Wir recherchieren nach,
damit ihr nicht müsst.

Hilf uns: Nur noch 16 Tage!

  • 372/1.000 Mitglieder

Darum kampagnisieren die Gratismedien gegen Medienminister Babler

Die Bundesregierung kürzt die Inserate. Die Gratiszeitungen Heute und Oe24 trifft das ganz besonders. Dass Medienminister Babler nun auch „Qualitätskriterien“ bei der Fördervergabe verankern will, macht ihn dort erst recht zum Buhmann.

Collage aus mehreren Schlagzeilen österreichischer Medien, die den Medienminister Andreas Babler kritisieren. Links Artikel aus Heute und Kronen Zeitung mit Titeln wie „Wie sich Medienminister bei Medien blamiert“ und „Babler schiebt Medien weiter auf lange Bank“. Daneben oe24 und Heute.at mit Schlagzeilen wie „Regierung zahlt 14 Mio. an Fake News“ und „Brutal-Kürzung bei Medien, aber 14 Mio. € an Insta & Co“. Ganz unten eine weitere oe24-Schlagzeile: „Regierung ruiniert Österreichs Medien“. Rechts unten das Logo von Kobuk!.

„Regierung ruiniert Österreichs Medien“, „Mega-Skandal: Regierung zahlt 14 Mio. an Fake-News“, Wie sich Medienminister bei Medien blamiert“ – in den Gratiszeitungen Heute und Oe24 hat man sich vergangene Woche besonders an Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler abgearbeitet.

Während ihn Oe24 „höchstpersönlich zum Totengräber der heimischen Medien-Szene“ macht, attestiert Heute einen medienpolitischen „Babler-Blindflug“ – und wirft ihm sowohl „Speed kills“-Taktiken als auch ein „auf die lange Bank schieben“ vor.

Die Medienbranche steckt in einer Krise – und bei den beiden Gratiszeitungen hat man den Schuldigen bereits gefunden. Dabei nimmt man es mit Zahlen, Daten und Fakten nicht immer ganz so genau.

Regierung gibt keine „14 Millionen an Fake-News“ aus

„Jetzt muss ÖSTERREICH leider den nächsten Medien-Skandal von Babler & Co aufdecken“, schreibt Oe24 am 22. Oktober. Leider, leider ist es laut dem Gratisblatt nämlich so: „Regierung zahlt 14 Mio. an Fake-News“.

Dass Oe24 diesen „Mega-Skandal“ nicht aufgedeckt, sondern offenbar von der zweiten, reichweitenstärkeren Gratiszeitung Heute abgeschrieben hat, sehen wir dem Fellner-Blatt einmal nach. Dass sie äußerst schlampig abgeschrieben hat, allerdings nicht. Die Zahl ist nämlich völlig falsch.

Screenshot eines Artikels von oe24 mit der Schlagzeile „Mega-Skandal: Regierung zahlt 14 Mio. an Fake-News“. Darüber liegt ein breiter roter Balken mit der Aufschrift „FALSCH!“ in weißen Großbuchstaben. Unten rechts steht das Logo von „Kobuk!“. Der Beitrag kennzeichnet den dargestellten Artikel als Falschinformation.

„Das ist unfassbar: Mit 14 Millionen Euro im ersten Halbjahr (insgesamt heuer also wohl an die 30 Millionen) finanziert die Babler/Stocker-Regierung ausländische Fake-News-Seiten“, heißt es bei Oe24. Mit den „Fake-News-Seiten“ sind die Social-Media-Riesen Instagram, Youtube und Co. gemeint.

Schon Heute suggeriert, dass die Regierung im ersten Halbjahr 2025 um ebenjene 14 Millionen Euro auf Social-Media-Plattformen inseriert hätte. Aber sie schreibt es nicht explizit. Weit entfernt von der Headline stellt sich heraus: 14 Millionen Euro sind die Gesamtausgaben aller „öffentlichen Stellen“.

Die 14 Millionen Euro flossen also nicht alleine von der Regierung an Meta, Google und Tiktok – sondern insgesamt von allen öffentlichen Stellen, die ihre Werbeausgaben offenlegen müssen. Dazu gehören auch Länder, Gemeinden und öffentliche Unternehmen. Also zum Beispiel die Österreichische Post, die Oberösterreich Touristik GmbH oder die AgrarMarkt Austria (AMA) – mit zusammen über 2 Millionen Euro Werbeausgaben in sozialen Medien die drei größten Player. Insgesamt kommen wir mit unseren Berechnungen so sogar auf 15 Millionen.

