Unter dem Titel „So gefährlich ist ihr Bezirk“ betreibt „Österreich“ (Printausgabe vom 4. Jänner) Verunsicherung und Panikmache in großem Stil. Um einen drastischen Kriminalitätsanstieg in Wien zu belegen, werden die Zahlen des Sicherheitsmonitors herangezogen – einer Statistik, die eigentlich etwas anderes aussagt.
Beim Sicherheitsmonitor handelt es sich um ein internes Analyseinstrument der Polizei, das Erstverdachtsfälle dokumentiert. Die Kriminalstatistik dagegen zeigt die tatsächlichen Delikte, also die Anzeigen der Polizei an die Gerichte. Der Erstverdacht kann von den Ermittlungsergebnissen eben auch abweichen. Bereits 2008 warnte das Bundeskriminalamt vor der Gefahr von Falschmeldungen und Fehlinterpretationen des Sicherheitsmonitors.
Im „Österreich“-Artikel stützt man sich allerdings auf die Zahlen ebendieses Sicherheitsmonitors. Das Blatt gibt für jeden Bezirk hohe Zuwachsraten an (siehe Artikel, roter Kasten). Laut „Österreich“ ergibt das einen durchschnittlichen Anstieg der Kriminalität um 4,3 Prozent für ganz Wien. Die echte Kriminalstatistik 2012 (PDF) zeigt ein anderes Bild. Sie bestätigt zwar eine Zunahme der Delikte in Wien, allerdings nur um 1,1 Prozent im Vergleich zum Jahr davor.
Dem zugehörigen Pressegespräch zur Kriminalstatistik kann man entnehmen, dass der geringe Anstieg 2012 auf der Erfassung neuer Kriminalitätsformen, vor allem im Bereich der Internetkriminalität beruhe. Das widerspricht schon mal dem konstruierten Bedrohungszenario der „Österreich“-Berichterstattung.
Nach Auskunft der Bundespolizeidirektion stimmt auch der angegebene Zeitraum nicht, da sich des Zahlen des Sicherheitsmonitors auf den Zeitraum April bis September beziehen und nicht wie im Artikel angeführt auf den Zeitraum April bis November.
Aber damit noch nicht genug, dürfte es sich auch noch um die falschen Zuwachszahlen handeln, was sich schwerer belegen lässt, da die Zahlen des Sicherheitsmonitors nicht öffentlich zugänglich sind. Im Gespräch mit der Pressestelle der Bundespolizeidirektion wurde ich aber darauf hingewiesen, dass es sich bei den im Artikel angegebenen Zuwachsraten vermutlich um den prozentuellen Anteil der einzelnen Bezirke an der Gesamtkriminalität Wiens handelt:
Addiert man nämlich die einzelnen Prozentzahlen der Bezirke (Artikel, roter Kasten) ergibt das in Summe 99,8 Prozent. Nimmt man einen Rundungsfehler von 0,2 Prozent an, der sich bei nur einer Dezimalstelle ergeben kann, dann ist man bei 100 Prozent Gesamtkriminalität.
Falsche Statistik, falscher Zeitraum und (wahrscheinlich) auch noch die falsche Spalte erwischt – so kann es gehen, wenn man verzweifelt eine Kriminalitätsexplosion heraufbeschwören möchte.
7 Kommentar(e)
Sogar sicher die falsche Spalte, es wäre ein höchstunwahrscheinlicher Zufall, dass die Steigerung das selbe Ausmaß hätte wie der Anteil an der Gesamtmenge! 😀
Ja! Stimmt schon, bin derselben meinung. Allerdings kommt man wie gesagt an die Zahlen des Crimemonitors nicht ran…
Die Spalte mit den Prozentzahlen ist nicht nur vielleicht, sondern 100%ig die falsche Spalte. Es kann schlicht nicht Zufall sein, dass die Anstiegsraten exakt übereinstimmen mit den Anteilen der jeweiligen Bezirke, denn für 115Verbrechen mehr im Bezirk gab es genau 0,1% mehr Anstieg – so eine Korrelation kommt höchstens in feuchten Mathematikerträumen vor.
Hauptsache Angst machen. Arschlöcher.
Danke fürs Aufdecken!
Und Angst wird auch geschürt, wenn sämtliche Deliktarten in einen Topf geworfen werden. Dass es in Wien zu wenig Polizei gibt, ist leider wahr. Dass sich darüber ausgerechnet die FPÖ echauffiert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Die Nummer mit der wahrheitswidrigen Behauptung über »steigende Kriminalitätszahlen« ziehen die zuverlässig Jahr für Jahr aufs neue ab. Es fällt nicht leicht, dahinter keine unlautere Absicht zu vermuten.
(Link)
Die Zahlen im Österreich sind wie auch sonst fast alles in dem Blatt ein Unsinn. Wenn man aber so auf Recherche als Grundlage pocht, sollte man sich mal ansehen warum die Statistik in den letzten Jahren insgesamt so gut war.
Die PKS ist leider eine politische Kampfzone, (Stichwort „fortgesetzte Tathandlung“), viele Änderungen in den letzten Jahren machen die einzelnen Jahreszahlen kaum vergleichbar. Ohne Segmentierung macht die Aussauge „rauf/runter“ sowieso keinen Sinn.