019 bezeichnet die Tageszeitung als „sehr mutig“.

So plötzlich wie die negative Berichterstattung über Ulli Sima begonnen hat, ist sie auch wieder vorbei. Seit der Bildung der neuen Wiener Stadtregierung 2020 berichtet „Österreich“ bzw. „oe24“ generell kaum mehr über die Politikerin.

Der Hintergrund

Wir haben versucht, das Büro Sima und die Redaktion von „Österreich“ bzw. „oe24“ für eine Stellungnahme zu erreichen. Leider wollte man uns keine Auskunft über die Hintergründe zur Veränderung in der Berichterstattung über die Stadträtin geben.

Seit der Bildung der neuen Stadtregierung im November 2020 ist Sima jedenfalls für Innovation, Stadtplanung und Mobilität verantwortlich. Damit ist sie für ein kleineres Inseratenbudget zuständig als zuvor.

Einem ehemaligen Mitarbeiter zufolge spielt bei der Berichterstattung über Ulli Sima nämlich vor allem Geld eine Rolle: „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner soll mit der Anzahl an Inserate durch die Wiener Linien unzufrieden gewesen sein. Die Wiener Linien gehören zu den Wiener Stadtwerken, für die Sima von 2015 bis 2020 zuständig war.

Tatsächlich sind die Werbeausgaben der Wiener Linien in „Österreich“ bzw. „oe24“ mit rund € 15.000 pro Quartal niedriger als bei fast allen anderen Tageszeitungen. Vor allem die beiden Boulevardmedien „Heute“ und „Kronen Zeitung“ erhalten deutlich mehr Geld. Auffällig ist außerdem, dass die Wiener Linien Inserate auf Webseiten aller Tageszeitungen schaltet, jedoch nicht auf der Webseite von „Österreich“.

Betrachtet man die Gelder, die von den Wiener Linien and „Österreich“ bzw. „oe24“ fließen genauer, zeigt sich, dass die Tageszeitung im zweiten und dritten Quartal 2018 – bevor die negative Berichterstattung über Ulli Sima begann – keinen Cent von den Wiener Linien erhalten hat. Im vierten Quartal 2018, nachdem der oben genannte Rechtsstreit über die Zeitungsboxen in den U-Bahn-Stationen der Wiener Linien beglichen war, erhält „Österreich“ bzw. „oe24“ von den Wiener Linien rund € 46.000 aus Werbeaufträgen. Im Jahr 2019 wurden insgesamt rund € 62.000 an das Medium bezahlt. Im Jahr 2020 rund € 55.500. Deutlich weniger als an andere Medien – insbesondere, wenn man diese Summen mit den täglich verbreiteten Ausgaben der Zeitungen vergleicht.

Seit der Umbildung der Stadtregierung 2020 ist Peter Hanke zuständig für die Wiener Stadtwerke. Und Ulli Sima damit offenbar aus dem Schussfeld.

 

Gefällt dir der Artikel? Wenn du möchtest, dass wir auch in Zukunft solche Recherchen veröffentlichen können, kannst du uns gerne unterstützen. Hier erfährst du alle Hintergründe.

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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Master-Studiums für Journalismus an der FH-Wien.

Verbot von Heilkräutern, Ende der freiwilligen Feuerwehr, nie mehr knusprige Pommes, schenkt man der Kronen Zeitung Glauben, so gibt es wenig, was nicht bereits der EU-Regulierungswut zum Opfer gefallen ist.

Ich habe mir die Berichterstattung der Krone im Jahr 2018 genau angesehen und sieben große Kampagnen identifiziert, in denen die EU regulierungswütiger dargestellt wurde, als sie eigentlich ist.

 

Vor allem im Zusammenhang mit neuen Regulierungsvorhaben ist es laut Krone meist die EU, die uns etwas wegnehmen, verbieten oder streichen will. Eine Differenzierung, wer eigentlich die EU ist, unterbleibt meist. Die Krone framed die EU negativ und geht kaum auf konkreten Vorgänge in den EU-Organen ein. Die jeweilige Gegenseite kommt nicht zu Wort.

 

1. Der EU-Angriff auf unsere Bioprodukte

Die Krone schreibt: „Die EU plant [… ] zugunsten der großen Agrarkonzerne einen Anschlag auf Österreich als weltweites Bioland Nummer 1.“ Für den Leser wirkt das, als würde die Europäische Union durch ein neues Gesetzesvorhaben die österreichischen Standards bei Bio-Lebensmitteln gefährden. In Wirklichkeit ist es aber nicht „die EU“, die den besagten „Angriff auf unsere Bioprodukte“ plant. Änderungsantrag 361, von dem die Kronen Zeitung schreibt, war nämlich nicht „von der EU“, sondern von vier deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments eingebracht worden, und das nicht im Plenum, sondern nur im Landwirtschaftsausschuss.

Deren Argumente für den besagten Änderungsantrag, mit dem verhindert werden soll, dass Handelsketten den Herstellern höhere als die gesetzlichen Umwelt- und Tierschutznormen vorschreiben können, kommen in dem Krone-Bericht allerdings nicht vor. Dieser Artikel der Tiroler Tageszeitung beispielsweise nennt diese Argumente:

Dadurch sollen kleine Produzenten entlastet werden, die oft zu Dumpingpreisen Waren für die Eigenmarken der Handelsketten produzieren und dabei deren hohe – sprich teure – Standards garantieren müssen – oder aus dem Regal fliegen.

In der Krone kommen lediglich die Gegner dieses Antrages zu Wort, nämlich Umweltschützer und Supermarkt-Ketten. Der Lebensmittelhändler Spar, der zu einem der wichtigsten Werbekunden der Kronen Zeitung zählt, kommt in beiden Berichten mit Bildern und Zitaten vor.

Weiterführende Informationen:

Bereits im April 2018 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag über eine neue Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette eingebracht.

Die neue Richtlinie soll vor allem die faire Behandlung von kleineren Akteuren in der Lebensmittelversorgungskette sicherstellen, also Bauern und kleinere Betriebe (nicht hingegen „große Agrarkonzerne“), die große Handelsketten beliefern, vor unfairen Geschäftspraktiken schützen. Das wird auch durch die Folgenabschätzung zum Richtlinienvorschlag so festgehalten. Dieses Richtlinienvorhaben hat nun vor kurzem den Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments passiert, wo Änderungsantrag 361 eingebracht wurde, den die Kronen Zeitung als „EU-Angriff auf Bio“ bezeichnet. Dass der Änderungsvorschlag nicht von der EU-Kommission ausging, sondern von vier deutschen CDU/CSU-Abgeordneten eingebracht wurde, erkennt man als Leser nicht sofort. Erst viel weiter unten im Bericht schreibt die Kronen Zeitung von den „vier bayrischen CSU-Abgeordneten“, die den Antrag einbrachten –  per se schon eine Ungenauigkeit, denn drei der vier Antragsteller sind in Wirklichkeit CDU-Abgeordnete und stammen auch nicht aus Bayern, sondern aus Baden-Württemberg, Sachsen und Niedersachsen.