Sieht man sich nur die Werbeausgaben von Bundeskanzleramt und Bundesministerien an, liegt der Wert hingegen bei 194.496 Euro. Zum Vergleich: Alleine an Heute und Heute.at floss von diesen Stellen im ersten Halbjahr 2025 ein ähnlich hoher Betrag (196.092 Euro), an die Oe24-Gruppe immerhin noch 118.201 Euro. 

Indem Oe24 und Heute die Zahlen aufblasen, verstärken sie ein Narrativ: Statt den heimischen Medien, die Arbeitsplätze sichern und Steuern zahlen, fließt unser Geld an die bösen Tech-Plattformen. Daran ist auch sicherlich etwas dran. Warum die Gratisblätter deshalb gleich so tief in die Datenbank-Trickkiste greifen, könnte aber besonders an zwei Entwicklungen liegen.

1. Sinkende Regierungsinserate

Seit dem Amtsantritt der neuen Regierung wird gespart. Nicht nur bei Pensionen und Beamtengehältern, sondern auch massiv bei den Regierungsinseraten. Dort wurde mit insgesamt 3,2 Millionen Euro um etwa 80 Prozent weniger ausgegeben als im Vorjahr.

Das hat alle österreichischen Medien quer durch die Bank getroffen. Als Gratiszeitungen leiden Oe24 und Heute allerdings besonders darunter. Sie verkaufen nämlich keine Abos (Anmerkung: „Österreich“ gibt es auch als Kaufzeitung; das ist eine etwas dickere Ausgabe der Gratiszeitung) und sind damit zu einem viel größeren Teil auf Förderungen und Inserate der öffentlichen Hand angewiesen.

Als Gratiszeitungen haben sie hohe Reichweiten – genau das macht sie für private Inseratenkunden attraktiv; darauf basiert ihr Geschäftsmodell. Doch die Kund:innen wandern immer mehr in digitale Kanäle ab. Dadurch steigt die Abhängigkeit von der öffentlichen Hand. Im Jahr 2020 kam bereits mehr als ein Drittel der Anzeigenerlöse in den Gratiszeitungen aus öffentlichen Quellen.

Das Ministerium von Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler hat bisher besonders wenig in Printzeitungen inseriert – und zwar nur 2.500 Euro, die gänzlich an das Echo Medienhaus flossen, das bis 2017 in SPÖ-Besitz war.

Vermutlich deshalb ist Babler für Oe24 „höchstpersönlich“ Schuld an den Problemen in der Medienbranche.

Oe24-Chefredakteur, -Geschäftsführer und -Mehrheitseigentümer Niki Fellner bleibe jedenfalls „Optimist“, heißt es darin. Er hoffe, „dass diese Regierung endlich die Wichtigkeit des Medien- und Wirtschafts-Standorts Österreich erkennt“. Also: Wieder fleißig inseriert.

2. Drohende Reform für Qualitätsjournalismus

Auch für das Blatt von Eva Dichand ist Babler nun der Buhmann. „Wie sich Medienminister bei Medien blamiert“ titelt Heute am 22. Oktober auf Seite 4. Die Wortwahl ist angriffig und zugespitzt, um einen Kommentar handelt es sich aber nicht – zumindest ist er nicht als solcher gekennzeichnet. Online zeichnet lediglich der „Newsdesk“ für den Inhalt verantwortlich.

Kritisiert wird darin nicht nur der neue SPÖ-Parteisender SPÖ1, sondern auch ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien, um die bestehenden Medienförderungen zu evaluieren – „heimlich, still und leise“ sei das passiert, so Heute. Laut dem Antrag soll vor allem der Qualitätsjournalismus gefördert werden.

Auch die Unterstützung für „Medienunternehmen und Medien-Start-ups“ stößt dem oder der unbekannten Heute-Autor:in sauer auf: es sei ja schon „für die etablierten Häuser kaum noch Markt vorhanden“. Der Antrag sei daher nichts weiter als Teil von „Bablers Beschäftigungstherapie“ und eine „Blamage“.

