Die größte Tageszeitung des Landes verkündete am Dienstag einen scheinbaren Skandal: EU-Millionen würden „versickern“; Österreichische Organisationen „ohne Kontrolle“ kassieren.
Die Liste, die im Blattinneren auszugsweise gezeigt wird (zur Gänze bekommt man sie allerdings nur mit Abo), habe die Krone „aufgedeckt“, schreibt sie. Das klingt nach einem journalistischen Coup. Immerhin behauptet die Krone auch, dass die Öffentlichkeit nicht erfahren dürfe, welche Summen an welche Organisationen geflossen sind.
Aber das stimmt nicht. Welche Summen an welche Organisationen geflossen sind, kann tatsächlich jede Person mit Internetzugang binnen weniger Klicks erfahren: Im Financial Transparency System der EU kann man nach Jahren filtern, nach den Ländern, in denen Organisationen sitzen oder direkt nach dem Namen der Organisationen. Man erhält so jene Zahlen, die die Krone hier als exklusive Enthüllungen verkauft. Auf dem ebenfalls öffentlichen EU Funding & Tenders Portal gibt es außerdem Infos zu den zu liefernden Leistungen und dazu, was mit dem Geld erreicht werden soll.
So intransparent ist das Ganze also gar nicht. Und nur weil Organisationen Geld bekommen, heißt das ja noch lange nicht, dass das Geld „versickert“. Warum macht die Krone daraus also eine Titelgeschichte? Wir vermuten mehrere Gründe.
Einerseits steht die EU-Transparenz tatsächlich immer wieder in der Kritik – und die Kommission deshalb in den vergangenen Jahren auch schon öfter nachbessern musste. Das ist also auch ohne konkreten Anlass ein Dauerbrenner.
Andererseits ist es aber schon lange so, dass die Kronen Zeitung EU-Themen etwas, naja, tendenziös behandelt. Wir haben darüber auch schon öfter berichtet.
Auch im vorliegenden Artikel spricht sie von der „freigiebigen EU Kommission“ und von Ursula von der Leyens „Verein“ und sie pickt einzelne NGOs heraus, die die Kronen Zeitung anscheinend nicht besonders förderungswürdig findet – ohne zu begründen, warum.
In diesem konkreten Fall gibt es aber auch eine politische Ebene: Am 19. Juni hat die EVP zusammen mit der rechten und der rechtsextremen Fraktion im EU-Parlament eine Arbeitsgruppe im Haushaltskontrollausschuss gegründet, um NGO-Förderungen zu prüfen. Von ihnen stammt auch der Vorwurf, den hier die Krone erhebt: dass nämlich NGOs zu willkürlich und zu viel Geld ausgeschüttet bekämen.
Aus diesen Kreisen dürfte die Krone auch die scheinbar exklusiven – aber eigentlich frei verfügbaren – Informationen erhalten haben. Zumindest führt die Krone als einzige Quelle den freiheitlichen EU-Abgeordneten Roman Haider an. Die Krone schreibt auch, dass die Verträge jetzt „gefilzt“ werden sollen. Das stimmt zwar insofern, als die Arbeitsgruppe jetzt sechs Monate Zeit hat, sich die Verträge anzusehen und daraus Änderungsvorschläge abzuleiten. Ob tatsächlich Missstände nachweisbar sind, ob also wirklich Geld versickert ist, bleibt aber abzuwarten. Wenn ja, dann hätte die Krone hier einen guten journalistischen Instinkt bewiesen. Wenn aber nicht, dann wäre die Aufregung am Ende nur plumpe, politische Stimmungsmache.
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