Außerdem schreibt die Krone:

„geht der besagte Änderungsantrag 361 beim Landwirtschaftssausschuss […] durch, würde das bedeuten, dass Supermarktketten bei ihren Eigenmarken nicht mehr erhöhte Forderungen an die Produzenten stellen können“

Auch diese Aussage ist so nicht richtig: Ein Änderungsantrag einzelner Abgeordneter muss zunächst im Ausschuss beschlossen werden. Der Entwurf des Ausschusses für sämtliche Änderungen der Richtlinie findet sich hier. Nachdem der Gesetzesentwurf im Ausschuss beschlossen wurde, muss anschließend im Plenum des EU-Parlaments über ihn abgestimmt und er danach vom Rat bestätigt werden, der ebenfalls Änderungsvorschläge einbringen kann.Vom Ausschuss zur fertigen Richtlinie ist es also noch ein weiter Weg.

 

2. Die EU lässt Tier-Mord zu

Die Kronen Zeitung suggeriert, dass die EU nichts unternehme, um den Vogelschutz in Europa zu gewährleisten. Auch hier wird deutlich: Die Kronen Zeitung wirft alle Akteure in der EU in einen Topf und erklärt die reißerische Headline nicht weiter. Erst im Abschlusssatz des Berichts kommt ein FP-Europamandatar zu Wort, der „Brüssel“ unterstellt, dem Vogelfang „tatenlos“ zuzusehen. Unklar bleibt, worin die Untätigkeit der EU eigentlich besteht. Ein Hinweis darauf, dass erst im Juni 2018 der EuGH entschieden hat, dass Malta durch exzessiven Vogelfang gegen die genannte europäische Vogelschutzrichtlinie verstoßen hat, also sehr wohl bereits ein „Tätigwerden“ seitens „der EU“ stattgefunden hat.

Weiterführende Informationen:

Wildlebende Vögel sind in der Europäischen Union unter Richtlinie 2009/147/EG geschützt, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss. Mitgliedsstaaten der EU– darunter auch Malta – müssen daher dafür sorgen, dass ihre nationalen Gesetze das Töten und Fangen von wildlebenden Vogelarten verbieten.

Zwar informiert Birdlife Österreich in einer Presseaussendung, dass der illegale Vogelfang vor allem im Mittelmeerraum für Zugvögel tatsächlich eine Bedrohung darstellt.  Der Krone-Bericht erweckt jedoch den Anschein, dass die Einhaltung der oben erwähnten Vogelschutzgesetze von der EU nicht überwacht und dem illegalen Vogelfang nicht entgegengetreten wird. Dabei lässt der Krone-Bericht die bereits oben genannte Entscheidung des EuGH unerwähnt, wonach Malta durch exzessiven Vogelfang gegen die genannte Richtlinie verstoßen hat. Konsequenz einer solchen Entscheidung des EuGH ist, dass der entsprechende Mitgliedsstaat zunächst nationale Maßnahmen ergreifen muss, um dem Urteilsspruch zu entsprechen. Tut der Mitgliedsstaat das nicht, kann der EuGH in weiterer Folge auch Strafen gegen den Mitgliedsstaat verhängen.

 

3. Die EU will Grenzkontrollen verbieten

Die Krone erweckt den Eindruck, dass sich die Europäische Union unberechtigterweise in die Grenzpolitik der Mitgliedsstaaten einmische. Was die Headline allerdings nicht transportiert: Österreich ist freiwillig dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum beigetreten, die Kontrollen an der österreichischen Grenze wurden 2015 als vorübergehende Maßnahme anlässlich der vermehrten Migration in die EU eingeführt. „Brüssel“ will uns also nichts verbieten, stattdessen geht es um eine Aufforderung der Europäischen Kommission an Österreich zum vertragsgemäßen Zustand zurückzukehren – der die Österreichische Regierung im Übrigen nicht gefolgt ist.

Außerdem auffällig: Einer der Berichte ist mit einem Foto aus 2015 bebildert, das eine große Zahl Flüchtlinge beim Passieren der griechisch-mazedonische Grenze zeigt. Durch das Foto wird beim Leser das Bild der „Flüchtlingsströme“ geweckt, obwohl die Anzahl der Asylanträge seit 2015 massiv gesunken ist (2015 gab es fünfmal so viele Asylanträge als 2018).

Weiterführende Informationen:

Österreich ist 1995 den Schengener Abkommen beigetreten, mit dem die Grenzkontrollen der teilnehmenden Staaten untereinander abgeschafft wurden. Dadurch gibt es seit dem Jahr 1998 in Österreich eigentlich keine Grenzkontrollen mehr. „Eigentlich“ deshalb, weil Österreich und einige weitere EU-Staaten (Deutschland, Frankreich, Dänemark, Schweden) anlässlich der „Flüchtlingskrise“ 2015/2016 wieder Grenzkontrollen einführten. Diese Grenzkontrollen sollten allerdings nur eine vorübergehende Maßnahme zur Bekämpfung von Sicherheitsproblemen darstellen. Da in den letzten Jahren die Zuwanderungszahlen jedoch wieder gesunken sind, forderte die EU-Kommission nun Österreich und die anderen oben genannten EU-Staaten zu einer schrittweisen Rückkehr zu einem voll funktionsfähigen Schengen-Raum auf.

 

4. Der EU-Anschlag auf unser Trinkwasser

Zwischen Juni und Oktober habe ich sieben Krone-Artikel (Print und online, weitere in den Regionalausgaben) zur EU-Trinkwasserrichtlinie gefunden. Sie alle haben gemeinsam: Die EU wird durchwegs negativ geframed. Einerseits kritisiert die Kronen Zeitung mehrfach unter Verwendung von drastischem Wording („Unserem Trinkwasser droht ein Anschlag durch die EU“), dass durch die reformierte Richtlinie eine kostenmäßige Mehrbelastung für Trinkwasserversorger zu erwarten sei. Andererseits hebt sie besonders hervor, dass durch die Gesetzesänderung auf EU-Ebene heimische Gastronomen verpflichtet würden, in Gaststätten gratis Trinkwasser auszuschenken. Eine solche Verpflichtung ist in der Richtlinie jedoch nicht vorgesehen.

Was aus der Krone-Berichterstattung allerdings nicht hervorgeht: Die Neufassung der Richtlinie ist Ergebnis der Europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ und zielt auf einen EU-weit verbesserten Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser ab.

Argumente für die durch die Richtlinie initiierten Änderungen werden in der Krone-Kampagne wenig bis gar nicht genannt, stattdessen kommen jene ausführlich zu Wort, die den Richtlinienvorschlag kritisieren. Und: auch bei diesem Beispiel wird „die EU“ pauschal als Aggressor dargestellt, eine Differenzierung der handelnden Akteure auf EU-Ebene sowie der Inhalte der kritisierten Rechtsvorschriften bleibt aus.

Weiterführende Informationen:

Es gibt tatsächlich einen Vorschlag der EU-Kommission für eine Neufassung der Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch. Der von der Kommission vorgeschlagene Richtlinienentwurf sieht verschiedene Maßnahmen vor, um diesen zu gewährleisten. Unter anderem stärkere Qualitätskontrollen für Trinkwasser, die durchaus zu einer kostenmäßigen Mehrbelastung führen könnten und daher von Vereinigungen wie der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach kritisiert wurden.