Schon 2022 brachte die damalige Medienministerin Susanne Raab „Qualitätskriterien“ für die Presseförderung ins Spiel. Heute-Herausgeberin Eva Dichand und Geschäftsführer Wolfgang Jansky meinten dazu damals: „Wie aus der Zeit gefallen wirken ’sogenannte Qualitätskriterien‘ wie Mitgliedschaft in Presseclubs und Korrespondenten-Netze: ‚Damit würde die Regierung die Realität und Arbeitsweise moderner Medienhäuser völlig ausblenden. Ein Rückschritt in die 80er-Jahre‘.“ Man sah in den Plänen eine „Bestrafung erfolgreicher Medien“.

Von Raabs Plänen blieb schließlich eine neue „Qualitätsjournalismus-Förderung“ übrig, die aber nur so heißt. Qualität gilt darin lediglich als optionales Kriterium.

Dass sowohl Heute als auch Oe24 keine besondere Freude mit einer Verknüpfung der Förderungsgelder an „Qualitätskriterien“ haben, zeigt ihr Umgang mit dem Presserat. Das unabhängige Selbstkontrollorgan kontrolliert die Einhaltung des Ehrenkodex für die österreichische Presse – ein Minimalstandard für ethische Grundprinzipien im Journalismus.

Die Fellners traten dem Presserat erst 2017 bei – just zu der Zeit, als der damalige Medienminister Thomas Drozda, so wie später Susanne Raab, eine Bonus-Förderung für Medien, die den Presserat anerkennen, plante. Kurz zuvor klagte Oe24 den Presserat noch wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung, weil dieser öffentlich auf Ethikverstöße auch von Nicht-Mitgliedern hinweist.

Oe24 gehört zusammen mit der Kronen Zeitung (bis heute kein Presserats-Mitglied) zu den am meisten gerügten Zeitungen. Seit Jahren geht es in den Rügen immer wieder um den verletzten Persönlichkeitsschutz oder die Veröffentlichung gewaltvoller Videos. Oe24 ist Wiederholungstäter, wirklich daraus lernen will man offenbar nicht.

Heute trat dem Presserat überhaupt erst 2021 bei. Der damalige Chefredakteur Christian Nusser bezeichnete das als „logische Konsequenz unserer Qualitätsoffensive“. Für seinen Nachfolger Clemens Oistric dürfte diese Offensive vorbei sein. Anlässlich einer Meldung, die beim Presserat einging, beschreibt Oistric das Selbstkontrollorgan am 10. Oktober als „Zensurverein“; die Journalist:innen, die dort in Senaten arbeiten, etwas despektierlich als „Tugendwächter“. Der letzte Satz seines Kommentars verrät, wovor er sich fürchtet: „Spannend zu sehen wird dann auch, wer dem Verein im Parlament möglicherweise zu neuer Relevanz verhilft…“

Das große Ganze

Wir haben schon in unseren Recherchen „So viel öffentliches Geld bekamen Medien 2023“ und „So viel öffentliches Geld bekamen Medien 2022“ gezeigt, wie wichtig öffentliche Gelder für das Überleben von Medien mittlerweile sind. Im Jahr 2024 hat sich das Fördervolumen dank der Einführung der Qualitätsjournalismus-Förderung sogar mehr als verdoppelt. (Die vollständige Nachlese veröffentlichen wir in Kürze exklusiv auf www.kobuk.at)

Außerdem haben wir schon öfters dokumentiert, dass Regierungsinserate anscheinend wie eine Art Schutzgeld bezahlt werden: Wer brav inseriert, über den wird tendenziell freundlich berichtet – und umgekehrt, wie wir etwa anhand von Kampagnen gegen Ulli Sima und Leonore Gewessler dokumentiert haben.

Diese Abhängigkeit ist also höchst problematisch. Aber sie macht es auch nachvollziehbar, warum der Boulevard nervös wird, wenn die Politik ihre Förderstrategie neu evaluieren will.

Und doch ist es ein Armutszeugnis, wenn sich diese Nervosität so wie vergangene Woche auf die Berichterstattung schlägt: Wenn sinkende Inserate und Reformen zur Qualitätssicherung als Angriff interpretiert werden, den man redaktionell abwehren muss.


Transparenz: Kobuk profitiert gerade von einer Medien-Projektförderung der Wirtschaftsagentur Wien. Verpflichtet fühlen wir uns aber nur unseren Leser:innen. Wir suchen jetzt 1.000 Mitglieder, die unsere unabhängige Arbeit weiter möglich und echte Medienkontrolle sichtbar machen. Sei dabei: www.kobuk.at/unterstützen

In eigener Sache: Kobuk startet Mitglieder-Kampagne