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„Asylrekord“: Krone leidet unter Gedächtnisverlust

Die Kronen-Zeitung leidet offenbar unter akutem Gedächtnisverlust. Anders kann man die aktuelle Titelseite kaum erklären. Einen „starken Anstieg der Flüchtlingszahlen“ gibt es heuer nämlich ebenso wenig wie „Rekordzahlen“.

Krone-Titelseite vom 3. August 2014, Foto von @the_boomerang

Krone-Titelseite vom 3. August 2014, Foto von @the_boomerang

Das Argument der Krone sind die Flüchtlingszahlen vom Juli. 2142 Menschen haben letzten Monat in Österreich Asyl beantragt. Laut Krone sind das besonders viele.

 

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Immerhin steht“Rekordzahl“ unter Anführungszeichen. Eigentlich ist es aber schlicht keine Rekordzahl. Hier die Asylanträge im Juli seit 2001:



Wie man sieht: 2001, 2002 und 2003 gab es im Juli deutlich mehr Asylanträge als heuer. Oder anders gesagt: 2002 gab es im Juli um 76 Prozent mehr Asylanträge als heuer. Heuer gab es zwar einen Anstieg. Von einem Rekord kann aber keine Rede sein. Schon gar nicht, wenn man an echte Flüchtlingswellen wie während des Jugoslawienkrieges denkt, mit denen Österreich fertig geworden ist.

Es macht allerdings vermutlich nicht viel Sinn, ausschließlich die Asylzahlen einzelner Monate zu vergleichen. Flüchtlinge kommen ja über das ganze Jahr. Wie sieht es also im Jahresvergleich aus? Haben wir heuer einen „Rekord“? Oder zumindest einen „starken Anstieg“? Nein, haben wir nicht.



Heuer hatten wir seit Jahresbeginn ganze fünf Prozent mehr Asylanträge als im Vorjahr. In absoluten Zahlen macht das ein Plus von 495 Anträgen. Damit sollte eines der reichsten Länder der Welt gerade noch zurechtkommen. Der Boulevard aber offenbar nicht.

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11 Kommentar(e)

Matthias - Am 03. August 2014 um 16:46

Guter Artikel. Weit schlimmer als die Zahlenakrobatik ist noch die suggerierte Kausalität „darum hat Österreich Probleme“.

I got 99 problems and a flüchtling ain’t one.

rudi - Am 03. August 2014 um 20:39

Liebes Kobuk,

ihr macht ja auch nichts anders als die Krone und sucht euch einen Zeitraum aus, der sich besonders gut für euer Argument macht.
Wenn man die 90er dazu nimmt sieht es dann gleich wieder ganz anders aus.

Das „Darum hat Österreich Probleme“ halte ich für auch weit problematischer.

Yilmaz Gülüm
Yilmaz Gülüm (Autor) - Am 03. August 2014 um 20:55

Hallo Rudi,
es gibt eine sehr einfache Erklärung, warum ich „nur“ 2001-2014 in die Grafik gepackt habe: Noch mehr Zahlen sind auf der Seite des BMI nicht verfügbar. Siehe: https://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/start.aspx
Im Übrigen kann ich mir nur schwer vorstellen, dass die Asylzahlen in den 1990er Jahren (Stichwort: Jugoslawienkrieg) total niedrig waren. Wenn es hierzu aber seriöse Quellen gibt – aufgeteilt nach Monaten: Immer her damit!

Franz - Am 04. August 2014 um 14:42

„Eine seit Jahren nicht da gewesen Rekordzahl.“ Diese Phrase steht in keinem Widerspruch zu eurer Statistik. Immerhin höchste Zahl seit elf (wenn man den Juni betrachtet), bzw. neun (wenn man die Ganzjahresstatistik hernimmt) Jahren.

Erwin - Am 05. August 2014 um 17:11

@Franz:
Das beweist wiederum, dass die Kronenzeitung sehr genau überlegt, was sie macht. Hätte sie geschrieben „Eine nie dagewesene Rekordzahl“, wäre es eine glatte Lüge gewesen, und man hätte dagegen vorgehen können. So ist es aber Hetze mit Methode.