Die Kronenzeitung macht allerdings vor allem Stimmung mit der Behauptung, dass der Richtlinienentwurf vorschreibe, dass „sämtliche heimischen Gastronomen zukünftig für Leitungswasser nichts mehr verlangen dürfen“. Untersucht man den Richtlinienentwurf nach einer solchen Bestimmung, wird man nicht fündig. Stattdessen findet man Artikel 13, der vorsieht, dass die Mitgliedsstaaten erforderliche Maßnahmen zu ergreifen haben, um den Zugang zum Wasser für alle zu verbessern. Dazu zählt laut Richtlinienentwurf auch die Förderung der kostenlosen Bereitstellung solchen Wassers in Restaurants, Kantinen und im Rahmen von Verpflegungsdienstleistungen“.

Konkrete Maßnahmen zu ergreifen bleibt aber in jedem Fall der Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten vorbehalten. Eine umfassende – und vor allem ausgewogene – Berichterstattung zum Diskussionsthema „Wasser“ liefern der Standard hier und die Presse hier.

 

5. Die EU gegen Rasentraktoren und Golfwagerl

Die Krone schreibt:

Brüssel strebt […] eine Haftpflichtversicherung für Rasenmähertraktoren und Golfwagerl an – selbst wenn sie nur auf Privatgrund gefahren werden!

Dadurch entsteht der Eindruck, dass durch eine neue EU-Richtlinie Mehrbelastungen in Form von neuen Versicherungspflichten auf die ÖsterreicherInnen zukommen. Die Krone setzt aber auch hier wieder auf unvollständige Darstellungen um die EU negativ zu framen:

Große Veränderungen kommen durch den neuen Richtlinienvorschlag nämlich gar nicht auf uns zu. Dieser konkretisiert nämlich, was ohnehin schon EuGH-Rechtsprechung ist – und will im übrigen den Versicherungsschutz von Opfern von Kraftfahrzeugunfällen verbessern. Diese Hintergrundinformationen unterschlägt die Kronen Zeitung allerdings.

Weiterführende Informationen: 

Mit dem neuen Richtlinienvorschlag der Kommission soll die Richtlinie 2009/103/EG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in einigen Teilen geändert werden. Der Grund für die Änderungen: Durch die Neufassung der Richtlinie soll ein besserer Versicherungsschutz der Opfer von Kraftfahrzeugunfällen im EU-Ausland gewährleistet werden. Diese Intention wird sogar im ersten Absatz des Krone-Berichts wiedergegeben. Trotzdem schreibt die Kronenzeitung im Teaser: „Brüssel strebt offenbar sogar eine Haftpflichtversicherung für Rasenmähertraktoren und Golfwagerl an“ und erweckt damit den Eindruck, dass durch wesentliche europarechtliche Gesetzesänderungen eine Mehrbelastung auf Besitzer solcher Gefährte zukommen wird.

Das ist aber nur zum Teil zutreffend: Ein genauer Vergleich der „alten“ Richtlinie und des neuen Entwurfs ergibt, dass die Begriffsdefinition der Fahrzeuge, die der Versicherungspflicht unterfallen (und somit der Anwendungsbereich der Richtlinie), gar nicht erweitert wurde, wie die Kommission auch in den FAQs zum Richtlinienentwurf erläutert. Erweitert wurde die Regelung nur dahingehend, dass nun eine Definition der „Verwendung eines Fahrzeuges“ eingefügt wurde, die auch die Verwendung auf privatem Grund miteinbezieht. Dadurch soll in der neuen Richtlinie berücksichtigt werden, was ohnehin schon der Rechtsprechung des EuGH entspricht.

 

6. Die EU will unseren Bauern Millionen streichen

Die Krone schreibt:

Die EU will unseren Bauern 80 Millionen Euro streichen […] stattdessen sollen XXL-Agrargabriken gefördert werden

Während stimmt, dass das EU-Budget für die Agrarpolitik in den nächsten Jahren gekürzt werden soll, ist eine Förderung von „XXL- Agrarfabriken“, wie sie die Kronen Zeitung behauptet, im neuen Budgetvorschlag nicht vorgesehen.  Im Gegenteil – geplant ist die Deckelung von Direktzahlungen in der Landwirtschaft, um kleine und mittlere Betriebe sowie Junglandwirte anstatt großer Agrarbetriebe zu unterstützen.

Mit weiteren Informationen geizt die Krone. Die Bauernzeitung, das Organ des österreichischen Bauernbundes, zählt die „wichtigsten inhaltlichen Eckpunkte des Kommissionsvorschlags“ auf:

  • Mehr Flexibilität für die Mitgliedsstaaten
  • Obergrenzen, Vorrang kleiner und mittlerer Betriebe sowie von Junglandwirten
  • Größere Ambitionen beim Umwelt- und Klimaschutz
  • Stärkere Nutzung von Kenntnissen und Innovation

Details dazu erfährt man in der Krone nicht. Dafür ist der Artikel mit einem Foto der Bundesministerin während eines „Einsatzes“ für unsere Bauern illustriert:

Das Foto sieht nicht nur aus wie ein Werbefoto, es ist auch eines: Auf der Website des Bauernbundes ist es mit den Foto-Credits „ÖVP/David Gollner“ versehen. Siehe auch „Die Zeitungen sind voller Foto-Propaganda von Kurz und Kern„.

Weiterführende Informationen:

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Europäische Union für die Jahre 2021 bis 2027 vorgelegt, der auch vorsieht, die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik der Mitgliedsstaaten von gesamt 408,312 Mrd. Euro (2014 bis 2020) auf 365 Mrd. Euro (2021 bis 2027) zu kürzen. Es wird also tatsächlich eine Kürzung der Mittel für die Agrarpolitik vorgeschlagen, die auch Österreich betrifft, eine „Förderung von XXL-Agrarfabriken“ ist allerdings nicht beabsichtigt. hier gehts zur Presseaussendung der Kommission.

 

7. Die EU bestraft Bauern für Almauftriebe

Die Krone schreibt:

Während internationale Agro-Konzerne von der EU mittels dubioser Freihandelsabkommen […] mit Millionen gefüttert werden, kennt Brüssel bei unseren Bergbauern keine Gnade: Nur weil sie ein oder maximal drei Kühe zu viel auf die Alm getrieben haben, werden sie jetzt hart bestraft!

Auch hier wird „die EU“ von der Kronen Zeitung wieder einmal als maßregelnde Akteurin dargestellt, die „uns“ bestraft. Die Krone arbeitet allerdings mit verdrehten Tatsachen: Statt einer Strafe durch die EU ging es um eine Rückzahlung von irrtümlich ausbezahlten Förderungen – was nur bei sehr genauer Lektüre der beiden Berichte herauszulesen ist. Und: die Gegenseite kommt nicht zu Wort, stattdessen wird einseitig mit blumigen Formulierungen („die saftige Alm“) Stimmungsmache für österreichische Bauern als „offensichtliche Opfer der Brüsseler Agrar-Bürokratie“ betrieben.

Weiterführende Informationen:

Österreichische Bauern müssen teilweise tatsächlich an die EU zahlen – in Niederösterreich sind rund 120 Betriebe davon betroffen. Es handelt sich aber nicht um eine „Strafe“ wie die Kronen Zeitung uns glauben macht: In Wirklichkeit geht es um EU-Förderungen, die zurückgezahlt werden müssen, weil sie irrtümlich doppelt ausbezahlt wurden.  Mutterkühe werden nämlich in der EU mit 200 Euro pro Kuh gefördert,  für den Almauftrieb bekommen Bauern dann noch eine zusätzliche Prämie. Werden allerdings Mutterkühe auf die Alm geschickt, kommt es zur Doppelförderung – das ist nicht zulässig und muss daher zurückgezahlt werden.
Hier kann zwar die nachträgliche Verpflichtung zur Rückzahlung und das Berechnungssystem zugegebenermaßen kritisiert werden – die Headline „EU bestraft unsere Bauern“ erscheint aber angesichts der Tatsachen doch etwas überzogen.

Fazit

Bei aller Kritik, die an Gesetzesvorhaben auf Europäischer Ebene geübt werden kann (und sollte), zeigen diese  Beispiele deutlich, wie die Kronen Zeitung mit immer denselben Frames negative Stimmung gegen die Europäische Union oder gegen„Brüssel“ macht.

Dabei bleibt meist unerwähnt, dass Österreich als Mitgliedsstaat der EU in allen EU-Organisationen vertreten ist, Entscheidungsprozesse mitgestaltet und vor allem für deren endgültige Umsetzung in österreichische Gesetze maßgeblich verantwortlich ist.

Die Salzburger Krone schrieb im vergangenen Jahr monatelang gegen einen geplanten Windpark an. Mit einseitigen Informationen, verzerrten Fakten und Verunglimpfungen der Gegenseite. Die Kampagne endete schlagartig, als der Chefredakteur in Pension ging, was möglicherweise kein Zufall war.

Über Windräder kann man sich schon mal streiten. Groß sind sie, ja. Und auch nicht wirklich schön. Wenn sie so mitten im Salzburger Lungau stehen würden, dann könnten sie schon manchen ein Dorn im Auge sein, diese hunderte Meter hohen Monster. Auf der anderen Seite hat so ein Windrad auch seine Vorteile. Die ressourcenschonende Energieproduktion zum Beispiel, oder dass der Bau so eines Windradparks einige Arbeitsplätze schafft.

Acht Stück hätte die Lungauwind GmbH gerne errichtet, in Salzburg, auf dem Fanningberg in Weißpriach, einem Skigebiet. Sie musste das aber Projekt stoppen. Der Grund: Man wollte die Bevölkerung nicht spalten – zu viel war schon über die Windräder gestritten worden.

Die Posse um den Fanningberg

Woran das wohl liegen kann? Immerhin gibt es einige Windparks in Österreich, etwa in Bruck an der Leitha, wo 2000 mit Bürgerbeteiligung Windräder errichtet wurden, oder den Tauernwindpark, der lange Zeit den Rang als höchstgelegener Windpark Europas hatte. Auch wenn es immer wieder Kritik an Windradprojekten gibt– die Kritik an Fanningberg hatte ein völlig anderes Ausmaß.

Denn weder in Bruck an der Leitha, noch in den Niederen Tauern fuhr die Krone eine derart exzessive Kampagne gegen den Bau der Windräder. Zum Vergleich: Ganze zwölf Texte widmete die Krone damals der Errichtung des Tauernwindparks. Lesebriefe eingeschlossen veröffentlichte die Krone im vergangenen Jahr hingegen 210 Texte über Windräder – der weitaus größte Teil betraf den Windpark im Lungau.

Übersicht über erschienene Texte

Sind Windräder vielleicht einfach interessanter geworden über die Jahre? Wenn, dann nur für die Krone. Laut einer Auswertung der APA widmete der Kurier dem Thema Windräder in der selben Zeit 70 Texte, bei Österreich waren es 29 und bei Heute gar nur neun. Selbst die lokalen Salzburger Nachrichten beschäftigten sich nicht einmal in halb so vielen Texten mit dem Thema, wie die Krone.

Der Startschuss für die Kampagne fällt am 16. Juni 2018 mit einer Doppelseite. „Was in Salzburg droht“ prangt am Titel. Bilder der Idylle und eines massiven Windrades verdeutlichen, welche Monster im Anmarsch sind. Und wer Schuld ist? Die Grünen. Diese seien „eine Gefahr“. Hier handelt es sich wohlgemerkt um keinen Kommentar, sondern um einen scheinbar neutralen Bericht.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 16. Juni 2018

Am 22. Juli dann folgt der erste Leserbrief – ein beliebtes Mittel der Krone, um eine öffentliche Meinung darzustellen, die so vielleicht nicht unbedingt die tatsächliche Meinung der Menschen abbildet.

In dem Leserbrief ist ironischerweise die Rede von einer Kampagne der Windradinitiatioren. Dankenswerterweise wird auch gleich angeführt, was denn so eine Kampagne kennzeichnet. Vier Dinge seien das, nämlich:

  1. Die Bevölkerung wird nur einseitig informiert (einzig von den Windkraftbetreibern und –befürwortern).
  2. Wichtige (negative) Fakten werden zurückgehalten.
  3. Kritiker kommen nicht zu Wort, werden ignoriert oder gar unter Druck gesetzt.
  4. Alle Beteiligten am Projekt werden mit dem Versprechen eines regelrechten „Geldregens“ geködert.

Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob denn die Krone ihre eigenen Anforderungen einer Kampagne erfüllt. Ich habe sämtliche zum Windpark im Lungau in der Krone erschienenen Texte analysiert und geprüft, wie ausgewogen, wie groß, wie angsteinflößend das Boulevardblatt berichtet.

Das Ding mit den Titelseiten

Die Titelseite einer Zeitung hat eine klare Funktion: Auf den ersten Blick zu zeigen, was die wichtigsten Nachrichten an diesem Tag sind. Blätterte man die Krone im Zeitraum von August bis November durch, wurde klar: Windräder bewegen die Welt. Immerhin auf neun Titelseiten erwähnt die Krone die Windräder.

Collage aus Titelseiten der Salzburger Krone zwischen August und Oktober 2019

Mal sind es nur Zweizeiler, mal riesige Bilder, doch sie alle haben gemein: Ihre Aussage ist, dass keiner die Windräder haben will.

Im Blattinneren findet sich ein Konvolut an mehr oder weniger ausgewogenen Berichten, ganze Doppelseiten sind voll mit Stimmen von Wirten, deren Geschäft verübelt wird, von Kämpfern gegen den Windrad-Wahnsinn und von Argumenten gegen den geplanten Park. Seitenweise argumentieren Alpenvereine gegen die Zerstörung der Idylle, werden Bilder von Vögel gezeigt, die den Monstern zum Opfer fallen würden, und Titel wie „Salzburg braucht keine riesigen Windräder“ veröffentlicht. Nicht zu kurz kommen dabei selbstverständlich die Grünen, die an allem Übel schuld sein sollen.