Rudi - Am 05. August 2014 um 19:27

Nach harter Recherche (3 Minuten Google) kann ich eine BMI-Quelle bis Mitte 90er nachreichen:
https://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Service/Aus_dem_Inneren/Fremdenwesen.pdf (Inhaltsverzeichnis liefert gleich auch die passende Seite). Mit etwas mehr Mühe gibt es sicher auch mehr Daten direkt vom BMI.

Der Datenausschnitt ist da aber auch sehr „zufällig“ gesetzt und steigt erst bei niedrigen Zahlen ein.
Der Jugoslawienkrieg hatte wohl einen Peak 91/92 ergeben, die Anzahl ging danach recht rasch runter.

Yilmaz Gülüm
Yilmaz Gülüm (Autor) - Am 07. August 2014 um 11:47

Lieber Rudi,
du musst wohl noch etwas härter recherchieren. Wie du als aufmerksamer Leser sicher gemerkt hast, geht es in diesem Text um die monatlichen Asylanträge. In deinem Dokument stehen hingegen Jahreszahlen – grundsätzlich interessant, für diesen Fall aber nutzlos.
Davon mal abgesehen: Was erhoffst du dir eigentlich durch einen längeren Daten-Zeitraum? Die vorhandenen Daten belegen, dass vor nicht all zu langer Zeit die Asylanträge deutlich höher waren als heute. Damit ist die Sache doch schon klar.

Lino - Am 10. August 2014 um 12:04

Die Überschrift schrammt schon sehr stark an meinem Rechtsempfinden. Geht sowas als nationale Zeitung?

Danke für den Artikel Herr Gülüm und noch eine Frage:
Warum Halbjahreszahlen in der zweiten Grafik? -Verfügbarkeit? Aus dem Text ist kein Grund für die Einschränkung ersichtlich und dadurch fühlt es sich dann doch etwas willkürlich an.

Yilmaz Gülüm
Yilmaz Gülüm (Autor) - Am 10. August 2014 um 14:08

Hallo Lino,
die Krone argumentiert den „starken Anstieg“ u.a. mit dem Anstieg von Juni auf Juli. Das stimmt zwar, mein Gegenargument ist jedoch, dass man auch Jahreszahlen vergleichen sollte. Flüchtlinge kommen ja das ganze Jahr über. Daher Jänner bis Juli seit 2001 (ältere Daten sind nicht verfügbar) um zu zeigen, dass wir im Jahresschnitt vor keiner außergewöhnlichen Situation stehen.

Warum hat Österreich Probleme? Und was hat das mit mir zu tun? | echtlinks - Am 12. August 2014 um 16:44

[…] Kritische Weblogs wie z.B. KOBUK haben darüber bereits berichtet: “Asylrekord”: Krone leidet unter Gedächtnisverlust. […]

Rudi - Am 12. August 2014 um 20:05

„Was erhoffst du dir eigentlich durch einen längeren Daten-Zeitraum“
Meine Hoffnung ist, das Kobuk mal mehr Wert auf journalistisches Handwerk und weniger auf politische Inhalte legt.

Die Interpretation ob man dieses Jahr im Monat X eine besonders hohe Anzahl an Anträgen hat ist schlicht eine Frage des ausgesuchten Betrachtungszeitraums.
Die Feststellung der Krone ist „eine seit Jahren nicht dagewesene Zahl“ ist für Juli z.B. ja selbst für den Betrachtungszeitraum 2004-2014 korrekt. Ihr setzt einen anderen Startpunkt in der Betrachtung, und das Ergebnis ist dementsprechend anders.

Der Aufmacher „Darum hat Österreich Probleme“ ist schon weit problematischer.

Kurz zusammengefasst: Von einem Medienwatchblog erwarte ich mir mehr Genauigkeit beim Handwerk