Collage aus Texten, die zwischen Juni und Oktober 2018 in der Salzburger Krone erschienen

Der Chef selbst schreibt

Bei der Lektüre des facettenreichen Verrisses fällt eine Sache auf: Viele der Texte sind vom damaligen Chefredakteur der Salzburger Krone, Hans Peter Hasenöhrl, höchstpersönlich geschrieben. Auch mit Kommentaren geizt er nicht, Mitte Oktober etwa vergleicht er das drohende Windradungeheuer mit einer Erdbebenkatastrophe und einer Hitzewelle und betet den Lesern vor: „Herr, bewahre den Lungau vor den Windrädern“.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 14. August 2018

Ende September dann ruft er auf, Salzburg vor den Grünen zu schützen, weil sie – was sonst – mit ihrem Öko-Strom alle in Gefahr bringen.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 29. September 2018

Ganz Salzburg hasst Windräder

Doch was wäre die Krone, würde sie nur die Meinung ihres Chefredakteurs wiederspiegeln? Selbstverständlich steht doch sicher ganz Salzburg hinter ihm, oder nicht? Diesen Eindruck erweckt das Blatt jedenfalls, in dem alle paar Tage wütende Leserbriefe gedruckt werden. Von Windrädern als „Störfaktor“ ist da etwa die Rede, oder von einem „Verbrechen an der Natur und den Bergen“. Ja, ganze Gedichte widmen die Krone-Leser dem Thema – wohlgemerkt, diese drei Beispiele wurde in nur einer Woche veröffentlicht. Dutzende weitere Beispiele lassen sich in der Salzburger Krone finden.

Collage aus Leserbriefen, die zwischen 23. und 30. August 2018 in der Salzburger Krone erschienen

Sieht so die Meinung der Salzburger aus? Wer nur die Krone liest, könnte das denken. Wäre da nicht eine repräsentative Umfrage unter 800 Salzburgerinnen und Salzburgern über 16 Jahren, in der sich 93 Prozent der gefragten für Windräder aussprechen.

Wie ist das mit der Einseitigkeit?

Zurück also zu den Merkmalen einer Kampagne: Die einseitige Information, die Fakten, die zurückgehalten werden, die Kritiker, die nicht zu Wort kommen und falsche Versprechungen. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Doch halt, eine Sache darf man der Krone nicht unterschlagen. Sie hat sehr wohl Stimmen von Lesern veröffentlicht, die Windkraft gegenüber positiv eingestellt sind. Nämlich exakt eine.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 10. August 2018

„Windräder sind schirch“

Was also ist der Grund für eine dermaßen breit aufgestellte Kampagne? Sind es finanzkräftige Inseratenkunden, in deren Interesse die Krone Salzburg schon einmal eine massive Kampagne fuhr, wie das Beispiel Spar zeigt? Oder gibt es eine viel einfachere Erklärung?

Möchte man Franz Baksa, einem der Geschäftsführer der Lungauwind GmbH glauben, so ist der Grund erschreckend simpel: Hans Peter Hasenöhrl mag keine Windräder. „Er vertritt persönlich die Meinung, Windräder sind schirch“, sagt Baksa. Er habe versucht, mit Hasenöhrl Kontakt aufzunehmen, sei aber leider nicht zu ihm durchgedrungen. Die Lungauwind GmbH legte jedenfalls schlussendlich die Widmung zurück, und das Projekt auf Eis, bis sich die Stimmung in der Region vielleicht wieder ändert. „Wie wollten endlich raus aus den Medien“, sagt Baska, „sonst hätten wir keine Ruhe mehr gehabt.“ Laut Baksa verbreitete die Krone zahlreiche Unwahrheiten gegen das Projekt, rechtlich dagegen vorgehen wolle er jedoch nicht: „Was bringt’s denn?“, fragt Baksa, „Die Krone schreibt, wovon sie glaubt, dass die Mehrheit es denkt. Und dann übernehmen die Krone-Leser diese Meinung.“

Die dünnen Nerven der Politik

Könnte es vielleicht sein, dass Windräder am Fanningberg tatsächlich fehl am Platz sind? Projektentwickler, die Windräder bauen müssen, müssten diverse Kriterien prüfen. Sie müssen den Vogelzug beobachten, Schallemissionsberechnungen durchführen und Abstandregeln überprüfen. Ob der geplante Windpark am Fanningberg diesen Kriterien entspricht, kann ich als Laie in Windradfragen freilich nicht beantworten.

Es gibt aber jemanden in Salzburg, dessen Meinung zu dieser Kampagne spannend zu hören ist: Franz Kok. Der ist nämlich nicht nur Politikwissenschafter an der Universität Salzburg, sondern war dazu lange Zeit im Windrad-Business – er war Gesellschafter zweier Windkraft-Unternehmen von deinen eines in Konkurs ging und ein anderes sich in Liquidation befindet. Und er ist Teil der Berichterstattung in der Krone: Weil er sich einst für einen Platz auf der Grünen Liste bei der letzten Nationalratswahl bewarb, ihn aber nicht bekam, ist Kok laut Krone mitten in der Grünen Verschwörung, die das Skigebiet zerstören will.

Er sagt: „Wir haben in Salzburg noch keine Erfahrung mit Windenergie, das öffnet Tür und Tor für Veto-Player“, und meint damit, dass komplexe Genehmigungsverfahren und eine Politik, die kurz vor der nächsten Gemeinderatswahl dünne Nerven hat, dazu führen, dass mediale Kampagnen noch stärker einschlagen als ohnehin schon. Dazu komme, dass die Tourismusindustrie der Politik im Nacken sitze und sich darum sorge, ob Windräder in einem Skigebiet ein schlechtes Image für die Region bringen würden. Laut Kok gebe es außerdem einen interessanten Schnittpunkt: Chefredakteur Hasenöhrls Abneigung gegen Windräder und seine Abneigung gegen die Salzburger Grünen – die einzigen, die realpolitisch den Ausbau der Windkraft in Salzburg forcieren würden. Auch Franz Kok sagt, er hätte Hasenöhrl mehrmals das Gespräch angeboten. Erfolglos.

Was der Chefredakteur dazu sagt

Aber kann das wirklich stimmen? Hat hier tatsächlich ein Chefredakteur seine publizistische Macht missbraucht und sein persönliches Ästhetikempfinden als Berichterstattung verkauft? Kobuk hat Hans Peter Hasenöhrl kontaktiert und ihn mit den Vorwürfen konfrontiert. Wir wollten von ihm wissen, was der Grund für die ungewöhnlich vielen negativen Berichte war, warum es in vergleichbaren Fällen diese Art der Berichterstattung nicht gab, warum die Gegenseite so selten zu Wort kam, ob er auf die Gesprächsangebote von Baska und Kok einging und wie er die Berichterstattung zu den Windrädern rückblickend sieht. Er antwortet schriftlich und schreibt: „Persönliche Befindlichkeiten spielen in der Krone keine Rolle. Ich habe weder was gegen Windräder noch gegen Flusskraftwerke, es sei denn (…) Naturlandschaften werden zerstört.“ Andere Windparks „in der unendlichen Weite von St. Pölten“ fände er gut, außerdem wäre nicht nur die Krone, sondern auch der Alpenverein gegen das Projekt. Weder von Kok, noch von Baksa seien schriftliche Stellungnahmen bei der Krone eingelangt.

Doch der Windrad-Spuk nahm ohnehin im November sein Ende. Nämlich dann, als Hans Peter Hasenöhrl in Pension ging. Seitdem erschien keine Titel- oder Doppelseite, kein Kommentar, kein Artikel oder Leserbrief mehr zu dem Thema. Der letzte Text dazu war, wie sollte es anders sein: Ein Leserbrief, in dem Hans Peter Hasenöhrls Einsatz gegen die Windräder gelobt wird.

Faksimile aus der Salzburger Krone vom 11. September 2018

Die Salzburg-„Krone“ hat in den letzten Monaten massiv Druck auf die Politik ausgeübt — mit einer Kampagne, die ihresgleichen sucht. Deren Hauptnutznießer ist die Spar-Gruppe, einer der größten Werbekunden der Kronen Zeitung.

„Jedes Bundesland würde sich glücklich schätzen, hätte es einen Europark, der mit dem Ausbau hunderte neue Jobs … schaffen will. Wer dies verhindert, treibt viele Familien in Verzweiflung und finanzielle Not.“

(Die „Krone“ über Shoppingcenter-Ausbaupläne von Spar)

Allein im ersten Quartal 2015 buchte Spar rund ein Fünftel aller ganzseitigen Inserate der Salzburg-„Krone“. Bei überregionalen Schaltungen entspricht das einem Listenwert von über 2,5 Millionen Euro.

Man ahnt die wirtschaftliche Machtposition gegenüber dem „unabhängigen“ Kleinformat. Anders ist kaum zu erklären, wie die „Krone“ in Salzburg den Streit um die Erweiterung des Spar-Einkaufszentrums Europark „journalistisch“ begleitet.


Eine Chronologie:

8. Jänner — Das schönste Einkaufszentrum der Welt

Die „Krone“ preist das Engagement der Konzerne für unser aller Wohl, Spar für gemeinsame Kämpfe und den Europark als „schönstes Einkaufszentrum der Welt“:

Der Europark wurde natürlich nie zum schönsten Einkaufszentrum der Welt “gekrönt”. 2007 erhielt er lediglich vom globalen Lobbyverband der Shoppingcenter einen Designpreis. Dieser nicht allzu exklusive Award ging im selben Jahr noch an sieben (!) andere Einkaufszentren (PDF). Im Gegensatz zur “Krone” wirbt der Europark auch “nur” mit “schönstem Shoppingcenter Europas”. Dabei beruft er sich übrigens auf ein 18 Jahre altes Architekturmagazin.

 

10. Februar — Diktaturen und Ausgangssperren

Um die Ortskerne zu stärken stoppt das Land Salzburg vorläufig alle Erweiterungspläne von Einkaufszentren. Die endgültige Entscheidung wird im April folgen. Die „Krone“ bringt ein doppelseitiges Interview mit den „starken Argumenten“ ihrer Anzeigengroßkunden Spar und XXXLutz gegen diese Maßnahme:

(Für Komplettansicht Ausriss anklicken)

 

Subtil verfeinert mit einem Kommentar, der diese politische Entscheidung mit „elenden Diktaturen“ und „totalen Ausgangssperren“ in Verbindung bringt:

 

11. Februar — Warnung vor dem Kommunismus

In der Sache wenig Neues, aber die Redaktion muss noch dringend eine Warnung loswerden. „Es geht Richtung Kommunismus“ in Salzburg — :

 

15. Februar — Die Politik darf Stellung beziehen

Niemand sage der „Krone“ einseitige Berichterstattung nach und in Interviews keine kritischen Fragen zu stellen. Daher heute ein großes Interview mit der verantwortlichen Landeshauptmann-Stellvertreterin und Raumordnungsreferentin:

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17. Februar — Vor dem Fasching

Niemand sage der „Krone“ zu viel Nähe zu den Objekten ihrer Berichterstattung nach. Daher beschränkt sich der Hinweis auf das Faschingsfest im Europark auf das Allernötigste: Nur eine rechte Seite, zwei unscheinbare Bilder und neutral distanzierte Formulierungen wie „das beliebteste Shopping-Center von Salzburg“ dokumentieren die Unabhängigkeit der Kronen Zeitung von ihren Inserenten:

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18. Februar — Nach dem Fasching

Es ist eine Unsitte am Boulevard, Themen zu verheizen und sich dann nicht mehr um sie zu kümmern. Die „Krone“ ist mit ihrer Nachberichterstattung zum Fasching im Europark eine löbliche Ausnahme. Und das süße Werbemodel hat vermutlich nur einen Krapfen gekostet:

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20. Februar — Spar Titelstar

Alte Regel am Boulevard: Die Seite eins verkauft das Blatt. Daher stehen hier immer klar verständliche Botschaften zu jenen Themen, die das Volk bewegen — außer man möchte jemandem eine Freude machen:

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Das Neue am Kommentar von „Jedermann“ ist heute das „Neo“, das er vor den Kommunismus setzt:

 

21. Februar — „Geben Sie Einkaufsfreiheit!“

Mittlerweile gemahnt die unabhängige Berichterstattung der Kronen Zeitung an eine Gehirnwäsche-Dauerschleife im Homeshopping-TV. Der Kommunismus trägt heute die Vorsilbe „Krypto“:

 

„Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!“ lautet ein berühmtes Zitat aus Schillers „Don Carlos.“

Ich möchte es abwandeln […]: „Frau Dr. Rössler, geben Sie Einkaufsfreiheit!“

 

 

22. Februar — Susanne fühlt sich wohl

Heute eine sympathische Wohlfühlreportage aus dem Herzen des Europarks.

 

6. März — „Alle gegen die Rössler“

Die Politikerin, die Familien „in Verzweiflung und Not treibt“, kriegt jetzt auch eine Doppelseite, ohne extra zu bezahlen. Nur der Werbewert ist bei Spar-Doppelseiten irgendwie höher:

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Die Manager des „schönsten Shopping Centers der Welt“ (Bildtext einer unabhängigen Tageszeitung) dürfen endlich ihre Argumente in einem investigativen Interview auf einer Europark-Doppelseite darlegen. Das letzte „Interview“ mit ihnen ist immerhin schon 24 Tage her (siehe weiter oben), und da mussten sie sich den Platz noch mit XXXLutz teilen:

 

 

Und der unabhängige Kommentar warnt vor Skepsis gegen Spar:

Jedes Bundesland würde sich glücklich schätzen, hätte es einen Europark, der mit dem Ausbau hunderte neue Jobs […] schaffen will. Wer dies verhindert, treibt viele Familien in Verzweiflung und finanzielle Not.

 

 

7. März — Und wieder ein Interview

In Salzburg hat es sich herumgesprochen: Jeder, der für Spar ist, bekommt in der Kronen Zeitung „das große Interview“. Das letzte zu diesem Thema liegt ja auch schon wieder einen ganzen Tag zurück. Heute: Der Gewerkschaftschef.

Und die gute Nachricht für alle Fans der gepflegten Kommunismus-Kommentare: Die rote Gefahr ist zurück.

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10. März — Mailand war gestern

Die fetzigen Shops im Europark haben eine sensationelle Modeschau ihrer neuen Kaufkollektionen auf die Beine gestellt. Die „Krone“ war live vor Ort hat sich vom Center-Management Bilder schicken lassen (“Fotos: Europark/Wild & Team”) und berichtet in angemessenem Ausmaß. Seither ist es Traum aller Mädchen einmal im Europark für ein großes Label zu laufen:

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12. März — Doppelt hält besser

Das Redaktionssystem der Salzburger „Krone“ ist inzwischen neu konfiguriert. Sobald in einem Artikel der Begriff „Europark“ oder „Spar“ aufscheint, wird das Layout vollautomatisch auf Doppelseite umgestellt. Außerdem werden großformatige Fotos von Gebäude und Management eingefügt. Eine enorme Arbeitserleichterung:

 

21. März — Ganz ohne Kommunismus

Wieder ein ganzseitiger Artikel für den Ausbau. Diesmal aber zurückhaltender und seriöser als gewohnt. Neuer Stil der Redaktion? Nein, es handelt sich um ein offizielles Inserat von Spar:

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9. April — Hausverstand statt Studie

Die Politik präsentiert eine Studie, die „Krone“ ist wenig beeindruckt. Der Witz an der Geschichte: Vermutlich das einzige, wofür Spar hier gezahlt hat, ist das Mini-Inserat mit Sepp Forcher auf Seite 27:

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Die „Krone“ empfiehlt, statt Studien den Hausverstand zu bemühen (eigentlich Domäne von Billa):

Die laut Kronen Zeitung „lächerlich kleine Umwandlung von Lagerräumen“ ist in Wahrheit übrigens eine Erweiterung um satte 11.300 m², knapp ein Drittel der derzeitigen Verkaufsfläche und fast so viel wie die letzte Erweiterung „Europark II“ mit 12.250 m².

Freche Reporter könnten da den Spar-Chef ja mal fragen, wie er es heute mit seinen Beteuerungen von 2005 hält:

Es ist kein Ziel, immer wieder auszubauen, sonst wird es eine Gstätten und ein kommerzieller Misserfolg. Wir wissen, wann es genug ist.
(Spar-Chef Gerhard Drexel, Salzburger Nachrichten 25.01.2005)

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10. April — „Verhöhnung von Joblosen“

Die Kronen Zeitung bemüht sich um eine Versachlichung der komplexen Debatte. Immerhin hätte sie auch schreiben können: „Wer gegen den Europark ist, quält auch kleine Hundebabys.“ Außerdem verstärkt sie ihre Kampagne gegen die Autoren der Studie, die dem Ausbaustopp mit zugrunde lag:

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15. April — Das Wunder von Salzburg

Die Landesregierung hält geschlossen dem monatelangen medialen Dauerfeuer stand. Die Dreierkoalition aus ÖVP, Grünen und Team Stronach lehnt sechs große Erweiterungen von Einkaufsflächen endgültig ab. Für die erfolgsverwöhnte „Krone“ steht sprichwörtlich die Welt Kopf:

 

Über ihr Krone-versum hat sie aber noch Kontrolle und so kommen auf drei Seiten Bericht im Blattinneren ausschließlich empörte Gegner dieser „willkürlichen“ Entscheidung zu Wort:

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16. April – Jetzt erst recht

Die Politik hat entschieden, aber es ist noch lange nicht vorbei:

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In ihrem Kommentar sieht sich die „Krone“ in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit Spar:

„Erfolg ist ja das Letzte, das einem in Österreich verziehen wird“, meinte ich bei unserer „Krone“-Gala im Hangar 7.

Und wer hielt bei besagter Gala vor fünf Monaten freundlich die Jubiläumsausgabe der Salzburger Kronen Zeitung in die Kamera? Richtig, der Vorstandsvorsitzende des Milliardenkonzerns Spar „und Gattin Andrea“:

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Alles eine große Familie.

 

17. April – Die Kampagne gegen die Studie geht weiter

Am 14. April zeigte sich Spar in einer großen Presseaussendung über Gefälligkeitsjournalismus „über Gefälligkeitsgutachten schockiert“. Drei Tage später stehen die Kerninhalte der Spar-Aussendung auf dem „Krone“-Titelblatt samt doppelseitiger „Aufdecker-Story“. Ergänzt um eigene Recherchen, die sensationell enthüllen, dass die Studienautoren nicht zum ersten Mal ein Shoppingcenter kritisch beurteilt haben:

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Der Erfinder der amerikanischen Shopping-Mall, wie wir sie kennen, war übrigens ein Österreicher. Der in die USA emigrierte Victor Gruen meinte zu dem Thema:

„Ich werde immer wieder der Vater der Shopping Mall genannt. Ich möchte die Gelegenheit nützen, diese Vaterschaft zurückzuweisen. Ich weigere mich, Alimente für diese Bastardprojekte zu zahlen. Sie haben unsere Städte zerstört.“

 

18. April — Die Opposition wird eingespannt

Die „Krone“ hat einen Oppositionspolitiker in den Europark geleitet begleitet, um die Expansions-Argumente der Spar-Presseabteilung noch einmal in Zeitungsform zu gießen. Darunter glänzt ein Interview des Spar-Chefs mit investigativen Fragestellungen:

Herr Dr. Drexel, was stört Sie am meisten? […] Braucht der Europark die Erweiterung wirklich so dringend? […] Wie geht es jetzt weiter?

Und die Chefredaktion beklagt den politischen Einfluss eines „Papierls“ — sie meint nicht ihr eigenes.

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19. April — Diktat der Konzerne

Das ist eigentlich eine „Krone“-Schlagzeile zu TTIP — aber die muss einfach hier rein:

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Eine Seite nach ihrem „Nein zum Diktat der Konzerne“ schreibt die „Krone“:

[Erweiterungsgegner] möchte[n] das Rad der Zeit zurück drehen und die wirtschaftliche Entwicklung in Salzburg wie im Kommunismus regeln. […] Die rapide Entwicklung von Einkaufszentren kann nicht als Flächenwahn bezeichnet werden. Und der Europark des […] SPAR-Konzerns zeigt es vor wie Umwelt-Anliegen erfüllt werden […] Lasst den Europark und das Outlet ausbauen!

2015-04-19_Krone_Sbg_S1_Europark_Wirtschaftsstopp_war_grosser_Fehler 2015-04-19_Krone_Sbg_S20_rad_der_zeit_lasst_europark_ausbauen_HPH

 

Auf den Folgeseiten schalten dann sowohl die Grünen als auch Spar teure ganzseitige Inserate, um ihre Sicht darzulegen:

2015-04-19_Krone_Sbg_S23_Inserat_Gruene 2015-04-20_Krone_Sbg_S25_Inserat_Europark

Man kann’s auch so sehen: Die „Krone“ gewinnt immer.

 

Ausblick

Die Schlacht wird wohl weitergehen. Aufgabe der Medien wäre es jedoch, sachlich und frei von Eigeninteresse zu berichten. Den demokratischen Prozess zu unterstützen, indem sie den Beteiligten ein faires, öffentliches Forum bieten, zu dem der Zugang nicht über die Anzeigenabteilung erfolgt.

Die Realität sieht nicht nur in Salzburg anders aus. So haben im Februar deutsche Konzerne (!) eine Initiative gestartet, um die beängstigende Einflussnahme, die ihnen Medien erlauben, freiwillig zu beschränken. Der Vorsitzende dazu:

Unternehmen können heute in einem Ausmaß redaktionelle Berichterstattung kaufen, wie das früher völlig undenkbar war. Und sie machen davon Gebrauch.

 

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Eine Frau verliert ihren Sohn. Sie geht wenig später zu einem Krippenspiel in die Schule ihres Enkels und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Die „Kronen Zeitung“ macht daraus diesen menschenunwürdigen Artikel:

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Eine „tobsüchtige Türkin“ habe mit wildem Geheule das Krippenspiel einer christlichen Schulklasse gestört. Ihre Tochter und ihr Mann sollen sogar noch „in das Geheule“ eingestimmt haben. Erst „hünenhafte“ Polizisten mit „gezückten Pfeffersprays“ konnten „das Trio“ wieder unter Kontrolle bringen.

Ein Brief (Volltext) der Schuldirektorin an die Eltern, den diese uns gegenüber telefonisch bestätigte, lässt die ganze Sache in einem anderen Licht erscheinen: Der Vater eines der Schüler war vor wenigen Wochen bei einem Unfall gestorben. Die Großmutter des Schulkindes, also die Mutter des kürzlich Verstorbenen, besuchte an jenem Abend das Krippenspiel. Die trauernde Frau habe die Klasse in einem Moment betreten, in dem eine Lehrerin kollabierte. Das habe bei der Frau einen Schock ausgelöst. Sie habe einen Nervenzusammenbruch erlitten, die Rettung brachte sie ins Krankenhaus.

Aus dem Brief:
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Die Frau „platzte“ nicht in die Vorbereitungen des besinnlichen Krippenspiel: Sie war schlichtweg eingeladen – wie alle anderen Eltern und Großeltern auch. Warum die Frau einen Nervenzusammenbruch hatte, erwähnt die „Krone“ mit keinem Wort.

Der Artikel der „Krone“ blendet den Kontext aus und beleuchtet ausschließlich den Vorfall des Zusammenbruchs. So völlig losgelöst und verdreht mutet die Szene merkwürdig an. „Aber jederzeit wäre es möglich gewesen, Unklarheiten über die Direktion zu klären“, wird im Brief betont – diese Bemühungen wurden offensichtlich nicht unternommen:

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Stattdessen trägt der Artikel beliebig Elemente – von Schleier über wildes Geheul bis zur rettenden Rolle einer „hünenhaften“ Polizei – zusammen, die auf Kosten einer trauernden Familie und einer Schulgemeinschaft ein Feindbild befeuern.

Update:

Scheinbar exklusiv verkündet die Kronen-Zeitung am Titelblatt, was allen anderen entgangen ist: einen „dramatischen Anstieg der Raubüberfälle“ und „alarmierende Zahlen“. Die Wahrheit sieht allerdings anders aus. Und woher die Krone ihre Zahlen hat, weiß nicht einmal die Polizei.

Das Kleinformat bezieht sich im Blattinneren auf den etwas ungewöhnlich Zeitraum zwischen September 2012 und März 2013. Im Artikel räumt man ein, dass österreichweit die Zahl der Raubüberfälle zurückging. „Weniger beruhigend“ sei jedoch der genaue Blick auf die Statistik:

Um auf „700 Prozent Anstieg“ zu kommen, leistet sich die Krone einen besonderen Kunstgriff: Von weit über tausend Raubüberfällen in Österreich wird just eine Auswahl genommen, wo im Vorjahreszeitraum genau ein einziger Überfall verzeichnet wurde, nämlich Trafiken in Niederösterreich. Ausgehend von diesem einen Fall löst jede weitere Anzeige natürlich eine prozentuelle Explosion aus. Der Anstieg auf acht Überfälle gleicht dann den atemberaubenden 700 Prozent. Übrigens: 2009 erwischte es zwölf Trafiken in Niederösterreich (siehe pdf, S. 156).

Dasselbe gilt auch für andere Zahlen der Krone, etwa Raubüberfällen in Wohnungen. Besonders in Wien ein angeblich dramatisches Problem:

Obwohl die Gesamtzahl an Rauben in Wien gesunken ist, schlugen Täter in Wohnungen und Häuser 21-mal öfter zu als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

21-mal öfter? Also ein Plus von 2.100 Prozent? Nein, natürlich nicht. Die Krone meint einen Anstieg von 45 auf 66 Anzeigen, ein Plus von 21. Im Jahr 2011 waren es 92 (pdf, S. 240).

Fraglich ist aber auch, wie sinnvoll es ist, Bundesländer einzeln zu betrachten. Räuber, die in einem Bundesland kein günstiges Ziel finden, gehen womöglich schlicht in ein anderes. Daher lohnt es sich, landesweite Zahlen heranzuziehen. Ein „dramatischer Anstieg“ sieht anders aus.


Zwei Dinge kann man hingegen mit Sicherheit sagen: 1. Raubüberfälle wird es weiterhin geben. 2. In Summe wurden sie in den letzten Jahren weniger:



(Achtung: 2012 ist noch ohne Bundesländer. Details siehe Auswahlmenü)

Die hier verglichenen Zahlen hinken allerdings. Die Krone bezieht sich auf Halbjahreswerte (September bis März), ich verwende die öffentlich zugänglichen Ganzjahresdaten aus den Kriminalberichten*. Es gibt in Österreich nur eine Stelle, die aus erster Hand Auskunft über die Zahl der Raubüberfälle geben kann – und zwar die Polizei. Was sagen also die Gesetzeshüter dazu?

„Zu den Zahlen in der Kronenzeitung gibt das Bundeskriminalamt keine Stellungnahme ab- diese sind nicht nachvollziehbar und stammen nicht von offizieller Seite„, so Pressesprecher Mario Hejl auf Nachfrage. Thomas Keiblinger von der Landesdirektion Wien ergänzt: „Aussagen zu Zahlen von 2013 sind nicht seriös. Diese Zahlen liegen noch gar nicht vor.“

* Zusatz

Der Kriminalbericht für 2012 ist zwar schon fertig, aber noch nicht öffentlich. Auf mehrfache Anfrage verweigerte die Polzei ohne Begründung die Einsicht in das Dokument. Lediglich die im Artikel verwendeten Zahlen für 2012 gab man freundlicherweise aus dem Bericht bekannt. Eine Kollegin, die dieses Thema ebenfalls bearbeiten wollte, hatte weniger Glück. Sie bekam gar keine Zahlen. Wem diese Gutsherrenart fragwürdig vorkommt, der möge hier unterschrieben